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Full text of "Gesammelte Werke des Grafen August von Platen : in fünf Bänden"

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Gefammelte Werke 


— 8 
m; ; a . 
—* — 9 


des Grafen 


Auguſt von platen. 


In fünf Bänden. 


Erſter Band, 


Stuttgart und Cübingen. 
3. G. Cotta'ſcher Berlag. 
| 1853, 





Buchdruckerei ver 3. &, Gotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart. 


Inhalt. 


* 


Slaten’s Biograpbie ... . - 
Lieder und Nomangen .. . 
Balladen... . 
Solombo’'s Selft . . . ; 
XDer Bilgrim vor St. Zuft ; 
x Das Grab in Bufente 
Witte kind 


Der Top des Carus . . 2. 2.2... 
Harmofan - . - 2 2 2 2 2 2 ne 
Luca Signoreli . . . 2 2.2.0: 
Sohir . . . ee ee 
Gambacorri und Gualandi a a ee 
Nlerius 


Die Sründung Kartbage' 2 — 
Der alte Gondolier . . ; 
Klaglied Kaifer Otto des Dritten“ 


Bermifchte unb Gelegenheitsgebichte 


&@pifteln. 

An Nathan EShhlichtegroll , 

An Sofeph von Zylander . 

An G. J. — 

An Max von Gruber —V 
SEhoröbus der Kaſſandra.... 
Klofter Königefelden.. 


Seite 
V\N--LXXU 


. 1—12%6 


IV 


— Rouſſeau's Stube auf ver Fetzane 


An einen Freund..... 
Zueignung .» 
Fragmente 


+ 


‘ 


Gedichte im Geiſte der Unthofogte 


Brutus und Cat . . . 
Hero und Sappho 

Der Lorbeer . . . 
Aleranvders Grab. 

Cäfar am Rubikon 

An die Mufe rn a 
Nachleſe ver Lite . . 
Difihen . . . » 


Der Dichter und die Leſer | 


Fragment « . .. 
Daß Kraul.» 2. 
Chrifnaht - .... 
Oſterlied . » 


Auf Solgatba . .».:. i ; 


Die Antiten . ee A 
Faufts Gebet . - . 2. 2... 
Abſchied von der Sit .. . 
&lofe - . oo... 


‚An Boetbe. . » . — 


Nicht zu viel und zu viel 
Sprüche und Bilder . 

An Svetbe . ; 

An Sean Paul . . ; 
An Diverlin © . . 2. 
-&pudh. 2. 2. 2.2200. 
An Engelfarr . .... 
An die Staatsrecdhtler . . . 
Polizeimiffenihaft . . -» 


An die Baterlandseifererr . . 


Promemoria . . ——— 
Falſche Wonderſahre a 
Prolog zu ven Iyrifchen Blättern. 
Epilog zu den Iyrifchen Blättern 


+ 


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SSSSRBRS 


38 
“= 
* 


— Seite 
An die Freunde . . 2 ee 288 
Nach dem — ves Saadi et, er ER 
Bormurf . . a Be. Bee ee 
Antwort . . . EN Bra ee ed a ee > 
Zum Spiegel des bafi⸗ ee 0. 386 
Juelgnung des Spiegels des Safe I A 2 ' 
Brolog an Goethe . . . . se A ee RT 
Legende ... ee ee er Be 
3u einer Anthologie Be er a er sr et ac Na ae MS 
Zum Sehurtötage - > >: one UM 
Antennen. MD 
An Schelling . . . BE ET ee A 
Klagen eines Ramlerlaners un RE ee A 
Antwort an ven Ramlerianer -» . 2: m 2 2 281 
Abfchienslin . . . ren. a 
Ueberſchriften einer Reihe Calderon'ſcher Sganfsete ee DM 
Am Grabe Peter Ulrich Kernel’ . . . — 287 
An vie Diana des Nieſeennnn. 289 
(Zu ven Sonetten aus Venedig 261 


Ihren bochverehrteften Sönnern am Neujahrstage 1826 in tiefer 
Ehrfurcht vargebracht von der dekretirten — in 


Erlangen . . i 262 
Antwort an einen Ungenannten im Morgenblatt an er DOM 
Stuht nach Tosßeanaaa. 266 
An einen Ultra . . De A a ae 887 
Das Reiy ver Geiſter er ar En er Re, Tre ARD 
An einen deutfhen Stat . 2 on nn. 272 
Der Rubel auf Reifen . . . . ET. ee Ir ee RD: 
Chor zu einem Drama „Deleager“ Be En Te ee N Te or 
Barzenchor zu vemfelben Drama - - 2 2 2 2 nn ne a 97 


In Palermeeeennnn218 





Auguft Graf von Platen- Hallermünde. 


| j Biographie 


u en 


\ 


4 Die Aufgabe biefer geilen, bei deren Abfaffung bie Schriften 
| Blaten’s, einige feiner im Originale eingefehenen Briefe, ein 
Rekrolog in der Allgemeinen Zeitung, das bekannte Buch von 
Johannes Mindwig, ſchriftliche Mittheilungen, fo wie einige 
Journalartifel und Parteifchriften als Quelle dienten, befteht in 
einer Bermittlung des Dichters mit feinen Werken und biefer 
mit der Seit ihrer Entſtehung. Zu der Entwerfung eines 
Iterarifchen Bildes des DBerftorbenen ſchien es vorläufig ge- 
nügend, die von Ihm und Andern zerftrent gebotenen Züge aus 
feinem äußern und innern Leben zu ordnen. Es findet fich jpäter 
ohne Zweifel Gelegenheit, die Lüden und Sprünge diefer Arbeit 
aus reichhaltigerem Materiale zu ergänzen, wenn dem Willen 
des Dichters gemäß die Tagebücher, die er mit Gewiſſenhaftig⸗ 
feit führte, die Correſpondenz, bie er mit den Seinen und mit 
den ausgezeichnetſten Männern feiner Zeit unterhielt, und bie 
Sruchſtücke jener Dichtungen, deren Vollendung ihm nicht ver: 
gönnt war, der Deffentlichkeit überliefert werden bürfen. 
Auguft Graf von Platen-Hallermünde, Sohn des preußifchen 
Oberforftmeifters Philipp Grafen von Platen zu Ansbach und 
einer Freiin Eichler von Aurib, wurde am 24. Dftober 1796 zu 





x 


Ansbach geboren. Das Geſchlecht ſtammte aus Rügen, wanderte 
nah Braunfchweig-Lüneburg ein und flieg am Hofe des Kur: 
fürften Ernſt Auguſt von Hannover, zu deflen Glanz und Madi 
ein Borfahr unfers Dichters wirkſam beitrug, an Bedeutung 
und Einfluß, der, in direkter Linie wenigftens, bis auf die 
Gegenwart behauptet if. Auf den Glanz feiner Ahnen legte 
der Dichter fein großes. Gewicht, und es ſchien für feine Bahn 
beveutfamer, daß er fie zu Ansbach, wo einft Cronegk furze 
Zeit, doch nicht ohne Ruhm gedichtet Katie, und im Todesjahre 
jeines Landsmannes, des einft vielgefeierten Dichters Uz begann, 
als daß er der Sproß einer Seitenlinie eines angefehenen Geſchlech⸗ 
tes war. Seine „hoͤchſt würdigen Eltern,“ wie er fie in der verhäng> 
nißvollen Gabel (Bd. IV. ©. 88) bezeichnet, gaben ihm von feiner 
feüheften Jugend an eine trefflihe Erziehung. Die Mutter vors 
züglich übte die wohlthätigften und nachhaltigſten Einflüſſe auf das 
leichtbewegliche weiche Gemüth des Knaben und durch ihre Be⸗ 
mühungen waren, als er, zum Militärdienfte beftimmt, im Jahre 
1806 der föniglichen Cadettenichule zu München übergeben wurde, 
die Grundzüge feines Wefens bereits zum Charakter firirt. Nicht 
allein die offne Empfänglichfeit für das Ernſte und Erhabene, 
die ihn in fpätern Jahren fo fehr auszeichnete, trat ſchon das 
mals fihtli hervor, e8 war mehr als dieß; mit feſtem Willen 
ſuchte fih der Knabe in dem Kreife, dem er fih nicht ganz 
duch eigne Kraft entziehen fonnte, eine felbfiftändige Bahn zu 
fihern. Dem Willen feiner Eltern gehorfam wurde er Militär; 
aber der Soldatenftand genügte ihm nicht. Er befchloß, mit dem 
aufgedrungenen Berufe gelehrte Studien, und mehr als dilettan⸗ 
tifche, zu vereinigen, um fo ven Forderungen genug zu thun, bie 


- 


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er felhft am fich machte. Den Exrheiterungen feiner Genoſſen nit 
gerade abgeneigt, zwang er fh doch, wenn jene den Bergnüs 
gungen ſich hingaben, den ſtarken Trieb anhaltender eifriger 
Lernbegierde zu befriedigen; er zog Zimmer und Bücher ben 
Knabenfpielen vor. Sein poetifches Talent Hatte ſich fofort 
bei der erften Entfaltung mwürdige Stoffe, 3. B. Chriftina von 
Schweden erlefen. Uebrigens erregte er damals noch nicht im 
Geringiten eine Aufmerffamfeit, die mit feiner fpätern Beſtim⸗ 
mung im Sufammenhange fland. Im Jahre 1810 trat er aus 
der Cadettenſchule, die, fo trefflih fle für ihren med fein 
modhte, den Strebungen des jungen Poeten zu wenig Raum 
gönnte, in das königliche Pageninftitut hinüber, wo er, während 
der Krieg ven Belttheil erfchütterte, in freierer Muße und frieb- 
fiherer Stille die Grundlagen zu einer tiefgreifenden und um⸗ 
faffenden Bildung legen fonnte, einer Bildung, deren Fortgang 
durch die im Jahre 1814 erfolgte Ernennung des Sünglings 
zum Lieutenant im Leibregimente des Königs Marimilian wenig 
angefochten wurde. Es iſt begreiflih, daß der militäriiche Dienft 
ihm wenig zujagte, allein es blieb ihm neben dem Aufwache⸗ 
ziehen und Parademachen viel gut angewandte Muße zu Studien 
übrig. ine mehr poetifhe, aber and) den Bildungsgang gefähr- 
dende Wendung ſchien fein Geſchick beim Wiederausbruche des 
Krieges im Jahre 1815 zu nehmen; der Befehl am legten Feld⸗ 
zuge gegen Napoleon Theil zu nehmen, droßte ihn vielleicht für 
immer aus. der gewählten Bahn frieblicher Studien zu ſchleudern. 
„Der Trommel folgt! er manchen Tag;“ glüdlicherweife wurde 
es bald möglih, das unterbrohene Werk der Bildung fortzu- 
führen. Selb unter dem Waffenlärm auf feindlihem Boden 





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‚ waren bie Geſchenke der Mufen nicht ausgeblieben. Wenige Meber 
aus diefer Zeit find befannt geworben, die unkünfllerifhe Form 
berfelben veranlaßte den Dichter in der Folge, fle zu unterbrüden. 
Ein „Lied aus Frankreich,“ das im October 1815 gedichtet, in 
der Sammlung feiner Werke feine Stelle gefunden hat, möge 
als erſte Spende feines Genius hier eingerückt fein: 


Milde Fluren, milde Fluren 
Seh’ ich dort und hier; i 
Aber ach bei niemand Spuren 
Eines Sinns dafür. ; 


Trante Hütten, trante Hütten 
Sind’ ich hier und dort, 
Doch die Unfchuld alter Sitten 
Floh fett langem fort. 


Gotteshäuſer, Gotteshäuſer 
Treff' ich, goth'ſcher Pracht: 
Doch kein Frommer und kein Weiſer 
Preist drin Gottes Macht. 


Städt’ and Fleden, Städt' und Bleden 
Find' ich Hier geung: 
- Über feine Mauern deden 
Bor Berrat und Trug. 


Schöne Worte, jchöne Worte 
Hör ih um mich ber; 
Doch die Kippe fpricht die Worte 
Und das Herz iſt leer. 


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En De | 


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Suͤße Weine, füße Weine 
Beut mir manches Haus; 
Aber ach der Slafchen Feine 
Trinkſt du mit mir ans! 


Bezeichnender als dieſes trog ſcheinbarer Specialifirung ziemlich 
allgemein gehaltene Lied find die beiden Epifteln an feine Freunde 
Rattan Shlihtegroll und Joſeph von Zylander; bie 
erfte derfelben fpricht überwiegend bie Schnfuht nad Wieder 
aufnahme der Studien, die zweite ungebämpften Haß gegen Na⸗ 
poleon und vertrauensvolle Hoffnungen für die Zukunft Deutſch⸗ 
lands aus. Im Epätjahr 1815 kehrte Platen in bie Heinath 
zurüd; durch den Feldzug und den bamit verknüpften häufigen 
Wechſel des Aufenthalts fheint bei ihm jene Reiſeluſt, die ihn 
nie mehr verließ, erwacht zu fein. Namentlich von ihm bewährt 
ſich Byrons Wort, daß ber Trieb zum Reifen — außer dem 
Ehrgeize vieleicht die mädhtigfte aller Anregungen fei. Zu Fuß 
wanderte er 1816 in die Schweiz; neben Heinern hat ſich das 
hernach bebeutfam veränderte! Gedicht „Kloſter Königsfelden“ 
‚von diefer Reife erhalten. Solde Touren genügten inbeß dem 
WMWanderfinne des Dichters nicht: er fhwärmte in Liedern, bie 
er damals fchrieb, von einer Reife dur Curopa zu Land und 
See; allein er mußte fi beſchraͤnkenden Berhältniffen fügen; 
zu jenen Heinern Wanderungen beburfte er ja fogar des Ur: 
laubs; war er doch immer noch Lieutenant. Heimgefehrt fchritt 


ı Der Schluß des Liedes bezeichnete die Franzoſen als „ein Volk, das 
jedem Volk verhaßt“ ſei, mas bei ver Redaktion feiner Gedichte im J. 1834 
wiot mehr au feinen Auſichten filmmte. 





xıv 


er wieder frifb an bie Arbeit, „auf den Wink der Gunft 
verzichtend, Bücher wor ſich aufſchichtend, über denfelben beim 
Rauch der Lampe brütend.” Er hatte noch feine Uiniverfität beſucht. 
Nach kurzer Meberlegung ging er im April 1818 nah Würzburg, 
um fih philoſophiſchen und philologifhen Studien zu widmen. 
Ueber feinen damaligen kirchlichen Standpunft — Blaten war 
Proteftant — giebt ein 1817 gefhriebener Schwanf: „Die neuen 
Bropheten” Auffchluß. 

Platens Fleiß war angefirengt und ausbauernd. Er erlernte 
nad und nah Lateinifch, Griechiſch, Perfifh, Arabifh, Ita⸗ 
lieniſch, Sranzöfih, Spanifh, Portugieſiſch, Engliſch, Hollaͤn⸗ 
diſch und Schwediſch; er las die vorzüglichſten Dichter der Na⸗ 
‘tionen in den Urfpraden, und welchen Gewinn er aus dieſer 
Lectüre gezogen, beweifen feine Werfe. — In Würzburg eröff- 
neten ihm die Borlefungen 3. I. Wagners eine neue Welt des 
Wiſſens und Forſchens; er liebte den Lehrer, aber den Ausſpruch 
‚ beffelben: „Die Kunft ift todt,* bat er ihm niemals verzeihen 
koͤnnen. 

Im September 1819 verließ Platen Würzburg und bezog 
im Oftober bie Univerfität Erlangen, nachdem er zuvor einen 
ländlichen, für feine Mufe fruchtbaren Aufenthalt gemacht und 
einige Zeit in Ansbad mit den Seinigen verlebt hatte. Anfangs 
December 1820 kam Scelling, welcher fih für den Knaben 
fhon interefirt Hatte, in Erlangen an; ber Dichter wurde von 
nun an einer feiner begeifterungsvollften Zuhörer. Gin Ders 
hältniß zutraulicher Anhänglichfeit fnüpfte ben Schüler an den 
Lehrer, welcher feines Theile dem jungen Dichter Antrieb und 
Zügel zugleih war. Ueber Platens Erlanger Aufenthalt theilte 


Ku 


— 





XV 


einer feiner damaligen Freunde im Morgenblatt einen ſehr 
bantenswerthen Auffag mit, zu dem wir hier nur wenige Eupples 
mente liefern Fönnen. Die Tage zu Grlangen gehören zu Platens 


glücklichſten. Schellings Lehre regte feinen ſchoͤpferiſchen Trieb 


fruchtbar an; die ihm gewidmeten Sonette (Nr. 9. 24. 25.) bes 
zeichnen die fich felbft klar yeworbene Verehrung, welche Blaten 
ihm zollte; zu Feiner andern Zeit feines Lebens hat der Dichter 
eine größere Thätigfeit entwidelt, als in den fleben Sahren, bie 
er zu Erlangen verbradite. Als Student genügte er fi im Um: 
gange mit dem überaus gefhägten Lehrer, einigen befreundeten 
Geiftern und poetifchen Hervorbringungen. Die Berhältniffe und 
Berbindungen der afabemifchen Jugend berührten ihn niemals 
tief.” Da es Sitte war, daß ſich jeder Stubent, wofern er nicht 
eine gar zu Eäglidhe Eriftenz führen wollte, einer oder der an⸗ 
dern von ben beftehenden Berbindungen zugefellen mußte, fo 
ſchloß fi Platen an die deutfche Burſchenſchaft, jedoch nur loſe 
und äußerlih an. Der auf Urlaub geftellte Lieutenant, fo er: 
zahlt uns ein Freund, der Platen in jenen Tagen fannte, wohnte 
den täglihen Zufammenfünften jener Verbindung wöchentlich 
nur zweimal und auch dann nur auf furze Beit bei. Sein ganzes 
Weſen mußte ihn, wie e8 der Fall war, ben gewaltfamen Ent: 
mwürfen jener jungen Männer abhold machen, und doch fehienen 
fo viele patriotifche Elemente in diefer über Deutfchland verzweig- 
ten, auf große Sittenreinheit forgfam wachenden Gefellfchaft 


1 1836 Tr. 21015, vom Kirchenrath Engelhardt. Auch die „Schatten 
and Lichter aus dem Leben Platens“ von Dr. Fr. Meyer im „Athenaum 
für Wiſſenſchaft, Kunft und Leben,” Nürnb. 1839. Sanuarbeft, enthalten, 
wenn aud in herabwürdigender ————— beachtenswerthe thatſach⸗ 
Uche Mittheilungen. 


M 





xvi 


zu liegen, daß fie ber Dichter über alle Hubentifchen Verbindun⸗ 
gen ftellen mußte. 

Bon Erlangen aus machte Blaten jährlich kleine Ferien⸗ 
reiſen duch die deutſche Heimath. In Wien hielt er ſich am 
längften und liebften auf; in Jena machte er die Bekanntſchaft 
Goethe's beim Major von Kuebel; über Baireuth gehend bes 
ſuchte er Jean Paul, der. ihn mehrere Wochen gaftfreundlich 
anfnahm. Am Rheine fah er Need von Eſenbeck, Umbreit und 
Andere. In Stuttgart fand er die herzlichſte Aufnahme, er 
lernte Schwab und Uhland kennen.““ Uhlands furze perfönliche 
Bekanntſchaft gehöre zu feinen beflen Erinnerungen, ſchrieb er 
in der Folge an Schwab, mit dem er mehrere Jahre einen vers 
traulichen Briefwechfel unterhielt. Dem bald darauf verftorbenen 
Sean Paul fang er „für feine feelenvolle Lieb’ und Milde” ein 
ſchoͤnes Sonett nad. Mit Herrn von Knebel gerieth er in der 
Folge, als diefer ihn von ber erwählten Bahn des Romantifchen 
abziehen wollte, in einen heitern Streit, wovon ber ©. 249 
diefes Bandes abgebrudte „Schwanf“ den Nachhall giebt. — Zu 
den früheften von Erlangen aus unternommenen Wanderungen 
des Dichters gehört eine 1820 zu Friedrih Nüdert, der ſich 
damals zu Nürnberg auf der Burg aufhielt, vorzüglid wiſſen⸗ z 
ihaftlicher Belehrungen wegen angetreten. Das Studium 
orientalifcher Poeſie, zuerſt wieder durch Fr. v. Schlegels Buch 
über die Weisheit der Inder (1808) angefrifcht, war in jenen 
Jahren durch I. v. Hammer und feine unabläfiigen Bemühun> 
gen, vorzüglich aber durch Goethe's weſtoͤſtlichen Divan (1819) 
zur erfreulichiten Lebendigkeit angeregt, zog aud Blaten, den 

ı Mindwig, Briefwechfel S. XVII. f. 





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empfänglichen Boeten, mit ſtarker Gewalt an ih. Gr hat ih 
zwar, fo viel uns Bekannt, niemals mit der Literatur Hinter: 
aftens gründlich befaßt, deſto größeren Eifer verwandte er auf 
das Studium bes vorberaflatifchen Kunftlebens. Goethe's Divan 
führte thatſächlich in den Geiſt diefer Dichtungen, die kunſtreiche 
Form war indeß wie von Goethe, ſo in Hammers hexameiriſchen 
Nachbildungen, ſei es als zu ſchwierig, ſei es als unwichtig, 
ganz außer Augen gelaſſen: Platen, ber jeden Gegenſtand, fo- 
bald er ihn feiner Aufmerkfamfeit für würdig erfannte, in feiner 
Ganzheit auffaßte, und überdieß die Kraft in fih fpürte einen 
Mettftreit der deutſchen Sprache mit der orientalifchen einzu: 
gehen, firebte vor Allem darnach, das Wefen orientalifcher Poefte- 
formen zu begreifen. Der Einzige, von dem in jener Zeit Aus: 
funft über dieſen Gegenftand zu erwarten war, ſchien Friedrich 
Rüdert, gleich farf und gewandt die Sprache der Heimath zu 
handhaben, als den Geift des Oftens zu erkennen. Die bei 
Rückert gefundenen Belehrungen trugen gute Früchte für Platen; 
zuerft ein Büchlein unter dem Namen „Safelen“ (Erlangen 1821). 
Diefe Benennung bezeichnet Heine Gedichte von 10 bis 20 Verfen, 
vol Liebestrauer und Luft, Lob des Weines, des Schenken, des 
Freundes, überhaupt umfaffen fie die Sphäre des Haufes, des 
Friedens, der Ruhe. Eine finnige Betrachtung, fo lange fle in 
den Gränzen der Anmuth bleibt, ift nicht ausgeſchloſſen. Der 
Charakter diefer Poefte ift, wie es fchon ber Name darthut, das 
Schmeichleriſche, was Platen mit „ſchelmiſchent Getändel“ 
bezeichnet. Längere Gedichte, ernften Inhalts, deren Stoffe bas 
Leben außer dem Zelte und außer der Zeit bes Friedens behan- 
bein, alfo vorzüglich Kriegsgefänge, Tobtenflagen um gefallene 
Platen, ſammtl. Werte. J. mM 


XV 


Helden u. f. f., lennt des Orient unter dem Namen ber Kaſ— 
fiden. Beider Gedichtarten unverbrüchliches Geſetz if es, aus 
Verspaaren zu beftehen, beren erftes und ber zweite Vers jebes 
folgenden Paares (Diſtichons) denfelben einzigen genau ent- 
fprechenden Reim hat. Eine Kaſſide Platens fand fih am Ende 
feiner „Neuen Gafelen,” umgearbeitet und verkürzt befindet fie 
fi unter den Gafelen diefer Ausgabe Bd. II. ©. 67 Nr. 129. 

Der ben „Bafelen“ beigefügte Epilog an Goethe bezeichnet 
deutlich den Impuls, welcher Platen zum Orient führte, und 
die Worte 


Der Orient ſei neubewegt, 
Soll nicht nach dir die Welt vernüchtern. 


geben zu erkennen, wie ſehr es dem Dichter mit ſeinen Beſtre⸗ 
bungen Ernſt war. Allein das Büchelchen fand nicht die er- 
wartete Aufnahme. Platens Worte, er fei viel zu frühe in bie 
Zeit mit Ton und Klang getreten, mögen ben größten Theil 
ihrer Anwendung auf die „Safelen” finden. Der Schlußvers: 
„Berkünde mid indeß, Gafele, dem Baterland!” wurde nicht 
beachtet; was der Dichter einige Jahre fpäter über diefe Dich- 
tungen äußerte: „es wehe in ihnen ein eigner Geift, als ob die 
Liebe ſelbſt, um mit fi felbft zu fpielen, fie gefchaffen, und 
als ob fie all’ das vielfältige Treiben der Welt auf ſich beziche, 
gleihfam als wären ber Erbe taufendfache Bildungen nur zur 
Berherrlihung des Herzens ba.” (Treue um Treue, Alt. IV.), 
fand zur Zeit des erſten Erſcheinens diefer Gedichte wenig An: 
Hang. In den Dichtungen herrſchte ein faft gänzliches Verſenken 
in die Gedanken und Ausdrucksweiſe des Orients; Bilder und 


anſchauujgen waren frembarkig, dem deutſchen Gefühl, das 
damals gerade noch auf feine Weife fizeng national fein wollte, 
widerſtrebend, dabei flörten wiederum. Einzelnheiten die Illuſton, 
als feien die Gaſelen wirkliche Kinder des Orients; ber Lefer 
konnte zu keiner ungetheilten Hingebung weder nad Often noch 
nach Weften gelangen, er ſchwebte zwiſchen beiden noch nicht in 
das rechte Berhältniß gefehten Sphären, von beiden angezogen und 
abgefioßen. Wir machen dem Dichter Hieraus Feinen Vorwurf, 
müflen vielmehr darauf zurüdweiien, daß Platen der Erſte war, 
welcher öffentlich eine glüdlicde Erweiterung poetifher Form 
in Deutfhland einführte. Dieß achten wir nicht gering! Die 
Entwidelung bentfcher Sprache machte nur jedesmal dann einen 
gebiegenen Schritt, wenn bie Form der Poeſie ſich erweiterte, 
Waren fon die Gafelen fremdartig aufgetreten, fo mußte ber 
gleichzeitig gefchriebene „Spiegel bes Hafis“ (1822 zuerfi ge 
drudt) noch um Bieles mehr gegen beutfchen Gefhmad ver: 
flogen, da Hier ein. Gefep zur Anwendung gebracht erſchien, 
gegen welches die vermeintliche Reimfpielerei noch als gewöhnlich 
gelten fonnte. Man findet nämlid in jedem lebten Diſtichon 
der Gafelen des Spiegels den Namen Hafis wiederkehren und 
fiebt die ganze Welt, fo weit fie ber Dichter vorüberführt, zu 
Hafis in Verhältnis und Beziehung gefegt. Dieß Heine Werk, 
sinem Freunde des Dichters, dem jeßigen Nittmeifler DO. von 
Bülow zu Göttingen‘, gewidmet, bat der Berfafler, nachdem er 
es in ber erfien Sammlung feiner Gedichte auf die Hälfte der 
Nummern verkürzt hatte, in bie zweite nicht mehr aufgenonmen; 
jest ift es den Gafelen eingereiht worden. — Im Sahre 1823 
lieg Platen wiederum eine Sammlung von Dichtungen im 


xx 


Gewande bes Orients erfcheinen, „Neue Bafelen“ (Erlangen), bie 
von den früher gebotenen durchaus verſchieden find. Ihr Ber: 
hältniß zu den vorhergehenden bezeichnet kurz und treffend bas 
Motto: 


Der Orient iſt abgethan, 
Nun feht die Form als unfer an. 


Der Dichter, nun weniger um die Nachbildung öſtlicher 
Formen aͤngſtlich bemüht, vielmehr im völligen Beflg der Meifter- 
ſchaft über dieſelben, wandte ſich ganz auf deutſche, oder um 
e8 bezeichnender zu fagen, auf rein menſchliche Grundlagen 
zurück; feine Trauer und Freude, fein Wünfchen und Fürchten 
fpiegelt fih in den neuen Gafelen; die Stimme ber Zeit Hallt 
aus ihnen tiber; eine verfähwenderifche Fülle reinlicher Bilder, 
in der Tiefe gefchöpfte Betrachtung, ergreifende Gefühlsäußerung 
und eine große Geſchmeidigkeit der Phantafle, die alle Züge der 
einzelnen Gedichte nach einem Lichtpumkte zu wenden verfteht, 
heben dieſe Bafelen aus der Sphäre fehlſchlagender Verſuche 
zum Klaren, Beflimmten und Bleibenden empor. Sachver⸗ 
fländige Männer begrüßten das Erfcheinen dieſer Gedichte als 
eine erquickliche und für die Literatur fördernde Gabe. Wir 
dürfen Hier nur von denen reden, die ihr Urtheil öffentlich ab- 
gaben. Diefe erlannten bereitwillig, daß ein dem Orient ge: 
wachſener Poet den Occident fo erfaßt hatte, wie etwa einer 
jener öftlihen Dichter, wenn er bei uns lebte, ihn würde auf: 
gefaßt und beſchaut haben. Goethe fprach fi anerkennend aus 
(Werke Bo. 45. S. 314.) und fein Urteil fand in einer von 
Edermann in „Kunft und Alterthum“ (1824. Bd. IV, 3, 159 ff., 


x 


vergl. Edermanns Geſpraͤche mit Goethe I, 96.), gegebenen An⸗ 
zeige eine weitere Ausführung. Cine Stimme, die ben fidht- 
baren Fortſchritt des Dichters nicht beachten wollte ober nicht 
fonnte — dann wäre Schweigen befjer gewefen — die Karl 
Immermanns in Heine’s Reifebildern (II, 74, Ausg. von 1831) 
verwarf diefe neue Form ber Boefie für Deutfchland in Bauſch 
und Bogen: 


Don den Früchten, die fle aus dem Gartenhain von Schiras ftehlen, 
Effen fie zuviel, die Armen, und vomiren dann Gafelen. 


Auf diefes Zenion werben wir zurückkommen. Platen urtheilt 
über feine Gafelen in einem Briefe an G. Schwab, ber biefelben 
in freundſchaftlichem Eifer, den Dichter auf ein vaterländifches 
Feld des Schaffens zu ziehen, in einem übrigens fehr anerfennen- 
den Sonette getadelt hatte,! alfo: „Das anatreontifhe Element, 
wenn es mit Anmuth behandelt ift, hat doch auch einen wirklichen 
Werth in der Poefle, und macht eine nothwendige Entwicklungs⸗ 
fiufe in der Iyrifhen Kunft aus; «8 würbe aber bei den Deut⸗ 
fhen in Unbedeutendheit ausarten, wenn. es nicht unter einer 
fünfllihen Form gegeben würbe.“ Gine befiere Vertheidigung 
diefer Dichtungen liefern fie felbft durch ihre bloße Eriftenz. 

Früher ald die neuen Gafelen war eine Sammlung’ Pla- 
tenfher Dichtungen unter dem Titel: „Vermiſchte Schriften“ 
(Erlangen 1822) und noch früher „Lyriſche Blätter“ (Leipzig 
1821) erfhienen. In der Ginleitung zu der letztgenannten 
: Sammlung legt ex weniger Werth auf die darin enthaltenen 


18. eg Berichte. Mue Auswahl. S. 145. Miniaturausgabe 
1846. ©. i 


xx 


früheren Gebihte, als auf die Sammlung ber Gafelen, vie fidh 
jenen anfchloß, „weil dieſe vom glühenden formenreichen Oriente 
die Hülle borgten für die Fülle des Occidents.“ In den meiften 
jener übrigen Erzeugniffe, meint er, würden ſich eher flufen- 
weife die Verirrungen nachweiſen laffen, denen das poetiſche 
Gemüth unterworfen fei. Mit kühner Stirne aber läßt er auch 
diefe Gedichte vor allen denen auftreten, die in der Poeſte eben 
nur Poeſie ſuchen und ſich auf diefe reinäfthetifche Anficht, wie 
fie fie nennen, nicht wenig zu gute thun. „Wir aber,“ fährt 
er fort, „und alle Iene mit uns, die auch das Kleinſte nur im 
Bezug mit dem Hoͤchſten ſchauen, wir fühlen, daß die wahre 
Voefte, im Einzelnen und im Ganzen, erſt dann beginnen Tann, 
wenn fle Hand in Hand mit dem Glauben luſtwandelt im Even 
lebendiger Wahrheit, und Hinter fich läßt die Vergoͤtterung ber 
Natur. Drei ungeheure Prüfungen waren dem Chriftenthume 
zu feiner Läuterung auf Erden vorbehalten. Die erfte, rein 
äußerliche, umfaßte die Verfolgung des römifhen Reichs, das 
mit der höchften irdifhen Gewalt auf dafjelbe einflürmte, und 
welchem es, wiewohl ohne Gegenwehr trogte. Zur zweiten warb 
die hierarchiſche Macht auserfehen, welche es mit zeitlichen Sweden 
zu vermengen firebte, Aber auch aus biefem Tode erhob es ſich 
jugendlich. Die dritte Prüfung endlich, welde es noch nit 
völlig befanden Kat, und welche die gefährlichfte und tieffte if 
von allen, wurde burch den Unglauben und Rationalismus un: 
ferer Zeit gefebt. In diefem lebten Kampfe mußte es feine 


innerften Kräfte zufammenraffen und. die Selbflfenntniß feines- - 


ewigen Wefens erringen. Aus ihm fann es nur, durchdrungen 
von göttliher Klarheit, Hervortreten unb einen Sieg feiern, bem 


xıoı 

fürberhin entgegen zu kämpfen feine hemmende Gewalt mehr im 
Stande fein wird. Bis dahin werben dieſe Gedichte leben.“ 

Es ift ſchwer zu fagen, wie biefer Erguß gerade vor bie 
„kyriſchen Blätter“ -gerathen tft, da ber Inhalt berfelben keine 
Beranlaffung dazu bot. Platen hatte darin die feit 1813 ge- 
Iriebenen, zum Theil fon gebrudten Lieder und Romanzen 
gefammelt, deren größten Theil er bei der letzten Durchſicht 
feines Gedichtbandes eben fo unbedenklich unterbrüdte, wie bie 
meiften Beiträge, die er in den naͤchſten Jahren der „Urania,“ 
dem „Frauentaſchenbuche“ und andern periobifchen Schriften zu⸗ 
wandte. Bon biefen „in glücklicher Verborgenheit gemalten 
flaren Bildern feiner Seele” hielt er bei Gelegenheit der zweiten 
Ausgabe feiner Gedichte nur wenige der Beachtung werth; im 
die gegenwärtige Sammlung find fie vollländig aufgenommen. 
Manche find vom Dichter in der Folge durchaug umpearbeitet, 
vorzüglid „Colombo's Geiſt,“ der in der That einer fpätern 
Zebensperiode angehört (1816) entworfen,‘ 1831 umgearbeitet). 
In den vermiſchten Schriften treffen wir auf bie früheften 
Derfuche Platens in antiter Form, auf Glegien, zugleih auf 
ein Gebet Fauſts, zu einer Zeit, als die Fauſte ſchon bedeutend 
in die Mode gekommen. Ginflüfe Goethe's und Schellings find 
überhaupt in beiden Sammlımgen fenntlih. Der „Abſchied von 
der Zeit,“ am Ende der vermifchten Schriften, liefert ein poll 
tiſches Seitenftül zu den „Neuen Propheten,“ deren wir Er⸗ 
wähnung thaten. 

Bedeutſamer für den Bildungsgang des Dichters, als die 
erwähnten Stüde, iR fein in den vermifchten Schriften ent 
haltener erſter dramatiſcher Verſuch, „Marats Tod.” Diele in 


' 


.XXIV 


Profa gefchriehene. Skizze fol einen „herausgerifienen gräßlichen 
Moment aus den finftern Tagen“ der Revolution darftellen; die 
Sprache ift einfach, die Charakteriſtik Hiflorifch treu, die Motive 
klar und rein ausgeführt; das Ganze zeugt von Leichtigkeit und 
Präcifion; dennod muß der Dichter, nah den Anfihten, bie er 
bald darauf in Betreff der Bühne gewann, biefes fpäter von 


‚ism nie wieder erwähnte Stüd verworfen haben. Das Graͤß⸗ 
‚liche hielt er der Bühne für unangemeffen. Marats Tod hatte 
- dem Dichter die Bahn zum Drama angewwiefen; er ſchritt rüftig 


darauf fort. Das Studium fpanifcher Dichter zeigte fih in dem 
1823 im Oftober gefhriebenen Zuftfpiel, „der gläferne Pantoffel,” 
einem Stüd, in weldem zwei launig in eins gefihlungene 
deutſche Kindermächen, Aſchenbroͤdel und Dornröschen, den 
Stoff geliefert. Das Studium der Volkspoeſte, das Platen Hier 
beurfundet, werben wir noch einigemal gewahren. Dieb Mähr- 
henfpiel von Afchenbröbel, zu dem 1820 in Paris eine ‚analoge 
Geſchichte vorgefallen, wodurch der Dichter vielleicht zur Wahl des 
Stoffes beflimmt wurde, zeugt in einzelnen Stellen vom Gin- 
fluſſe Schelling’foher Philoſophie, welche Hier in das leichte durch⸗ 


ſichtige Gewand des Scherzes und leifer Ironie gehüllt erfcheint. 


Schelling ließ vom Dichter das Stüd vor einem gewählten 
Publikum vortragen; Platen, fo verfihert Hr. Engelhardt, fang 
feine glatten Berfe mehr als er fie las. Das Lufifpiel if 
Schelling zugeeignet.. 

Sm Jahre 1824 ſchrieb Blaten fein zioeites Luſtſpiel: „Der 
Schatz des Rhampfinit.” Der Stoff ift dem Berichte Herodots 
(IL, 124) entlehnt, aber die. Verwandlung der epifhen Motive 
in dramatiſche, wie. dieſe denn auch ausgefallen fein. mag, 


xXV 


gehört allein dem Poeten. „Es ericheint in dem Luſtſpiel viel, 
wovon der alte Herodot nichts weiß; denn wenn auch Gebraud 


md Sitte feit der Zeit jenes Märchens wechſelten, fie barzu- 


kellen iſt kein Problem, weil der Menfh, was er damals war, 
geblieben ift, ein Werk von fremdem Zwang und eigner Kraft, 
ein Spiel des Glücks, ein Ball der Leidenfhaft.” Die Komödie 
bietet einige nicht fehr verſteckte Seitenhiebe gegen die Hegel’fche 
Bhilofophie, was nicht befremden fann, dba die Fabel ganz in 
die neue Zeit gerüdt wurde. Hiedurch entfland ein Gemiſch 
alter unverlöflicher Züge, welde Herodots Erzählung bot, und 
neuer Zuthaten, „ber Wiß von geftern und der Scherz von heut,” 
was den Dichter in der Folge mit der Beforgniß erfüllte, es 
möge manches gar zu barbariſch fein, und ihn auf den Gedanken 
brachte das Lufifpiel umzuarbeiten. Dieß unterblieb. Wir 


ſehen darin den Uebergang zur arifiophanifchen Komödie. — In 


demſelben Jahre wurde dem Poeten ein fchwedifcher Freund, 
Beter Ulrich Kernell, der auf der Heimreife aus Stalien in Er- 
langen erkrankte, durch den Ton entriffen; eine rührende Tobten- 
flage Platens ‚findet fih unter feinen Gelegenheitsgedichten. 

Sn demfelben Jahre ſchrieb unfer Dichter, der einmal in 
dramatifchen Probuktionseifer gefommen war, auch ein Heines 
ſcherzhaftes Lufifpiel, „Berengar.“ Der flare, wohlgerundete 
Dialog erinnert an denjenigen in Goethes Tafio. Es zeigt fid 
überdieß in diefem Stüde ein anderer formeller Fortſchritt, in- 
dem hier, was in ben früheren Dramen verabfäumt war, eine 
grundfägliche Scheidung zwiſchen Profa und Bers eingeführt 
wurbe; bie poetiſch Höher geftellten Figuren reden in Berfen, 
den gewöhnlichern Individuen iſt die Proſa zugetheilt. Im 


E. 


xxvi 


Sommer des Jahres 1825 gieng Platen no einen Schritt vor 
wärts; er wandte ſich vom Luflfpiele zu einer Mittelgattung bes 
Drama’s, zum Schaufpiele, deſſen Charakter weder bie forglofe 
Luft und Heiterkeit, noch das rein Erhabene if. Es Lohnt wohl 
der Mühe, das Schaufpiel „Treue um Treue,“ zu welchen ber 
Poet den Stoff einem franzöflfhen Fabliau ! entnommen, in 
feinen Perfonen etwas genauer zu betrachten; der Dichter ſchil⸗ 
dert fie durch den Mund der übrigen alfo: Garin if durch 
Gicht, Hohes Alter und den Schmerz verjährter Wunden zum 
Kriegsleben untüchtig geworden. Eine Fehde, die zwifchen ihm 
und Theodo von Valence beftehen, foll fein Sohn ausfechten; 
gegen dieſen ift er hart, kann fogar gegen ihn in Wuth gerathen; 
ſtolz gegen Alle übt er doch von Zeit zu Seit Güte gegen Ein- 
zelne. Aucaffin, im blühenden Beſitz der Kraft und Jugend, 
ſchoͤn, erfäheint feinem Bater als Weichling und Weiberknecht, 
der im Ball» und Würfelfpiel vieleicht ein Held fein könne, 
aber feine Luft an den Waffen Habe. Er hat angeerbten Eigen- 
finn, laßt ihn hervortreten, wo Andre ihm entgegenftehen, fein 
ganzes Weſen ift fchroff und Heftig, die Aeußerungen biefer 
Eigenfchaften reißen ihn nie zu unwürbigem Beginnen Hin. 
Don feiner Geliebten getrennt ift er in ſich gefehrt und nur für 
das Wohl Anderer thätig. Floreſtan, ber Sohn Theodo's, 
erſcheint als wilder Knabe, trotzig, kuͤhn, treu in Erinnerung 
an ben Edelmuth feines Feindes. Nureddin, der Garthager- 
fürft, jung, fhön, freigebig, von feinem Volke angebetet, ale 

i Aucassin et Nicolette in den Fabliaux et contes de po&tes francais 


de XI—XV siecles par Barbazon et M6on. Paris. 1808. Tom. I. p. 380 ff., 
auch von D. 8, B. Wolff im Taſchenbuch Minerva für 1833 überfegt. 


% 


— 


= 


xxıvou 


edler Fürſt gepriefen; fein ſtolzer Wuchs, bie dunkeln Augen, 
milden Blide und Edelmuth ſpiegelnden Mienen erwarben ihm 
bie Liebe der Karthagerinnen; fein ganzes Wefen ift groß und 
ebel, er felbft würde ſich für niebrig halten, wenn er nicht Alles 
zu verzeihen bereit wäre. Philibert, Nicolettes Pflegevater, 
ift der zärtlichfte, der beſte Vater gegen feinen Schützling, aber 
unvermögend dem Willen Garins zu wiberfichen. Robert, 
zwar tapfer, aber übrigens ein pebantifcher gewöhnlicher Geſell. 
Idwin, der Troubabour, ein Meifter in feiner Kunft, forglos 
heiter. Nicolette wird als fhön, gutmüthig, treu geſchildert. 
Die übrigen Perfonen greifen nicht tiefer in die Gliederung des 
Stüdes ein. Mit diefen Perfonen, von fireng gefonderten In⸗ 
dividualitaͤten, ohne große Leidenſchaften, von ächt menfchlichem 
Gepräge, hat der Dichter ein Lieb gefchaffen, 


n 


Ein Lied von Treue, die Gefahr und Macht 
Und felbft Entfernung als gering verachtet, 
Und über Land und Ocean hinweg 

Den ſchönen Einklang enler Liebe lehrt. 


Das Stud if dreimal aufgeführt worden, zuerft am 18. Juni 
1825 zu Erlangen, wo ber hervorgerufene Dichter dem Publi- 
kum feinen Dank in improviſtrten Verſen abflattete, fobann am 
15. Sanuar 1826 zu Nürnberg und fpäter in Regensburg, wo 
es nicht geflel. 

Es war im Herbfle 1824, als er eine Reife durch bie 
Schweiz und nad Venedig machte. Die Einbrüde, welche dieſe 
Stadt dem Dieter zurüdließ, waren überans ſtark und erregten 
das heiße Berlangen, auch das übrige Italien zu fehen. Er hielt 


“ 


xxvm 


ſich mehrere Wochen in Venedig auf, ja länger als fein Urlaub 
währte, ein Verſehen, das er bei feiner Heimkehr mit einem 
mehrwoͤchigen firengen Nrreft in Nürnberg büßen mußte. Die 
Frucht jener Reife nach Oberitalien waren die herrlichen „Sonette 
aus Benedig“ (Erlangen 1825); die Frucht bes Arreſts die Ab- 
handlung: „Das Theater ein Nationalinftitut.” 
Nah dem Schaufpiele fchrieb Platen 1825 noch ein Kleines 

Luftfpiel „der Thurm mit fieben Pforten.“ Die Novelle, ang 
weldher der Stoff entlehnt ift, findet fih in bem Volksbuche 
von den fleben weifen Meiſtern. Das uralte Märchen Hat 
in der dramatifchen Bearbeitung eine überaus reizende Geftalt 
angenommen. Der tyrannifche, leidenſchaftliche, eiferfüchtige, 
aufbraufende Dei, von einem neapolitanifchen Edelmann liftig 
beherrſcht, führt feine Rofalba, die er aus Eiferfucht Hinter 
fteben Pforten verfperrt hielt, ohne es zu wiſſen felbft an’s Schiff. ° 
Das kleine Stüd ift vollig bühnengereht, und webt, um auf- 
führbar zu fein, einen an ſich fehr gefälligen aber nicht drama⸗ 
tifhen Monolog ein. Es iſt ganz in Berfen gefchrieben und 
wurde zuerft im Tafchenbuche für Damen auf das Jahr 1828 
gedrudt. 

Im Herbfle 1825 beſtieg König Ludwig I. den bayrifchen 
Thron. Platen begrüßte dieß Ereigniß mit einer fowohl in der 
Gompofition als in der Sprache buschiveg gebiegenen Ode, in 
welcher er die Hoffnungen, die er von Ludwigs Regierung hegte, 
in ber Form des Lobes ausſprach. Seine Begeifterung fah das, 
was Deutihland zum Theil noch von dem edlen Könige erwar- 
tete, als bereits gefchehen an, wodurch er zugleih — für einen 
bayrischen Lieutenant mag es lächerlich erſcheinen, des Dichters 


xxx 


war es durchaus würdig — ben befcheidenften Math auf die 
anfpruschlofefte Weife vor den Stufen des Thrones nieberlegte. 
Diefe Erklärung der auch einzeln gebrudten Ode, welche wir 
für die allein richtige Halten können, bewahrt den Dichter vor 
dem aus Mißverſtaͤndniß gemachten Vorwurfe der Schmeichelei. 

Zu jener Seit, als der Boet bereits für die Bühne ſchaffend 
aufgetreten war, wandte er feine ganze Aufmerffamfeit auf den 
Zuftand des deutfhen Schaugerüfles. Die Refultate feiner Be⸗ 
obachtungen waren für ihn durchaus nicht erfreulich. Wo man 
are Geſtalten zu fihauen hoffte, fah man leere und Kohle Schat: 
ten; das Ungeheuerliche und Scheußliche, das der Vergeſſenheit 
gehören follte, felbft wenn es ſich zugetragen, breite, umſchweif⸗ 
weiche Stoffe, durch ſchlechte Verwicklung, fehlehte Sprache und 
Modefloskeln noch mehr verwäflert, Spektakelſtücke traten vor 
das Publiftum; die flilfe Größe der Tragödie, die Anmuth ber 
Komödie fehlten; flatt das Volk zu ſich emporzuheben, fliegen 
die Poeten zu dem verborbenen Geſchmack der Menge herunter; 
die beſſern Stüde, welche die Zeit fhuf, wie Uhlands Herzog 
Ernft oder Fr. von Heydens Renata, die reinen Erzeugniffe 
Goethe's und Schillers, das Gute des Auslandes, vermochte 
nit durchzudringen. Einen großen Theil der Schul trugen 
die Intendanzen. So ſchildert Platen die Bühne. Den größten 
Berfall fah er in der Herrihaft der Schickſalstragödie. Der 
Bater diefer Gattung war Werner, der Chorführer Müllner, 
feine Sünger Raupach, Houmwald, und mit etwas mehr Geift 
und Poefle Grillparzer. Die Reihe diefer Schidfalspoeten trat feit 
den Befreiungsfriegen hervor; die Zeit, welche nach jenen Tagen 
wie nach einer durchwachten Nacht folgte, nahm flarke Reizungen 


xxx 


dankbar auf; eine fo ſtark gepfeflerte Speife wie Die Schickſals⸗ 
tragoͤdie ſagte dem überreizten Geſchmack volllommen zu. Der 
ungeheure Succeß jener Dichtungen ift nur aus einer krank⸗ 
haften Zeit zu begreifen. Wo man in Politik und Kirche um- 
herfuchte, um das echte zu finden, bei ber Unruhe und ven 
Schwingungen aller Lebensfreife, da mußte auch bie Literatur 
umbertaften, neue Bahnen ſuchen, irren und fehlen, um zum 
Fortfhritt zu gelangen. Die große Schidlfalsibee des Alterthums 
wurbe gierig erfaßt und in Tragöbdien verzerrt abgefpiegelt; Die 
weiche den Spaniern entlehnte Form, in Verbindung mit jener 
Idee, ſchien eine treffliche Vermittlung des Antilen und Roman- 
tifhen zu geben; man glaubte ven Geift von beiden erfaßt zu 
haben, und hatte von beiden in ber That nichts; denn auch bie, 
Form war verzerrt... Es traten, namentlih gegen Müllner, 
manche Gegner und Parobiften ' auf, denen es jedoch mehr mit 
der Perfon des Angefeindeten, als mit dem Dichter zu thun war. 
Bis in die Mitte des vorigen Decenniums haben viele Männer, 
bie in ber Literratur Geltung hatten, bie große Menge aber 
unbedingt den Schidfalspoeten angehangen. Platen läßt fon, 
bevor er den entſcheidenden Streih führte, 1824 den Prinzen 
Bliomberis im „Schatz des Rhampfinit“ fagen: 


Die Schuld ift eine Mißgeburt der Zeit! 


h 
was nur auf die Müllnerfche bezogen einen Sinn gibt, und 
fhon 1823 weist er im Prolog zum „gläfernen Pantoffel” auf 


ı Zu erwähnen find Börne’s Theaterkrititen, Tiecks dramaturgiſche 
Blätter und „ver Schidfalsftrumpf" (Leipzig) von Caftelli und Seitteles 
unter dem Namen der Gebrüder Fatalis gevichtet, Dies Produkt war 
ohne Anmuth und formlos, 


\ 


zzz1 


ben Mord, die wilde Ungebühr und bie Thaten eines klaͤglichen 
Geſchicks, Die das deutſche Schaugeräft erfüllen, tadelnd Hin. 
Dieſen theatraliſchen Bombaft zu befämpfen fühlte fi der Poet 
berufen. Gigene, ihm felbft nicht genügende Verſuche hatten 
ihm die Schwierigkeit einer aͤchten Tragödie nahe gelegt. Eine 
Serfpottung jener Poeten, fofern fie nichts als Verfpottung wäre, 
hielt der Poet feiner nicht würdig, er wählte baher eine Korm, 
die ihn zwang, neben ber Negation aud etwas Pofltives auf 
zuftellen, bie ber arifiophanifchen Komödie. In Deutſchland if 
vor Platen nur ein halber Verſuch in diefer Gattung durch 
Fr. Rüderts „Napoleon“ gemacht worben. Diefe treffliche, wenn 
auch Hier und ba mehr epifche als dramatiſche, dem Geiſte des 
Ariftophanes volllommen gemäße Komödie ift leider unvollendet, 
und, was noch mehr zu beklagen, unbeachtet geblieben. Das 
Gepräge der alten attifchen Komödie ift firenger Ernft im Ge 
wanbe ber ungezügeliftien Laune; Teine didaktiſche oder morali: 
firende Tendenz, aber eine tief ethifche belebt die Dichtungen 
des Arifiophanes. Der Komiker, im Sinne des Alterthums, 
ergreift die gefammte Mitwelt in einem möglichft engen Raume; 
feine Poeſte ift überall ſymboliſch, wo fle nicht phantaftifch auf: 
tritt. Aus beiden Elementen beſteht ihr Wefen. Ginzelne Ge⸗ 
Ralten find die Repräfentanten ganzer Richtungen; bie Verkehrt⸗ 
heiten einer Gattung werden auf ein Individuum gehaͤuft. Dieſe 
Individunalitäten tragen aber nicht durchgaͤngig das Gepraͤge 
eines beſtimmten Charakters; einzelne markirte perſoͤnliche Züge 
werben fireng feftgehalten; im Uebrigen herrſcht die freiefte Be⸗ 
weglichfeit. Alles was ber Dichter weiß, dürfen auch feine Per- 
fonen wifien, und wenn es dem Poeten gefällt, bürfen fie bie 


’ xxını 


- Maske abnehmen, um ein ganz frembartiges Geſicht zu zeigen; 
fo geſchieht es namentlih in ben Parabafen. Platen ſchloß 


fih dem Ariſtophanes möglihft eng an; nur daß er die Bara- 
bafen häufte. Er bradite Methode in die -Thorheit der Schic- 
falspoeten, ihre nichtigen Beftrebungen um ein nichtiges Siel 


behandelte er mit ſcheinbar feierlihem @ifer, im Hintergrund: 


fhimmert eine Welt von reinern Geftalten,: mit geläutertem 
Handeln durch. Pan Hat diefe Art von Komödien eine unge- 
fehrte Tragödie genannt, vielleicht nur der Antithefe wegen, 
aber fehr bezeichnend. Die Tragödie zeigt den Kampf des Sitt- 
lihen gegen das Böfe, und läßt das erftere über das lebtere fle- 
. gen, macht alfo die reineren Geftalten zu den Hauptperfonen des 
Stüds; die Komödie Hingegen ftellt das Unterliegen des Böfen 
ober Hebel vor der Gewalt des Beffern dar, und erhebt die 
moralifch befleckten Gattungen in einzelne Perfonen zufammen- 
gedrängt in den Vordergrund der Handlung. Der Zweck beider 
dramatifhen Richtungen iſt demnach derfelbe, nur in der Wahl 
der Mittel, diefen Zweck zu erfüllen, weichen fie ab. Aus bie- 
- fen Andeutungen wird ſich „Die verhängnißvolle Gabel“ (Stutt- 
gart 1826) leicht begreifen laffien. Man hat dem Dichter vor- 
geworfen, er habe in derfelben nur Schatten, durchaus Feine 
Charaktere gefchaffen. Diefe Anſicht ift gegründef, kann aber 
nach dem Obigen fein Borwurf mehr fein; ja Pfaten Hat felbft 
auf Charaktere verzichtet. Phyllis fagt in der Babel: „wohin 
laß ich herab mid, und warum verleih’ ich einer Albernheit 
Unſterblichkeit?“ und Damon: „was fal’ ih aus der Rolle?“ 
Er ſpricht es in einem Briefe an ©. Schwab endlid ausbrüd- 
lich aus, daß er Charaktere mit dem Stüde unvereinbar Halte. — 





XXXII 
Der Styl dieſer Romöbie iſt einfach, klar und flüchtig hinflie⸗ 
ind; die Sprache erhebt fi von dem tiefften in bie hoͤchſten 
Legionen; im Bathos felbf wird eine niedere Redensart nicht 
eihmaht, fo trug Phyllis 
„ringsfließendes Haar, wie ein Bandwurm lang ‚“ 


und Kogebue, „ſchmierte, wie man Stiefeln ſchmiert.“ Kein 
Beſtandtheil des Komifchen wird verworfen, vom feinſten Witze 


bis zum Cynismus Herunter muß Alles an feinem Orte dienen. 


Die Häufung einzelner Wörter zur Bezeichnung eines Gefammt- 
begriff (Gabel 3, 102 ff. Dedipus 1, 51 ff.) und, was im 
Weſen damit einerlei if, die Bildung langer Wörter, wie: 
Obertollhausuͤberſchnappungsnarrenſchiff, Demogogenriechernas⸗ 
hornsangeſicht, Freiſchuͤtzcaskadenfeuerwerkmaſchinerie, Franz⸗ 
hornzigeunerzeunedeutſchberlinerei, Depeſchenmordbrandehebruchs⸗ 
wrolerin, Quinteſſenztragoͤdien u. ſ. w. find feine müßige Spielerei, 
fe Hängen mit dem Weſen ber Komödie auf das Genaueſte zu: 
ſammen; fie entfiehen aus dem Zuſammendraͤngen des Verkehr⸗ 
ten in einen engſten Raum und finden fih bei allen Komikern 
aus der Zeit des alten attiſchen Luſtſpiels. 

Platen fehrieb die verkängnißuolle Gabel zu Anfang des 
Jahres 1826; eine Art von Prolog zu berfelben bildet das ber 
„Dame Pig“ gefchriebene Gedicht (S. 262 dieſes Bandes). Wir 
Rellen Hier zufammen, was Platen in Betreff feines Lufifpiels 
an G. Schwab, mit dem er damals lebhaft cortefpondirte, ge 
ſchrieben Hat: In diefer Komödie Hoffe ich nad langen Pfu- 
ſchereien mein. Meiſterſtück abgelegt zu haben und in die Zunft 
der Unfterblichen einzugehen. Bon dieſen Lüftfpielen Hat, außer 

Blaten, fammtl. Werte. L ıu 


% 


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xxXıv 


in Griechenland, nie eins eriflirt. Die arifiophanifche Komödie 
iſt mir als bie einzig wahre erfäjienen, aber ih habe fie unferer 
Bühne vollkommen mobifleirt. Im Politiſchen bin ich vorfichtig 
gemweien, und habe nichts gejagt, was ſich nicht jede Zeitung 
erlaubt; dieß gefhah, um mir nit den Weg nad Italien zu 


| verfperren, wohin ich fo fehr trachte. Ich habe nichts gefchrie- 
ben als die reine Wahrheit, wie könnt’ ich fonft fhreiben wie 


ih fhreibe? Die Barabafen find alle auf das erhabenfte aus⸗ 
geftattet und fprühen Begeiſterung. Die Ausfälle erſcheinen 
gegen das Uebrige als Kleinigkeiten, die felbft Diejenigen, die 
es trifft, hie und da verzeihen werben, durch die Anmuth der 
Form beſtochen. Das Stüd ift fein Pasquill auf Mülfner, er 
ift vielmehr eine hoͤchſt beiläufige Sache darin. Ich habe das 
Bud nit anonym erfcheinen laflen, weil man bieß‘ für Ver 
zagtheit halten könnte und es das Anfehen einer Flugſchrift ge- 


. winnen würde, ba es gerade das Gegentheil, ein Kunftwert, if. 


Die Komödie, eben weil ße etwas ganz Mniverfelles if, kann 
niemals eine univerfelle Anerkennung finden; dafür findet aber auch 
Jeder etwas für feinen Gaumen. In Deutihland findet ih, da 
alles Deffentliche und Politiſche ausgefchloffen bleiben muß, wei- . 
ter fein Stoff für die wahre Komödie, als der literarifhe. Es 
frent mich wenigftens, dieſes Luftfpiel als eine Art von beuts 
ſchem Muſter in dieſer Gattung hingeflellt zu haben, an welchen 
die Aeſthetiker, was das nn bes Komiſchen betrifft, Lange 
Zeit, lernen können.“ 

Bir find fchon wiederholt der auf Italien gerichteten Sehn⸗ 
ſucht des Dichters begegnet. In der „Babel“ find die Ausbrüche 


‚berfelben unverkennbar; er glüht für den Wunſch, bald fi in 


XXXV 


ein Land zu flüͤchten, wo die Kunſt fo reich geblüht; er laͤßt 
Eirmio fingen: 


D wonnigliche Reifeluft, 

An dich geden® ich früh und fpat, 
Der Sommer naht, der Sommer naht, 
Mat, Juni, Juli und Auguſt. 


" An Schwab ſchrieb er: „An Italien denke ich mein Leben 
zu befchließen, und wenn ih mich dahin betteln müßte; 
denn nur dort Hoffe ich meine Kunſt zur Volllommenheit zu 
bringen, wenn biefes Wort nit ein Frevel if. Aus der bil 
benden Kunft ziehe ich die größten Belehrungen.“ Sein Wunſch 
wurde gewährt; die I. ©. CGotta'ſche Buchhandlung honorirte 
die Gabel anftändigft; König Ludwig, dem der Dichter fein Wert 


einreichte, bewilligte den erbetenen Urlaub; am 3. September - 


1826 trat PBlaten von Erlangen aus feine italifche Reife an. 
Mit diefer Ortsveraͤnderung eröffnet fich eine neue Perigbe 
in der künfllerifhen Entwicklung des Boeten. Es war nicht allein 
das Anfchauen und Verſtaͤndniß antiker und moderner Kunſt⸗ 
(höpfungen, was ihn in Jtalien auf eime neue Bahn führte; 
auch wenn wir die ſüdliche Natur und ihre reizenden Ginbrüde 
auf das Gemüth des - Dichters hinzunehmen, koͤnnen wir den 
Foriſchritt feiner Poefle noch nicht vollig erflären. Die Haupt- 
utſache zu jenen charaktergroßen Kunffhöpfungen und ihrer 
Hafiihen Rundung fehen wir in der ungeflörten Muße, die der 
Dichter fortan genoß, und in der Entfernung vom Getriebe bes 
deutfhen Literarifchen Lebens. Platen war von nun an allen 
mmittelbaren Cinflüffen Amderer entrüdt, die Impivibualität 


v 


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XXXVI 


feiner Poeſte vermochte ſich unverkümmert und unveraͤndert zu 
entwickeln. Sein Charakter entfaltete ſich frei, und der Charakter 
macht den Dichter erſt zum wahrhaften Poeten. — Seigte bie 
„Babel“ Thon ein entfchiedenes Hinneigen zu den Formen bes - 
klaſſiſchen Alterthums, fo bekundete fie doch zugleich durch ihre 
Vermiſchung mit romanifchen Formen, daß der Verfaſſer noch 
nicht ganz frei und unbefangen über den Formen fland. Es 
würde für uns von Bortheil fein, Hätten wir die Fragmente der 
unvollendeten Tragödie „Triftan und Iſolde,“ welche nad einer 
Andeutung in den Briefen an Schwab das Gewand ber griechiſchen 
Tragödie trug, vor Augen, weil daraus erhellen würbe, wie ber 
Dichter die für die deutfche Literatur noch ungelöste Aufgabe 
angegriffen, einen mittelalterlichen Stoff in eine Elaflifche Form 
zu bringen. 

Bor der Abreife aus Deutfchland hatte der Dichter bei feinem 
Freunde, dem Grafen Fr. Fugger, eine Sammlung von Sonetten 
zurüdgelaffen, die er für das Seelenvollſte feiner Poefien erflärte. 
Aus der italifhen Seit find fpäter nur wenige hinzugelommen 
(Nr. 42, 81, 85, 86, 87). Bor feiner Abreiſe nach Italien ſang er: 

O wohl mir, daß in ferne Regionen 
Ich flüchten darf, an einem fremden Strande 
Darf athmen unter gütigeren Zonen! 
- Wo. mir zerriffen find die lezten Bande, 
Wo Haß und Undank edle Liebe lohnen, 
Wie bin ich fatt von meinem Baterlande! 


Mag immerhin der größte Theil dieſes Unmuths in per- 
fönlihen Berhältniffen feine Quelle haben, er Hatte es dem 
Dichter faft unmöglich gemacht länger in ber Heimath zu leben. 


xıxvu 


Mit der Trennung von Deutſchland, ſchon ba, „wo won Schnee 
vr Alpen Gipfel glänzen,“ Lehrte eine männlicdere Faſſung zu- 
cd; ein gleicher, rein individuellen Beziehungen entfprungener 
Inmuth begegnet uns fpäter nur Ginmal wieder, zu einer Zeit 
es Platen wieder in Deutfchland vermweilte. 

Im Herbfte 1826 treffen wir den Dichter in Florenz, wo 
a, „mehr und mehr Zukunft im Herzen,“. der kalten Mitwelt 
entfagen lernt. Hier entſtand die Ode „Florenz.“ Den Winter 
kebte er in Rom. Die dortigen Umgebungen flimmien melan- 
holiſch Acht Oden (3—10) aus diefer Zeit geben die Bin- 
drüde, welche den Dichter Hier beftürmten, Ear zurüd; „doch 
ind das freilich‘ nur Splitter eines unermeßlichen Gebäudes. 
Diefe grandiofen Ruinen, dieſe wüften Bläge, dieſe folgen Villen 
mit ihren bunfeln unverwelffichen Heden und Allen, in benen 
km das Laub fih rührt, diefe ewig plätfchernden Spring: 
brunnen, die Peterskirche, die Engelsburg, Alles fcheint wie auf 
der Serle zu laſten.“ Die ungewohnte Milpigkeit des Klima's, 
das im Winter dem Frühling gleicht, wurde dem Deutfchen vers 
verblih; feine Nerven litten in Rom fo fehr, daß er den Arzt 
tonfultiren mußte. Dieſer verbot jede größere, die Geiftesfräfte 
dauernd anfpannende Arbeit. Die unzertreunlihen Rückwir⸗ 
hingen auf die Stimmung des Dichters find unverkennbar. Jene 
agreifende Ode, die er in der Neujahrsnacht 18?%),, ſchrieb, 
siht hiervon ben angenfälligften Beweis. Er Hagt, ob ihn das 
&ihid vergebens an die Reſte der Vorzeit geführt, und Augen 
m Herz geftählt habe, 

lehrt mich größere Schritte, lehrt mich 
Einen gewaltigen Gaug. 


r 


xxxvm 


Es fehlte nicht an poetiſchem Stoff, aber der Dichter war 
um die Bewaͤltigung deſſelben, um die Form im hoͤhern Wort⸗ 
finne verlegen. Doch dieß war nicht die einzige Sorge; er klagt, 
Wahrheiten verfchweigen zu müflen, und hier glauben wir bie 
erſte Spur einer Hinneigung zu politifhen Dichtungen zu finden. 
Die Trauer, fi in’der Heimath verfannt- zu wiflen, zudte auch 
noh im Gemüthe nad), indeß fchon mit den letzten Schwin- 
gungen. Bald beruhigte ihn das Vertrauen auf eine gerechtere 
Zufunft, und wenn er fpäter diefe Saite wieder anfchlägt, fo. 
thut er es mit Ironie und Spott; Beweis genug, baß er einen 
Standpunkt über biefer Megung gefunden. 

Sn Rom, wo er feine Kunft zur. Vollendung zu bringen 


noch vor Kurzem geträumt hatte, war feines Dleibens nicht 


länger; bie Sorge für feine Gefunpheit und mehr noch ein, 
heftiges Verlatigen, Italien ganz kennen zu lernen, trieb ihn, 
mit dem Beginne bes Frühlings die Siehenhügelflabt zu ver- 
lafien. Bor der Abreife hatte er eine Sammlung feiner lyriſchen 
Gedichte, fo weit fie ihm gelungen fchienen, nach Deutſchland 
geſchickt; fie befchränkte fih auf Romanzen und Lieder, vermifchte 
Gedichte, Safelen und Sonette. Später fügte er no bie in 
Stalien gefchriebenen Oben, Eklogen und eine Hymne hinzu. 
Mit dem letztgenannten Gedichte nahm er Abfhied von Rom 
und zeigt uns den Weg, auf dem wir ihm zu folgen haben, 
den Weg nad Neapel. Die Sammlung erfchien 1828 zu Stutt- 
gart. In Ode, Ekloge und Hymne fchloß fih Platen antiken 
Muftern an, Horaz, Theokrit und Pindar. Die beiden erften 
Gattungen, die fi in den Kreifen des nicht Außerorbentlidden 
bewegen, find an ſich verflänblih und verlanden; Horaz und 


xıXxIz 


Theokrit Find in Deutſchland den Gebildeten befannt, nicht in 
gleihem Maße Pindar. Eine Erörterung diefer Hymnenpoeſie 
verfchieben wir inbeß fo lange, bis uns ber Bang ber Skizze 
auf eine Zeit führt, in welcher der Dichter fi faſt ungelheilt 
diefer Gattung hingab. 

Der Gefundheitszuftand Platens, den wir im April 1827 
zu Neapel wieder finden, beflerte fi von Tage zu Tage. „Hier 
werde ich meinen bleibenden Aufenthalt aufſchlagen,“ ſchreibt er 
an Schwab, „bier ift eine Heilfame Luft, ein unmwandelbarer 
Himmel und ringsum Elyſium.“ Es fehlte ihm aber an zu⸗ 
fagender Geſellſchaft; einfam, fi felbft hingegeben, verlebte er 
bie erſte Zeit feines Aufenthaltes in der fehönen Stadt. Die 
„Bilder Neapels“ führen uns in die Stimmung bes Dichters. 
Die wechſelvollen Eindrüde der Stadt, des Hafens, des Meeres 
hoben fein Gemüth zu ruhiger Klarheit empor; auf fich befchränft 
drohte er wieder in bie alte Melancholie zu verfinten. Mancher 
Dichter, fagt er, 


Mancher Dichter vielleicht, In der Dede des Nords erzeugt, 
Schleicht Hier unter vem Himmel des Glücks, und dem Heimatland 
Stimmt er fühen Gefang und gebiegenen Redeton, — — 
Freiheit fingt er und männliche Würde der felgen Zeit. — — 
Ach nicht wähnt er den Neid zu beflegen und weilt entfernt, 
Taub den Beinden und boffend, es werde die fpätre Welt 

" Spröu von Weizen zu fcheiden verſtehn. 


Sn der Stimmung biefer Tage, wo die fchrofffien Gegen; 
fäge um die Kraft des Dichters rangen, war es ein wirklicher 
Gewinn für ihn, einen gleichgefinnten Freund zu finden. Auguft 


/ 


DR 


XL 


Kopiſch aus Breslau, „ein Lehrling der Kunſt, welche bas Auge ö 


lot," zugleich Dichter, nur wenige Jahre jünger als Blaten, 
kam von Stelien nad Neapel und lebte den Sommer hindurch 
dem Grafen gefeli. In diefen forglos heitern Monaten machten 
fie gemeinfam Heine Ausflüge nad Capri, Iſchia und den übrigen 
Snfeln des Golfs. Kopifch, der Entbeder der blauen Grotte, 
gab Platen Unterrit im Schwimmen, was er felbft rüflig übte. 
Die vier Oben (11, 12, 17, 26), welche Blaten feinem Freunde 
mwibmete, und die beiden ihm von Kopifch gewibmeten, ' führen 
uns in das fehöne, zwifchen beiden beftandene Verhaͤltniß lebendig 
ein. Ihr fehnlicher Wunſch war es, das Innere Sieiliens ge- 
meinfam zu beſuchen; er blieb unerfült. Sm Herbfle gieng 
Platen nah Sorrent, während Kopiſch in Neapel zurüdblieb. 
In diefer Zeit erfuhr unfer Dichter von dem Befuche, ven König 
Ludwig von Bayern am 28. Auguft bei Goethe in Weimar ab- 
geftattet, und zugleih von dem Gedichte, dem erflen öffentlich 


befannt gewordenen, welches der König in Beziehung auf biefen 


Befuh gedichte (zuerfi gebrudt in der Allgemeinen Zeitung, 
dann im Morgenblatt Nro. 254, und fpäter in der Eöniglichen 


Gedichtſammlung). Die Begeifterung, die das Gedicht des Königs, - 


namentlih in Frankreich, hervorrief, erweckte auch Platen zu 

jener glänzenden Ode „An Goethe.“ 
Neben erfreulihen Kunden diefer Art trafen den Dichter 

unfreundliche Stimmen aus Deutfhland. Wir haben vorher ein 

Zenion Karl Immermanns aus Heine’s Neifebildern angeführt, 

auf das wir hier zurüdfommen müſſen. Heine nahm jenes und 

andere Epigramme feines „hohen Mitftrebenden“ vorläufig in 

AM. Kopifche Gedichte. Berlin 1836. &. 302—808. 


— — — — 


den Berliner Jahrbüchern für wiſſenſchaftliche Kritik (1827, 
Are. 97) angezeigt und feinem Freunde Heine dabei das Eom- 
pliment gemadt, er halte ihn für ein dem Petrarfa Homogenes 
Talent. Platen befam von den Angriffen, weldhe Immermann 
und Heine — denn biefer Hatte fie gebilligt — gegen ihn ge 
tihtet, im September 1827 Kunde. Aus feinem Aufenthalte 
in Deutſchland, wo er fo viel bramatifche Productionen gelefen, 
waren ihm Immermanns Dramen no im Gedaͤchtniß; er er- 
wähnt vorzüglich der beiden Trauerfpiele „Cardenis und Gelinde” 
(Berlin 1826) und „das Trauerfpiel in Tyrol“ (Hamb. 1827). 
Bon Heine, dem damals no wenig Senannten, fheint Platen 
nur die beiden erſten Theile der Neifebilder gelannt zu haben. 


xXLI 
fein Bitzbuch auf, ke er felbR erſt fpäterhin fidh über das Thema 
verfelben,, über deutſche Literaturmifäre verbreiten wollte. Im⸗ 
nermann hatte den erften Theil der Heine'ſchen Meifebilder in 


Durch die „verhängnißvolle Gabel” mar der Dichter in bie ari⸗ 


num die Form wiederum auf und begann den „Romantifchen 
Debipus“ zu fchreiben. Wer es. der Mühe werth gehalten, ſich 
etwas mehr als oberflächlich mit Platens Charakter befannt zu 
nahen, wer feine Werfe fludirt hat, wird eingeflehen, daß eine 
fo formlofe Anfeindung, wie die Karl Immermanns, nit Kraft 
genug in fi trug, den Dichter zu einem Werke, dem romans 
tifhen Debipus gleih, zu flaheln, wenn es auch unläugbar 
bleiben muß, daß jenes von Heine bevorwortete Zenion den Anlaß 
bet, gerade. bie beiten Düſſeldorfer als Repräfentanten einer 
anwidernden Literatitrphafe Hinzuftellen. Was wir oben über 


den Anlaß dieſes Streites gefagt Haben; gibt auch Platen im ‘ 


Rophanifche Komödie eingeweiht werben; im Oktober nahm er 


XLII 


letzten Akte des Oedipus zu verſtehen, indem er Nimmermann 
zum Verſtande ſagen läßt: 


Baft ahn' ich, welcher Dichterſchule, Nüchterner, 

Du Huldigung barbringeft! Deiner Lieblinge 

Modernfter tft gewißlich jener Dürftige, 

Bon welchem längft behaubtet meine Zenten, 
“Daß er die Verfe, die er ſchreibt, vomtre blos? 

Gedanfenarmut, denn ich Hab’ ihn arm genanut 

Verbirgt er hinter Kuͤnſtlichkeit! 


Aber, wie geſagt, Platen richtete den Kampf nicht blos 
gegen Immermann; ed war vielmehr ein begeiſterter Verthei⸗ 
bigungstampf pro aris et focis der Poefte felbft. Nach ven 
‚ Meberreizungen zu Anfange bes varigen Decenniums folgte, im 
Großen und Ganzen betrachtet, eine impotente Erfchlaffung der 
_ poetifchen Literatur des Vaterlandes, welche fpäter die burfchikofe 
Nonchalance möglih machte. Platens Geift war auch aus der 
Ferne mit liebevoller Wärme der Heimath zugefehrt; es mußte 
den patrivtifhen Poeten fchmerzen, die Literatur Deutſchlands, 
das Einzige worauf es wahrhaft ſtolz fein durfte, flets tiefer 
finten zu fehen; er unternahm daher den Kampf gegen bie Uebel 
und Schäden, welche Deutfchland im Schooße trug. Alles was 
matt, formlos, unklar, verberbli und ſchwaͤchend in ber Lite: 
ratur, und faum in diefer allein, Hervorgetreten, wurde vom 
Dichter zum GBegenftand des Kampfes gemacht. Die fingirte 
Berfon Nimmermanns wurde zum Träger alles deſſen, was ber 
Poet für faul und fchäplih Hielt, auscerforen; brum heißt es in 
Dedipus: 


XLIII 


— geſalbt zum Stellvertreter hab' ich dich 

Der ganzen tollen Dichterlingsgenoſſen ſchaft, 
Die auf dem Hackbrett Fieberträume phantaflıt, 
Und unfere dentfche Heldenſprache ganz entweibt. 


Platen ſchrieb nicht ohne guten Grund an Schwab: „Sie 
werben fehen, um wie viel höher der romantifche Oedipus ſteht 
als die Gabel; und zugleich, wie er bei einem ähnlichen Gehalte 
fo ganz von ihr verfchieden if." Man hat aber vieß faft überall 
nicht zugeſtehen wollen, indem man ſich durdy den erfien An: _ 
fhein verführen ließ, den Dedipus für ein Pasquill gegen Im⸗ 
merman zu halten. Andere Stimmen haben gemeint, was 
Platen fage, möge recht gut fein, wenn er nur Gründe dafür 
beigebracht. Dieß Heißt das Weſen ber Poefie überhaupt ver- 
fennen, und von einem Gebichte verlangen, es folle eine Ingifche 
Deduction liefern. Die Poeſie fordert unbebingten und unmit- 
telbaren Glauben; was fie als gut hinftellt, das will fie als gut 
anerkannt wiflen, und worauf fie, wenn auch nur mit leifer 
Deutung, tabelnd hinweist, das fol verworfen werben. Die 
wahre Boefle Hält fih, bewußt-oder unbewußt, für lauter und 
gut, weil ihre Duelle fittlih und rein iſt; fie fagt nit: So 
follt ihr werben, fondern: So bin ih! Dieß if Platens Lehre 
von der Poeſie, und vorzüglih im Debipus hat er fi davon 
durchdrungen gezeigt. In dem Zwifchenfpiele hat er den Irr⸗ 
gängen einer Poefle, welche er die romantifche nennt, was mit 
dem bergebradhten Sinne biefes Wortes indefien wenig gemein 
bat, unermüdlich nachgeſpürt; er hat die verkehrte Anlage, bie 
verfehrte Verwicklung, die verfehrte Ausführung und bie ver- 
kehrte Tendenz getreu copirt; die wenigen echaben klingenden 


pp 


xu 


Seenen haben nur tragiſche Schminke, nicht tragiſchen Charakter; 
durch ihre Verbindung mit den übrigen Theilen des Gedichts 
find fie in ein komiſches Licht gerückt. Dieß war die Abficht 
des Dichters; 


Irrtümern bin ich gefolgt und Habe, da falfcher Schein 
Beträügt, die Hefe geſchöpft, zu zeigen, wie fchlecht ver Wein, 


fagt er in der Nachſchrift an den Romantiker. Hierburcd iſt 
auch Goethe's Anſicht,“ Platen babe es fi dadurch, daß er im 
Debipus die tragiſchen Motive parodiſtiſch angewandt, unmöglich 
gemacht ſelbſt eine Tragödie zu fühaffen, erledigt; denn Blaten 
tadelt ja nur die falfide Anwendung jener tragifchen Hebel — 
Eine Elafie von Beurtheilern bat gemeint, Platen fei mit feinem 
Kampfe zu fpät gekommen; was Hunderte ſchon vor ihm gefagt 


- fage er wieder, viel fhöner und fräftiger, aber nichts Neues; 


er habe die beffere Kritik: in den Journalen ver lebten Jahr: 


zehnte in Verſe gebracht, in Verfe, Die dem Kampf eine einige 


Dauer geben würden. Diefe Kritifer gerade machen noch jetzt 
mit denen, gegen welche Platen kämpfte, gemeinfchaftliche Sache 
und loben das Matte und (im Sinne der Kunft) Unflitliche 
heute noch wie ehemals; fie beweifen dadurch, wie wenig wahr 
ed fei, zu Tagen, der Dichter fei nad geihaner Arbeit gelommen. 
Mir meinen dagegen, Platen habe Recht, wenn er Hagt: 


1 Der romantifche Oedipus trägt Spuren, daß, befonders was das 
Technifche betrifft, gerade Platen ver Mann war, um bie befte veutſche 
Tragödie zu fehreiben, allein nachdem ex im gebachten Stüd vie tragi- 
fhen Motive parodiſtiſch gebraucht hat, wie will er jegt noch in allem 
Ernſt eine Tragödie machen! Goethe's Geſprache mit Eckermann, Br. J, 
S. 262, vom 11. Febr. 1881. 


XLV 


Es war ein allzu jugenblich Beginnen, 
Daß ich, wie Joſeph, meinen Traum verkündet; 
Draus hat fih mir der Brüder Neid entſponnen, 
Die gern mich würfen in den tiefflen Bronnen. 


Die Form und Sprache des Debipus fleht auf einer hoͤhern 
Etnfe der Vollendung, als irgend ein anderes ber Platenfchen 
Werke, denn wenn auch hie und ba einige fiebenfüßige Trimeter 
erfeheinen, Daktylen in ber dritten Sylbe lang gebraudt, @äfuren 
unbeachtet geblieben, Auflöfungen an falſche Stellen gerüdt find, 
fo ift dieß doch von fehr untergeordneter Bebeutung und läßt 
auch fo noch Alles, was vor und nad) diefem Stüde von Ans 
dern in neuhochdeutſcher Sprache gefchrieben, felbft die Platen- 
ſchen Brobufte früherer Zeit, tief Hinter Ih im Schatten. Doc 
hievon gänzlich abgefehen, die sullfommene Beherrſchung des Stoffes 
durch Compofition der Babel, die lichtvolle Vertheilung ber Rythmen, 
Kraft, Würde, Leichtigkeit und Anmuth ber Verfe, neue, gefügige 
Bortfielung, Erhabenheit ber Gedanken, die überall aus ben komi⸗ 
fhen Umkleidungen hervorbrechen, und bie volle Maͤchtigkeit des 
Ausdrucks drücken dieſem Luſtſpiel das Stegel der Vollendung auf. 

Die Abfaſſung des Luſtſpiels befchäftigte den Dichter vom 
Ditober 1827 bis Mitte Februars bes folgenden Jahres faſt 
ausfhlieglih; er trug es mit fih nah Rom, wohin er im 
Spätjahr 1827 von Sorrmt aus zurüdgegangen. In ber Ant: 
wort an einen Ungenannten, welcher dem Dichter ber verhängnißs 
vollen Babel in Nro. 311 des Morgenblattes von 1827 ein Gedicht 
gewidmet, ' fpridht er von feinem Werke mit ber größten Wärme: 


s Das Gevicht findet ſich auch in den Literaturbriefen v. 3. Mindwig 
Leipzig 1838), Br. I, ©. 906 ff. abgerrudi. 


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’q 


ı XLVI 


Eher nicht an enre Herzen Hopf ich an, an eure Pforten, 
Bis das Schöufte nicht gethan ich, eine große That in Worten, 
Welche Falte Sinne glühn macht, Lob erpreßt von Sylbenklaubern, 


Selbft ven Feinden muß gefallen und die Breunde ganz begaubern. 


Mit diefen zu Anfang Februars in Rom gefhriebenen Zeilen 
iR nur der Debipus gemeint; auch die einige Verſe früher er⸗ 
wähnten „Ddyffeen” würden wir bei einem längeren Leben Des 
Dichters nicht mehr zu erwarten gehabt haben, weil wir: fle be: 
reits befigen; er werftand darunter ein epifches Gedicht, deſſen 
Abentener fi in der Form von Reifen darſtellen follten, nämlich 
„bie Abaffiden,“ wie er unter den „Sliaden in volle! Waffen- 
rüftung“ gleichfalls nur ein Gedicht Friegerifhen, kaͤmpfenden 
Gehalts, nämlich den Debipus begriff. Wir erwähnen das aus⸗ 
drüdiih, weil man gerade auf diefe Stelle den Vorwurf ge- 
gründet flieht, Platen habe viel ET: aber feine Ber: 
beißungen wenig erfüllt. 

So ſehr der Dichter, als er den Debipns ausarbeitete, von 
dem Stoff erfüllt war, er ift in der Folge niemals wieder auf 
biefen Streit zurüdgelommen, während Immermann und Heine 
denfelben eine gute Weile fortführten. Hat auch Immermann, 
wie gern eingeräumt wird, * fein „Tulifäntchen“ nit gegen 
Platen gerichtet, und in feiner Meinen Schrift „der im Irr⸗ 
garten der Metrik umbertaumelnde Cavalier- nur diejenige 

ı Meine frühere Annahme, als ſei Tulifäntchen gegen Platen ge- 
fehrieben, beruhte auf einer undeutlichen Darftellung des Dr. Häring 
(Wr Aleris), der meine Auslegung in ven Blättern für literar, Unter- 
haltung (1840. Nr. 16) abgelehnt hatte, worauf mich Immermanns 


Bruder nach dem Erſcheinen der Tafchenausgabe der Platenſchen Werke 
unterm 1. Juni 1844 aufmerffam machte. 


XLvO 


Roihwehr geübt, die feine allernächfte Freundſchaft für unerläßlich 
erachten mochte, während feine eigene eblere Natur ſich gegen 
die unedlere Form der Entgegnung fcheint gefträubt zu haben; 
fo fpielte dagegen Heine, der wie aus einem Briefe Platens an 
Schelling ! hervorgeht, der eigentlihe Aufreizger und Anflifter 
gewefen war, den Streit fo fehr ins Perfönlige und bediente 
fih fo durchaus nidhtswürbiger Mittel, den gefährlichen Gegner 
zu erniebrigen, daß auf foldhe Angriffe feine andere Antwort 
als das Schweigen ber tiefften Verachtung zuläffig erſchien. Diefe 
Antwort wählte Blaten. 

- Seit dem December oder November 1827 Iebte er wieder in 
Rom; er hatte fi vorgenommen, zu Enve Februars bes naͤchſten 
Jahre nad Neapel zurüdzufchten; allein das unterblieb. Bon 
Berlin aus war ibm aus Beranlaffung bes damaligen Kron⸗ 
prinzen ber Antrag gemacht worden, für das jährliche Honorar 
von britikalbtaufend Thalern eine kritiſche Zeitfchrift über Die 
Bühne herauszugeben. Der Dichter flug es unbedenklich ans. 
Sn Rom verkehrte er mit den durchreiſenden Deutfchen, 3. 8. 
dem Profeſſor Schwenf, dem Fürften Taris und Andern. In 
Briefen an G. Schwab fpricht er wiederholt von W. Waiblinger, 
der, ein frühreifes Talent, fi einem Wandel ergeben, ber fi 
durch frühen Tod rächte. Diefe Briefpaflagen find für Platens 
Charakter nicht ohne Bebeutung. Bon Rom drängte es ben 
Dichter nah dem Norden Italiens, den er außer Florenz und 
Benedig faſt gar nicht fannte. Der in einem Briefe aus Rom 
vom 18. März mitgetheilte Reiſeplan erlitt Abänderungen. Der 
Dichter reiste über Terni, wo er den Waflerfall des Velino 

1 Abgedruckt in ver Hannov. Morgenzeitung 1845. Nr. 24. 


% 


XLVMI 


[4 


rauſchen hoͤrte und ben kryſtallkllaren Elitunmus fah, nach dem 
paradiefifch gelegenen Spoletv. Am 4. Mai war er zu Perugia. 
Bon hier ging er über Piftoja, Prato, Monte Pulciano, Monte 
Divieto, Volterra und Elba. Nah Furzem Aufenthalt auf der 
Inſel machte er ſich wieder auf, nahm in Livorno GSeebäber, 
und reiste über Piſa nach Florenz. Hier verlebte er auf dem 
Landhaufe feines Freundes des Freiherrn von Rumohr, bes 
Gaftsonomen und Kunftfenners, heitere Tage. Bon Florenz 
wandte er Ah im Juni nach Nordweſten, und flug in einer 
am Strande gelegenen Billa der Infel Palmaria feine Wohnung 
anf. Die Hier geſchriebene Einladung an Rumohr, voll heiterer 
Laune ımd gewürzt mit leifer Ironie über bie Feinheit ber 
Numohrſchen Sinne, Zunge, Aug' und Ohr, führt uns in die 
behaglich uͤbermüthige Stimmung bes Dichters. Er fand auf 
Valmaria ungeftörte Muße, aber er blieb unthätig für bie 
Voefle. Bon der Infel gieng er zu Ende des Sommers nach 
Genua, ohne daſelbſt fange zu verweilen: 


— kein Bleiben vergönnt des Geſchicks Befchluß mir: 
Iwar freiwillig und doch ein Gezwungener muß ich, 
Muß dich wieder verlaffen, 
©enua, blühende Statt! 


u. ber zu Genua gebichteten Ode. Die häufig wech 
He veifelazunen führten ihn im Herbie nad) Parma, wo er 
on ee DOde „die Wiege des Königs von Rom“ ſchrieb. 
ei — FUS trat er eine Wanderung durch bad Piemonteſiſche 
ia ® ihm der laͤcherlich ſonderbare Fall ſich ereignete, daß 
n ihm ſeine eigenen Gedichte conſiscirte. Schnell verließ er 





XLIX 


ben militaͤriſch⸗jefuitifchen Staat und wandte ſich nach Mailand 
und Bergamo, wo er die Gebrüder Frizzoni, die Zoͤglinge ſeines 
Freundes Gündel aus Sachſen, kennen und ſchaͤtzen lernte. 
Bon Bergamo eilte er aus ber „nebelreichen Lombardei“ über 
Eremona nad Toscana, und das Feine Gedicht „Flucht nad 
Toscana” fagt uns, daß er im December in Florenz eintraf. 
Hier verweilte er einige Wochen. 

Im Jahre 1828 wurde Platen Mitglied der königlichen 
Afademie der Wiſſenſchaften. Diefer Gnade des Königs Ludwig 
von Bayern, welcher fhon als Kronprinz die Beflrebungen bes 
Dichters mit wohlwollendem Auge beobachtet hatte, verbanfte er, 
defien phyfiſche Bebürfniffe von jeher fehr gering waren, eine 
hinreichend unabhängige Eriftenz. 

Zu Ende des Jahres 1828 gieng Platen nad Siena, wo er 
im Haufe ber liebenswürdigen Gräfin Pieri, einer gebornen 
Spanochi, ein fehr gerngefehener Gaft war. Im Haufe biefer 
eben, aus Deutſchland flammenden Dame, von welcher ber 
Dichter in der ihr gewinmeten Abſchiedsode fingt: 


Dichtkunſt hebt und Muſik, wahre Gefelligkeit | 
Hebt dein Leben empor (wie es der Deutfchen giemt) 
Aus einförmigem Kreislauf, 
Den fchlaftrunfen Italien träumt, 


verfammelt fi Alles, was auf edle Bildung in Siena Anſpruch 

macht; bier erfann der Poet den Plan zu feinen „Abaſſiden“, 

den er noch in biefem Jahre, bier und da in Italien umher⸗ 

freifend, ausführte. Denn er weilte nicht lange in Siena; 

der Beginn ber guten Jahrszeit machte ihn aufs Neue zum 
Platen, fämmtl, Werte, I. iv 


L 


Würbiigen Wanderer. Es fehlen uns aus biefer Zeit Platens Briefe 
a Cawab, und wir haben nur vermuthungsweife aus feinen 
Spiatummen den Weg finden Eönnen, ven er auf feinen Wan- 
derangen einfchlug. Bisher Hatte er fa nur den Wehen ber 
apenniniichen Halbinfel beſucht; es drängte ihn, nun aud bie 
gRliche Seite fennen zu lernen. Hier ergab er ſich hauptſächlich 
@indien über Architektur; die Tempel und Paläfte Italiens 
wurden ihn befannt, und manche klare Anficht über Kunſt und 
Kunſtgeſchichte findet fi in den Epigrammen niedergelegt. Wir 
folgen ihm, zunaͤchſt von Affifi ausgehend, durch die Küften- 
(Ander bes Oſtens. Gr war in diefem Jahre in Ascoli, Fermo, 
Asona, Sinigaglia, Urbino, San Marino, Ravenna, Bologna, 
Ferrara, Arquà und Benedig. Hier verweilte er längere Zeit, 
und wie er früher die Eindrüde diefer Stadt in den feelenvollen 
Sonetten niedergelegt hatte, fo hauchte er jebt die Gefühle in 
jene Reihe glänzender Epigramme, die ihres Gleichen nur wenig 
haben. Ueber den Eharafter diefer Dichtungen fagt er: 


Blos Aufſchriften ja find Epigramme, die Treue der Wahrheit 
Aber verleiht oftmals kleinen Geſängen Gehalt. 


Dieſe Diſtichen ſchließen ſich denen der griechiſchen Anthologie 
in Geiſt und Form meiſtens an; fie find nicht auf Witz abge⸗ 
ſchen; Naturbilder, Reifeerinnerungen, fentenzartige Gebanfen, 
Seufſer, Ermunterungen, Heine Charakterſtizzen, Anfichten über 
Hund und Welt, Alles in concifer, an das Spibfindige flreifenber 
Sprache vorgetragen, das macht den Stoff diefer Kleinen, klaſſiſch 
abgerumbeten Gedichte. Die meiften derfelben find auf des Dichters 


LI 


Wanderungen durch Stalten, eittige bei der Ausführung größerer 
Gedichte, andere auf deutſchem Boden entflanden. 

Bon Venedig machte der Poet Heine Ausflüge in bie Um⸗ 
gegend. Auf feinen Reifen und Wanderungen trug er feine 
Abaffiden mit fih und nahm aud nad Neapel, ale er fi 
im Jahr 1830 dorthin begab, den unvellendeten Stoff mit- fi. 
Es ift begreiflih, daß in diefem reizenden, durchſichtig Haren 
Gedichte die Lieblichften Bilder, zu denen ganz Stalien beiſteuerte, 
in großer Fülle vorübergleiten. Die innere Gliederung biefes 
Gedichts, das er zur Zeit der Entitehung für fein gelungenftes 
Merk anfah, ift überaus einfach; mit den unſcheinbarſten Mitteln 
bewegt er bie heitere, lebenswarme Maͤrchenwelt; Mäßigung 
in jeder Nüdficht bezeichnet dieß Lied in allen feinen Theilen; 
es entzündet nicht, es reißt nicht hin, aber es erfüllt mit wohl 
thuender Wärme: es fest uns nit in Zucht und Schreden; 
aber es erhält in gleihmäßiger, fanfter Spannung; es reizt 
nicht zum Lachen, aber es firömt eine milde Heiterkeit über das 
Gemuͤth ans. Das Märchen, fo weit es uns nicht mehr auf 
Religionsglauben Bezug hat, erwerkt überhaupt deßhalb einen 
fo günftigen Geifteszuftand, weil es die Unmöglichkeiten mit ber 
finblichften Glaubenstreue vorträgt und nie an den Wundern 
feiner Welt mit dem leifeften Hauche des Zweifels zu flreifen 
fih einfallen Taßt. Boeten, weldhe nicht felbft an die heitere 
Unfchuld des Märchens glaubten, wie Mufäus, Wieland und 
Andere, Tonnten wohl für eine Strede Zeit Effekt maden, aber 
fie haben fi übermüthig der ewigen Jugend entfchlagen. Den 
Platenfchen Nbafliden prognofticiren wir eine lange, Tebendige 
Dauer. Das Gedicht fand faſt durchgängig den ungetheilteſten 


LO 


Beifall und die freundlichſte Anerkennung; die Kundigen er 
blickten auch hier wieder, teog bes unfcheinbaren Gewandes, das 
den ſerbiſchen Volksliedern eigen und ſchon früher in Deutſch⸗ 
fand angewandt if, Platens Meifterfhaft in ber Form im 
höheren DVerftänpnifie des Wortes; die Gegner wähnten, ber 
Dichter babe fich herabgeſtimmt; Jeder las es in feinem Sinne 
unb hatte in feiner Weife Vergnügen daran.! Die Dichtung, 
im Jahr 1830 vollendet, erſchien zuerſt gebruct in dem Tafchen- 
buche „Veſta für 1834 (S. 81— 224) und fpäter zu Stuttgart 
(1835) einzeln, mit dem Prologe, der zu Wien die Genfur nicht 
paflirt war. 

Platen ergab fih in Neapel, wo er von 1830 bis 1832 
lebte, biftorifchen Studien. - Ueberhaupt wandte er fidh feit der 
Sommerreife des Jahres 1829 immer mehr von der rein ibealen 
Nichtung, die er bis dahin in der Poefle genommen, auf bie 
Erfheinungen der Wirklichkeit, und fuchte fie durch die Poeſte 
zu bewältigen, fei es um fle in das Bereich des Spottes, in bas 
Licht des Berwerflichen ober in einen Glorienſchein der Ders 
klaͤrung zu rüden. Die franzoͤſiſche Iulirevolution ergriff auch 
den Dichter mit ihrem .eleftrifchen Feuer; feine Ode an Karl 
den Zehnten macht den Anfang zu einer Reihe von politifchen 
Gedichten, die, wenn auch überall die Vollendung des Stoffes 
zeigend, doch auch das unverfennbare Gepräge der Zeitbewegung 
an fih tragen. Platen war feiner Natur nad ruhig in pas 
fitifchen Dingen gefinnt. Aber wo findet ſich ein wahrer Poet, 


1 Segenwärtig find einzelne Partien auch in Leſebücher zum Schul. 
gebrauche aufgenommen, was denen gefagt fein mag, vie Platens Popu- 
laritat Yäugnen, weil fie pas Volk nur kennen, wie fie es fih denken. 


LIT 


der nit mit der Freiheit fympathifirte? Ste if, in ihrer Ent 
ſtehung, das nad Geflaltung Ringende, das zur Ordnung Stre 
bende, fie iſt die möglichfle Verwirklichung der Sittlichkeit. Der 
Boet kann fi ihrer Gewalt nicht entziehen. Platen, flets em⸗ 
pfänglich, wenn irgendwo Edles auftauchte, wuchs und Boden 
gewann, konnte es noch weniger. Mit entfhiebenftem Freimuthe, 
mit der ganzen Kraft der Liebe für Wahrheit und Sittlichfeit 
im Staatsleben gab er ſich den Einprüden der Seit hin. Die 
polnifche Revolution brachte in ihm einen lange fhon genährten 
Nuffenhaß, dem wir bereits in einer Stelle des Debipus bes 
gegnen, zum Ausbruche, einen Haß, der ihn fogar gegen bie 
Wahrheiten der Geſchichte blind macht und ihn verleitet, den 
Petrowitſch Alerei als unfchuldigen Martyr des Defpotismus zu 
fhildern, während die beglaubigte Geſchichte doch ganz anders 
urtbeilt. Diefer Ruffenhaß, nirgends flürfer als in dem von 
Dante's Geifte durchwehten „Reich der Geiſter“ ausgefprocdhen, 
wandte die Blicke des Dichters auch auf die tiefere Gliederung 
des DBaterlandes; er wünfchte einen Kaifer zurüd; er fah in 
Preußen ein Bollwerf gegen Aſten; in dem Gedichte „an einen 
deutfhen Staat” will er Preußen zur ungweideutigen Stärke ber 
Freiheit erhoben fehen; er räth der Heimath zur Annäherung‘ 
an das wwiebergeborne Frankreih; im Süboft wollte er eine 
Schanze gegen Rußland gebaut fehen. Aber feine Worte dran- 
gen nicht ein, meinte er; wie Kaflandra, welcher der Gott in 
den Mund gefpieen, daß Niemand ihren Prophezeihungen Glau- 
ben fchenkte, glaubt er dazuftehen in einem Lanbe, wo „ber 
Rubel auf Reifen“ zum Verrath des Vaterlandes verlodte. Er 
erfannte die Gefahren, welche ex felbft durch feine freimüthigen 


ww. 


LIV 


Worte fich herbeiziehen Tonne, aber er wollte fle nicht ſcheuen; 
er wollte reden, wie ihn der Geift trieb, und follte ex verlaflen 
und allein fterben wie Ulrich Hutten. j 

: Aus diefer Zeit ſtammt eine Reihe von politifchen Gedichten, 
geößtentheils Polenliedern, die zum Theil ſchon das ausfprechen, 
was ein Decennium fpäter als neue Offenbgrung aufgenommen 
und bejubelt wurde. Die Entfchievenheit diefer ergreifenden 
Gedichte und dabei dennoch die Mäßigung bes Charakters gibt 
ihnen einen Werth, der weit über die perfönliche Bedeutſamkeit 


Hinausgreift. Sie wurden fpäter zu Straßburg 1839 gebrudt 


und erlebten dort 1841 die zweite Auflage. 

Wir folgen dem Dichter nun in andere Gebiete, wohin ihn 
zwar auch der Nufienhaß getrieben, worin er aber frei von ber 
Aeußerung beffelben auftritt. Suerft treffen wir bier auf bie 
„Geſchichten des Königreichs Neapel“ (Frankfurt 1833) mit einem 
Motto aus ben Gefängen bes Grafen Leopardi, das wir hier 
nad Kannegießers Lieberfeßung (Leipzig 1837. ©. 87) mits 
tbeilen: 

Ich wähle anders, minder liebliches 

Sefhäft und fammle drin des ehrnen Lebens 
Eklen Gewinn: die bittre Wahrheit, blinde 
Beitimmung Irbifcher und ewiger Dinge 

Zu fpähen. Und wenn von der Wahrheit 
Vernünftelnd dann die Welt fich meiner Rede 
Nicht fehr erfreut, wohl auch fie nicht verficht, 
So Mag ich nicht, denn längſt iſt dann bas alte 
Wirre Gelüft nach Ruhm in mir erlofchen, 
Zwar keine eitle Gottheit, doch noch blindre 
Gottheit ale Glück, als Schickſal und als Liebe. 


LV 


Aus den Wirren der Gegenwart flüchtete er in das Gebiet 
ver Geſchichte, und nach dem Motto zu urtheilen würben wir 
bei einem längern Leben Blatens wohl niemals wieder ein Wert 
größern Umfangs zu erwarten ‘gehabt haben, das nicht auf 
geſchichtlichem Grund und Boden aufgebaut worden wäre. Der 
ausgefprochene Zwed jener neapolitaniſchen Geſchichten war, 
buch. eine Darftellung ter Sitten zur Zeit der Königin Johanna 
zu zeigen, „baß kein Roman fo römantifch ift als die Geſchichte 
ſelbſt,“ und auf diefe Weife eine entfräftenve Lectüre zurückzu⸗ 
drangen. Die Vorrede deutet einige andere hiſtoriſche Arbeiten 
Platens (aus der  venetianifhen Gefchichte) an. Wir wiſſen 
nit, ob etwas davon unter feinem Nachlaſſe vorgefunden wurde. 
Eine andere poetifche Gabe jedoch beſtaͤrkt uns in dem Glauben, 
daß es mit den verheißenen Darftelungen ernftlich gemeint war. 
Im Sahre 1832 kam der Dichter, um eine Ießte Pflicht zu er 
füllen, nad Deutfhland zurüd. Sein Vater war geftorben. 
Den Winter brachte er Ri in Münden zu. Doch Ternte er 
einen Studenten, Wilhelm ride, jest in Bremen, kennen, 
der in recht anziehender Weife Kber feinen Verkehr mit Platen 
berichtet ‚Hat (Pofaune 1840. Nr. 11— 14), und beiläufig denn 
auch die haͤßliche Art rügt, wie Lewald, der den Dichter nicht 
fannte, in feinem Panorama von Münden (1, 63) nad) ben 
Ausfagen einiger Kranzofen über benfelben urtheilte. Zu Müns 
hen ſchrieb Platen im December 1832 „bie Liga von Cambrai.“ 
Hatte ihm der Blick auf Rußland nur Gefahren angedroht, fo« 
gar den Verrath des PVaterlandes gezeigt, fo wandte er ihn 
nun wiederum in das Neid der Gefchichte, fuchte und fand 
begeifternde Bilder des Patriotismus. Die Liga von Gambrai 


LVI 


fehr oft Hart getadelt, weil man in ihr eine der verfprodhenen 
Tragddien vor ſich zu haben wähnte, ſtets nur in Bezug auf 
Platens frühere Werke, niemals als Produkt für ſich beurtheilt, 
von einem anonymen Mecenfenten, ' gegen den Platen feine 
Epigramme fchleudert, als republilanifch verfeßert, — die Liga 
ift ein Produkt politifch-poetifcher Zeiteindrücke; fie fol einen 
Gegenſatz des Patriotismus, im Allgemeinen genommen, gegen 
Despotie bilden. Das Stud führt in eine Zeit Venedigs, wo 
biefer Freiſtaat Durch Fehler der Bolitif einen herben Sturm 
gegen fi heraufbefhwor, aus welchem er durch männlichen 
Muth, duch Milde und Konfequenz als Sieger hervorgieng; 
dieß if der Grundgedanke. Der erfte Alt beginnt mit ber Wie 
derlage an der Abba, ber letzte endet mit ber venetifhen Er⸗ 
oberung Padua's. Im erflen Akte if das ganze Unheil, das 
über die Republik hereinbricht, in Turzen, fcharfen Zügen ger 
fhildert; im zweiten häufen ſich die Schläge, Venedig verliert 
die Ausfiht auf Hülfe, fogar die feſten Pläge, die es zu reiten 
hoffen durfte; es foll felbft die apulifchen Häfen freiwillig her⸗ 
ausgeben; im Innern droht burd ein hochfahrendes Wort des 


1 In ven Berliner Jahrbüchern für wiſſenſchaftliche Kritik, 1833, Ort, 
Nr. 77, ©. 599. Der Recenfent tavelt ven Stoff ala unpoetiſch, ven bie 
ganze Behandlung als Nebenfache betrachte. Der erſte Akt fei nichts als 
Converfation zwifchen Boll und Senatoren über Venedigs alte Größe und 
jegige Gefahr. Der zweite Akt führe ven Dpgen und mehrere Senatoren 
vor, deren keiner eine beftimmte Perfönlichleit habe. Alles gebe ohne 
Aufregung und Energie in Sprache wie in Aktion vor fih. Erft im drit⸗ 
ten Akte gemännen bie Interefien einige Lebenpigkeit, und obwohl nach 
wie vor in der Dichtung eigentlich die Dichtung fehle, und im ganzen 
Drama nichts als eben vie Hauptfache, das Drama felbfi, vermißt werde, 
fo erfabre man doch jet, marum es dem Dichter eigentlich zu thun ge- 
weſen, nämlich um ven Patriotismus ver Repulikaner. 


LVII 


Dogen Zwiſt zu entbrennen; da ſchlaͤgt dieſer zwei Defchlüfe 
vor. Der eine bezweckt eine Vergütung des Schadens, den 
die Provinzen um ber Mepublik willen erdulden, der andere 
mibindet das Land feines Cides gegen- bie Republik, wodurch es 
für einen möglichen Heimfall an den Staat ſicher fein darf, nicht 


als Rebell behandelt zu werden. Bon nun an kehrt der Sieg. 


in Benedig ein; fon durch bie Rückkehr des Garbinals Gri⸗ 
mani, ber bei feinen vertriebenen Vater in Rom lebte, wirb er 
angedeutet, und ‚bald darauf verfündet Gritti die Ginnahme 
Padua's. Bir wänfhten Raum zu Haben, um bie ganze Schoͤn⸗ 
heit diefes Fleinen Drama’s zu zergliedern und zu zeigen, baß 
Blaten Hier, wie in allen. feinen poetifchen Werfen, wieberum 
einen neuen, für die Literatur Frucht bringenden Pfad einge 
ſchlagen. Das ganze Gedicht, bis in die Fleinken Fakta hinein, 
iR hiſtoriſch tren. Mo der Staat ſelbſt zur Hauptfigur bes 
Stüdes gemacht ift, da bürfen die einzelnen Berfonen gegen 
denſelben zurücktreten, wiewohl fie Dennoch nicht ohne indivibuelle 
Züge Hingeftelt find. Wer in den Offenbarungen ber Poeſie 
sit nur die Darſtellung eines vereinzelten Stoffes, fondern bie 
Symboliſtrung vieler gleichartigen Gedanken burd einen einzigen 
zu erbliden vermag, ber wird auch an dieſem Drama Platend 
Gefallen haben, ohne daß er der tiefern Duelle vefielben nad 
zuſpüren nöthig Hätte. Wir Halten Platens Cpigramm auf fein 
Stud, unter dem Namen „Skigge,“ fehr treffend: 

Dftmals zeichnet der Meifter ein Bild durch wenige Striche, 

Bas mit unendlichen Wuſt nie der Geſelle vermag. 
Bon München reiste der Dichter im Jahre 1833 nad) Venebig 


mrüd; bier entflanden bie beiden reizenden Cklogen: „Philemons 





LVIII 


Ted“ und „das Fiſchermaͤdchen in Burano,“ fo wie einige. ber 
Benedig handelnde Epigramme. Zu Ende des Jahres kehrte ex 
bauptfähli wegen einer noͤthig gewordenen ziveiten Auflage 
feiner „Gedichte“ nah Münden zurüd. Im Frühling hatte 
Schannes Mindiwis in Leipzig bem Dichter ein Gedicht, ' das 
griechifch und deutſch erſchien, gewidmet und zugefandt. Platen 
antwortete darauf in einem Briefe vom 18. December 1833. 
Seit diefer Zeit wurde zwifchen beiden ein Briefwechfel bis zum 
Tode des Dichters geführt. Für die Herausgabe diefer und ber 
von Platen an Schwab gerichteten Briefe ift man dem Heraus⸗ 
geber Dank fchuldig, weil ohne biefelben eine empfindliche Lürke 
in der Kenntniß von Blatens lebten Jahren und mancher ſchoͤne 
Zug feines Charakters unbekannt geblieben wäre. Aus diefen 
Briefen faſſen wir des Dichters letzte Lebensſchickſale Hier zu⸗ 
fammen. Im Frühling 1834 reiste Platen von Münden nad) 
Augsburg zu feinem thenren Freunde, dem Grafen Friedrich 
Fugger, der ihm jetzt nun auch in- jene Welt nachgefolgt; er 
farb am 16. September 1838, befchäftigt feinem Sugendfreunde 
durch die Herausgabe diefer gefammelten Werke ein Denkmal zu 
fegen, aere perennius, wie Horaz fagt. Damals gab Platen 
bie zweite Auflage feiner „Gedichte,“ welche zu Augsburg ger 
drudt wurde, unter eigner Revifion heraus. War ſchon bie 
erſte Ausgabe mit firenger Kritik beforgt, fo war es bie zweite 
noch viel mehr. Alle Gedichte, die der Dichter einer bleibenden 
Dauer nicht tHeilhaft glaubte, waren ausgeftoßen; andere, deren 
Form unvollflommen erfchten oder in denen Anſichten ausgefprochen, 


1Wiedergedruckt in dem Buche von 3. Mindwig: Graf Platen ale 
Menlch und Dichter. Literaturhriefe. Leipzig. 1898." ©. 25. 


| —— nn — — — — — —— 


- LEX 


von welchen der Poet zurüdgelonmen, wurden umgearbeitet. 
Dagegen fanden bie hie und da im beutfchen Muſenalmanache 
md Journalen zerfireuten Lieder Aufnahme. Die Jugendgebichte 
and Momanzen wurden von ben Balladen gefondert. Die leg 
ten, weldye nicht blos gefchichtliche, fondern auch fagenhafte 
Stoffe, wie die Gründung Karthago’s und die Beflattung Ala⸗ 
richs, umfaflen, bilden eine der füßeflen und reifſten Früchte 
ver Blatenfchen Boefe. In dem Klagliede bes Kaifers Dito, 
durchdrungen von der mildeflen Kraft und der wärmften Ems 
pfindung, mit den unübertrefflihen Schlußzeilen, worin bas er- 
greifende Geſchick des Taiferlihen Jünglings fo kurz als kraͤftig 
gezeichnet, die Quelle ſeines ganzen Mißgeſchicks eroͤffnet iſt, in 
dieſer Ballade zeigt Platen die Macht, welche die Lyrik üben 
kann, wenn ein gefühlstiefer Dichter einen wuͤrdigen Stoff ers 
greift. Alle Bücher des Buches fanden Bereicherung; ganz neu 
hinzugelommen war ein Buch von 168 Bpigrammen, von benen 
wir fhon oben fprehen mußten; in gegenmwärtiger Ausgabe 
fonnten nur noch dreizehn nachgetragen werben. Die „Gedichte“ 
fanden bei ihrem Erſcheinen im Frühling 1834, die ungetheil- 
tete Bewunderung; alle Lefer trafen etwas ihrem Geſchmack 
Zuſagendes; daß Einzelne Einzelnes tadelten, verfland ih von 
ſelbſt; man Hatte nun aber, namentlid durch die Belegenheits- 
gebihte und Oben, welche nen hinzukamen, einjehen gelernt, 
daß hier doch mehr als bloße „Berskünfteleien” geboten würden, 
daß die Gedichte Ausflüffe eines tiefen, gebiegenen, über Kunf 
and Leben ruhig waltenden Geiftes feien. — Neben jener Ge⸗ 
dichtſammlung defchäftigte den Dichter eine andere Arbeit, ein 
Drama. Mindwig forderte den Grafen auf, wiederum ein 


3 


LX 


artftophanifches Lufifpiel zu ſchreiben, und erbot fidh zu einer Cha⸗ 
tatteriftil derjenigen Perſonen, welche er gern perfiflirt gefehen 


- hätte. Platen lehnte das ab. Er konnte fich durch feine folche 


Snfpiration erregen laſſen; ihm fei die beutfche Literatur ber 
letzten ſechs Jahre völlig unbefannt, fihrieb er; überbieß fei er 
mit andern Arbeiten befchäftigt. Die literariſchen Komoͤdien hatte 
er aufgegeben, er fann über einer politifchen; und bieß war auch 
ber einzige Weg, der ihm in der Komödie übrig geblieben, wenn 
er einen Fortſchritt machen wollte. Bruchflüde dieſer Komödie find 
erhalten. Au auf ein Drama rein ernften Gehalts, „Meleager“ 
betitelt, treffen wir im Jahr 1834. Uns find allein die beiden Bd. I. 
©. 276 und 277 gebrudten Chorlieder zu der Tragödie bekannt. 
Zu Ende Aprils reiste Platen von Münden aus wiederum 
nad Italien ab, um nie wieder zu kehren. Im Juni war er, 
nachdem er zuvor in Toscana, zu Blorenz und Siena! ſechs 
Wochen verbradht, zu Neapel angefommen. Dort vermeilte er, 
der Seebäder mit ungeflörter Muße genießend, bis zur Mitte 
Septembers, und begab fib ſodann nad Florenz, wo er ben 
Winter zubradhte. In diefer Stadt hatte er öfter feinen Auf 
enthalt genommen. Was ein Hlorentinifcher Berihterflatter über 
ihn nad feinem Tode ſchrieb,? wollen wir Hier in ber Kürze 
ausheben. „Ein faſt zehmjähriger Aufenthalt in Italien, eine 
durch nichts getrübte und flets offen ausgefprochene Liebe für 
Alles, was Bergangenheit und Gegenwart Großes, Edles und 
Schönes erzeugt haben, genaue Bekanntſchaft mit der italienifchen 


4 Eine Anekvote aus diefer Zeit im „Planeten“ 1839 Mr. 57. 
2 „Blaten und die Italiener“ im Morgenblatte 1836 Nr. Wf. Wahr- 
ſcheinlich von W. 9. Schulz. ö 


LXI 


Eiteratur und Sprache, Studien endlich, die in den lebten Tagen 
feines Lebens faſt ausſchließlich der Literatur diefes Dolls ge 
eibmet waren, mußten ihm in Stalien alle Edelgefinnten be 
runden. Die anfpruchlofe Perfönlichkeit Platens gab feiner 
wögezeichneten klaſſiſchen Bildung "und feinem poetifchen Talente 
einen um fo höhern Werth, je weniger vornehme Italiener Ber: 
dienfte diefer Art aufweifen Tonnen. Die Folge war das fchönfte 
Behfelverhältnig: Achtung, Wohlwollen und offenes Entgegen- 
fommen von Seiten ber Staliener,; von Seiten Platens, troß 
aller Reizbarkeit, die feine legten Jahre trübte, Unbefangenheit 
und eine ſtets wachſende Begeifterung für ben vielgelichten Süben. 
— Es war natürlich, daß die Italiener nach dem Tode Goethe's 
Platen am liebſten als einen jener hiſtoriſchen Vermittler zweier 
Nationen anfahen und fi felbft am treueften in feinen Did 
tungen-bargeflellt glaubten. — Die Veränderung, weldhe in den 
leßten Jahren mit ihm vorgegangen, fiel allen feinen floren⸗ 
Knien Freunden auf; man betrachtete ihn wirklich ala einen 
Sterbenden, und nur die Wenigflen hatten bei feinem Scheiben 
von Florenz Hoffnung, ihn ans dem Süden Italiens rückkehren 
m ſehen“ In Floxenz war Platen für die Poefle nicht um: 
tätig; ex bichtete zwei Hymnen, die eine ift an Friedrich Grafen 
von Fugger gerichtet, die andere ift eine Tobtenflage um ben 
am 2. März 1835 verfiorbenen Kaifer Franz. Im März gieng 
der Dichter nach Livorno, um fih auf dem Dampfboote nad) 
Reapel einzufchiffen. Ohne Berzug eilte er weiter nad) Sicilien, 
ven Boden ex mit dem Gedichte: 


Vorzüglich war vie Platens Fall mit dem Dichter Giacomo Leo- 
u S. W. H. Schulz in Reumonts Italia 1840. 





LXD 


Subrünftige fromme Gebete u. f. w. 
begrüßte. Hier dichtete er wieder mehrere Fefigefänge. In Pa⸗ 
lermo, von dem er fo bitter und Mräftig in einem Liede (S. 278 
biefes Bandes) redet, hielt ex fh vier Wochen auf, durchfchweifte 
die Infel, wandte ſich nad) Calabrien, wo er nirgends längere 
Zeit verweilte, und gieng im Suli nad) Neapel zurüd. Die Hige 
und tägliche Seebäder machten ihn träg. Aus einem in Neapel 
gefehriebenen Briefe! an Mindwig entnehmen wir folgende Stelle: 
„Hier länger zu bleiben, ift kaum rathſam, da die Cholera ber 
veits in Toscana iſt und nicht fäumen wird hieherzufommen, 
In Neapel wird fie wegen der Unreinlichfeit und der ungeheuren 
Bevölferung dergeftalt wüten, daß ich nicht Luft habe Augen: 
zeuge davon zu fein. Ste wird zwar Sieilien nicht verſchonen, 
aber dort ift es wenigftens poetifcher zu fterben oder vielmehr 
begraben zu werden; benn bier iſt ber proteflantifhe Kirchhof 
unweit der Bordelle. In Sicilien giebt es natürlich gar feine 
peoteftantifchen Gottesäder, und man Hat wenigftens das Ver⸗ 
gnügen auf freiem elde beerdigt zu werden, vorausgefebt, daß 
no ein Vergnügen dabei iſt. Da ich zu jener Kranfheit viel 
Anlage habe,. fo hielt ich es nicht für unnütz, daran zu benfen, 
und habe auch wegen meines Titerarifchen Nachlaſſes Auftrag 
gegeben. Diefer befteht vorzüglich in zehn Hymnen (bie drei 
gedruckten mitgerechnet), die ein befonderes Büchlein bilden wer: 
den, und in jedem Fall das Befte find, was ich hervorgebracht. 
Denn bie fleben ungedruckten laffen die drei gedruckten weit hinter 
fih.. Hiezu habe ich eine Elegie als Zueignung bereits in Sicilien 
gefhrieben.” 
ı Mindwig Briefwechſel S. 87, 


Diefe Worte geben uns den Anlaß, Uber die Hymnen bes 
Dichters einige erläuternde Bemerkungen einzuſchalten. Platen 
ſchloß fih in dieſen Gefängen dem Pindar an, von welchem 
dein wir noch vollſtaͤndige Werke der doriſchen Lyrik übrig 
haben. Die pindarifhe Hymnenpoeſie unterfcheidet ſich aͤußerlich 
von ber übrigen Lyrik durch eine vwielgeftaltigere Form ber 
Rhythmen. Die Feflgefänge des Thebanifchen Dichters, für ben 
Chortanz beftimmt, weifen gewöhnlih eine Wiederkehr von 
Eirophe, Gegenfirophe und Epode auf. Die rhythmiſche Ber 


mit der Epobe. Hier können wie Platen nicht frei ſprechen von 
einigen rhythmiſchen Entflellungen. Da feine Hymnen nur zum 


fe bei Bindar erfcheint, nicht für anwendbar, wenigftens nicht 
für nothwendig; er ließ deßhalb bald bie Strophe, bald bie 
Gpode fallen. * Vielleicht hielt er das deutfche Ohr nicht em⸗ 
blänglih für den vollendeten Rhythmus. — Pindars Hymnen 
1 Platens Hymne Abſchied von Rom hat ven Rhythmus ver Strophe 


den Pindare achtem olympifchen Siegsliede, bier fehlt pie Epode bei 
Pater. Die erfte Hymne an die Brüder Frizzoni folgt ver Strophe 


von Pine. Olymp. 12, bier fehlt wieder die Epode; überdieß find die 


Verſe am Ende unrichtig abgetheilt, indem vie beiden letzten Zeilen nur 
einen Bers bilden Tönnen; die an Fugger hat vie Rhythmen aus Rind. 
Olymp. 10 (Böckh) entlehnt, und wieder die Epode fallen Iaffen. Die 
imeite Hhmne an bie Frizzoni ft aus den Rhythmen eines pinvarifchen 
Hagliedes, wovon nur ein Bragment übrig, genommen. Die auften Top 
v8 Kaiſers hat tie Epode des zehnten pythiſchen Liedes Pindars. Die 
u den Kronprinzen von Bahern gerichtete wählte in fig abgefchlofiene 
Ahethmen, Indem fle Pindars viertem nemeifchen Siegsliede fich anfchließt, 
delches nur die einfache Wiederkehr ver Strophe zeigt. Tie Rhythmen 
% übrigen Biatenfchen Feſtgeſange find nicht ans Pindar entlehnt, 


riede der Strophe und Gegenſtrophe rundet und vollendet fid - 


keſen beſtimmt find, fo hielt er die rhythmiſche Gliederung, wie 


[2 


LXIV 


haben eine durchaus eigenthümliche Gompofition; „fie. enthalten 
das Lob von Siegern in griehifhen Kampfipielen und wurden, 
meiftens in der Heimath, vor dem Sieger gefungen. Gin un- 
umwundenes, in das Angeflht dargebrachtes Lob war unſchick⸗ 
lich, ja vollig unflatthaft, wenn es, wie oft der Fall, mit ge 
Indem Tadel gemifht war; mitunter war der Sieg auch ein 
allzubürftiger Stoff. Pindar pries daher feine Helden, indem er 
Stammfagen, die allen Hörern befannt waren, in feinen Ge 
fang einflocht und fie dem Sieger gleihfam ale Spiegel vorhielt. 
Die Mythen, deren Deutung überdieß eine religiöfe Yärbung 
annahm, waren fämmtlich in Bezug auf den Steger gefeht, und 
diefer ertrug einen Tadel, ber auf ſolche Art dargebracht var, 
mitten im Siegesraufche. Die Hymmenpoefle folgte alfo, wie es 
jede Achte Dichtung that, Cinem Hauptgebanfen, fie ergriff und 
bildete Einen Hauptfloff und hatte Einheit in allen ihren Theilen. 
Bon. den übrigen Gattungen ber Lyrik unterſcheidet ſte ih nım 
noch durch bie Wahl eines höheren, über bie Kreife des ger 
wöhnlihen Menfchengefhids hinausragenden Borwurfs. Die Ode 
bedarf zwar auch einer gefteigerten Erhebung der gefammten 
Anfchauungsweife, allein nur einer innerhalb gewohnter Sphären, 
und kann ſich fehr wohl mit der reinperfönlichen Gefühlsäuße- 
rung des Poeten begnügen; wie fie ihre Stoffe in engeren 
Schranken wählte, fo beivegte fie fih auch in befchränkteren 
Formen, Rhythmen, Bildern. Die Hymne dagegen, von größerer 
formeller und materieller Exrpanfionsfraft, verfolgt zwar ihren 
Haupigedanken mit gleicher Confequenz, wie die Ode, aber wie 
fie rhyihmiſche Takte zu rhythmiſchen Theilen ausführt, fo ftellt 
fie auch, wo die Ode fih an Tropen und Gleichniſſen begnügt, 





LXV 


ausgeführte Bilder als Berfinnliung ihres Gedankens auf, fie 
führt ihn durch eine Reihe Inrifcher Scenen, deren Wurzeln alle 
ſichtlich im Herzen des Dichters Tiegen. Durd das leßtere unter 
anderem fondert fie fi vom Epos, defien Epiſoden ohne Beziehung 
auf den Poeten erfcheinen. Die Ode gleicht einem Gefäß aus edlem 
Metalle, defien Rundung ein Kreis radirter Geftalten ziert, die 
Hymne einem Pokal von Reliefgeflalten umgeben, fie iſt ein 


| erzgetriebenes Bildwerk des Lieds, 


das Epos ift einer Gruppe von Statuen ähnlih. Um bieß, was 
fowohl auf Pindar als Platen feine Anwendung findet, näher 
zu fehen, bürfen wir nur glei Platens „Abſchied von Rom“ 
durchgehen und wir werben in al’ ven Bilderzügen aus Roms 
Geſchichte den Gedanken, der zur Schwermuth flimmte, ver: 
finnlidt finden: 

Zeitläufte Hohn, 

Aber Rom ſank, ſank und finkt. 


7 


Wie es aber das Weſen der Poeſie ift, zu Täutern, zu erheben, 
fo fügt der Dichter auch in der 15. Strophe ben beruhigenden 
Troſt hinzu: 


Selig, wem Thatkraft und behaglichen Sinn leiht 
Gegenwart n. f. w. 


fo daß wir, faflen wir beide Theile des Gedichtes zuſammen, 

den Hauptgebanfen, Sieg des ſich ewig jung fühlenden Muthes 

über irdiſche Schwere, auf das gewandteſte durchgeführt fehen- 

In dem reizenden Gedichte an ben Kronprinzen von Bayern ſpricht 

der Boet den Hauptgebanten in den Verſen aus; im Munde 
Blaten, fammtl. Werke. 1. v 


LXVI 


des Dichters, der deines Haufes Glanz und den taufendjährigen Ruhm 

wälzt — lebt gleichreizend und ewig Heil und Unheil, 
Es ift diefe Hymne gewifiermaßen eine Entfhuldigung, warum 
der Poet nicht früher fon ein Lied an den Kronpringen ge: 
fungen; ex babe, fagt er, ftets den hohen Ruhm des bayrifchen 
Stammes vor Augen gehabt, und um dieß zu zeigen, führt er 
eine bayrifhe Stammfage und zwar eine der liebliääfien vor 
Augen, bie überdieß noch befhalb den Kronprinzen anfprechen 
mochte, weil fie zu Hohenfhwangau gemalt wurde. Eine andere 
Deutung, mit der gegebenen fehr, wohl vereinbar, halten wir 
für Diefen Ort nit paflend. — Die Hymne an die Brüder 
Frizzoni entfland in Folge des Heinen Gedichtes „Flucht nad 
Toscana." Die lombardiſchen Freunde hatten eine Ehrenrettung 
ihrer Heimath gefordert. Platen führt nun Bilder von graufer 
Kraft vor und gefteht der Lombardie zu, fle habe Gewaltiges 
aufzumweifen, aber der Dichter 

weilt ſtets lieber im Rofengebüfch, | 

Das der leisauftretende Friede gewölbt dicht über dem Quell, 

Wo Genuß in dem Schooß der Freundſchaft felig ruht. 
Wir können die übrigen Feftgefänge nicht gleihmäßig durchgehen, 
wiewohl eine Deutung der einzelnen Lieder nicht unnüß fein 
würde; der Dichter felbft fagt ja, daß dem befchwingten Klange 
oft erfi zu Fuß Verſtaͤndniß nachfolge, und an einer andern 
Stelle nennt er feine Feftlieder eine ernfte Sphinr des Gefanges. 
Mir geben ftatt deflen eine Zufammenftellung der Neußerungen 
Platens-über feine Feſtgeſänge. Zuerft tritt hervor, daß ber 
Dichter die drei erften Hymnen geringer achtet, als die folgen- 
den. Wie er allmählig vom Einfachen zum Höhern, vom Liebe 





LXVI 


zur Gafele, zum Sonett, zur Ode und endli zur Hymne ges 
langte und jeder Schritt auf feiner Iyrifhen Bahn ein Yorts 
fhritt der Gattungen war, fo war er auch innerhalb der ein- 
. zelnen Gattungen nie felbflzufrieben, er fland niemals ftill, fondern 
bewegte fi in fiherm gebiegenem Gange beftändig vorwärts. 
Die Frühlingslieder aus dem Jahre 1835 übertreffen an Flarer 
Bildung und an Tiefe bes Gefühls alle übrigen des Dichters. 
Die Balladen: der alte Gondolier und Kaifer Otto's Klaglied 
find in der Form fo knapp und präcis wie fie in der Empfindung 
tief find; fie ſtehen hoch über den dreizehn Jahre früher gebich- 
teten. Ein Blick auf Beginn und Schluß der Gelegenheits- 
gedichte wird auch Hier wieder die Ueberzeugung von einem fleten 
Fortſchritte des Dichters beftärfen. Der männlich gefunde Sinn 
in den legten’ Sonetten, namentlich in dem durch feine @infach- 
heit grandiofen Sonette, weldhes „Grabſchrift“ betitelt iſt, hebt 
auch diefe Dichtungen vortheilhaft hervor. Bon den Fortfchritten, 
welche Platen in der Ode machte, legen bie politifchen Zeugniß ab. 
Es kann demnach nur natürlich erfcheinen, daß auch die Hymnen 
der legten Zeit denen der früheren Lebenstage vorgezogen zu wer: 
den verdienen. Platen fpricht es unverzagt aus, daß er in ber 
Hymne die Iyrifhe Kunft Deutfchlands auf den Gipfel gebracht, 


Frei fteht die Folge Jedem, ich fliege voran. 


Fragen wir, warum hier ein höchfter Höhepunkt gewonnen? fo 
wird die Antiwort kurz diefe fein: weil in biefen Weftgefängen 
die erhabenften Gedanken in einer Form gegeben find, über 
weldde Hinaus die deutſche Sprache nicht gehen Tann; jene Ge⸗ 


banfenerhabenheit baſirt jedoch immer auf der reinften Wirklichkeit; 


LXVIN 


die Vorgänge der Gegenwart find Hier in bie Glorie der Ber 
Härung gerüdt. Die Sprade iſt ſtets Har, natürlich, melos 
difch; der Vers überall dem Ohre, das fih nicht gegen Rhyth⸗ 
men verhärtet hat, überfichtlih, Leicht vernehmbar. Die Gefin- 
nung dieſer Yeflgefänge iſt (fo rein beutfh, unbefangen und 
großartig, daß auch ein Freund der Poefle, der beutihe Form 
verlangte, durch den Inhalt mit dem Gewande deflelben ausge 
. föhnt werden wird. Wir aber müffen befennen, daß diefe Ge⸗ 
dichte durchaus Feine andere Form haben konnten; ihre ganze 
innere Gliederung bis in bie vorübergehend angedeuteten Bilder 
würde anders fein müflen, wenn eine andere Yorm gewählt 
worden wäre. Br. Thierfch hat zuerft auf die großartige Er- 
fheinung dieſer fhönften Geſchenke der Platenfchen Mufe hinge⸗ 
wiefen und offen geftanden, daß bier die Lyrik unferer Nation’ 
auf einem Wendepunft nad dem Reichern, Vielgeflaltigern und 
Höhern ſtehe. Seitdem find nun jene flcilifchen Feſtlieder ges 
didhtet und von Verehrern des Verftorbenen, 3. B. H. Pudte, 
Verſuche gemacht dem „Boranfliegenden“ nachzufolgen. 

Die Hymnen, unter denen eine unvollendete, waren Platens 
Schwanengefang. Die Furt vor der Cholera trieb ihn von 
Neapel im September 1835 wieder nah Sicilien. Zu Palermo 
nahm er auf ſechs Wochen feinen Aufenthalt; ex gab ſich wieder 
dem täglichen Genuß der Seebäder hin. Am 24. October, feinem 
neun und breißigften Geburtstage verließ er bie Stadt, durchs 
wanderte die Infel und traf am 11. November in Syrafus ein, 
um daſelbſt fein Winterquartier zu beziehen. Wir heben hier 
aus dem letzten Briefe Platens — er ift an die Mutter gerichtet 
und vom 14. November datirt — einige Stellen aus: „Das 


LXIX 


hiefige Klima iſt von der Art, daß ih bis jetzt meine Sommers 
leider noch nicht abgelegt habe und biefes bei offnen Fenſtern 
ſchreibe. Webrigens iſt man hier au gegen bie Kälte gar zu 
wenig gefhüst, die meiflen Zimmer, wie auch das meinige, 
haben gar Fein Plafond, fondern das nadte Dach über ſich, fo 
dag Die Winde und wahrſcheinlich auch hie und da ber Regen 
einen freien Durdigang genießen. Bis jebt war das Wetter 
hübſch und auch auf meiner Reife hatte ich blos zwei Regen- 
tage. Ich war hier an einen alten Herrn Namens Don Mario 
Landolina empfohlen, der mich ganz vorzüglich freundlich aufs 
nahm, mir aud eine Wohnung beforgte. Es giebt in Syrakus 
einen vortrefflichen Gafthof, wo ich auch zuerſt abftieg, aber da 
er eigentlih für die Engländer eingerichtet ift, fo find die Breife 
fo Hoch, daß ich nicht bleiben konnte, ich mußte mich daher mit 
einem fchledtem begnügen, wo ich bis jetzt ziemlich zufrieden 
bin.“ Bald darauf bezog er die von Don Landolina beforgte 
Wohnung. Meber das Ende des Dichters können wir nichts 
Genaueres geben als den Auszug aus einem Berichte bes öfter: 
reichifchen Bicefonfuls zu Syrafus, Gaetano Buffardeci, welchen 
der Nekrolog in ber Allgemeinen Seitung mittheilte. Der Vice⸗ 
fonful Hatte Briefe an Platen zu beforgen; er erfuhr, in der 
Locanda del’ Aretufa liege ein erfrankfter Deutfcher. Es war 
Blaten. Der Eonful fand ihn in den heftigiten Fieberſchmerzen, 
gab deßhalb die Briefe nit ab, fondern befchränfte ſich darauf, 
mit dem berbeigerufenen Ritter Landolina dem Kranken hülfs 
reich beizuſtehen. Landolina nahm fi während der Daner der 
Krankheit, fowohl unmittelbar als mittelbar duch feine Haus—⸗ 
genoffen, des Kranken mit der größten Sorgfalt an. Die 


1 


LXX 


Verſchlimmerung der Krankheit wurde nicht durch aͤrztliche Ber 
handlung herbeigeführt, ſondern der Graf ſelbſt beſchleunigte durch 
übermäßigen Gebrauch von Kamphergeiſt und Camillendekokte, 
deren er ſich, im Wahne von der Cholera befallen zu ſein, 
heimlich bediente, die Entzündung, der er am 5. December Nach⸗ 
mittags 3 Uhr erlag. Am folgenden Tage wurde die Leiche in 
einem hölzernen Sarge auf einen Trauerwagen erhoben, unter 
dem Geleite des Bicefonfuls und deſſen Sohnes, fobann des 
Nitters Landolina, des Stadtſyndikus und einer Dienerfhaft in 
Gala nad der Billa Landolina in der Nähe der Stabt geführt 
und dort, wo aud) einige Engländer begraben liegen, eingefenft- 
Landolina ließ ein Marmordenfmal über der Gruft aufführen. 
Die Infchrift, melde auf dem Monumente, dem Berichte öffent 
licher Blätter zufolge, ftehen follte, ift ebenfo wenig vorhanden 
wie die Reliefs, von denen die Sournale geredet haben. ' 

Die Nahriht vom Tode des Dichters wurde durch bie 
Münchener Blätter vom 1. Januar 1836 in Deutſchland befannt. 
Die deutschen Journale lieferten Skizzen von dem Leben des Verſtor⸗ 
benen; über den Dcean hinaus drang bie traurige Runde, eine 
beutfhe Zeitung in Philadelphia („der Adler des Weſtens“) lieferte 
einen Nekrolog; Gedichte wurden über, bie Gruft des eveln Sängers 
gefreut, das befte darunter if von Auguſt Kopifh. Johannes 
Minckwitz ſchrieb eine Biographie, die uns einige Züge geliefert Hat. 

Ueberbliden wir Platens dichterifähe Laufbahn, fo treten 

! Dr. Joh. Mindmis ift die unſchuldige Veranlafjung viefer Berichte. 
Eine von ihm ausgefprochene Anficht, wie das Monument geziert werden 
tönne, wurde von einem Notizenfchreiber ver Abenpzeitung (1839. Nr. 12) 


fo aufgefaßt, als fei bereits ausgeführt, was noch nicht einmal ange- 
fangen war. 


LXXI 


zwei gefonderte Perioden vor Augen; bie eine umfaßt feine 
Jugendwerfe, zu weldhen wir die in rein beutfcher, orientalifcher 
and romanifcher Form auftretenden zählen; die andere umfaßt 


ke in antifer Form gebildeten Werke, die ruhmvoll mit der Ode 


m König Ludwig beginnen und glorwürdig mit ben Hymnen 
fliegen. Sie flammen faft alle von italifhem Boden. Durch 
beide Berioden hat ber Dichter ein ernftes Studium und eine 
große Würde des Charakters bewahrt; feine Poefien tragen zu 
allen Seiten die Spur des Hiefentfprungenen und unverbrofienen 
Etrebens nach Vollendung, das Gepräge innerer Luft und Heiter- 
fit, die aus dem reinen Dienfte ber Kunſt erwärmend hervor⸗ 
lenchten; die wenigen Gedichte, in denen eine verzehrende Me⸗ 
lancholie Ah Luft zu machen fdheint, verfähwinden gegen bie 
große Summe der übrigen. Platen Hat die Bildung unferes 
Welttheils und einen Theil defien, was der Orient gefchaffen, 
in. fh aufgenommen. Seine Anfichten, welche als diejenigen 
eines der bevorzugteften Männer Deutſchlands Werth haben, feine 
Anfihten über Religion, Politif, Kunft und Wiſſenſchaft genau zu⸗ 
fammenzuftellen, würde verdienſtlich und belehrend fein; wer, bie 
„Einheit im Zerſtreuten“ vor Augen haltend, die gegenwärtige 
Sammlung mit Liebe und Hingebung burchgeht, wird zu der unab- 
weislichen Heberzeugung gelangen, daß die Stufe der Bildung und 
des Talents, welche der Dichter, wo er auch immer als Menfch ge⸗ 
irrt Haben mag, einnimmt, nicht geringer und niedriger iſt als 
irgend eine, auf welcher deutſche Kraft, Würde und Ehre flehen. 

Die Worte, welche der Derwifch in den Abbafliven von ſich 
Wriht, wenden wir als die fürzefle Bezeichnung des Platenfchen 
Bildungsganges auf den edeln Dichter an: 


8 


a 





/, 


LXXI 


Thätig unter Menfchen 
Lebt' ich ehmals; aber mein Gebanfe 
Wuchs in mir von Jahr zu Jahr, bis endlich 
Diefer Schat mir ganz allein genügte. 

Statt eines Urtheild von und über Platens Sprache mögen 
hier einige Worte Jakob Grimme, die jedoch nicht für den Drud 
berechnet waren, als Schlußzier des Aufſatzes Plak finden: „Es 
hat mir bei Lefung von PBlatens Gedichten beftändig den ange: 
nehmften Eindrud Hinterlaffen, zu fehen, wie er auf Reinheit 
und Frifche des deutfchen Ausdruds forgfam hält. Seine Reime 
find faft ohne Tadel und flechen vortheilbaft ab won der Freiheit 
und Nachlaͤſſigkeit, die ſich Schiller, zum Theil auch Goethe zu 
Schulden fommen laffen. Denn felbft diefe Autoritäten bürfen 
ein feines Ohr nicht beftechen, es bezeichnet vielmehr die lare 
metrifche Ausbildung ihrer Zeit, daß fie fo oft fehlerhaft gereimt 
und feandirt haben. Rückerts Sprache ift blühender und gezierter 
als Platens, aber nicht fo rein, auch nit fo ergreifend. Das 
gegen fcheint mir Blaten Hin und wieder an das Kalte und 
Marmorne zu fireifen. Er liebt -einige orthographiſche Abs 
weihungen, bie an fih nicht unrecht find, aber lange nicht aus⸗ 
reihen, wenn unfere Schreibung aus dem Grunde follte gefäubert 
werben. Ich entfinne mich einzelner grammatifcher Verftöße bei 
ihm, die er abfihtlich begangen haben muß. Das Schidfal hat 
diefem edlen Dichter nicht vergönnt, feine Poeſie mit einem großen 
Werle, wonach er rang und firebte, zu verflegeln, das würde Licht 
und Glanz auf feine frühere Laufbahn zurüdgeworfen haben.“ 

Hannover, im Sept. 1846, 

Karl Godeke. 


Fieder und Nomanzen. 


Blaten, fimmtl. Were 1. f 
’ ; 





/3 


t 


Noch ungemiß, ob mich ver Bott befeele, 
Zu feinem Prieſter ob er mich geweiht, 
Malt’ ich die Haren Bilder meiner Seele 


In glüdlicher Berborgenheit. 


— — — ———— —— — — — 


An die Tulpe. 
1812. | 


Andre mögen Andre Toben, 

Mir behagt dein reich Gewand; 

Dur fein eigen Lied erhoben 

Pflückt did eines Dichters Hand. 

In des Megenbogens. fieben 
Barden wardſt du eingeweiht, 

Und wir fehen was wir lieben 

An dir zu derfelben Zeit. 


Als mit ihrem Zauberſtabe — 
Flora dich entſtehen ließ, 
Einte ſie des Duftes Gabe 

Deinem hellen bunten Vließ; 

Doch die Blumen all', die frohen 

Standen nun voll Kummer da, 

Als die Erde deinen hohen 

Doppelzauber werden ſah. 


4 


Goͤtlin! o zerſtoͤr' uns wieder, 
Denn wer blickt uns nur noch an? | 
Sprach die Roſe, ſprach der Flieder, 
Sprach der niedre Thymian. 

Flora kam, um auszuſaugen 

Deinen Blaͤttern ihren Duft: 
Du erfreu'ſt, ſie ſagt's, die Augen, 

Sie erfreu'n die trunkne Lufi. 


v 


Der letzte Gaſt. 
1813. 


Der Alte. 
Was machſt du hier? Der Wind durchſaust 
Die menſchenleeren Gaſſen, 
Nicht hier, wo Sturm und Regen braust, 
Will ich zurück dich laſſen. 


Komm mit herein ins heitre Haus, 
Siehſt du die Lichter glänzen? 
Dort leert fih mancher Becher aus 
Bei frohen Hochzeittänzen. 


Man flieht die Freude Iuftiglaut 
Auf allen Zügen wellen, 

Nur feheint die fehöne junge Braut 
Allein fie nicht zu theilen. 


5 


Ich führe dich, fo komm herein, 
Nur Fe und unbeflommen! 
Mein froher Herr lädt Jeden ein, 
Und Jeder ift willfommen! 


Der Jüngling. 
Dank, Alter; aber laßt mich hier 
Gelehnt an diefe Seule: 
Mehr ale Muſik dort Iob’ ih mir 
Dieß rauhe Sturmgeheule. 


Nicht. weil’ ich, wo beim Kerzenfchein 
Der Becher Freist am Tifche, | 

Daß nicht fih in den füßen Wein 
Die bittre Zähre miſche! 


Nie wird die Freude Iufliglaut 
Mir aus den Augen .bliken; 

Denn ab, die fihöne junge Braut, 
Ih Tann fie nicht befigen! 


Sagt eurem Herrn, der fröhlich praßt, 
Daß er den Reigen meide; 

Denn unten warte noch ein Gaft, 

Den Degen aus der Scheibe. 


6 


Mädchens Nachruf. 


1813. 


Schwalben ziehen, Blätter fallen, 
Und gefammelt liegt die Frucht: 
Ah mit meinen Freuden allen 
Nahm aud er bie raſche Flucht! 


Unter nieverm Hüttendadhe 
Wohn’ ih, jener im Pallaft, 
Doch aus fürſtlichem Gemade 
Trieb ihn Mut und Kampfeshafl. 


Als des Frührots erfled Tagen 
Mich vom Traume heut erwedt, 
Mar mit Dienern, Roffen, Wagen 
Diefer ganze Raum bebedt. 


‘ 


Und er fam im Jugendflore, 

Hob fih auf fein Pferd im Nu, 

Bebend fand ich unterm Thore, 
Sah dem fhönen Reiter zu. 


Und im leichten Morgenkleide 
Treat zu ihm die Braut hervor, 
Dießmal ohne Gold und Seide, 
Do wie er im Iugendflor. 


7 


Bon der Trennung nicht erfchroden, 
Küßt' er no ihr Stirn und Mund, 
Bei den Rippen ‚ bei den Locken 
Schwur er den beglüdten Bund. 


Ritt mit Dienern und Bafallen, 
x Dantte meinem Gruße kaum: 

S Schwalben ziehen, Blätter fallen, 
Sp zerfließt der Liebe Traum! 


— — — — —— 


Der Maͤdchen Friedenslieder. 
1813. 


Die Erſte. 
O preiſe den Frieden, 
O preif ihn mit mir, 
“ . Der Kampf ift entfchieben, 
z Mein Trauter ift hier! 
Das Schwert an der Hüfte, 
Das faufet nit mehr 
Durch dampfende Lüfte, 
Die blutige Wehr. 


Die Bweite. 
Meines Bufens Sammer töten 
Kann der laute Jubel nie: 
Dumpfe Trauermärfche flöten 
Shre lange Melodie. 





SA 


8 


| Düftern Rosmarin zu tragen, 


Flechte ſich mein braunes Haar, 5 


‚Denn er fiel im Kampf erfchlagen, | 


Der mein Anverlobter var. 


Die Erfie. 
Nicht diefe Geberden, 
Ein heiter Geficht! 
Mas unter der Erben, 
Erweckſt du ja nit! 
Biel Jünglinge fodern 
Der Jungfrau Sand, 
Laß modern, o modern, 
Mas unter dem Sand: 


Die Bweite. 
Mögen fodern, mögen werben, 
Sie erwerben mid; ja nicht: 
Theilen möcht‘ ich fein Verderben, 
Doch der Tod erhört mich nicht! 
Ad, er trennt der Ehen Segen, 
Ad, er tritt ing blüh'nde Haus, 
Aber wer ihm Harrt entgegen, 
Dauert ohne Rettung aus. 


Die Erſte. 
Sy Biele hienieden 
Bon nah und von fer, 


9 
Sie preiſen den Frieden, 
Sie loben den Herrn; 
Die Geigen ertoͤnen 
gu Tanz und Verein, 
Laß Klagen und Stöhnen 
Und flinnme mit ein! 


Die Bweite. 
Und der Freude foll ich leben, 
Und das Herz entfeelt der Bram? 
Mas dir gütig Gott gegeben, 
Fühle, daß er mir es nahm. 
Wo die Stunden feftlich fliehen, 
Dort ift deine Seele, geh! 
Glücklichen iſt's nicht verliehen 
Zu begreifen fremdes Web. 


Vergißmeinnicht. 
1813. 


Es gieng ein liebend Baar am See 


Beim Untergang der Sonne, 

Sie fagten fih ihr flilles Weh 

Und ihre file Wonne. 

Schon Hefper ſah vom Himmelsrand, 
Dod Beide giengen Hand in Hand, 
Umſchwebt von. fügen Träumen. 


10 


Ad, ſprach fie, wirft du morgen fo 
Wie heute mich umfaflen? 

Und wird uns nit, im Wandel froh, 
Das Ihöne Glück verlaffen? 

Ah, heute warm, und morgen warn, 
Nie bringt Geſchick der Liebe Harm! 
Erwiedert er der Bangen. 

Wohl, rief fie, wohl, fo ſchwoͤr' ich bir 
Den frommen Schwur der Liebe, 

Der Himmel hör’ ihn über mir, 

Der Himmel fühlt bie Liebe! 

Er wehe hoch zum Haus des Herrn, 
Der jenen erflen gold'nen Stern 
Vielleicht zum Throne wählte. 


O fiehft du hier, dem Ufer nah, 
Die blauen Blumen blühen? 
Sinnbilder fteh'n fie vor uns ba, 
Mie tresie Herzen glühen, 

Sie blüh'n dahin, fo il, fo gut, 
Es fchont fie feldft der Uebermut 
Der fpülend raſchen Wogen. 


Geliebter, o brich eine mir, 
Die meinen Bufen Ihmüde! 
Der Jüngling eilt hinweg von ihr, 
Doc kehrt er nicht zurüde: 


. 


1 


Die Blümkhen ſtanden jäh am Strand, 
Und als das Mädchen folgte, fand 
Sie mit der Flut ihn kämpfen. 


So fland er todesringend ba, 
Befpült um Hals und Rüden, 

Der Gute wagte fih zu nah, 

Die Freundlichen zu pflüden: 

Der Arm nur war ihm nicht benekt, 
Er hob ein Blümchen unverlept 
Empor no aus den Wellen. 


Der Tod für dich iſt füß und Hold, 
Doc folge bald dem Treuen, 

Dort oben überm Sternengold 

Laß ung den Bund erneuen — 

Noch fleh’ ih, da mein Auge bricht, 
Bergiß mein nicht! Dergiß mein nicht! 
Und über ihn die Wafler. 


Das Blümchen fpülen aus der Hand, 
Der finfenden, die Wogen, 

Es treibt fih an den nahen Strand, 
Magnetifh angezogen; 

Sie hebt es auf im tiefſten Schmerz, 
Sie drüdt es weinend an ihr Herz, 

Mit unaufhaltbarm Kummer. 


a 
12 
‚ So wankte nun bie Dulberin 

Bon des Geliebten Grabe, 

Sie grämte fih, fie welfte hin, 

Wie feine letzte Gabe; 

Nun wohnen Beide ho im Licht, 

Doc Heißt feitdem Vergiß mein nicht 

Die Keine blaue Blume. 


GErinnerung. 
1814. 


Ach, jede Stelle lacht mich an, 
Wo fie die irunknen Augen fay'n, 
Und feber Boden, wo fie fland, 
Iſt mir ein paradieſiſch Land. 
Die Wiefe, die ihre Fuß gebrüdt, 
Wird ihrer Blumen abgepflüdt. 
An jener Linde, wo fie faß, 

Da leg’ ih mid in's hohe Gras. 
Und dorten flieht das liebe Haus, 
Da harrt' ich täglich, gieng fie aus. 
Erinnerung, o welche Seit 
Entrückſt du der Vergeſſenheit! 


1814. 


Einfam fhweif ih im Gefolg der Nacht, 
Die fo geru ber Liebende durchwacht. 


a) 


13 


Hoffnung fralt mir wie der Mond fo fern, 
Totenkerze feheint mir jeder Stern. 

D, wie füß ſich's nicht da unten ruht! 
Ruf’ ih, ſeh' ich die beſtralte Flut: 

D, wie fhön ſich's nicht auf Wolken wiegt! 
Ruf ih, wenn mein Blid zum Himmel fliegt. 
Aber wär's mit ihr nicht im Verein, 
Moͤcht' ih unten nicht, noch oben fein. 

Sie jedoch, um die der Schmerz mich nagt, 
Kümmert's nit, wenn meine Lippe klagt: 
Und fo wurde meiner Mufe Schwung 
Melancholiſche Begeijterung. 


1814. 


Sp Haft du reiflich dir's eriwogen, 

Und diefes tft das letzte Wort? 

Dich lockt ein ferner Himmelsbogen, 

Es treibt dich in die Fremde fort? ⸗ 


Doch wird geliebt, wer liebt und bleibet, 
Wer flieht, verkannt; und glaube mir, 
Wenn dich die Sehnſucht fürder treibet, 
So bleibt die Liebe hinter dir! 


Und mag umwuchern dich das ſchoͤne 
Hesperien voll milder Au'n, 

Wo ſindeſt du die deutſchen Töne? 
Wo findeſt dur die deutſchen Frau'n? 


N 


14 


Am heine. 
1815. 
Lebe wohl, alter Rhein, wohl, 
Wie oft erquickteft bu mid! 
Fließe heiter, fliege ſtill zu, 
Vielleicht auf immer laß ich dich, 
Lebe wohl, alter Rhein, du! 


Eihenumfchattet faß ih oftmal 

An deinem Ufer, o Rhein, 

Ließ die Menfchen aus freier Wahl, 
Und lebte den Mufen allein, 

Ihrer Heiligen Neunzahl. , 


Ausgefochten ift der Kampf nun, 
Wir feh'n als unfer dich an, 
Menden uns der Heimat zu, 

Du aber flrömft zum Ozean, 
Ströme Hin, alter Rhein, du! 


Die Najade. 
; 1815. 
Die Duelle, die Felfen umfchließen, 
Ih fähe fie gerne’ entfieh'n: 
Sie wird nicht müde zu fließen, 
Ich werde fe mühe zu geh'n! 


15 


Bald rinnt über Steine fie helle, 
Bald dunkelt fie fehattenumringt, 
Fand’ ih die verſchwiegene Stelle, 
| Mo fie dem Granit entfpringt! 


Da droht mich im Lauf zu flören 
Die Felswand, fehroff und nadt, 
Das wilde Geftrüppe der Foͤhren. 
Der wilde Katarakt. 


Schon eil' ich zurück die Pfade, 
Da klingt mir's hell in’s Ohr; 
Die Stimme der ſchönen Najade 
Zönt unter der Welle hervor: 


« „Dein Hares Hanbt befhauen 
Die fellgen Götter allein: 
Durdfpähe du fuchend die Auen, 
Den Wald und das öde Geſtein!“ 





1815. 
Duften nicht die Laubengänge? 
Hoͤr' ich nicht die Wipfel fäufeln, 
Linde Diaienwinde Fräufeln 
Den umbüfchten fiillen Rhein; 
Daß mich nicht der Mittag fenge, 
Winken mir verſtohl'ne Schatten, 
Rofenhage, Beilchenmatten, 
Aber ah, ih Bin allein! 





mn. 


Der König fibt auf feinem Throne bang, 


* 


16 


Unterm blatigewebten Teppich 

Hör! ih Nachtigallen fehlagen, . 
Und die leichtern Echo tragen 

Ihre Töne duch den Hain; 

Laͤngs der Eiche behnt ſich Eppich, 
Waſſernymphen lockt die Quelle, 
Wo mit Welle liſpelt Welle, 

Aber ach, ich bin allein. 


— mn. 


Saul und David. 
1816. 


/ 


Er winkt den Sohn des Sfat zu rufen: 
Komm, Knabe, komm mit deinem Harfenflaug' 
Und jener läßt fih nieder auf den Stufen. 


Der Herr iſt groß! ‚beginnt er feierlich, 
Gefchöpfe fpiegeln ihres Schöpfere Wonne; 
Der Morgen graut, die Wolfen theilen ſich, 
Und wandelnd fingt ihr Hohes Lied die Sonne. 


Die fehwere Krone löfe dir vom Haubt, 


Und tret' Hinaus in reine Gotteslüfte! 


Die Lilie prangt, ber Buſch ift neubelaubt, 
Die Reben blühen und verſchwenden Düfte. 


17 


Zwar bin ih nur ein ſchlichter Hirtenfohn . 

Doch fühl! ih bis zum Hininel mid erhoben: 
Mas mußt du fühlen, König, auf dem Thron, 
Mie muß dein Herz den Gott der Väter loben! 


Doch deine Wimper neigft du thränenfchwer , 
Dat fie des Auges fhönen Glanz verhehle — 
Wie groß ift Jehovah! o bEid’ umher! 
Und welche Ruhe füllt die. ganze Seele! 


So laß dein Herz an Gott, fo laß dein Ohr 

An meiner Töne Harmonie fid, Taben! 

Allein der König fpringt in Wut empor, 

Und wirft den Spieß nach dem erfchrodnen Knaben. 


Einladung an einen Zreund. 
1818. 


Lang ſchon auf die Folter fpannten 

Dich die alten Folianten, 

Laß nun dieſe magre Koſt; 

Greift man nicht, des Wechſels pflegend, 
Den Lukrez bei Seite legend, 

Gerne nach dem Arioſt? 


O fo fliege, flücte ſchnelle 
— Weich' aus deiner dumpfen Zelle 
Platen, ſammtl. Werke. I. 2 





* 


16 


Unterm blatigewebten Teppich 

Hör! ih Nachtigallen ſchlagen,. 
Und die leichtern Echo tragen 

Ihre Toͤne durch den Hain; 

Laͤngs ber Eiche dehnt ſich Eypich, 
Waſſernymphen lockt die Quelle, 
Wo mit Welle liſpelt Welle, 

Aber ach, ich bin allein. 


Saul und David. 
1816. 


: 7 
Der König fibt auf feinem Throne bang, 
Er winkt den Sohn des Iſai zu rufen: 
Komm, Knabe, komm mit deinem Harfenflaug' 
Und jener läßt fi nieder auf den Stufen. 


Der Herr iſt groß! ‚beginnt er feierlich, 
Geſchöpfe fpiegeln ihres Schöpfers Wonne; 
Der Morgen graut, die Wolfen theilen fi, 
Und wandelnd fingt ihr Hohes Lied die Sonne. 


Die ſchwexe Krone löfe dir vom Haube, 
Und tret' hinaus in reine Gotteslüfte! 

Die Lilie prangt, ber Buſch ift neubelaubt, 
Die Reben blühen und verfchwenden Düfte. 


x 


17 


Zwar bin ih nur ein ſchlichter Hirtenfohn . 

Doch fühl’ ih His zum Hininel mich erhoben: 
Was mußt du fühlen, König, auf dem Thron, 
Wie muß dein Herz den Gott der Bäter loben! 


Daß fie des Auges fehönen Glanz verhehle — 
Wie groß ift Jehovah! o blick' umher! 
Und welde Ruhe füllt die. ganze Seele! 


So laß dein Herz an Gott, fo laß dein Ohr 
An meiner Töne Harmonie fid) laben! 


Doch deine Wimper neigſt du thränenfchiwer , 
Allein der König fpringt in Wut empor, 


Und wirft den Spieß nach dem erſchrocknen Knaben. 


—— — — — 


1816. 


Lang ſchon auf die Folter ſpannten 

Dich die alten Folianten, 

Laß nun dieſe magre Koſt; 

Greift man nicht, des Wechſels pflegend, 
Den Lukrez bei Seite legend, 

Gerne nach dem Arioſt? 


O fo fliege, flüchte ſchnelle 
Weich' aus deiner dumpfen Zelle 
Platéen, ſammtl. Werke I. 2 


Einladung an einen Freund. 


18 


- 


Hin, wo Luft und Duft did weckt; 
Laß uns mit erfrifchtem Mute 
Wandeln, Freund, vom Mufchelhute 
Unfre Schlaͤfe leicht bededt. 


Willſt du durch der Freiheit Eben, 
Wo die Berge zeugenb reden, ' 
Nicht ein froher Pilger geh’n? 
Dort, wo feine Dränger haufen, 
Wo die Ströme freier braufen, 
Wo die Lüfte reiner weh'n? 


1816. 


Hier no an des Gotthardts alten Seen, 
Wo die rauhen Gletſcherlüfte wehen, 
Mahn' ich mich an unfer Wieberfehen. 


Sitzend einfam am entlegnen Herte 
Den! ich dein mit fehnlicher Geberde, 
Abgetrennt von ber bewohntern Erbe. 


Es erfpäht ein Wandrer in ber Ferne 
Der Erinnerung blaſſe Nebelfterne, 
Und ber Thorheit felbft gebenft er gerne. 


Leit, wie Schnee auf diefen Felſenlagen, 
Leit, wie Schaum, den hier die Ströme ſchlagen, 
Schmilzt das Glück, und Jeder muß entfagen. 


19 


Traum ift alles Irdiſchen Erſcheinung, 
Wahn ift jede liebende Bereinung, 
Und was Wahrheit wir genannt, ift Meinung. 


1816. 
Dann des Gottes letzter, milder 
Schimmer fi) vom See verlor, 
Steigen mir Gedaͤchtnißbilder 
Aus der Welle Naht empor: 


Malen mir des Kahnes Schwanken 

Den gefurchten Pfad entlang, 

Als die Morgenlüfte tranten h s 
Zauberifchen Lieberflang. 


Malen mir, von Berges Kuppe 

Schweifend, den ergößten Sinn, 

Und die ländlich fchöne Gruppe n 
Um den Herd der Sennerin. 


Malen mir die Yelögehege, 

Wo die Alpenroſe hangt, 

Welche nicht duch Menfchenpflege 
In des Thales Gärten prangt. 


Naͤchtlich fühl ih jeht ein Bangen, 

Wann der See gehoben wallt, 

Jene Tage find vergangen, En 
Sene Stimmen find verhallt. 





18 


- 


Hin, wo Luft und Duft dich weckt; 
Laß uns mit erfrifhtem Mute 
Mandeln, Freund, vom Mufchelhute 
Unſre Schläfe leicht bedeckt. 


WIR du durch der. Freiheit Eben, 
Mo die Berge zeugend reden, ' 
Nicht ein froher Pilger geh'n? 
Dort, wo feine Dränger haufen, 
Mo die Ströme freier braufen, 
Wo die Lüfte reiner weh'n? 


1816. 


Hier no an des Gotthardts alten Seen, 
Mo die rauhen Sletfcherlüfte wehen, 
Wahn’ ih mid an unfer Wieberfehen. 


Sitzend einfam am entlegnen Herde 
Denk' ich dein mit ſehnlicher Geberde, 
Abgetrennt von der bewohntern Erde. 


Es erſpaͤht ein Wandrer in der Ferne 
Der Erinnerung blaſſe Nebelſterne, 
Und der Thorheit ſelbſt gedenkt er gerne. 


Leicht, wie Schnee auf dieſen Felſenlagen, 
Leicht, wie Schaum, den hier die Ströme ſchlagen, 
Schmilzt das Glück, und Jeder muß entfagen. 


19 


Traum iſt alles Irdiſchen Erſcheinung, 
Wahn iſt jede liebende Vereinung, 
Und was Wahrheit wir genannt, iſt Meinung. 


—4 


1816. 
Wann des Gottes letzter, milder 
Schimmer ſich vom See verlor, 
Steigen mir Gedaͤchtnißbilder 
Aus der Welle Nacht empor: 


Malen mir des Kahnes Schwanten 

Den gefurdten Pfad entlang, 

Als die Morgenlüfte tranken $ 
Zauberifhen Liederklang. 


Malen mir, von Berges Kuppe 

Schweifend, den ergoͤtzten Sinn, 

Und die ländlich ſchoͤne Gruppe n 
Um den Herb der Sennerfn. 


Malen mir die Yeldgehege, 

Wo die Alpenrofe hangt, 

Welche nicht durch Menfchenpflege 
In des Thales Gärten prangt. 


Naͤchtlich fühl’ ich jebt ein Bangen, 

Wann der See gehoben wallt, 

Jene Tage find vergangen, B 
Jene Stimmen find verhallt. 





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[1 


20 
Froſtige Nebel fleigen, welche 
Berg und Kuppe trüb umziehn, 


Und die roten Alpentelche 
Merden mit dem Sommer fliehn. 


Bald, verjagt von Sturm und Flocken, 
Sieht die Hirtin froh ins Thal, 

Und es tönt der Hall der Glocken 

Bon der Höh’ zum lebten Mal. 


— 


Am Bodenſee. 
1816. 
Schwelle die Segel, günftiger Wind! 
Trage mein Schiff an das Ufer der Ferne; 
Scheiden muß ich, fo ſcheid' ih gerne, 
Schwelle die Segel, günftiger Wind! 


Schwelle die Segel, günftiger Wind! 


- Daß ih den Boden, den heimifchen fchaue, 


Fahre du wohl, Helvetiens Aue, 

Schwelle die Segel, günftiger Wind! | 
Schwelle die Segel, günftiger Wind! 
Wenn ich auch hier in Entzüden verweile, 
Drüben fnüpfen mich liebenve Seile, 
Schwelle die Segel, günftiger Wind! 


A 
1816. 


Miederlehrend nach dem Baterlande 
Hofft' Ih deine Lilienhand zu drüden, 
Traut’re Bande 


Würden uns, fo hofft’ ich, dann beglüden, 


MWiederkehrend nach dem Baterlande. 


Mehe mir, du biſt vorangegangen 

Nach viel befi'vem DBaterland, o Theure! 
Welch Berlangen, 

Daß auch ich bald meinen Nahen fleure 
Nah viel beſſ'rem Vaterland, o Theure! 


es 


—— — — — — 


SHSeimkehr. 
1817. 


Ein Mädchen, roſenrot und jung, 
Bergönnte meine Huldigung, 

Doch wo der Treue Schwur verhallt, 
Was gilt fo viele Wohlgeftalt? 


Es trieb mich ruhlos Nachts hinaus, 
Ich ſchlich um ihr geliebtes Haus; 
Mit fchlanfen Pappeln war's beſetzt, 
Da ſaß ich oft, da faß ich jegt. 


Doch fieh, ein Knabe fchleicht heran, 
Und an ihre Pförtchen Flopft er an; 





® 
+‘ 


22 


Weh mir! Sie ruft ihm: Biſt du hier? 
‚Ste ruft's und «öffnet, wehe mir! 


So hatt’ ich, dieß zu ſeh'n, gewacht! 
Bon dannen zog ich felbe Nacht, 

Ich z0g durch Städt’ und Wälder wild, 
Begleitet vom geliebten Bild. 


Wohl bot, gebreht aus blondem Haar, 
Manch Mädchen einen Ring mir dar; 
Mich hielt fein Ring, mich Hielt fein Drt, 
Es trieb mich ohne Weile fort. 


So wandert’ ih wohl lang und weit, 
Do ohne Glück und Freudigkeit, 
Der Trieb zur Heimat überwand, 

- 35 kam zurüd ins Vaterland. 


Ich wußte faum wie mir geſchah, 
Als id das Stäbdtlein wieder fah; 
Die Morgenfonne flieg empor, 
Ich feste mich ans offne Thor. 


Da rief ein Mütterhen mid an: 
Was fehlt dir, armer fremder Mann? 
Ih fragte raſch: O thut mir kund, 
Wie gieng's der ſchoͤnen Roſamund? 


Erſt tauſchte ſte den goldnen Ring — 
Dieß Wort mir durch die Seele gieng. 


23 


Run iſt's im dritten Jahre ſchon — s 
Da fland ich auf, und oh davon. 


Ich hörte nicht mehr, was fle ſprach: 
Allein fle gieng mir emflg nad), 
Ich aber rief: Im dritten Jahr 
Permählt, die meine Liche war! 


Die Alte faßte mih.am Kleid, 
Gerührt von meinem Herzeleid: 

Er, den erwählte Rofamund, 

Eniwih und ſchloß wohl andern Bund. 


So mußte fie denn lang allein 
Mit allem ihrem Sammer fein, 
Und er, von bem fie Wittwe blieb, 
Bar ihr in allem Sammer Lich. 


Ein Freier, ach! zuletzt erfcheint, 
Der's reblicher, als jener, meint, 
Und reicht' ihr bie gewünfcdhte Hand, 
Und 308 ihr an das Brautgewand. 


Da flrömte meiner Thränen Quell, 
Und von der Alten ſchied ich ſchnell, 
Und hoͤrte nicht mehr, was fie ſprach, 
Allein fie gieng mir emfig nad. 


D Leiden, rief ich, ohne Zahl, i 
Vermaͤhlt if fle zum zweitenmal: 





24 


Vom Brautkleid feh' ich fie umbebt, 
Mit Silber und mit Gold durchwebt. 


Doch Jene nimmt das Wort und fpridt: 
Den Bräutigam noch kennſt du nit, 
An Silber nit, an Golde reich, | 
Ihr Brautgewand ift weiß und bleich. 


Ihr Bräutigam if ja der Tod, . 
Der ihr die treuen Hände bot! 

Die Alte fpricht dieß ernfte Wort, 

Und ihrer Wege wanft fie fort. 


Fiſcherknabe. 
1817. 


Des Abendſterns erſehnter Schein 
Beglänzt den Saum der Flut, 
Der Knabe zieht den Kahn herein, 
Der ſtill im Hafen ruht. 


Mein Tagewerk iſt treu vollbracht, 
Doch, liebe Seele, ſprich, 
O ſprich, wie ſoll die lange Nacht 
Vergeh'n mir ohne dich? 


Am Ufer ſteht ein Weidenbaum, 

Und dran gelehnt ein Stein, 

Und drunter liegt im ſchmalen Raum 
Ihr kaltes Totenbein. 


- 
. 


25 


Matrofenlied. 
1817. 


Wann wird der golbne Freubentag erfcheinen, 
Den das Geſchick mir aufbewahrt, 

Der Tag des Wiederfehens bei den Meinen, 
Nah allzulanger Fahrt? 


O ſchoͤne Flur, wo unfre müden Kähne 
Dereinft noch landen mögen unverfehrt! 

D Mädchen, das vielleicht mit einer Thräne 
Den armen Flüchtling ehrt! 


Denkſt du der heil'gen Eide noch im Stillen, 
Und. hielii du, Theure, das beſchworne Wort? 
Ah, trieb nicht feindlih damals, wider Willen 
Ein bö8 Geſchick mich fort? 


Doch werben, glaub’ mir, wir uns wieberfehen, 
Und harrſt du fehnfuchtsvoll am Strande mein, 
So konnen's, Theure, ſiehſt du Wimpel wehen, 
Nur meine Wimpel fein! 


41817. 


“ Durdftreif' ih den Laubhain moofgfühl, 


Und ſchlaf' ich an filbernen Bächen, 
Da wächst mir im Buſen ein ftilles Gefühl; 
Bermöcht' ich es auszufprechen! 





26 
Und feh’ ich mein ſchwebendes Bild in der Flut, 
Und zittern die Wipfel ber Buchen, 


Da regt ſich dunkel nur fehnende Blut, . 
Und immer vergebliches Suden. 


ı 


Wie nenn’ ich's, was in das Herz mir fchleicht, 
Nuhftörend und facht, wie Diebe? 

Sehnfuht nah fremden Gefllden vielleicht! 
Vielleicht nach heimifcher Liebe! ? 


1817. 


Lockt es nicht auch dich ins Weite, 

Wo kein Zwang das Herz entfiellt? 

Wandern möcht ich dir zur Seite, 
f Hin und wieder, durch die Welt! 


Mann der Froft gemach entflohen, 
. *. Der bie leichte Flocke freut, 

Sudten wir, die Wanderfrohen, 

Was der Horen jüngfte beut: 


Jedes Blümchen weicher Matten, 
Jeder Duelle zarten Schaum, 
Und wollüflig duft'ge Schatten 
Unter jedem Lindenbaum. 


Saͤh'n dann, wie an wald’gen Klüften 
Kühn behende fpieli das Reh, 


27 


Wie der Vogel fpielt in Lüften, 
Und der goldne Fifh im See. 


Nah. dem Süben fortgezogen. 
Schweiften wir befeligt Hin, 
Wo der Tafjo fhlingt die Wogen 
Durch Gebüfche von Sasmin. 


Wo, fobald Rodrigo nahte 
Seiner Dame mit Gefang, 

Bor dem Fenfter die Granate 
Bitterte beim Sitherflang. 


1817. 


Durfte mi ein Gott bethören, 
Abzuſchwoͤren | 
Die Magie geliebter Züge? 

D vergib, wenn fremde Schlingen 
Mich umfingen, 

Weil ich doch dich nicht betrüge. 


Was auch unfer Schwur verfpredhe,. 
Melde Schwäche 

Wird der armen Schwüre Meifter! 
Bei dir am gewohnten Orte 

Sind die Worte, 


Doch bei Iener find die Geifter. 





28 


Wenn der Gott der vofenroten 

Liebesknoten 

Doch nicht ſolche Spiele triebe! 
Drei gewahr' ich hintergangen 

Vom Verlangen, 

Herzen ohne Gegenliebe. 


te u Fe 


1817. 


Der Schäferfnabe horcht des Baches Rauſchen, 

Der Bach dem Baume, dem die Zweige wallen, 

So feint der Baum nun au dem Ton zu laufen, 
Den tief im Laub anſtimmten Nachtigallen, 

Die wieder wechfelnd ihre Lieder taufchen; 

Doch alle Töne feinen zu verhallen, 

Wenn fie empor zu deinem Ohre dringen, 

Ja, du verſcheuchſt fie, eh fie noch erklingen. 


D dürft’ ih einmal vor dein Antlitz treten, 
Vielleicht erweicht dich ein verliebter Junge: 

Der Bildner Hat den Marmorblod erbeten, 
Brunhildens Hochſinn bog der Nibelunge: 

Mir wiffen füß zu ſchwatzen, wir Boeten, 

Und Ueberredung liegt uns auf der Zunge; e 
Dürft' ih dir einmal meine Not nur flagen, 

Du würbeft „liebe Seele” zu mir fagen. 


29 

1817. 
Fahre wohl! Dich wiederfehen 
Werd' ich weder dort noch hier, 


Aber darf ich's noch geſtehen, 
Daß ich liebte? Goͤnn' es mir! 


Daß mid nichts mehr Fröhlich machte, 
Mas mid) chedem beglüdt, 

Keine Blume mehr mir lachte, 
Kein Gedicht mi mehr entzüdt. 


Weh' mir! deinen ſtolzen Willen 

Rührte nie die fremde Pein; 

Aber bebft du nicht im Stillen, 
‚ Gar fo fehr geliebt zu fein? 


1817. 


Schlummer, deine fel’ge Macht 
Hatt’ ih lang verfannt, 

Dich genoß ich jede Nacht, 
Nie von Dank entbrannt. 


Doch die Sehnſucht kenn' ich jebt, 
Die auch dich vergaͤllt, 

Die das Auge wach benekt, 

Die das Auge ſchwellt. 





30 
Wundervoll feit jener Zeit 
Sankſt du im Gewicht: 


Ein Moment Bergefienheit, 
Wie viel gilt er nicht! 


Flucht der Jugend. 


1817. 


Mas lehnſt du dich voll Traurigkeit 
An diefen Blütenbaum? 

Ich den? an meine Blütezeit, 

An meinen Jugendtraum. 


Der Jüngling ift zum Mann gereift, 
Drob zagt des Mannes Bruft? 

Sind erfi die Blüten abgeflreift, 
Erſchlafft des Lebens Luft. 


Du ſchlürfeſt aus der Wahrheit Quell, 
Dem beften Forfcher gleich! 

Dod nimmer firalt mir fonnenhel 
Der Liebe 


1817. 
Heut ift neu ber Tag erflanden, 
Wo dem blonden Jeſuskinde 
Dargebracht ihr Angebinde 
Seher aus,den Morgenlanden. 


31 


Do du wirft, wiewohl ich's waͤhne, 
Meine Gaben nit empfangen: 
Einen Gruß und ein Berlangen, 
Finen Bers und eine Thräne. 


\ 1818. 


Bon Magiern heißt es und von andern Weiſen, 
Daß aus der Erde fie Geſtorbne weden, 

Die Geifter zieh'n aus ihren Iuftigen Kreifen, 
Durch mächtige Formel, fie berufend, fhreden; 


D Könnt ich nur die Lebende beſchwoͤren, 
Vom fernen Orte würde fe entboten. 

Die Lebende? Du kannſt mich nicht erhören, 
Wie du mir lebſt, fo leben mir die Toten'- 


1818. 


Noch im welluftvollen Mai des Lebens, 
Wo die Seele fonft Entfchlüfle ſprüht, 
Kühl’ ih in der Wärme meines Strebens, 
Wie mein Lebenselement verglüht. 


Nicht ein Windſtoß, ein belebend warmer, 
Meine Haare Eräufelnd, weht mid an; 
Leer und träge fchlfft ein Thatenarmer 
Nebern ftillen Bater Ocean. ° 











32 


Was ih fell? Wer Löft mir je die Frage? 
Was ih kann? Wer gönnt mir den Verſuch? 
Mas ih muß? Vermag ich's ohne Klage? 
Sp viel Arbeit um ein Leichentuch? 


i ! 
Kommt und lifyelt Mut ins Herz mir, zarte 
Liederſtimmen, die ihr lange fhlieft, 

Daß ich, wie ein Traͤumer, nicht entarte, 
In verlorne Neigungen vertieft. 


1818. 


Mag der Wind im Segel Beben, 
Steuernd nach dem Land der Pracht, 
Wo der Freiheit ſtolzes Leben 
Zwischen Palmen aufgewacht. 


Der erhigte Wahn der Jugend, 
Der das Glück ſich fern. verheißt, 
Teiche deiner frengern Tugend, 
Weiche deinem größern Geifl! 


Soll der letzte Stern erbleichen 
An bes deutſchen Himmels Rand, 
O fo deren unfre Reichen 

Das verlorne Vaterland! 


33 


4818. 


Willſt du lauen Nether trinken 
Auf dem Hohen Götterpferbe ? 
Wie Belleropkon zur Erde 
Bebſt du nicht zurüd zu finten? 


Daß ſich nicht dein Herz verbiute, 
Wiſſe deinem Trieb zu feuern; 
Sei wie Flaceus auf dem theuern 
Einzigen Sabinergute! 


BiR du nicht gewohnt vor Allen, 
Als der Cinſamkeit Geweihter, 
Ohne Fußpfad und Begleiter 
Dur den flillen Fort zu wallen? 


Dir genüge, wenn die Föhren, 
Die den Schuß der Wolken fuchen, 
Menn die dickbelaubten Buchen 
Deine fanften Lieder hören! 


Wiefenblumen pflüd' und ichweige, 
Pflück und blide nicht nach oben, 
Denn für did find nicht gewoben 

Jene dunfeln Lorberzweige. 


Blaten, jänmmtl. Werte 1. 








34 


1818. 


‘ Sie trug ein Band in Haaren, 
Das flatterte durch die Luft, 
Am Bufen barg fie Rofen, 
Die fpendeten würzigen Duft. 


Vom Buſen gib mir die Rofen, 
Ober gib mir das Band im Haar, 
Oder gib mir die Haare felber, 
Oder gib mir den Bufen gar! 


Dom Bande fliht mir Feſſeln, 
Don Rofen den bräutlihen Kranz, 
Ein Ringlein winde von Haaren, 
Aber ſchenke dein Herz mir ganz. 


1818. 


Mas ifl’s, das jedem Lindenblatt entjänfelt, 

v Wie einer Dryas leifes Ach? 
Wehſt du im Wind, der mir bie Locken fräufelt? 
Strömft du im Silberbach? 


Wohnſt du mit mir in diefes Parkes Mitte! 
Beſeelſt du die Natur? 
Erblickt ein Liebender in jedem Tritte 
Nur die geliebte Spur? 


2 


35 


Sa, du nur lebſt im Hain, tim Bad, im Winde, 
Die zu befänft'gen bu vermagft, 

Denn alles Iegt um mich fi, wie du Finde 

Mir fonft am Bufen lagſt. 


1815. 
Merden je fi feinde Töne 
Fügen im verbundnen Klange? 
Ich mit meinem büftern Drange, 
Du in beiner Jugendſchöne? 
Heiter ſchlürfſt du leichte Stunden, 
Dem es nie vergebens tagte: 
Ih erfehne das Berfagte, 
Und beweine, was verſchwunden. 


Du, zu deines Mäbchens Laren 
Kommft du naͤchtlich oft gegangen, 
Schmiegft dih an die zarten Wangen, 
Wuͤhlſt in ihren ſeidnen Haaren: 
Mährend ich, der im Gemüte 

Auf den Wink der Gunft verzichtet, 
Bücher vor mir aufgeichichtet, 

Ueberm Rau der Lampe brüte. 


Freund, e8 war ein eitles Waͤhnen, 
Daß fih unfre Geifter fänden, 

Unſre Blicke fi verftänden, 

Sich vermifchten unfre Thränen: 





4 36 
Laß mich denn allein, verfäume 
Nicht um mich die goldnen Tage, 
Kehre wieder zum' Gelage, 

Und vergiß den Mann der Träume! 


1818. 


Würde felbf die Welt zerirümmert, 
Nur der Ort nicht, wo ihr fteht, 
Ungerührt und unbefümmert 

Säht ihr, wie fie untergeht. 


Wollt ihr ewig läflig ſchweifen, 

Müflig ohne feiten Mut? 

Faßt den Keim und laßt ihn reifen. _ 
Der euch in der Seele ruht. 


Lernt vor allen ird'ſchen Dingen, 

Wer ihr feid und was ihr follt: 
Streben, wenn auch nit vollbringen, 
Eh der Vorhang niederrolit. 


1818. 
Mer je fie trug im Herzen, 
Getäufhter Hoffnung mannichfadhe Schmerzen, 
Der leide, was ih litt, 
In eigenen Gefühlen mit: 


- 


37 


Wohin mein Auge trifft 

In diefer Schrift, 

Sieht es, daß fie nichts faßt, 
Als jenen Namen, fo lieb und fo verhaßt.- 
Wird fle fchweigen, meine laute Klage, 
Dur fommende Lenzestage? 

Werd” ich luſtwandeln frei 

Unter Blüten und Blumen im Mai, 
Das theure Kind am Arm, 

So fhön, fo gut, fo warm! 


1818. 

Scheiden löft mit gord'ſchem Hiebe, 

Waͤren's auch demantne Bande, 

Wer gedenkt im fremden Lande 

Seiner erften Jugendliebe? 

Stets verjüngten Traum entfpinne 

Sih das Mädchen, fih der Knabe, 

Denn wir leſen felbft am Grabe: 
Aus den Augen, aus dem Sinne! 


Selig, die die Winde fireuen 
Geierfchnell nad Süd und Norden, 
Wie fie ſelbſt verlaſſen worden, 
Ließen fie die Ungetreuen: 

Einſt doch aber herrſchte drinne, 
Was ſie ſich dem Sinn entſchlagen; 





38 


Könnteft du doch von mir fagen: 
Aus den Augen, aus dem Sinne! 


Wenn auch deine Falten Blide 

Nie an meinem Blick erwarmen, 
Menn ich nie mit fchlanfen Armen 
Mih um deinen Naden flride: 

Ewig foll diefelbe Minne 

Durch die Welt mich führen, Pſyche, 
Denn für mid find’s Widerſprüche: 
Aus den Augen, aus dem Sinne. 


Trioelet. 
1818. 


Und mußteſt du verſchwinden 

So ſchnell als ich dich fand? 

Wie vor Novemberwinden 

Die letzten Blümchen ſchwinden — 
Noch wähn' ich zu empfinden 

Den linden Druck der Hand! 

Und mußteſt du verſchwinden 

So ſchnell als ich dich fand? 


— — — —w — — 


. 


39 


1818. 
Träume, bie behende fliegen, 
Wenn der Stern der Venus ſchwand, 
Machten mich gewiß, zu flegen, 
Weil ich deinen Sieg geftand. 


Ein verwegner Dünkel fchwellte 
Diefes liebetrunkne Herz, 

Deine Strenge, deine Kälte 

Rief in mi zurüd den Schmerz. 


Mel ih eitlem Wert vertraute, 
log ih ohne Schen bir zu, 


Du verfhmähteft Herz und Laute, ' 


Und veraͤchtlich lächelſt du. 


Sei's ‚ daß vor der Charitinnen 
Richterthron ich nicht befteh, 
Aber meine Verſe rinnen 

Wie Gewog im Silberfee. 


1818. 


Wenn ich auch verliebter Qualen, 
Schwärmerifhher Traum’ und Bilder 
Dich entwöhne, | 

Sol dein Antlik doch mir ſtralen 
Gleich dem Widerglanze milder 
Engelſchoͤne. 





40 


Laß mich für das Hoͤchſte, Meine, 
Wenn au ird'ſche Wünſche flohen, 
Kühn erwarmen ! 

War ich's wert zu fein ber Deine? 
Götter mögen di, Heroen 

Dich umarmen! 


1818. 
Die alte Glut, was fann fie frommen, 
Die wieder durch mein Herz ſich gießt? 
Warum nod immer fo beflommen, 
Wenn du die theuren Züge fiehft? 


Hat eine deiner heißen Klagen 

Den harten Stolz auch je gebeugt? 
Du bift geboren zu entfagen, 

Zum Güde bift du nicht gezeugt. 
Erſtickte Sehnſucht regt fich wieder, 
So fei ein Mann denn und entflieh! 
Was fol der Nachklang fehöner Lieder 
Dem Herzen ohne Harmonie? 


— — 22 — — ··— 


1818. 
Fühlſt du, wie die Winde koſen? 
Hörft du, wie die Quelle fprüht? 
Siehft du? wie's im Aether blüht? 
Eind es Sterne, find es Rofen? 


41 


Seht, da durch die naͤcht'ge Hülle 


‚ Liebesgötter weichlich nahten, 


Lispelt aus den Serenaden 
Phantafieberaufähte Fülle. 


Sollen fruhtlos Tage, Wochen, 
Srühlinge fogar mit linden 
Wuͤrzigen Gerüchen ſchwinden, 
Eh du mir ein Wort geſprochen? 


Maͤchtig, wie dein Auge blendet, 
Lockt die weichlich zarte Blüte 
Dieſer Wangen, lockt die Güte, 
Welche jeden Zug vollendet. 


Deinen Raͤtſelblick zergliedern, 
Koͤnnt' ich's, doch vergeb'ne Muͤhe! 
Ahnſt du nicht, wie ſehr ich glühe, 
Oder willſt du's nicht erwiedern? 


— — — — — 


1818. 


Was wirfſt du ſchlau mir Netze, 


Triumph im Angefſicht? 
Gefallſucht Ienft das Herz dir, 
Die Liebe lenkt es nicht. 


Nie hielt ich dir's verborgen, 
Mie mid dein Zauber band, 


42 


Hoͤr' mich auch jeht: Ich liebte; 
Der furze Wahn verſchwand. 


O wärft du treu gewefen, 
Auf ewig Wärft du mein, 
Do eitler Glanz der Schönheit 
Beſtrickt mich nicht allein. 


Erfpäh’ dir andre Beute 
Sm lärmenden Gewühl, 
Denn diefes Aug’ tft troden, 
Denn dieſes Herz Hit fühl. 


— — — — — — 


Parſenlied. 
1819. 


Wenn des Leichtfinns Motte 
Die Natur entftellt, 
Huld’ge du dem Gotte 
Durch die ganze Welt. 


Hin zur Blume trete, 
Doch zerknick' fie nie, 
Schau fie an und bete: 
Mär’ ich fhön, wie fie! 


In kryſtall'ne Quellen 
Schleudre keinen Stein, 
Bete zu den Wellen: 
Mär’ auch ih fo rein! 


— — — — — —z — 


43 


Ueberall dir guͤnſtig 
Weht ein Gott bir zu, 
Darum liebebrünftig 
Handle, wandle du. 


. 
— — — — — nn. 


1819. 


Ich pflückte die weißen Blüten 

Hoch am Baum des Lebens; 

Bald verweht von nordiſcher Luft, 
Dürfen fie nicht fih bilden und reifen, 
Aber blühten 

Sie drum vergebens, 

Die durch frifchen Glanz und Duft 
Jeden Sinn ergreifen? 


1819. 


Euch, Heine Wellen, ſeh' ich ſtaͤuben 
Den Feld hinab im rafıhen Lauf, 
Ihr fucht den Kummer zu betäuben, 
Und regt ihn um fo tiefer auf. 


So rührten meine Lieberflagen, 
Zwar nicht mit Willen, deine Bruft, 
Sie follten dir den Schmerz verjagen, 
Sie machten bir ihn neubewußt. 


— — — — 





44 


1819. 
Mir hielt der Tag den Spiegel vor's Geſicht, 
Und wie Rinald, gewahrt’ ich mich vol Schaum 
Jasminumgürtet, fhwertumgürtet nicht; 
Den golönen Infelhain, aus den: ich fan, 
Sah ih mit Lächeln zwar, doch auch nicht ohne Bram. 


Ein Andrer fliege, den bie Jugend wert, 

Armiden zu mit unbefangnem Sinn, 

Weil ihm die Knospe noch den Mur ın verftedt; 

Er träume denn, ihm ift ein Traum Gewinn, 
Wem noch der Flaum befät das weiche blonde Kinn. 


— — — 


1819. 
Enthuͤllt fich jährlich weit und weit 
Die Maienzeit 
Mit Iuft'gem Vogelſchalle, 
Mit reger Sonnenglut, 
Mie feuert uns Alle 
Lebendiger Mut! 


Doch jeh'n wir ihn entblättert ganz, 
Den Sommerlranz, 

Dann fragen wir in Sorgen, 
Mofür wir uns gefreut? 

Nie wurde das Morgen 

Gewandelt in Heut! 


- u 


45 

1819. 
Bergällend Tonnteft bu verfüßen, 
Mir alles, was mein Sinn erfor, 


Wie wand ich mich zu deinen Füßen, 
Und weinte mich zu dir empor! 


Dein Buſen öffnet fih zu lieben, 

Doch ah! du winkt mich nicht zurüd; 

Was mid zu dir, von bir getrieben, 
„&s if fein Web, es ift fein Glüd. 


Warnung. 
1819. 


Scheint dir der Pfad, auf dem bu gehft, fo ficher, 
Und will du noch einmal, o Jugendlicher, 
Uneingedenk verfehuldeter Gefahren, 

Die Züge fehn, die dir fo tötlich waren? 


Darfft du fo feft auf deine Seele bauen, 

Und wähnft du mit Befonnenheit zu ſchauen 
Der fhwarzen Augen, die dir Sterne deudhten, 
Bedeutungsvolles, dunfeltiefes Leuchten? - 


Nein! Laß die Wunde Tieber fih vernarben, 
Entfchliege dich zu meiden und zu darben, 
Und vor bir felbft fogar, o Herz, verhülfe 
Den ganzen Reihthum deiner Liebesfüle! 


+ 


— nun nn 


EN 





46 


1819. 
Ich bin ein Waflertropfen, 
Berfchlofien im Kryſtalle: 
Will Keiner ihn zerklopfen, 
Daß ich ihm frei entwalle? 


Nur durch das Glas beſchauen 
Kann ich der Blumen eine: 
O dürft’ ich auf ſie thauen 
Im Morgenſonnenſcheine 


1819. 
Sei getroſt und lächle wieder, 
Was du traͤgſt, o trag's gefaßt! 
Konnteſt du doch nicht verlieren 
Was du nie beſeſſen haſt. 


Jeden, glaub's, bewaͤlt'gen Schmerzen, 
Aber, was das Herz ihm bricht, 
Stirbt dahin mit jedem Herzen, 

Nur mit eines Dichters nicht. 


F 1819. 
Die Liebe hat gelogen, 
Die Sorge laftet ſchwer, 
Beirogen, ad, betrogen 
Hat alles mid umher! 


47 


Es rinnen helle Tropfen 

Die Wange ftetö herab, j 
Laß ab, laß ab zu Elopfen, 

Laß ab, mein Herz, laß ab! 


1819. 


Wie Einer, der im Traume liegt, 
Verſank ih ſtill und laß, 

Mir war's, als haͤtt' ich obgefiegt, 
Bezwungen Lieb’ und: Haß. 


Doch fühl ich, daß zu jeder Frift 
Das Herz fi quält und bangt, 

Und daß es nur gebrochen ift, 

Anftatt zur Ruh’ gelangt. 


Du haft zerftüdt mit Unbedacht 

Den Spiegel bir, o Thor! 

Nun blickt der Schmerz verhundertfacht, ' 
Vertauſendfacht hervor. 


4819. 
Du ſcheuſt mit mir allein zu fein, ; 
Du bift fo ſchroff: R 
Gibt nicht der Liebe Luft und Bein 
Zum Reden Stoff? 








48 


Mo nicht, was gilt der Lieb’ ein Wo, 
Ein Wie, ein Bas? | 

Zu lieben und zu ſchweigen, o 

Wie lieb' ih Das! 


Ich ſchweige, weil fo kalt du fheinft, 
Und unerweicht, 

Mein Auge ſpricht, es ſpricht be 
Mein Kuß vielleicht. 


— — — — — 


1819. 


Was gilt die Scheidewand 

Von Hoch und von Geringe? 
Was kümmert mid) dein Stand, 

Wenn ich mein Herz dir bringe? 

Was kümmert mich dein Stand, 

Wenn ich von Liebe, Liebe, 

Bon meiner Liebe finge? 


Noch ift dein Bild mir new, 

Und foll dich ſchon vermiſſen? 
Du blickſt beforgt und ſcheu, 
Sp vornehm mid zu wiſſen; 
Du blickſt beforgt und ſcheu, 
Mir wird von Liebe, Liebe, 

Bon Liebe das Herz zerrifien! 


— — un —zæ— 


49 


Sönig Odo. 
1819. 
Aus dem Kloſter Hallen Glocken, 
Taufend Lichter funfeln helle, 


Die den Zug ber Beter loden 
Nah der hohen Kirchenfchwelle. 


- König Odo kommt gefahren, 


Hört vom alten Thurm Geläute, 
Und er fragt die frommen Schaaren: 


Aber welch ein Feſt ift Heute? 


Sie erwiebern drauf und fagen: 
ine Jungfrau nimmt den Schleier, 
König Odo fpringt vom Magen, 
Tritt hinein und fohaut die Feier. 


Um den heiligen Brauch zu wehren, 
Ruft er aus am Hochaltare: 

Keine Scheere foll verfehren 

Diefe langen, blonden Haare! 


Veber dieſe feuchten Blicke 

Möge nie ein Schleier fallen, 
Und fein härnes Kleid erftide 
Diefer Bruft gelindes Wallen. 


Blaten, ſammtl. Werte 1. 


5 


d 


50 


Neißend vom Altar die Reine, 
Trat er nun hervor und tobte: 
Chriftus werde nie ber Deine, 
König Odo's Anverlobte! 


Srevelvoll und voll von Wonne, 
Selig im erbotnen Taufe, 
Meigt fi die bethörte Nonne 
Seinem ſchoͤnen Liebesraufce. 


Als die Nacht begann zu ſchauern 
Um die Stunde ber Gefpenfter 
Sitterten des Schlofies Mauern, 
Und es flogen auf die Fenſter. 


Bebend fah'n empor die Gatten, 
Und ans goldne Lager Beider 

Treat ein weißer Zug ven Schatten, 
Angethan in Nonnenkleider. 


Alle hielten rote Kerzen, 

Welche blau und büfter flammiten, 
Und die junge Braut von Herzen 
Riſſen fie dem Gottverdammten. 


Hülfe ruft er, greift verwegen 
Sur gefhliffnen Wehr im Grimme; 
Aber ihm verfagt der Degen, 
Aber ihm verfagt die Stinme. 


51 


Und das Mädchen zieh'n am Haare 
Sene fort, das arme, bleiche, 
Legen dann auf eine Bahre 

Die Iebend’ge fchöne Leiche. 


Und der König folgte bange, 
Seiner Sinne Halb nur mächtig: 
Sn der Kirche Ceulengange 
Hielt der lange Zug bebädhtig. 


An des Altars hoher Schwelle 

Thut ein Grab fih auf mit Grauen, 
Ausgehöhlt, gefpenftig fchnelle, 

Don den weißvermuimmten Frauen. 


Mit Gewalt fein Weib zu Holen, 
Rafft fih auf im Wahn der Gatte; 
Aber unter feinen Sohlen 

Dreht fi) jede Marmorplatte. 


Und er fieht die fehönen Glieder 
Eingefargt in einem Schreine, 
Will Hinzu, doch immer wieder 
Schwanfen unter ihm die Steine. 


Und der Schaufeln Ton verfiummet, 
Stille wird's im Gotteshanfe, 

Nur die Glocke, wenn fie brummet, 
Unterbricht die tiefe Paufe, 





/I 


52 


und das Dunkel weicht, die Sonne 
Hebt am Horizont fi feiler, 
Man entdeckt das Grab der Nonne, 


Und den König tot am Pfeiler. 


1819. 
Laß tief in dir mich leſen, 
Verhehl' auch dieß mir nicht, 
Mas für ein Zauberweſen 
Aus deiner Stimme firiht? 


Sp viele Worte dringen 
An’s Ohr uns ohne Plan, 
Und während fie verflingen 
SH Alles abgethan. 


Do drängt auch nur von ferne 
Dein Ton zu mir fi her, 
Behorch' ich ihn fo gerne, 
Vergeſſ' ih ihn fo ſchwer! 

Ich bebe dann, entglimme 

Bon allzurafher Glut: 

Mein Herz und beine Stimme 
Verſteh'n ſich gar zu gut! 


— —— — — 


53 


1819. 


Einem jungen Manne gönnt ihr 
Allzuviel, ihr guten Frauen, 

Könnt ihr diefem Lächeln, könnt ihr 
Diefem ruhigen Auge trauen? . 


Slaubt ihr etwa, bag fein Bild mir, 
Kein geliebtes, allzutheures, 

Je begegnet, um als Schild mir 
Nun zu dienen gegen eures? 


Gefang der Toten. 
1819. 


Dich Wandersmann dort oben 
Beneiden wir fo fehr, 

Du gehſt von Luft umwoben, 
Du hauchſt im Acthermeer. 


Wir find zu Staub verwandelt 
In dumpfer Grüfte Schoos: 
O felig, wer noch wandelt, 
Wie preifen wir fein Loos! 


Vom Sonnenftral umfchwärmet, 
Ergehft du dich im Licht, 
Doch was die Flächen wärmet, 
Die Tiefe wärmt es nicht. 





54 


Dir flimmert gleich Geſtirnen 
Der Blumen bunter Glanz, 
An unſern nackten Stirnen 

Klebt ein verſtäubter Kranz. 


Wir horchen, ach! wir lauſchen, 
Wo nie ein Schall ſich regt, 

Dir klingt der Quell, es rauſchen 
Die Blätter ſturmbewegt. 


Vom Hügel aus die Lande 
Vergnügt beſchauſt du dir, 
Doch unter ſeinem Sande, 
Du Guter, ſchlafen wir. 


1819. 
Du mahnſt mich an ſchmerzliches Muͤſſen, 
An traurige Worte der Pflicht? 
Nur einmal noch will ich dich küſſen, 
Frühzeitiger mahne mich nicht! 
Mer konnte dir nahen und ſchiene 
Gelaſſen? betrachtete Falt 
Die Holde, die göttlihde Miene, 
Die göttliche Holde Geſtalt? 
Durchſpähe mein Leben, erfpähe, 
Ob firafbar ich je noch entglüht — 
Do deine beraufchende Nähe 
Verſtrickte das junge Gemüt. 


— — — — — 


m. 


55 


1819. 


Du ſprichſt, daß ich mich täufchte, 
Beſchwoͤrſt es hoch und hehr, 

Ich weiß ja doch, du liebteſt, 
Allein du liebſt nicht mehr! 


Dein ſchoͤnes Auge brannte, 
Die Küſſe brannten ſehr, 

Du liebteſt mich, bekenn' es, 
Allein du liebſt nicht mehr! 


Ich zähle nicht auf neue 
Getreue Wiederfehr: 

Sefteh' nur, daß du licbteft, - 
Und liebe mich nicht mehr! 


x 


1819. 


Befangen in verworrnem Streben 
Seh’ ih mit zährendunfelm Blick 
Zurüd auf mein gelebtes Leben, 
Auf Schuld nur und auf Mißgeſchick 


Und fol der Jüngling ſtets fi irren? 
Und zeigt der Greis allein fi Flug? 
Mie kann fi diefer Kampf entwirren? 
Wann endet diefer Selbftbetrug? 


_ 


96 


Des Weifen Lehre Hört befliffen 

Die Jugend an und regt fi viel, 
Do ohne Frucht iR all ihr Wiflen, 
Und all ihr Handeln ohne Biel. 


1849. 


Schenfteft du mir, Kind, Bertrauen, 
Möcht ich wohl durch goldne Thüren 
Did in einen Garten führen, 

Gern beſucht und lieb den rauen. 


Dögelchen durchzieh'n die Lüfte, 
Und die Seen blanfe Schwäne. 
Thau gerinnt ald Berlenthräne, 
Und Muſik verhaucht in Düfte. 


Bunt am Bach ein Bab zu weben, 
Bauen Büfche Baldadhine, 

Balfam bildend buhlt die Biene, 
Beet und Blatt und Blüte beben. 


£oden dich die grünen Hallen 
Mit verwobnen Labyrinthen ? 
Mit Geruch die Hyacinthen, 
Und die Grotte mit Kryſtallen? 


57 


Die Totenhand, 
1820. 


Der Herr von Grammont ritt in's Schloß, 
Er ritt auf dunkelſchwarzem Pferd, 

Sein Knappe fam und hielt das Roß, 
Und ſchnallt ihm ab das lange Schwert. 


Dom Thurme fhlug es Mitternacht, 

Als er hinan die Treppe fihritt, 

Sein Weib vernimmt’s, fein Weib erwacht, 
Denn fhon im Saale raufcht fein Tritt. 


Die Lampe nimmt fie, weil ihr graut, 
Sie. fieht ihn: Ha, bift du's? woher? 
Des Ritters Harniſch raflelt laut, 
Do Feine Sylbe redet er. 


Darf löfen ih die Waffen bir? 

Er dankt, indem er fill ſich neigt. 
Willſt du nit Iffnen dein Bifler? 
Sein Harniſch raflelt, Doch er ſchweigt. 
Sie heiſcht, daß er die Hand ihr beut, 
Dod ein Gerippe reiht er Hin — 
Weh! dich erſchlug mein Buhle heut! 
Sie ruft's und finkt erblaßt auf ihn. 





08 


1820. 


Dft, wenn wir lang im Dunkel fchweifen 
Durch eine tiefverhüllte Nacht, 

Dann werben ung die Purpurftreifen 
Aurorens plößlih angefacht. 


Verzweifle Keiner an den Wegen, 
Die das Verhängniß mächtig geht, 
Sie bringen uns dem Glüd entgegen, 
Das wunderbar am Ziele ſteht. 


Und hat dich Mißgeſchick betroffen, 
Und hat di mancher Schmerz verlekt, 
Hör’ dennoh nimmer auf zu hoffen, 
Und die Erfüllung naht zuleßt. 


Es quälen uns fo manche Plagen, 

Eh’ uns der Götter Yunft beglüdt. 
Wir müflen manden Dorn ertragen, 
Eh' uns der Kranz der Freude ſchmückt. 


Swar kommt Erhörung oft gefchritten 
Mit ihrer himmliſchen Gewalt, 

Doch dann erft Hört fie unfre Bitten, 
Wenn unfre Bitten lang verhallt. 


—— —— — — 


59 


Dernanifches Lied. 
1820. 

Du himmlifche Jungfrau, du, 
Du tränfit das dürre Peru, 
Du labſt mit dem ehernen Krug in der Hand 
Das lechzende Land; 
Allein dein Bruder, minder gut, 
Der Schlägt an dein Gefüg in Wut, 
Und durch den Simmel dringt der Klang, 
Und Funken ſprühn die Welt entlang. 


— ——— — — 


1820. 


Auf Gewäſſer, welche ruhen, 
Weil gebändiget vom Gife, 
gieht die Jugend leichte Kreife, 
Wandelnd auf den Flügelſchuhen. 


Dod ich wandle, Breund, alleine, 
Freund, allein und nicht zum Biele: 
Der Geſtalten find fo viele, 

Leider aber nicht die deine. 


Hefte den Kothurn der Wogen 
An die leichten Hermesfüße, 
Daß begegnend bald dich grüße, 
Dem du dich fo lang entzogen! 





60 


Welch ein Glück, dahin zu ſchwinden 
Auf.der Fläche, Far und eben, 
Magiſch fich vorüberfchweben, 
Fliehn ſich und ſich wiederfinden: 


Aber iſt es nicht vergebens? 

Weilſt du nicht, was kann es frommen? 
Dieß unſtäte Gehn und Kommen 

Iſt das wahre Bild des Lebens. 


— — Hrn ne urn 


1820. 
Ich ſchleich' umher 
Betrübt und ſtumm, 
Du fragſt, o frage 
Mich nicht, warum? 
Das Herz erſchüttert 
So manche Pein, 
Und koͤnnt' ich je 
Zu düfter fein? 
Der Baum verborrt, 
Der Duft vergeht, 
Die Blätter liegen 
So gelb im Beet, 
Es ftürmt ein Schauer 
Mit Macht herein, 
Und könnt’ ich je 
gu düfter fein? 


61 


1820. 
Erforſche mein Geheimniß nie, 
Du darfſt es nicht ergründen, 
Es fagte dir's die Sympathie, 
Wenn wir uns ganz verflünden. 


Nicht jeder ird'ſche Geiſt erfennt 


Sein eig’'nes Loos hienieden: 


Nicht weiter frage, was uns trennt, 
Genug, wir find gefchieden! 


Es fpornt mich ja nicht eitle Kraft, 
Mich am Geſchick zu proben: 

Wir alle geben Rechenſchaft 

Für unfern Ruf von oben. 


Mas um mich ift, errät mich nicht, 
Und drängt und brüdt mid) nieder; 
Do, ſuch' ih Troft mir im Gedicht, 
Dann find’ ih ganz mich wieder! 


1820. . 


Zwiſchen Fichtenwaͤldern 
Und beſchneiten Feldern 
Seh ich die Winterſpuren 
Traurig um mich her. 
Seid ihr leer, o Fluren, 
Weil das Herz mir leer? 


62 


Diefe Rofendornen 

An gefrornen Bornen 
Menn fle an Riefenbädhen 
Mieder in Knospen fteh'n, 
Dürft ih dann fie bredhen, 
Brechen, ah! für wen? 


— — — — — 


1820. 


Da liegſt du nun im Grabe, 
Du ſchoͤnes, trautes Kind; 
Es weint ein liebender Knabe 
Durch Nacht und Wind. 


Du kannteſt wohl ſein Sehnen, 
Und was dich von ihm ſchied, 
Drum durft' er es nicht erwähnen 
Sn Sang und Lieb. 


Er folgte dem Gebote, 

Dein Wille war ihm Pflicht; 
Doch daß er Befingt die Tote, 
Verſagſt du nicht. 


63 


Das Leben ein Traum. 
1829. 


Mas uns Troft und Mut fann geben, 
Um hienieden gern zu fäumen? 

Daß wir leben, wenn wir träumen, 
Daß wir träumen, wenn wir leben. 


Daß, fobald wir fchlummernd Liegen, 
Wir das eitle Selbft entbehren, 
Während uns aus andern Sphären 
Ahndungsvolle Träume wiegen. 


Daß wir nach durchbüßten Strafen, 
Nah durchrungenen Befchwerden 
Hoffen dürfen, wach zu werben, 
Mo wir chmals eingefchlafen. 


Laßt uns denn nad heil'gern Räumen 
Mutig und getröftet fireben, 

Weil wir träumen, wenn wir leben, 
Weil wir leben, wenn wir träumen. 


— — — — 


— 


1820. 
Auf ewig fliehn die Scherze, 
Die junge, leichte Schaar, 
And mit verhaltnem Schmerze 
Nehm ich den Kranz vom Haar. 


64 


Die Lieder find verklungen, 
Der letzte Ton verſcholl 
Von jenen Huldigungen 
So glühend, ſehnſuchtsvoll. 


Auf raſchen Zauberſchwingen 
Entwich mein letztes Glück, 
And alle Klagen bringen 
Nicht einen Kuß zurüd. 


Ich wollte nicht mehr bange 
Mir Gegengunft erflehn, 
Ah, nur minutenlange 
Moͤcht ich dich wiederfehn! 


Du wirft mir nicht erfheinen , 
Mir warb auch dieß verwehrt: 
Mer kann genug beweinen, 
Mas niemals wiederkehrt? 


1820. 


Wehe, fo will bu mich wieder, 
Hemmende Feflel, umfangen? 
Auf, und hinaus in die Luft! 
Ströme der Seele Verlangen, 
Ström’ es in braufende Lieber, 
Saugend ätherifhen Duft: 


65 


Strebe dem Wind nur entgegen, 
Daß er die Wange dir fühle, 
Grüße den Himmel mit Luft! 
Merden fi) bange Gefühle 

Im Unermeßlihen regen? 

Athme den Feind aus der Bruft! 


1520. 
Es ziehen viel Geitalten 
An uns vorbei, fo lieb, 
Do fie zurüd zu halten 
Empfind’ ich feinen Trieb. 


Zwar manden ſchoͤnen Blide 
Begegn’ ih noch mit Luft, 
Doch wohl mir, ich erflide 
Kein Ach mehr in der Brufl. 


Nicht flatterfinnig wiegen 
Sie fih von Haus zu Haus, 
Nah fernen Landen fliegen 
Die lieben Seufzer aus. 


Vergebens! ich erringe 
Mir nie, was ich erfor, 
Es lauſcht mir, wenn ih finge, 
Kein überrafchtes Chr. 
Platen fammtl. Werte 1. 


66 


Do gerne trägt mit ſtummer 
Ergebenheit mein Herz 

Den lieben langen Kummer, 
Den langen lieben Schmerz. 


Schneiderburg. 
1820. 
Ein Schneider flinf mit der Ziege fein 
Behauste den Krempenflein, 
Sah oft von der felfigen Schwelle 
Hinab zu der Donaumelle, 
Sn reißende Wirbel Hinein. 


So faß er oft und fo fang er dabei: 
Wie leb' ich forgenfrei! 

Meine Ziege, die nährt und lebt mid, 
Mandy’ Liedchen Klingt und ergeht mich, 
Fährt unten ein Schiffer vorbei! 


Doch ah, die Ziege, fie flarb, und ihr 
Rief nah er: Wehe mir! 

Sp wirft du mid nicht mehr laben, 
So muß ih dich hier begraben, 

Im Bette der Donau hier? 


Doch als er fie fchleudern will hinein, 
Verwickelt, o Todespein! 





67 


Ihr Horn fih ihm in die Kleider: 
Nun liegen Zieg' und Schneider 
Tief unter dem Krempenftein! 


— — — — — 


1820. 
Aus Eden wich nach langer SR 
Der Sohn der Schuld, 
Dem Kampfe hingegeben; 
Do blieb ihm noch die Dichtung mild 
Als Gegenbild 
Dom disharmon'ſchen Leben; 
Die zeigt fofort ihm dunfelflar, 
Mas einft er war, 
Und wieder wird erfireben. 


1820. 
Ich zittre nicht mehr froh und bange, 
Mas immer winkt, was immer droht. 
Mird jede Wonne nicht zum SKlange, 
Wird nicht zum Klange jede Rot? 


Doch müßt ihr nicht mit Reden quälen, 
Den liebend ihr als Freund erkennt; 
Denn feht, er kann nicht viel erzählen, 
Nur Lieder find fein Element. 


68 


Und wollt ihr mir im Ernſte nah fein, 

Sp müßt ihre mid in jenen ſchaun, 

Dann wird mein Sein euch und mein Dafein 
Im freundyerwandten Bufen graun. 


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1820. 
Ein Hoczeitbitter zog der Lenz 
Den Wald entlang und See, 
gog Hin mit Sang und Klange, 
Mir aber warb fo bange, 
Als läge noch der Schnee. 


Und Säfte lud zu ſtch der Lenz, 

Mich aber lud er nit, 4 
Er ſah mich, ach! gefangen, 

Ich hing an jenen Wangen, 

An jenem Angefſicht. 


Nun bin ich frei, nun kommt der Lenz, 
Nun erft genieß’ ich ganz, 
Wenn ruh'ger au und fliller, 
Der Bäche grünen Schiller, 
Der Rofen frifhen Glanz. 


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69 


1820. 
Mo ih gatten 


. Sene Schatten 


Deber Matten, 
Um den Duell, 
Reich an lofen 
Hagerofen, | 
Kommt zu koſen, 
Brüder, Schnell! 


Kaum gefunden, 
Schon umwunden, 
Schon verbunden, 
Weiß ich wie? 
Keiner Höhne, 
Mufenföhne, 
Diefe fchöne 
Sympathie! 


Subelt, bringet 
Danf und finget, 
Melle Flinget, 
Roſe blüht: - 
Das in Wonnen 
Nie zertonnen, 
Welch befonnen 
Kalt Gemüt! 








70 
Vögel neigen 
Aus den Zweigen, 
Heißen fchweigen 
Mich zulekt: 
Mer befchriebe 
Lenzestriebe, 
Wer die Liebe, 
Wer das Jetzt? 


Winterſeufzer. 
1820. 
Der Himmel iſt ſo hell und blau, 
D wäre die Erde grün! 
Der Wind if fharf, o wär’ ex lau! 
Es fhimmert der Schnee, o wär! es Thau! 
O wäre die Erde grün! 


Trinklied. 
1820. 
So laß uns noch einmal vereint 
Die vollen Glaͤſer ſchwingen; 
Der Abſchied werde nicht geweint, 
Den Abſchied ſollt ihr fingen. 


7 


Wohlan, mohlauf denn, friſch gehofft! 
Kein Wechſel fchlag’ euch nieder! 

Wir finden uns vieleicht noch oft, 
Vielleicht nicht einmal wieder! 


Iſt's Fünftig nicht, je nun, erbaut - . 
Euch nur am heut'gen Glücke, 

Und wer nicht gerne fürber fchaut, 

Der ſchaut doch gern zurüde. 


Damit fi noch beim legten Wort 
Die Kraft der Liebe zeige, 

So gieß’ ich aus dem Freunde dort, 
Dem fhönen Freund bie Neige. 


1820. 


Cuch, liebe Berge, grüß ich wieder, 
Die von der Fern’ ich oft erfpähe, 
Und ſehnend fehe drauf hernieder, 
Euch grüß' ich wieder, 

Euch leb' ich wieder in der Nähe. 


Zwar Erde Hat mit Pflanz’ und Moofe 
Des Froftes Panzer an, den harten, 
Doch Sonne blüht tm OR wie eine Roſe, 
Und wärmt euch, blätterlofe, 

Doch auch fehneelofe Bergeswarten. 





12 


Es lächelt ſchoͤnen Wechſel mir in’s Leben 
Das fanfte Thal, von euch umarmet, 
Des Himmels Blau, der Sonne Gold verfchweben 


‚ Nm eure Gipfel, weben 


Den heitern Tag, und all mein Herz erwarmet. 


1920. 


Einfam und von Schmerz durchdrungen 
Sigt der delph'ſche Gott und finnt, 

Er beweint den fehönen Jungen, 

Den geliebten Hyacinth. 


Könnt’ ihm doch dein Bild erfcheinen, 
Das dir jedes Herz gewinnt, 

Zraum! er würde nicht mehr weinen 
Um den fehönen Hyacinth. 


1820. 


Die Nebel, adj! verbüftern 
Des Himmels Fichte Zone, 
Die Winde wehn und flüftern 
Im Laub erhabner Rüftern, 
Und in der Pappelkrone. 





73 


Es ifi als ob das ganze 

Gefild erfroftet ſchaure, 

Und als ob jede Pflanze 

Entblättert vor dem Kranze, 
Das eig'ne Loos bebaure. 


Was find die Blumen? Keine 
Schattirungen auf Särgen! 
Denn Erde ward zum Schreine 
Gemölbt für Totenbeine; 

Wird meine bald fie bergen? 


nn 


1820. 

Wie werben wir umhergetrieben 
In diefer wandelbaen Welt! 
Warum fo ferne, was wir lieben, 
Warum ſo nahe, was mißfällt! 


An Niedres ſelbſt gewöhnt man endlich, 
An Schlechtes fh, vom Beften fern; 
Die Hoffnungen find ganz unendlich, 
Allein man hofft nur gar.zu gern! 


Die Stunde hat mich oft gefegnet, 
Noch aber nie am rechten Drt, 

Mir ift das Schönfte nicht begegnet, 
Doch leb' ich noch und träume fort. 


— — —— 





74 


Der Seelenwanderer. 
1820. 


Scherzend rief ich ſolche Worte, da das Licht Herabgebrannt war: 
Dich beflag' ich, armes Ketzchen, daß zum Nichts dein Sein fo 
bald ward! 


Aber Antwort gab die Kerze, diefes hört’ ich voll Vermundrung: 
Ueberhebe dich nicht alfo, denn auch ich war einft was nun bu! 


Starb ih, modert' ih, doch wieder wuchs ich aus dem Grab 
alg Aglei, 

Kam ein Bienden, nafchte fleißig, nugte mich im Korb zur Arbeit. 

Ward ih Wachs, woraus man enblich diefe Kerze nun für dich 
goß: 

Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im Lichtſtoff. 


1820. 
An der Erde 
Frei und fröhlich 
Kroch die Raupe, 
Freude kindiſch, 
Immer friechend, 
Sich umhüllter 
Junger Knospen. 
Aber ſelbſtiſch 
Eingekloftert 
Spinnt die Puppe: 


15 


Die Entfaltung 
Dualertämpfe 
Wühlen graufam 
Durch das Innre. 


Doch befreiend 
Sieget Wärme: 
Schwebe rafilos, 
Netherkoftend, 
Farbefunfelnd, 
Du erlöster 
Somntervogel! 


Zauberglas. 
1920. 


Es ift ein Kryſtall, 
Sn dem fih das AU 
So lieblicher malt, 
Und der es getreu, 
Do fchöner und neu 
Zurüde dir ftralt. 


Es färbt und belebt, 
Was in ihm verfchwebt, 
Mit rofigem Schein: 





” 76 


Drum Kummer und Haß 
Bergiß und verlaf, 
und blide hinein! 


— 


| Erinnerungen, 
a 1820. 
Schöne Bilder 
Meiner frühen 
Wandertage, 
Ihr umgaufelt 
Noch im Traume 
Diefe Scheitel 
Wunderlieblich! 


Als ich ſtreifte 
Durch die grünen 
Sommerthaͤler, 
Winkte dorten 

Mir des Waͤldchens 
Buchgetränfte 
Friſche Wildniß, 
Hier der ſanfte, 
Traubengoldne 
Rebenhügel. 


Welch ein Sehnen 
Weckte damals 
Mir im Buſen 


an | Jedes Roͤschen, 





77 


Das gedüftet, 
Jeder ferne 
Bergesrüden, 
Der gefhimmert, 
Jede Wolfe, 

Die geflogen! 


Iſt es heu!e 

Nicht wie damals? 
Gruͤnen friſche 
Miefenthäler 

Nicht auch Heute? 
Fliegen. Wolken, 
Schimmern Berge, 
Duften Blüten 
Nicht auch Heute? 


Mär’ ich ſelbſt doch 
Noch derfelbe! 

Es iſt Heute 

Nicht wie damals! 


1820. 
Ein Vogel bin ich worden 
Mit rüſtigem Geſteder 
Zu flattern auf und nieder, 
Nach Süden und nach Norden. 


a 


78 


Bon einem Drt zum andern 
Verlockt mich eitles Treiben, 
Es frommt mir nicht zu bleiben, 
Es frommt mir nicht zu wandern. 


Doch könnt’ ich dich ereilen, 
Und deinen Stolz beflegen, 
Wie gerne wollt’ ich fliegen, 
Und ad, wie gern verweilen! 


Licht. 
1820. 


Licht, vom Himmel flammt es nieder, 
Licht, empor zum Himmel flammt es; 
Licht, es if der große Mittler 
Zwifhen Gott und zwifhen Menſchen; 
Als die Welt geboren wurbe, 

Ward das Licht vorangeboren, 

And fo ward des Schöpfers Klarheit 
Das Myfterium der Schöpfung; 

Licht verſchießt die heil'gen Pfeile 
Weiter immer, lichter immer, 
Ahriman fogar, der dunkle 

Wird zulegt vergehn im Lichte, 


— — — — —— 


79 


1820. 
Ihr Vögel in den Zweigen ſchwank, 
Wie feid ihr froh und friſch und franf, 
Und trillert Morgendöre: 
Ih fühle mich im Herzen frank, 
Wenn ich's von unten höre. 


Ein Stündchen ſchleich ich blos Heraus, 
In euer äftig Sommerhans, 

Und muß mid deß beflagen: 

Ihr lebet flets in Saus und Braus, 
Seht’s nachten Hier und tagen. . 


Ihr fucht der Bäume grünes Dad, 
Der Wiefe Schmelz am Kiefelbad), 
Shr flieht vor Stadt und Mauer, 
Und laßt die Menfchen fagen ad! 
In ihrem Bogelbauer. 


: 1820. 
Mas ich thue 
Und vollbringe, 
Ich erringe 
” Nie die Ruhe. 


Nicht umfangen 
Hält mein Streben 
Die da leben 

Und verlangen. 


80 


Schon verglühten 
Sene frühen 
Lebensmühen, 
Liebeshlüten. 


Daß ich fände 
Neue Qualen, 
Mupten malen 
Malerhände. 


Kein Genüge 
Fern und nahe, 
Seit ich fahe 
Sene Züge! 


> 


1820. 
Die Auf- und Niederwogen 
Bon Wolluf und von Trauer, 
Don Schmerz und Wonnefchauer, 
Welch Herz ertrüge fie? 
Nur kurze Zeit belogen 
Vom ſchoͤn gefell’gen Slüde, - 
Mie find’ ich mich zurüde 
Zu dir, die mich erzogen, 
Befreundete Melancholie? 


— — — — — 


‘81 


1820. 
Wohl Hab’ ich's tief empfunden, 
Mie fhön es ſei, zu Tieben, 
Das Wefen ift verfchwunden, 
Das Echo nur geblieben. 


Mein ganzes Herz verlanget 
Erneute theure Bande, 
Doch all dieß Schnen hanget 
An keinem Gegenſtande. 


So ſchwaͤrm' ich auf und nieder 
Auf einſam düſtern Wegen, 
Und hauche glüh'nde Lieder 
Der Sommernacht entgegen. 


Wenn frühem Untergange 
Geweiht war all dieß Schoͤne, 
Warum entwickeln bange 
Noch aus der Bruſt ſich Toͤne. 


1820. 
Zwar wind’ ich jetzt mich Durch geräuſch'ge Menge, 
Bon lebensfroh Unzähligen umrungen, 
Do nie mehr wieder durch die Waldesenge, 
Wo ich am dich das letzte Lied gefungen. 
Blateg, fammtl. Werke, I, 6 





82 


Mel ein Gedanke flimmte je mid trüber, 
Und bleichte je mir fchmerzlicher die Wangen, 
‚Als daß bier alles an uns geht vorüber, 

Und daß auch du vorüber mir gegangen! 


“ 


Irrender Witter, 
1820. . 


Hitter ritt ins Weite 
Dur Geheg und Au, 
Plöglich ihm zur Seite 
Wandelt fchöne Frau. 


Keuſch in Flor gehüllet 
War fie, doch es King 
Flaſche wohl gefüllet 
Ihr am Gürtelring. 


Ritter ſah es blinken, 
Lüftern machte Wein, 
Sagte: Laß mich trinfen! 
Do fie fagte: Nein! 


Grimmig fhaute Ritter, 
Der es nicht ertrug: 
Frau verhöhnt er bitter, 
Raubet ſchoͤnen Krug, 


83 


Als er den geleeret, 

Fühlt er fih fo Frank; 
Ab, für Wein befcheeret - 
Ward ihm Liebestranf. 


Nun durchſchweift er Gründe, 

Felder, Berge wild, 
Klaget alte Sünde, 
Suchet Frauenbild. 


I 


Stimme läßt ex ſchallen, 
Holt es nirgends ein: 
Waldes Nachtigallen 
Hören Ritters Bein. 


Endymion, 
1820. 
Süngling ruht i 


Unter Lilien an der Flut, 

Mährend Nacht ihn rings umfangen, 
Seine lichten Locken bangen 

Tief herab bis in die Quelle, 

Die fie netzt mit ſachter Welle. 


Ruht am Bach, 
Halb entihlummert, Halb noch wach; 





SA 


Aber Luna lenkt die Zügel 
Ueber Thal und Waldeshügel, 
Aetherwoͤlkchen wehn und tragen 
Ihren klaren Silberwagen. 


Und ihr Licht 

Falt auf Schäfers Angeſicht: 

Seit dem Reihn der erften Horen 
Mard fein Mann fo fchön geboren: 
Luna fieht ihn, fleht ihn wieder, 
Und ihr Wagen ſchwebt hernieber. 


Süngling wähnt, 

Daß ihm nah die Göttin lehnt, 
Daß ein Kuß gelind und züchtig 
Seine Lippen ftreifte flüchtig ; 

Hatte wachend fih erhoben, 

Doch der Wagen ſchwand nach oben. 


Welch ein Schmerz 
Zuckt, fo rief er, durch dieß Herz! 
Kommt ein Gott nur, daß er trüge! 


Nenn' ich's Wahrheit? Nenn' ich's Lüge? 


Durfte Sehnſucht irdiſch täufchen 
Das Gemüt der ſchoͤnen Keuſchen? 


85 


1820. 
O Wechſel von Empfindungen, 


Wenn uns vorüberfchwebt 


Der Wechſel von Berbindungen, 
Durch Zeit und Raum erlebt! 


Mas hab’ ih nun Gebliebenes 
Bon all’ der Lieb’ und Pradt, 
AS weniges Gefchriebenes, 
In ſchlechte Verſe gebracht? 


Gloſſe. 


1820. 


Und foll es denn geſtorben fein, 
So lebe wohl zu tauſendmal, 

Gehſt br vorbei dem Rabenſtein, 
Gebenke meiner Lich’ und Qual. 


Tiet. 


Der Miffethäter. 
Du weinft, Herzallerliebfte, du? 
Ad, wen beweinft du von uns beiden ? 
Du weinft mir heiße Thränen zu, 
Und mahnft mid an das lebte Scheiben; 
Noch bift du mein, noch bin ich dein, 
Und fol es denn. geflorben fein? 


Die Siebe. 
Und wär’ es denn, und wär’ ed wahr, 
Und wärft du fo verrucht geweſen? 








» 


86 


Dein Mund, wie füß, dein Aug’ wie Ear, 
Und ad, wie ſchoͤn if al dein Wefen! 
Du bift mein Herz, des Herzens Wahl, 
So lebe wohl zu taufendmal! 


Der Miffethäter. 
D laß uns nicht mehr denken bier, 
Mas ih an dir, an mir gefünbigt; 
Dieb eine nur, verfprich es mir, 
Daß no ein Seufzer dich verkündigt, 
Gehſt du bei ftiller Nacht allein, 
Gehſt du vorbei dem Rabenftein. 


Die Sichbfle. 

Ich fchwör’ es dir, bein liebes Blut 
Will ich von Falter Mauer küſſen, 
Doch, faßt dich fehon des Henfers Wut, 
Wirſt du den Hals entblößen muͤſſen, 
Und blickſt no um dich her einmal: 
Gedenke meiner Lieb’ und Dual! 


1820. 


Ich ruht’ von meinem Grame 
Gewiegt in ftillen Traum, 
Es floß der theure Name 
Mir über die Lippen faum. 


87 


Da hört’ ich Töne ſchallen, 
Die faßten mich ſo ſehr, 
Neu fühlt ich in mir wallen 
Und wogen ein Liebesmeer. 


Warum fo qualerregend 
Durchzittert ihr mein Ohr, 

Und dringt zur weichften Gegend 
In meinem Herzen vor? 





Küffe und Jahrszeiten. 
1820. 
I. 

Wie leb' ich dieſen Lenz hindurch 
So koͤſtlich, o Eonftänzchen! 
Bald freu’ ih mich in Wald und Thal 
Auf Pflanzen und auf Pflaͤnzchen, 
Bald fiß’ ich gern und plaudere 
In trauter Freunde Kraͤnzchen, 
Bald trille’ ich. mir Homers Gefang, 
Und Taſſo's feine Staͤnzchen, 
Bald dicht’ ih, faßt Begeifterung 
Mich ſelbſt, wohl felbft Romaͤnzchen, 
Nur eines fehlt zum Himmel mir: 
Zu küſſen dich, Conſtaͤnzchen! 


88 


II. 
Laß uns ſchattig ruhen 
Auf den Raſenpfühlen, 
Denn ich Armer leide 
Gar zu ſehr im Schwülen, 
Feſt am Gaumen kann ich 
Meine Zunge fühlen. 
„Geh den Hügel abwärts; 
Dort hinab die Mühlen 
Seh’ ich einen Bad fi 
Durch die Felder wuͤhlen, 
Zwiſchen Blumen tanzen, 
Ueber Kieſel fpülen.“ 
Ach, nicht Waſſer will ich, 
Deine Küſſe kühlen. 
III. 
Es raſſelt über Flur und Berg 
Der Winde rauhes Tofen 
Man fieht den Wald entblättern ſich 
Und flärfer übermonfen: 
Du fühlt ja wohl, der Herbft ifb da, 
Und noch begehrft du Rofen? 
Kaum blühn noch auf den Wiefen hier 
Die rötlihen Zeitlofen: 
Dod wollte du ein wenig mid, 
Nur wenig mich liebkofen, 
Bald mwürbeft du erfahren, Kind, 
Daß Küffe find wie Rofen. 


89 


IV. 
Mel ein Schneegeftäber 
Was für dichte Flocken! 
Zapfen fieht man eiflg 
An den Dächern ftoden, 
Helles Wafler träufelt 
Mir von Hut und Boden, 
Aber da die füßen, 
Guten Bespergloden 
Mih zum Kuß der Liebe 
Wunderlieblich locken, 
Bleibe ſelbſt nicht einmal 
Unſre Lippe trocken! 


— — ——* — 


Mut und Unmut. 
1820. 
I. 
Soll ih ewig plagen mich und pladen? 
Naht mir endlich meinen Leichenladen! 


Wer nicht friehen wi und hündifch wedeln, 
Bette früh fi bei ven Totenfchäbeln. 


A und D von biefes Lebens Pfalter, 
Trübe Jugend finv’s, und trübes Alter. 


Solden Tanz, ich daur’ ihn nimmermehr aus, 
Fiedler Tod, o fpiel’ ung doch den Kehraus! 


IR 


I 


90 


II. 
Daß ich wahr und würdig, 
Daß ich euch befchriebe, 
Diefes liebe Leben, 
Das ich leb' in Liebe! 


Hat nit Frühlingsodem 
Ale Welt durchdrungen? 
Sollen Dichter Hagen, 
Die für ewig jungen? 


Hat nicht ſelbſt den Unftern 
Eine Hand von oben 

In den Menfſchenhimmel 
Gütig eingewoben? 





1820. 
Wenn ich in Labyrinthe 
Des Sinnens mich verlor, 
Dringt plötzlich oft ein Seufzer 
Aus voller Bruſt hervor. 


Denn was ich auch betrieben 
Bedünkt mich hohler Schein, 
Uns glücklich macht nur lieben, 
Ach, und geliebt zu ſein! 


— 





91 


1820. 


Wie rafft' ih mid auf in der Nacht, in der Nacht, 


Und fühlte mi fürber gezogen, 

Die Gaffen verließ ih, vom Wächter bewacht, 
Durchwandelte facht 

In der Naht, in der Nacht, 

Das Thor mit dem gothifchen Bogen 


Der Mühlbach rauſchte durch felfigen Schacht, 
Ich lehnte mich über die Brüde, 


Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht, 


Die wallten fo ſacht 
Sn der Naht, in der Nacht, 
Doch wallte nicht eine zurüde. 


Es drehte fih oben, unzählig entfacht, 
Melodifcher Wandel der Sterne, 

Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, 
Sie funkelten fadht 

Sn der Naht, in der Nadıt, 

Duch täufchend entlegene Ferne. 


Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nadıt, 
Ich blidte Hinunter aufs Neue: 

O wehe, wie Haft du die Tage verbracht, 
Nun file du facht 

Sn der Nacht, in der Nacht, 

Sm pochenden Herzen die Reue! 


N 


—— 


kauf 


92 


1820. 
Bertheile dich, du fhwarz Gewitter, 
Das mir im Herzen ſtürmt und flamımt, 
Beruhigt mi, Gefang und Zither, 
Berubigen ift euer Amt. 


Erhebt mich bis zum Weltgefchide, 

Und ber es lenft durch Wohl und Web, 
Daß ich mit unbewölttem Blicke 

Auf Erdenfämpfe niederfeh'. 


Und fiehe, du entweichſt, o trüber, 
O mißbehaglid blinder Groll; 
Die Augen gehen fanft mir über, 
Mein Herz ift wieder liebevoll. 


Schon Bielen hat es innig ſich verfündet, 
Daß jene Sehnſucht, die den Bufen peinigt, 
Hienieden ſich fein feſtes Schickſal gründet, 
Und nie ſich dem, was fie gefucht, vereinigt. 


Zwar athmet täufchend oft ein frifches Leben 
Aus manchem Bild uns an, aus mandhem Zuge, 
Mit Hoffnungen die Seele zu durchweben, 

Doch fiehe, wir ertvachen vom Betruge! 





93 


Und Jeder, welchem Mar ſich dieß entfchieben, 
Will von fi) werfen jegliche Befchwerbe, 
Und lange fehnte Keiner fih nad) Frieden: 
Denn wer verweste nicht in. ſchwarzer Erbe? 


1820. 
Mas ruhft du Hier am DBlütenfaum 
Der ſommerlichen Sprubelquelle, 
Und fiehft entftehn und flehft vergehn den Schaum? 
Sp ruh'n wir Menfchen auf des Lebens Schwelle, 
Und was wir hoffen, was wir fuchen ftets, 


Ein leiter Hauch gebierts, ein leichter Hauch verwehts. 


Es übt fi) mehr und mehr das Herz, 

Und ftählt fi, daß von Tag zu Tage 

Mit größerm Mut es immer neuen Schmerz, 

Und immer neuen Kummer trage: 

Erringen quält, Errungnem droht Verluſt, 

Und ew'ge Sehnſucht hebt die bange Jünglingsbruft. 


Drum preif’ ih den, der nicht begert! 

Mas wäre hier im leichten Staube 

- Des Suchens oder Findens wert? 

Nach hoͤh'rem Ziel verweist der hoͤh're Glaube; 
Hier iſt es nicht, wo jedes Ding verletzt, 
SIenfeits des Lebens ward dein Ziel hinausgeſetzt! 


N 


u 


Im Geifte firebe zu entflichn 

Den Schranken biefer Menſcheninnung, 

Und laß am Buſen dir vorüberziehn 

Die Stimmungen der wechſelnden Geſinnung; 

Dann trübt der Klarheit innern Spiegel nie, 

Durch Lieb' und Sorg' und Haß, die rege Phantaſie. 


Laß Andre denn mit ird'ſchem Blick 

Nach ihren bunten Zwecken haſchen, 

Sobald Geſchick fie oder Mißgeſchick 

Im fieten Wandel fpielend überrafhen: 
Geſchaͤftig find fie, doch ihre Thun ift leer, 

Und ſchnellzerſtörend folgt das Schickſal hinterher. 


1821. 


Vergebt, daß alle meine Lieder Hagen, 

Und manche Thräne biefen Blick umflort, 
Auch ih, o glaubt mir! habe viel ertragen, 
Das Schwert der Schmerzen hat auch mich burdhbort.- 


Ihr könnt mid nur nach leichten Worten mefien, 
Sn diefen Bufen konntet ihr nicht feh'n: 

AG, jeder Scherz ift nur ein GSelbftvergeflen, 
Und jedes Lächeln fommt mich Hoch zu flehn. 


— — en 


95 


Winterlied. 
1821. 


Geduld, du Kleine Knospe 
Im lieben ftillen Wald, 
Es ift noch viel zu froftig, 
Es ift noch viel zu bald. 


Noch geh’ ich dich vorüber, 
Doch merf ich mir den Platz, 
Und kommt heran der Frühling, 
Sp Hol’ ih di, mein Schatz. 


WViſion. 
1821. 

Am Felſenvorgebirge ſchroff, 

Das von des Meeres Wellen troff, 

Die ſchäumend es umrangen, 

Da ſtand ich, ein verlaßner Mann, 

Und manche warme Thraͤne rann 

Mir über bleiche Wangen. 


Doch rings umher war Scherz und Spiel, 

Sie fangen, ſchoſſen nach dem Ziel, 

Und tanzten in die Runde: 

Es ſchenkten manden Becher Wein 

Die Mäpchen ihren Buhlen ein 
Sn biefer frohen Stunde. 





96 


Und als ich ſchaute rings umher, 
Ward mir das Herz im Bufen ſchwer; 
Denn ab, mid Fannte Keiner! 

Mich fragte Keiner liebentglüßt: 

Was ift die Wange dir verbfüht? 
Mas fehlt dir, fliller Weiner? 


Der Abend nahte bunfelgrau, 

Die Blumen füllten fih mit Thau, 
Der Himmel mit Geftirnen; 

Doch immer hüpften ihren Tanz 
Im Abendrot, im Sternenglanz 
Die Knaben und die Dirnen. 


Und weil ih fand am jähen Rand, 
Stieß mid hinab die Yelfenwand 
Der Menge bunt Gewimmel: 

Da haſchten mich die Wolken auf, 
Und trugen mid hinauf, hinauf, 
In ihren fhönen Himmel. 


1821. 


Der Aſche wit du Glut entloden, 
Wenn ih dein Herz nicht mißverftch? 
Ich bin wie Schnee der Minterfloden, 
Du bift des Frühings Blütenfchnee. 


97 


Mit jedem jungen Tag von vomen 
Beginnt dir Glück und Liehe neu, 

Ich trage noch an alten Dornen, - 
Die Roſe mar mir minder treu. 


Vergebens forſch' ich nun im Herzen 
Nach jener Glut und jener Anal! 
Weh mir! ch Fonnte dich verfehmerzen, 
Und nenne dich zum Tegtenmal. 


— — — — — 


1821. 
Es macht mir alles Schmerz und ein, 
Ich möchte tief in’s Land hinein, 
Meber Berg und Thal, über Steg und Klug, 
Zu vergefien, was ich vergeflen muß. 


— nn — — — 


1821. 

Wie ſtürzte ſonſt mich in ſo viel Gefahr 

Ein krausgelocktes Haar, 

Und eines Feuerauges dunkler Blitz, 

Und ach, zum Laͤcheln ſtets bereit, 

Der Rede holder Sitz, 

Ein füger Mund voll ſchöner Sinnlichkeit! 

Da wähnt' ih noch, ala wäre der Befitz 

Das einz'ge Gut auf dieſem Lebenggang, 

Und nad ihm rang 

Mein junger Sinn und mein -bethörter Wig. 
Blaten, ſaämmtl. Werke, 1. > 7 


82 


Mel ein Gedanke ſtimmte je mid trüber, 
Und bleichte je mir fchmerzlicher die Wangen, 
‚ Als daß hier alles an uns geht vorüber, 

Und daß auch du vorüber mir gegangen! 


“ 


Irrender Ritter. 
1820. 


Ritter ritt ins Weite 
Durch Geheg und Au, 
Plöglih ihm zur Seite 
Wandelt fhöne Fran. 


Keuſch in Flor gehüllet 
War fie, doch es hing 
Flaſche wohl gefüllet 
Ihr am Gürtelring. 


Ritter fah es blinken, 
Lüftern machte Wein, 
Sagte: Laß mid trinfen! 
Doch fie fagte: Nein! 


Grimmig ſchaute Ritter, 
Der es nicht ertrug: 
Frau verhoͤhnt er bitter, 
Raubet ſchoͤnen Krug, 


83 


. Als er den geleeret, 
Fühlt er fi fo krank; 
Ah, für Mein befcheeret 
Mard ihm Liebestrank. 


Nun durchſchweift er Gründe, 
"Felder, Berge wild, 

Klaget alte Sünde, 

Suchet Frauenbild. 


Stimme laͤßt er ſchallen, 
Holt es nirgends ein: 
Waldes Nachtigallen 
Hoͤren Ritters Pein. 


Endymion. 
1820. 
Süngling ruht 


Unter Lilien an der Flut, 

Waͤhrend Nacht ihn rings umfangen, 
Seine lichten Locken hangen 

Tief herab bis in die Quelle, 

Die fie netzt mit ſachter Welle. 


Ruht am Bach, 
Halb entſchlummert, halb noch wach; 





8A 


Aber Luna lenkt die Zügel 
Ueber Thal und Walbeshügel, 
Aetherwölichen wehn und tragen 
Ihren Haren Silberwagen. 


Und ihr Licht 

Falt auf Schäfers Angeſicht: 

Seit dem Reihn der erften Horen 
Ward fein Mann fo fhön geboren: 
Luna fieht ihn, flieht ihn wieder, 
Und ihr Wagen fchwebt hernieder. 


Süngling wähnt, 

Daß ihm nah die Göttin lehnt, 
Daß ein Kuß gelind und züdhtig 
Seine Lippen ftreifte flüchtig ; 

Hatte wachend ſich erhoben, 

Do der Wagen ſchwand nach oben. 


Melk ein Schmerz 

Zudt, fo rief er, durch dieß Herz! 
Kommt ein Gott nur, daß er trüge! 
Nenn’ ich's Wahrheit? Nenn’ ich's Lüge? 
Durfte Sehnſucht irdiſch täufchen 

Das Gemüt der fchönen Keufchen? 


85 


1820. 


O Wechſel von Empfindungen, 
. Wenn uns vorüberfchtwebt 

Der Wechſel von Verbindungen, 

Durch Seit und Raum erlebt! 


Mas hab’ ich nun Gebliebenes 
Bon all’ der Lieb’ und Pradt, 
Als weniges Gefchriebenes, 
In fchlechte Verſe gebracht? 


Gloſſe. 


1820. = 


Und foll es denn gefiorben fein, 
So Tebe wohl zu taufenbmal, 
Geht du vorbei dem Rabenſtein, 
Gebente meiner Lieb’ und Qual, 
Tier, 


Der Miffethäter. 
Du weint, Herzallerliebfte, du? 
Ad, wen beweinft du von uns beiden? 
Du weinft mir heiße Thränen zu, 
Und mahnft mid an das letzte Scheiben; 
Noch bift du mein, noch bin ich beim, 
Und foll es denn. geflorben fein? 


Die Siebe. 
Und wär’ ed denn, und wär’ ed wahr, 
Und wärft du fo verrudt geweſen? 


» 


86 


- Dein Mund, wie füß, dein Aug’ wie Klar, 
Und ad, wie ſchoͤn iſt al dein Wefen! 
Du bift mein Herz, des Herzens Wahl, 
So lebe wohl zu tauſendmal! 


Der Miffethäter. 
O laß uns nicht mehr denken hier, 
Mas id an dir, an mir gefünbigt; 
Dieß eine nur, verfprid es mir, 
Daß no ein Seufzer dich verfündigt, 
Gehft du bei ftiller Nacht allein, 
Gehſt du vorbei dem Rabenftein. 


Die Sichbfe. 

Ich ſchwoͤr' es dir, bein liebes Blut 
Will ih von Kalter Mauer küſſen, 
Do, faßt ti fehon des Henfers Wut, 
Wirſt du den Hals entblößen müffen, 
Und blickſt noch um did her einmal: 
Gedenke meiner Lieb’ und Dual! 


1820. 


| 


Ich ruht’ von meinem Grame 
Gewiegt in ftillen Traum, 
Es floß der theure Name 
Mir über die Lippen faum. 





87 


Da hört! ich Töne fhallen, 
Die faßten mich fo fehr, 
Neu fühlt ich in mir wallen 
Und wogen ein Liebesmeer. 


Warum fo qualerregend 
Durdhzittert ihr mein Ohr, 

Und dringt zur weichften Gegend 
In meinem Herzen vor? 


Küffe und Jahrszeiten. 
1820. 
. 

Wie leb’ ich dieſen Lenz hindurch 
So koͤſtlich, o Conſtaͤnzchen! 
Bald freu' ich mich in Wald und Thal 
Auf Pflanzen und auf Pflaͤnzchen, 
Bald fitz' ich gern und plaudere 
In trauter Freunde Kraͤnzchen, 
Bald trilfe ich mir Homers Geſang, 
Und Taſſo's feine Stänzchen, 
Bald dicht' ich, faßt Begeiſterung 
Mich ſelbſt, wohl ſelbſt Romaͤnzchen, 
Nur eines fehlt zum Himmel mir: 
Zu küſſen dich, Conſtaͤnzchen! 


EN 





88 


II. 
Laß uns ſchattig ruhen 
Auf den Raſenpfühlen, 
Denn ich Armer leide 
Gar zu ſehr im Schwülen, 
Feſt am Gaumen kann ich 
Meine Zunge fühlen. 
„Geh den Hügel abwärts; 
Dort hinab die Mühlen 
Seh’ ich einen Bad ſich 
Durch die Welver wählen, 
Swifhen Blumen tanzen, 
Ueber Kiefel ſpülen.“ 
Ah, nicht Wafler will ich, 
Deine Küfie Fühlen. 
11. 
Es rafjelt über Flur und Berg 
Der Winde rauhes Tofen - 
Man flieht den Wald entblättern fi 
Und flärfer übermoofen: 
Du fühlt ja wohl, der Herbft ifb da, 
Und noch begehrft du Roſen? 
Kaum blühn noch auf den. Wiefen hier 
Die rötlichen Zeitlofen: 
Doc wollteft du ein wenig mid), 
Nur wenig mich Tiebkofen, 
Bald würbeft du erfahren, Kind, 
Das Küffe find wie Rofen. 


89 


IV. 
Welch ein Schneegeſtoͤber 
Mas für Dichte Flocken! 
Zapfen flieht man eifig 
An den Dachern ſtocken, 
Helles Wafler träufelt ' 
Mir von Hut und Roden, 
Aber da die füßen, 
Guten Bespergloden 
Mich zum Kuß der Liebe 
Wunderlieblich Ioden, 
Bleibe felbft nit einmal 
Unfre Lippe trocken! 


— nn —— 


Mut und Unmut. 
1820. 
J. 
Soll ich ewig plagen mich und placken? 
Näht mir endlich meinen Leichenladen! 


Wer nit kriechen win und hündifch wedeln, 
Bette früh ſich bei den Totenfchädeln. 


A und D von diefes Lebens Pfalter, 
Trübe Jugend find’s, und trübes Alter. 


Solchen Tanz, ic) daur’ ihn nimmermehr aus, 
Fiedler Top, o fpiel’ uns doch den Kehraus! 


N 





90 


II. 
Daß ich wahr und würdig, 
Daß ih euch beſchriebe, 
Diefes liebe Leben, 
Das ich leb' in Liebe! 
Hat nicht Frühlingsodem 
Alle Welt durchdrungen? 


Sollen Dichter Flagen, 
Die für ewig jungen? 


Hat nit felbft den Unftern 
Eine Hand von oben 

In den Menfchenhimmel 
Gütig eingewoben? 





— 


1820. 
Menn ih in Labyrinthe 
Des Sinnens mid) verlor, 
Dringt plöglih oft ein Seufzer 
Aus voller Bruft hervor. 


Denn was ich auch betrieben 
Bedünkt mich hohler Schein, 
Uns glücklich macht nur lieben, 
Ah, und geliebt zu fein! 


— 





91 


1820. 
Wie rafft ih mich auf in der Nacht, in der Nacht, 
Und fühlte mich fürber gezogen, 
Die Gaſſen verließ ih, vom Wächter bewacht, 
Durchwandelte ſacht 
In der Nacht, in der Nacht, 
Das Thor mit dem gothiſchen Bogen 


Der Mühlbach rauſchte durch felfigen Schacht, 
Ih lehnte mi über die Brücke, 

Tief unter mir nahm ich der Wogen in Adht, 
Die wallten fo fat 

In der Nacht, in der Nacht, 
Doch wallte nicht eine zurüde. 


Es drehte fih oben, unzählig entfacht, 
Melodifcher Wandel der Sterne, 

Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, 
Sie funkelten fadht 

Sn der Nacht, in der Naht, 

Durch täufchend entlegene Ferne. 


Ich blidte hinauf in der Nacht, in der Nacht, 
Ich blickte hinunter aufs Neue: 

O wehe, wie haft du die Tage verbracht, 
Nun ftille du ſacht 

In der Nat, in der. Naht, 

Im pochenden Herzen die Reue! 


N 


— 





92 


1820. 
Bertheile dich, du ſchwarz Gewitter, 
Das mir im Herzen ftürmt und flanımt, 
Beruhigt mi, Gefang und Zither, 
Berubigen ift euer Amt. 


Erhebt mich bis zum Weltgefchide, 

Und der es Ienft durh Wohl und Web, 
Daß ich mit unbewölttem Blicke 

Auf Erdenfämpfe niederſeh'. 


Und fiehe, du entweichſt, o trüber, 
O mißbehaglich blinder Groll; 
Die Augen gehen fanft mir über, 
Mein Herz ift wieder liebevoll. 


1820. 


Schon Vielen hat es innig ſich verkündet, 
Daß jene Sehnſucht, die den Buſen peinigt, 


Hienieden ſich kein feſtes Schickſal gruͤndet, 


Und nie ſich dem, was ſie geſucht, vereinigt. 


Zwar athmet taͤuſchend oft ein friſches Leben 
Aus manchem Bild uns an, aus manchem Zuge, 
Mit Hoffnungen die Seele zu durchweben, 

Doch ſtehe, wir erwachen vom Betruge! 


93 


Und Seder, welchem Har fi dieß entfchieben, 
Mil von fih werfen jegliche Befchwerbe, 
Und lange fehnte Keiner fi nach Frieden: 
Denn wer verweste nicht in. ſchwarzer Erde? 


om m u 


1820. 
Was ruhſt du hier am Blütenfaum 
Der fommerliden Sprudelquelle, 
Und fiehft entftehn und flehft vergehn den Schaum? 
So ruh'n wir Menſchen anf des Lebens Schwelle, 
Und was wir hoffen, was wir fuchen ftets, 
Ein leihter Hauch gebierts, ein leichter Hauch verwehts. 


Es übt fi mehr und mehr das Herz, 

und ftählt fih, daß von Tag zu Tage 

Mit größerm Mut e8 immer neuen Schmerz, 

Und immer neuen Kummer trage: 

Erringen quält, Errungnem droht DVerluft, 

Und ew’ge Sehnſucht hebt die bange Jünglingsbruſt. 


Drum preif’ ich den, der nicht begert! 

Mas wäre hier im leichten Staube 

Des Suchens oder Findens wert? 

Nach hoͤh'rem Ziel verweist der höh're Glaube; 
Hier ift es nicht, wo jedes Ding verlebt, 
Jenſeits des Lebens ward dein Ziel hinausgefeht! 





A 


Sm Geifte firebe zu entfliehn 

Den Schranken diefer Menfheninnung, 

Und laß am Bufen dir vorüberziehn 

Die Stimmungen der wechſelnden Gefinnung; 

Dann trübt der Klarheit innern Spiegel nie, 

Durch Lieb’ und Sorg' und Haß, die rege Phantafle. 


Laß Andre denn mit ird'ſchem Blid 

Nah ihren bunten Zweden haſchen, 

Sobald Geſchick fie oder Mißgeſchick 

Im fleten Wandel ſpielend überrafchen: 
Gefhäftig And le, doch ihr Thun ift leer, 

Und fchnellgerftörend folgt das Schidfal hinterher. 


1821. 


Bergebt, daß alle meine Lieber Tagen, 

Und manche Thräne diefen Blick umflort, 
Auch ih, o glaubt mir! habe viel ertragen, 
Das Schwert der Schmerzen hat auch mich burdhbort.- 


Ihr koͤnnt mich nur nad) leichten Worten meſſen, 
Sn diefen Bufen konntet ihr nicht feh'n: 

Ach, jeder Scherz ift nur ein Selbfivergefien, 
Und jedes Lächeln fommt mid body zu flehn. 


— — — — — — 


95 


Wiuterlied. 
1821. 


Geduld, du Fleine Knospe 
Sm lieben ftillen Wald, 
Es ift noch viel zu froftig, 
Es ift noch viel zu bald. 


Noch geh’ ich dich vorüber, 
Doch mer? ih mir den Platz, 
Und kommt heran ber Frühling, 
So hol’ ih dich, mein Schatz. 


-  Biflon 
1821. 

Am Felfenvorgebirge ſchroff, 
Das von des Meeres Wellen troff, 
Die ſchäumend es umrangen, 
Da fand ih, ein verlaßner Mann, 
Und mande warme Thräne rann 
Mir über bleihe Wangen. _ 


Dody rings umher war Scherz und Spiel, 
Sie fangen, fihoflen nach dem Biel, 

Und tanzten in die Runde: 

Es ſchenkten manchen Becher Wein 

Die Maͤdchen ihren Buhlen ein 
Sn diefer frohen Stunde. 


96 


Und als ih ſchaute rings umher, 
Ward mir das Herz im Bufen ſchwer; 
Denn ah, mid; kannte Keiner! 

Mid fragte Keiner liebentglüht: 

Was ift die Wange bir verbfüht? 
Mas fehlt dir, ſtiller Weiner? 


Der Abend nahte bunfelgrau, 

Die Blumen füllten fih mit Thau, 
Der Himmel mit Geftirnen; 

Do immer Hüpften ihren Tanz 
Im Abendrot, im Sternenglanz 
Die Knaben und die Dirnen. 


Und weil id fand am jähen Rand, 
Stieß mich hinab die Felfenwand 
Der Menge bunt Gewimmel: 

Da haften mich die Wolfen auf, 
Und trugen mi hinauf, hinauf, 
Sn ihren fhönen Himmel. 


1821. 


Der Aſche wilft du Glut entloden, 
Wenn ich dein Herz nicht mißverfich? 
3b bin wie Schnee der Minterfloden, 
Du bift des Frübings Blütenfchnee. 


97 


Mit jebem jungen Tag von vornen 
Beginnt dir Glück umd Liebe neu, 

Ich trage noch an alten Dornen, - 
Die Rofe war mir minder treu. 


Vergebens forſch' ich nun im Herzen 
Nach jener Shut und jener Qual!“ 
Weh mir! Ich konnte dich verfehmerzen, 
Und nenne dDih zum letztenmal. 


— — — — — — 


1821. 
Es macht mir alles Schmerz und Bein, 
Ich möchte tief in’s Land hinein, 


Meber Berg und Thal, über Steg und Fluß, 


Zu vergeffen, was ich vergeflen muß. 


1821. 

Wie flürzte fonft mich in fo viel Gefahr 

Ein frausgelodtes Haar, 

Und eines Feuerauges dunfler Blitz, 

Und ad, zum Lächeln ſtets bereit, 

Der Rede holder Sik, 

Ein füßer Mund vol fehöner Sinnlichkeit! 

Da wähnt’ ich. no, ala wäre der Befitz 

Das einz'ge Gut auf diefem ——— 

Und nach ihm rang 

Mein junger Sinn und mein - bethoͤter Rip. 
PBlaten, ſammtl. Werke L J. 7 


988 
Da ſah ich bald im Wandel der Geſtalt 
Vor mir die Jugend alt, 
Und jede fhöngefhwungne Form verſchwand; 
Und ad, wonach ich griff-in Haft, 
Entfloh dem Unverftand, 
Und nie Befefi'nes wurde mir zur Laſt: 
Bis ich zulebt, nicht ohne Schmerz, empfand 
Daß alles Schöne, was der Welt gehört, 


Sitgh ſelbſt zerſtoͤrt, 


Und nicht ertraͤgt die rohe Menſchenhand. 


So ward ich ruhiger und kalt zuletzt, 

und gerne moͤcht' ich jetzt 

Die Welt, wie außer ihr, von ferne ſchau'n: 
Erlitten hat das bange Herz 

Begier und Furcht und Grau'n, 

Erlitten hat es ſeinen Theil von Schmerz, 
Und in das Leben ſetzt es kein Vertrau'n; 
Ihm werde die gewaltige Natur 

Zum Mittel nur, 


Aus — Kraft ſich eine Welt zu han. 


nn en nn 


41821. 

Denen, die da werden leben 
Sei dein Sein bahingegeben; 
Laß der Gegenwart Erfcheinung 
Ruhig dir vorübergaufeln, 


99 


Laß den Wechſelwind der Meinung 
Nie dich hin und wieder fchaufeln; 
Nichts war je fo hoch. erhaben, 
Tadel hat es untergraben, 

Nichts fo völlig ungegründet, 

Dem fih nit ein Freund verbünbet. 
Der Partheien Kampf, der dreifte 
Wil dich überall verwirren, 

Aber du, laß dich nicht irren: - 
Folge deinem guten Geiſte! 


nn 


1821. 


Lorber ward dem lyr'ſchen Ruhme 
Dargebracht auf Hellas Flur, 

Um die künſtlich goldne Blume 
Rang und ſang der Troubadour, 
Mich belohne 

Weder Krone, 

Noch metall'ne Hyacinthe, 

Mich der Freund, der treugeſinnte, 
Mit beſtaͤnd'ger Liehe nur! 





| 100 
An eine Geisblattrauke. 
489, | 
Zwifchen Fichtenwäldern in ber Dede 
Find’ ich, theure Blüte, dich fo fpat? 


Rauhe Lüfte hHauchen fehnöde, 
Da ſich eilig ſchon der Winter naht. 


Dit auf Bergen lagen Nebelſtreifen, 
Hinter denen längft die Sonne fchlief, 
Ale noch über's Feld zu ſchweifen 
Mich ein inniges Verlangen rief. 


Da verriet dich dein Geruch dem Wanbrer, _ 
Deine Weiße, die dich blendend fhmüdt: 
Wohl mir, daß vor mir fein Anbrer 
Dich geſehn und dich mir weggepflüdt! 


- Wollteft du mit deinem Dufte warten, 
Bis ih Fäm’ an diefen flillen Ort? 
‚ Blühte ohne Beet und Garten 
Hier im Wald bis in den Winter fort? 


Wert ift wohl die fpat gefundne Blume, 

Daß ein Jüngling in fein Lied fie mifcht, 
Sie vergleichend einem Ruhme, 

Der noch wählt, da ſchon fo viel erlifcht. 


— — — — un 


191 


Nefignation. 
1822. 
Du haſt genug dich ſelbſt bekriegt, 
Es unterliegt der Schmerz, 
Sei ruhig, haſt du nicht gefiegt? 
Entſagen ſchwellt das Herz. 


Vollend' in dir den harten Streit, 
Kein Seufzer werde wach! 

Das Glück, es liegt ſo weit, ſo weit, 
O haſche nicht darnach! 


Fühlt auch das Herz ſich im Verluſt 
Geſpalien und getheilt, 

Gieb willig was du geben mußt, 
Und jede Wunde heilt. 


— — — — — 


Reichtfinn. 
1822. 
Wer wollte fich beklagen, 
Da ſtets uns überfällt 
Ein innigftes Behagen 
Am Eitelften ber Welt? 


Wie Manches if vergangen! 
Mie Manches wird vergehn! 
Wir wiffen’s, wir verlangen 
Kein ewiges Beſtehn. 





108 ü 


Zwar nur ein Luͤckenbüßer 
SH irdiſcher Genuß, 

Do mundet um fo ſüßer, 
Je flüͤchtiger ein Kuß. 


— — — —— 


Aufſchub der Trauer. 
1822. 


Wie dich die warme Luft umfherzt, 
Das ſchatt'ge Grün, o wie dich's Tühlt! 
Wie leicht iſt al das Weh verfchmerzt, 
Das in der Seele wühlt! 


Des Liebchens Bildniß zeige ſich 
An jedem Quell, an dem du ſtehſt, 
Ein ſanftes Lied beruh'ge bi, 
Wenn durch den Wald du gehſt. 


Drum warte, bis der Winter naht, 

Bis alles ſtarr und oͤde liegt, 

Und Reif und Schnee auf Flur und Saat 
Dich melancholiſch wiegt- 


— — — — — 


103 


Nomanze. 
1820. 


Wohl auf, wohl ab den Nedar, 
Wohl auf, wohl ab” den Rhein 
Ziehn Schiffe Hin und wieber, 
Und Schiffer muß ich fein. 


Bon neuen lodt, mid immer 
Die gold'ne, grüne Bahn, 
Und jeden Sonntag land’ ich 
Bei meiner Liebſten an. 


Mein neues Wamms ergreif’ ich, 
Sie fagt, es ſteht mir gut, 

Und eine Pfauenfeber, 

Die fe’ ih auf den Hut. 


Zum Tanze führ’ ich's Liebchen, 
Ein blinder Rnabe geigt, 
Gefprungen wird, gefhwungen 
Bis naͤchtlich alles ſchweigt. 


Am Montag fahr’ ich weiter, 

Und lade neues But, 

Die Nuderknechte pfeifen, 

Doch mir iſt fhlimm zu Mut. 
Vom Liebchen geht's, wie langſam! 
Die Pferde zieh'n, wie matt! 

Und ſoll ich viel ſtromaufwaͤrts, 
Das Schiffen werd' ich ſatt. 








104 


Neujuhrobied. 
ı 1822. - 

Sheimt uns nit Die Welt, die runde, 
Liebesſchwanger allzumal? i 
Jeden Tag und jene Stunde 
Schmerzen, Freubden ohne Zahl! 
Und wir wandeln durch die Tage, 
Trauend unferm ‚guten Stern, 
Welche Wonne! welche Plage! 
Und wir tragen fie fo gern! 


Friſch und jung und ımbefonnen, 
Winkt uns manches hier und dort, 
Was vereitelt, was gewonnen 
Miegt ſich auf und reißt fich fort. 
Und im Stillen wirb genofien 
Jedes Glück und jede Luft; 

Und im Kummer unverdroffen 
Wachſen Lieder in der Bruſt. 


Da der Welt wir angehören, 

Fügt fie gern ſich unſerm Plan: 
Mer vermag und noch zu Rören? 
Mas noch fiht uns weiter an? 
Allem find wir gleich ergeben, 
Allen find wir gleich bereit, 

Und wir fpielen mit dem Leben,.. ' 
Und wir buhlen mit der Zeit. 


10% 


1823, 
Sollen namenlos uns länger 
Tag’ um Tage fo verftreichen? 
Kommt, verliebte Müffigganger., 
Trinfer, kommt, die Stunden f&hleichen: 
Eammelt rings euch um den Sänger, 
Daß er fei bei feines Gleichen! 


Das Bernünft'ge hoch verehren, 
Taugte jedem, der's verflünbe; 
Doch zu ſchwer find ihre Kehren, 
Zu verborgen ihre Gründe: 

Sie, die von der Tugend zehren, 
Ließen übrig uns die Sünde. 


Mas wir fühlen, was wir benfen, 
Halten drum wir im Geheimen, 
Denn wer möcht’ ein Korn verfenten, 
Wenn's noch nicht vermag zu feimen? 
Laßt indeß uns in den Schenken 
Lieblihe Gedichte reimen! 


— — ng — — 


1823. 
Gern gehorcht des Herzens Trichen 
Wer ein heitres Leben lebet: 
Manches iſt ihm ausgeblieben, 
Doch er Hoffet, doch er firebet, 
Doch er hört nicht auf zu lieben. 





106 


Denn fein Schiffer foll verzagen, 

Hat ihn auch die Flut betrogen: 

Was er will, das muß er wagen, 
Und er gönnt fein Schiff ten Wogen, 
Und er weiß, fie werben tragen. 


Mas am höchften oft erhoben, 
Lot am kühnften die Berwegnen, 
Die fi das Berfagte loben, 

And fie müffen ihm begegnen, 
Und fie müflen es erproben! 


Wenn ihr fuchet ohne Wanken 
Was das Leben kann erfrifchen, 
Bleiben jung euch die Gedanken; 
Weil fie ewig jung nur zwifchen 
Hoffen und Erfüllen fhwanten. 


Mögt ihr diefen Sinn bewahren, 
Die ihr ſtille Wünfche traget, 
Trotz Beſchwerden, troß Gefahren: 
Wenn das Leben was verfaget, 
Müpt ihr’s früh genug erfahren! 


Was uns Der und Jener zeiget, 

Laßt uns dem das Ohr verſtopfen, 
Bis das Herz im Bufen fchweiget; 
Denn beginnt das Herz zu Flopfen, 
Weiß es wohl, wohin fih’s neiget- 





— — — 








107 , 


1822. 


Den Körper, ben zu bilden 

Natur hat aufgewenbet all ihr Lieben, 

Den ihre Hand mit milden 

Begränzungen umfchrieben, 

Den aus dem reinflen Golde fie getrieben: - 


D wolf ihn rein bewahren, 

Und laß di nicht zum eitlen Spiel verloden, 

Zum Spiele voll Gefahren, i 
Und weiche weg erfchroden, 

Wenn eine Hand fid naht den goldnen Locken! 

Wiewohl dein ganzes Weſen 

Aus leicht entzündbarn Stoffen ſcheint zu ſtammen, 

Zur Liebe ſcheint erleſen, 

Laß doch dich nicht entfſlammen, 

Sonſt ſchlaͤgt die Glut dir überm Haubt zuſammen! 


1822. 


Trinke nur nicht tropfenweiſe! 
Freund, das iſt ein karger Schmaus! 
Statt zu ſchlürfen leiſe, leiſe, 
Stürze du den Becher aus! 








u 


- 


108 


Kur Fein feig Kapituliren, 

Ob es ſchadet, ob es frommt; 

Was Du wieder mußt verlieren, 
O genieß es, wann es fommt. 


— D — — - — 


1822. 
Mit den leiſeſten Geberden, 1 
Mit den Blicken felbft zu geizen, 
Ringsun Alles anzuhören, 
Ohne felbft gereizt zu werben; 


Nie ih völlig hinzugeben 
Seinem Lieben, feinem Haffen, 
Nur die Welt fo gehn zu laifen, 
Und in ew’ger Ruh zu leben; 


Diefes Aufſichſelbſtbeharren, 
Sproͤd' nur iſt's, und bünft dir meife! 

Sei's denn, doch wir bitten Ieife: 
Mad’ uns Andre nicht zu Narren! 


1822. 
Ich möchte gern mich fret beivahren, 
Berbergen vor ber ganzen Welt, 
Auf fillen Flüffen möcht’ ich fahren, 
Bedeckt vom fihatt'gen Wolkenzelt. 


’ 


109 


Bon Sommernögeln übergaufelt, 
Der ird'ſchen Schwere mich entziehn, 
Vom reinen Element gefihaufelt, 
Die ſchuldbefleckten Menfchen flichn. 


Nur felten an das Ufer flreifen, 
Doch nie entfleigen meinem Kahn, 
Nach einer Rofenknospe greifen, 
Und wieder ziehn bie feuchte Bahn. 


Bon. ferne fehn, wie Heerden weiben, 
Wie Blumen wachſen immer neu, 

Die Winzerinnen Trauben fehneiben, 
Wie Schnitter mähn das duft’ge Heu. 


Und nichts genießen, als bie Helle 
Des Lichts, das ewig lauter bleibt, 
Und einen Trunk der frifchen Welle, 
Der nie das Blut gefchwinder treibt. 


— —— nn 


Antwort, 


Was ſoll dieß kindiſche Verzagen, 
Dieß eitle Wünſchen ohne Halt? | 
Da du ber Welt nicht kannſt entfagen, | 
-&robre dir fie mit Gewalt! i 


\ 





‚108 


Nur fein feig Kapituliren, 

Ob es ſchadet, ob e8 frommt; 

Was Du wieder mußt verlieren, 
O genieß es, wann es kommt. 


— — — — — 


1822. 
Mit den leiſeſten Geberden, 
Mit den Blicken ſelbſt zu geizen, 
Ringsum Alles anzuhoͤren, 
Ohne ſelbſt gereizt zu werden; 


Nie ſich völlig hinzugeben 
Seinem Lieben, ſeinem Haſſen, 
Nur die Welt ſo gehn zu laſſen, 
Und in ew'ger Ruh zu leben; 


Dieſes Aufſichſelbſtbeharren, 
Sproͤd' nur iſt's, und dünkt dir weiſe! 

Sei's denn, doch wir bitten leiſe: | 
Mad’ und Andre nicht zu Narren! 


1822, 
Ih möchte gern mich fret bewahren, 
Berbergen vor ber ganzen Welt, 
Auf ſtillen Flüffen möcht ich fahren, 
Bebedt vom ſchatt'gen Woltenzelt. 


109 


Bon Sommervögeln übergaufelt, 
Der ird'ſchen Schwere mic) entziehn, 
Bom reinen Element. gefhaufelt, 
Die ſchuldbefleckten Menſchen fliehn. 


Nur ſelten an das Ufer ſtreifen, 
Doch nie entſteigen meinem Kahn, 
Nah einer Roſenknospe greifen, 
Und wieder ziehn bie feuchte Bahn. 


Bon. ferne fehn, wie Heerben meiden, 
Wie Blumen wachfen immer neu, 

Die Winzerinnen Trauben ſchneiden, 
Wie Schnitter mähn das duft’ge Heu. 


Und nichts genießen, als die Helle 
Des Lichts, das ewig fanter bleibt, 
Und einen Trunk der frifhen Welle, 
Der nie das Blut gefehwinder treibt. 


Antwort, 


Was fol dieß kindiſche Verzagen, 
Die eitle Wünfchen ohne Halt? 

Da du der Welt nicht kannſt entfagen, 
Crobre dir fie mit Gewalt! 


\ 


110. 


Und könnteft du Dich auch entfernen, 

Es triebe Sehnſucht dich zurück; 

Denn ah, die Menfchen lieben lernen, 
Es iſt das einz'ge wahre Süd! 


Unwiderruflich dorrt die Blüte, 
unwiderruflich waͤchſt das Kind, 
Abgründe liegen im Gemüte, 
Die tiefer als die Hölle find. 


Du fiehft fie, doch du fliehft vorüber, 

Im glüdlichen, im ernften Lauf, 

Dem frohen Tage folgt ein trüber, 

Doch alles wiegt zulegt fih auf. 

Und wie der Mond im leichten Schweben, 
Bald rein und bald in Wolfen fteht, 

So ſchwinde wechfelnd dir das Leben, 
Dis es in Wellen untergeht. 


1822. 
Du denkt die Freude feſt zu halten, 
Du bift nur um fo mehr geplagt: 
D laß die Tage mit bir fchalten 
Und thun, was ihnen wohlbehagt! 
Soll dir das Leben ſtets gefallen, 
Das nie auf Dauer fidh verfland, 
So laß das Schönfte wieder fallen, 
Und ſchließe nicht zu feſt die Hand! 


111 


Bermöcht' ich doch gelind zu träufeh 

Sn deine Bruft, wenn Schmerz und Wut 
Sie oft vergeblich überhäufen, 

Nur wen’ge Tropfen leichtes Blut! 

O ſuche ruhig zu verfehlafen 

In jeder. Nacht des Tages Bein; 

Denn wer vermöchte Bott zu firafen, 
Der une verbammie Menſch zu fein! 


nn — — — 


Tot eapita tot sensus. 
1822. 


Stets trotzen wird ein Stein der Flut, 
Ein Baum im Wind wird ewig raufdhen: 
So folg’ auch du dem eignen Mut,. 

Mit feinem Andern kannſt du taufchen. 


Was ftets ſich fremd, was nie fih gleich, 
Wie follte dem der Gleiche gelten? 

Darfſt du den zarten Bufen wei, 

Darf du den Karten graufam fchelten? 


Geſetze ſprechen über dich, > 

: Do läßt Natur fie bald vergeflen, 
Trägt -Ieber nicht fein Maß in fi, 
And dürft ihr ihm mit euerm meſſen? 


112 


Was innerlich du bift und Haft, 
Nach außen wird ſich's frei bewegen, 
Kein Zaudern hilft und Feine Haft, 


Du gehft die ewig felbft entgegen. 


Hu die Moraliften. 
j 1822. 
Das Hab’ ich ja ſchon dort und hier 
Schon taufendmal gefagt, 
Daß unter euerm Zepter mir 
Kein Augenblick behagt. 


Sich felbft beſchränkt ein edler Mut, 
Und; feiner felbft gewiß, 

Schlägt er Rh frei dur Bos und But, 
Durch Licht und Finftermiß. 

Doch immer mehr in dumpfer Haft 
Schleppt Ketten ihr herzu; 

Ich fchüttle weg die ganze Laſt, 

Und werd’ ein Menſch im Nu! 


— — —— — — 


1822. 


Ich gab mich ſtets mit ganzer Seele hin 
- Dem Wehchſel, welchen die Natur beſiehlt, 

Die bald auf eiſ'gem Thron als Königin, 

Und bald als Braut auf ofen ſidt und ſpielt; 


113 ° 


Der ſtets im Lenz ich alle Düfte tranf, 
Im Busch zur Sommerzeit verfchlief den Tag, 
Des Herbfies reinen Himmel pries mit Danf, 
Und in der Winternaht Gefpräde pflag. 


Im Herzen wechfelt mir ein gleicher Drang, 
Ein ew'ger Taufe von Schmerzgefühl und Glück, 
Bald fchmilzt in weiche Liebe mein Gefang, 
Bald ſtoß ich falt von mir die Welt zurüd. 


Mas unerreichbar feheint, bebünkt fo ſchwer, 
Und was erreicht ift, fliegt dahin im Nu: 

Es lockt mich ſtets, ich weiß nicht recht, wohin? 
Es treibt mich flets, ich weiß nicht recht, wozu? 


1822. 
Wir haben Jahre zugebracdht, 
Im eignen Gram uns zu verfenfen; , 
“ Nun Bat fih erſt per Wunſch entfacht, 
Mit Harem Geiſte das zu denfen, 
Was dunkel nur die Zeit gedacht. 


Und mehr und mehr, und fort und fort 

Ermeitert fi) der Kreis der Lieber, 

Den Himmel flürmt ein heitres Wort, 

Zur Erde zwingt es ihn hernieber, 

Und macht zum Hier das fhöne Dort. 
Blaten, ſammtl. Werke. 1. 5 8 


N 


11a 


N 


Es ſtürzt ſich frei von fleiler Wand 
Ein Steom von wirbelnden Gefangen, 
Er müht fi, was die Welt empfand- 
Ins enge Bett des Lieds zu drangen, 
Und dann zu ziehn von Land zu Land. . 


— 


1822. 
Weil ſich kein Liebchen mir ergiebt, 
So bin ich leider nicht verliebt, 
Da ſchleicht mir denn der Tag ſo ſchwer, 
Da kommt die Nacht umſonſt daher. 


Zwar harr' ich ſtets auf Mancherlei, 
Doch alles geht an mir vorbei; 

Dieß Faſten find' ich nicht bequem, 
Doch friſt' ich mich mit dem und dem. 


Vor Allem hat mich ſtets erbaut, 

Zu fitzen in der Schenke traut; 

Da denk' ich, was ich ſonſt erreicht, 
Und was nun wieder kommt — vielleicht 


Dabei vergeß ich ganz und gar, 
Man altre leider Jahr um Jahr, 
Und werde dann doch auch zuletzt 
Zum andern Moder beigeſetzt. 


— 115 


1622. 
Bor Allem, was da leibt und lebt; 
Iſt nichts, wovor mein Sinn erbebt, 
An allen Lebensiagen; 
Und was den Mut zumeift beſchraͤnkt, 
Und was das Herz am tiefften fränft, 


Ich weiß, man kann's ertragen! 


Das Schönfte flets vor fih zu fehn, 
Und ſtets umfonft es anzuflehn, 
Verſchwenderiſch in Klagen, 

Es zu gewinnen eben dann, 

Wenn man verliert, was man gewann, 
Ich weiß, man kann's ertragen! 


Wie gab ich ſelbſt mir Rechenſchaft, 
Woher genommen ich die Kraft, 
Mir Alles zu verſagen? 

Genug, erfahren hab' ich's doch, 
Und jede Not und jedes Joch, 

Ich weiß, man kann's ertragen! 


— — — — 


1822. 
Sich von den Menſchen fern zu halten, 
Verarg' ich keinem Menſchenkind. 
Sie möchten uns die Seele ſpalten, 
So lieblos wie die meiften find. 





116 “ 
In wechfelnder Zerſtreuung friften 
Sie ih an tauſendfachem Tand, 


"Und fleinigen den als Egeiften, 


Der tiefre Luft und Dual empfand. 


Doch rechte Keiner mit. den Sternen, 
Wie viel aud) ftets ihm mißbehagt; 
Denn Jeder muß entfagen lernen, 
Bis er dem Leben felbft entfagt. 


1822. 


Da dein Herz beſchloß zu Hafen 
Ein dir ganz geneigtes Herz, 
Dil ih ganz mi überlaffen 
Diefer Liebe, diefem Schmerz !. 


Andern mochteſt du gewähren, 
Was gefuht ih ohne Frucht, 
Und es mifht in Liebeszähren 
Sid das Gift der Ciferſucht. 


Eher will ich ſtets dich miſſen, 
Als did ſehen, wo er ift, 
Der dich früher mir entriffen, 
Da du mein geweſen bifl. 





: 117 


Zwar ih könnte noch dich meiden, 
Da noch diefe Lieb’ im Keim, 
Doch ich fehne mich zu leiden 
Ganz für dich und ganz geheim. 


— er — 


Die beiden Noſen. 
1823. 
Die Sageroſe. 

Wie ich die buhleriſche Schweſter hoͤhne, 
Die hier ſich neben meiner Hecke brüftet! n 
- Sie dankt fich felbft dem Witz der Menfchenföhne, 
Indeß Natur allein mich ausgerüftet. 
Nun blüht fie voll und üppig zwar, bie fehöne, 
Do bald im Herbfte fteht fie da verwüſtet, 
@in leerer Stengel, und fie felbft verſchwunden, 
Wenn füße Frucht bei mir noch wird geftnden. 


Die gefüllte RKofe. 
Ich prang’ im Beet mit taufend goldnen Scheiben, 
"Was ſchiltſt du? Bleib' an deinem dorn'gen Yage! 
Mich, die die Erde läßt im Safte treiben, 
Mich, die der Wind umnedt mit leifer Klage, 
Die ih in Thau und Regen darf befleiben, 
Die ih ein Meer von Duft im Herzen trage, 
Mich höhnſt du, die fo viel vermag zu gelten, 
Und unnatürlih wagft du mich zu fchelten? 


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— ⸗ a 


118 : 


Die Hagerofe. 

BU um dich ber im Garten, im Gefilve! 
Es blüht der Pfirfichbaum, doch nicht vergebens, 
Die Rebe würzt mit Wohlgeruch, die milde, 
Doch fie verleiht auch ew'gen Trank bes Lebens; 
Das Thier der Blur, das zahme wie.das wilde, 
Erfreut fich feines flüchtigeh Beſtrebens: 
Erneutes Wefen quillt aus ihrem Triebe, 
Doch ohne füße Frucht ift deine Liebe. 


Die gefüllte Roſe. 
Mir gönnt Natur, auch nublos froh zu werben, 
Und um fo mehr beglüd' ih, die mich lieben. 
Malt nit ein Dichter Freuden und Beſchwerden, 
Die tod in flücht'gen Reimen find befchrieben? 
Wird nicht ein Bildner, menſchliche Geberden 
In harten Marmor hinzuthau'n, getrieben? 
Bewundrung muß ſich den Geſtalten beugen, 
Die, durch ſich ſelbſt vollendet, nichts erzeugen. 


Die Hageroſe. 
Du rühmſt mit Recht die Kunſt, o fhnöde Schweſter! 
Du rufſt ſie an, du haſt ihr viel zu danken; 
Sie fnüpfte dich an ihre Stäbe feſter, 
Du würdeſt ratlos fonft im Beete fhwanfen. 
Ih trag’ im Laube wilde Vogelnefter, 
Ich fchlag’ um öde Felſen meine Ranfen, 
Mer dort mich findet, wird ans Herz mich drüden, 
Du wirft im Garten wenig nur entzüden. 


’ 





119 


Die gefüllte Roſe. : 
Es pflegt Natur auch mic zu Luft und Leben, 
Sie hat mid hier ins fchöne Thal gepflanzet, 
Mit dichtern Blättern hat fie mid umgeben, 
Mit fchärfern Dornen hat fie mich umſchanzet, 
Mich wirt die Jugend um den Becher weben, 
Und um die Schläfe, wenn fie trinkt und tanzet: 
Mein Sein if kurz und thatenlos hienieden, 
a Freude wird zur Freude nur befchieben. 





Triften.. 
1825. 
Der die Schönheit angeſchaut mit Augen, 
SIR dem Tode ſchon anheimgegeben, 
Wird für Feinen Dienft der Erde tangen, 
Und doch wird er vor dem Tode beben, 
Der die Schönheit angefhaut mit Augen! 


Ewig währt für ihn der Schmerz ber Liebe, - ‘ 
Denn ein Thor nur kann auf Erden hoffen 

Zu genügen einem folchen Triebe; 

Wen der Pfeil des Schönen je getroffen, - 

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe! 


Ah, er möchte wie ein Duell verfiechen, 
Jedem Hauch der Luft ein Gift entſaugen, 





120 


Und den Tod aus jeder Blume riechen: 
Mer die Schönheit angefhaut mit Augen, 
AK, er moͤchte wie ein Quell verſiechen! 


/ 


—— — — — — 


1830. 


O ſchoͤne Zeit, in der der Menſch die Menſchen lieben Tann! _ 
Auf meinem Herzen liegt ein Fluch, auf meinem Geift ein Bann. 


Erft Titt ih manche Heiße Dual, nun find’ ich Lieb und Glück 
Doch fol ein ſchoͤnes Hochgefühl, ich geb’ es nicht zurüd! 
Boll Ruhe, doch wie freudenlos durchſchweif' ih Wer und Of: 
Auf namenlofe Gluten folgt ein namenlofer rofl. 

Und drückt ein Menſch mir liebevoll und leife nur die Hand, 
Empfind’ ich gleich geheimen Schmerz umd tiefen Widerſtand. 


Was ftellt fih mir mit ſolchem Glanz dein Holdes MWeſen dar, 
As wär ih no ſo warm, fo voll, wie meine Jugend war. 


— — — — — 


1834. 


Du denkſt an mich ſo ſelten, 
Ich denk' an dich ſo viel, 
Getrennt wie beide Welten 
Iſt unſer beider Biel. 





121 


Doch möcht’ ich beide Welten 
Durchzieh'n an deiner Hand, 
Bald ſchlummern unter Selten, 
Bald geh'n von Land zu Land. 


Und möchtet du vergelten 
Durd Liebe dieß Gedicht, 
So fließt un beide Welten ; 
Ein tofenfarbines Licht. 


Fraühlingslied. 

1835. 
Ermann', 0 Herz, dich und vergiß 
. Die beften deiner Triebe, 
Wenn auch der Bosheit Schlangenbiß 
Das noch gebliebne dir entriß, 
Das Iepte Glüͤck der Liebe! / 


Du bleibft dir felhft in jeder Bein, 

Ob alle dich verließen, 
Und Luft und Sonne bleiben dein: 

Mer ganz mit feinem Schmerz allein, 

Der lernt ven Schmerz genießen. 


Schon kommt der Frühling unverweilt, 
Und fliht der Herbft die Garben, 





122 
Sf laͤngſt dir jenes Bild enteilt: 


Sp viele Wunden find geheilt, 
Auch diefe wird vernarben. 


Berfehließe dich, du flolzes Herz, 
Mit allen deinen Leiden; 

Erfcheine Kalt und ſchroff wie Erz, 
Und treibe mit dem Leben Scherz, 
Und laͤchle beim Verſcheiden! 


1835. 


Süß ift der Schlaf am Morgen 
Nach durchgeweinter Nacht, 

Und alle meine Sorgen 

Hab’ ich zur Ruh gebradit. 


Mit feuchtem Augenliebe 
Begrüß' ih Hain und Flur: 
Im Herzen wohnt der Friebe, 
Der tieffte Friede nur. 


Schon lacht der Lenz den Bliden, 
Er mildert jedes Leid, 

Und feine Beildhen fliden 

Der Erde junges Kleid. 


123 


Schon hebt ſich hoch die Lerche, 
Die Staude fieht im Flor, 

Es zieh'n aus ihrem Pferche 
Die Heerben fanft hervor. 


Das Netz des Filchers hanget 
Im bellften Sonnenfchein, 
Und fein Gemüt verlanget 
Der Winde Spiel zu fein. 


Und weil am Felſenriffe 

Das Meer fich Teifer bricht, 

Wird rings der Bauch der Schiffe 
Zur neuen Fahrt verpicht. 


Den Uferdamm umflettern 
Eidechfen raſch bewegt, 
Und Nachtigallen fchmettern, 
Die jede Laube Hegt. 


Bezogen von den Stieren 

Wird fhon der blanke Pflug, 
Und Menfchen fcheint und Thieren 
Die Erde fchön genug. 


Nicht findet mehr der Waller 
Das Gottesbild zu weit, 

Es find die Seelen Aller 
Geſtimmt zur Frömmigkeit. 





124 


O mein Gemüt, erfreue 
An dieſem Glanz dich auch, 
Sei glücklich und erneue 
Der Lieder Floͤtenhauch. 


Auf daß die ſtumpfen Herzen 
Du doch zuletzt beſiegſt, 

Wenn frei von allen Schmerzen 
Tief unter'm Gras du liegſt. 


"Ha 68 Kuaoog n DOaoog n Havoouog. 
j Fragm. ver Sappho. 
1835 
Inbrünſtige fromme Gebete 
Dir, Kypria, ſend' ich empor, 
Indem ich die Küſten betrete, 
Die Haine dir eigen zuvor! 


Du lächelt noch immer dent Gruße 
Der Gläubigen, innig und mil: 

- Nie Eonnten die Gögen der Buße 
Verdrängen das göttliche Bild. 


Hier wird in den ſterblichen Adern 
Bon dir die Begier noch entfacht, 
No fichn die gewaltigen Quadern 
Der Tempel, Die Säulen der Pradt. 


123 
Sp glänzte die Sonye hernieder, 
Als einft dem Adon du erfhienft. 
Du Eommfl; es erneue ſich wieder 
Der fchöne lebendige Dienft! 


Dich feh’ ih, o Kypris, erfcheinen 
Im feitlihen Zuge der Luft: 
Die Götter der Liebe, die Heinen, 
Umflattern die wonnige Bruft. 


Dein Wagen, um welchen fie fofen, 
Rollt längs des entzückten Geſtabs, 
Mit Reben und üppigen Roſen 
Umflochten die Speichen bes Rads. 


Erregt an bes Lenzes Erwarmung, 
Indeß du die Welten umfliegft, 
Ruht alles in deiner Umarmung: ' 
D Heilige Liebe, du fiegſt! 


— — — — —— — 


J \ 


1835. 


Lieb’ und Lieblichfeit umfächeln 
Deine Stine voll Berfland: 
Ganz beziwingt mich biefes Lächeln, 
Diefe ſchoͤne weiche Hand! 

' ‘ 





— J 


124 
O mein Gemüt, erfreue 
An diefem Glanz dich auch, 


Sei glüdlih und erneue 
Der Lieder Floͤtenhauch. 


Auf daß die ſtumpfen Herzen 
Du doch zulegt beſiegſt, 

Wenn frei von allen Schmerzen 
Tief unterm Gras du Tiegf. | 


"AH 6e Kuaoog 7 Tupoc 7 Havopuos. 
: Fragm. ver Sappho. 
1835 
Snbdrünftige fromme Gebete 
Dir, Kypria, ſend' ich empor, 
* Indem ich die Küften betrete, 
Die Haine dir eigen zuvor! 


Du lächelt noch immer dem Gruße 
Der Gläubigen, innig und mild: 

- Nie Eonnten die Goͤtzen der Buße 
Perbrängen das göttliche Bild. 


Hier wird in den flerblichen Adern 
Bon dir die Begier no entfacht, 
Noch ſtehn die gewaltigen Quadern 
Der Tempel, die Säulen der Pradt. 


[4 


125 


] 
So glänzte die Sonne hernieder, 
Als einf dem Adon du erfhienft. 
Du kommſt; es erneue fih wieder 
Der Schöne lebendige Dienft! 


Di feh’ ih, o Kypris, erfcheinen 
Im fetlihen Zuge der Luft: 
Die Sötter der Liebe, die Fleinen, 
Umflattern die wonnige Brufl. 


Dein Wagen, um welchen fle Eofen, 
Rollt längs des entzücdten Geſtabs, 
Mit Neben und üppigen Rofen 
Umflodten die Speichen des Rabe. 


Erregt an bes Lenzes Erwarmung, 
Indeß du die Welten umfliegft, 
Ruht alles in deiner Umarmung: 
D Heilige Liebe, du fiegſt! 


— — — — — — 


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1835, 


Lieb’ und Lieblichfeit umfädheln 
Deine Stirne voll Berflanp: 
Ganz bezwingt mich biefes Lächeln, 
Diefe fhöne weiche Hand! 

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126 


Deine Hand in meine flehten 
Durft’ ih, was ich längft erbat: 
Stets gehört zu deinen Knechten, 
Mer an’d Herz gebrüdt fie hat! 


Schlag’, o Herz, entgegen zude 
Einer Hand fo voll und weich: 
Ah, in jenem Haͤndedrucke 

Lag ein ganzes Himmelreich! 


Ad, es thım fi immer wieder 
Meinem innern Nuge fund - 
Diefe Hände, diefe Glieder, 
Diefes Lächeln, diefer Mund! 


Ewig werd’ ich’ Dich vermiflen, 
Ewig fehlt du meinem Glück: 
Die du ganz an dich gerifien, 
Meine Seele gieb zurüd! 


= 





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Platen, fämmt!. Werke, J. 9 


Eolombo’8 Geiſt. 
1818. 


Durch die Fluten bahnte, durch die dunkeln, 
Sich das Schiff die feuchte Straße leicht: 

Stürme ruhn und alle Sterne funkeln 

Als den Wendepunkt die Nacht erreicht. 


Und der neuentthronte Kaifer ſtützte 
Seine Stirne mit der tapfern Hand, 
Eine Welle nad der andern fprüßte 
Um das Steuer des Nortbumberland. 


An die Schlachten denkt der Helb im Geiſte, 
Die er flug, an fein erprobtes Heer; 
Dog um ihn und feine Träume Freifle, 
Einer Rieſenſchlange gleich, das Meer. 


Den des Südens Steppen nicht hezwangen, 
Den der Froft des Nordens kaum beflegt, 
Fühlt ih nun im engen Raum gefangen, 
Auf dem Schaum fih Hin und her gewiegt. 





130 


Als er badernd ſolchem Truggefchide 
Gottes Rathſchluß fodert vor Gericht, 
Sieh, ta zeigt ſich feinem naflen Blide 
Eines Helden Schattenbild und fpricht: 


Klage nit, wenn auch die Seele duldet, 
Klage nicht, dir ift ein Troft bereit: 
Mas du leideft, litt ih unverfchuldet, 
Und Colombo nannte mid die Zeit. 


Ih zuerſt durchſchnitt die Waſſerwüſte, 
Ueber der bu deine Zähren weinſt, 
Der Atlantis frühverlorne Küfte, 
Diefer Fuß betrat zuerft fie einft. 


Nun erglänzt in heller Morgenftunden 
Auferftehung jenes theure Land, 

Das der Menfchheit ih zum Heil gefunden, 
Nicht zum Frohndienft einem Ferdinand! 


Du erlagit dem unbezwingbar'n Norden; 
Aber jene, die darob fi freu'n, 
Werden zitternd vor entmenfchten Horden 
Ihren blinden Jubel bald bereu’n! 


Aber kommt der große Tag der Schmerzen, 
Und es hemmt ja nichts der Zeiten Lauf, 
Ninm, Columbia, dann die freien Herzen, 
Nimm Europa's letzte Helden auf! 


131 


Mann dası große Henkerſchwert geichliffen, 

Meinen Kindern dam ein werter Gaft, 

Kommt die Freiheit auf befrängten Schiffen, 

Ihre Mütze pflanzt fie auf den Maft! 

Segle weitwärts, fonne dich am Lichte, 

Das umglänzt den flillen Ocean; 

Denn nad Weſten flieht die Weltgefchichte: 

Mie ein Herold fegelft du voran! n 


Sprach's das Schattenbild und fühlen vergangen, 
Wie ein Stern, der im Verlöſchen blinkt: 
Freude färbt des großen Würgers Wangen, 
Weil Europa Hinter ihm verfinft. 


— EEE EEE 


Der Pilgrim vor &t. Juſt. 
1819. 
Nacht iſt's und Stürme faufen für und für, 
Hifpanifhe Mönde, fchließt mir auf die Thür! 
Laßt hier mich ruh'n, bis Glockenton mid wedt, 
Der zum Gebet euch in die Kirche ſchreckt! 


Dereitet mir, was euer Haus vermag, 
Ein Ordensfleid und einen Sarkophag! 


Goͤnnt mir die Heine Zelle, weiht mic ein, 
Mehr als die Hälfte diefer Welt war mein. 





132 


Das Haubt, Tas nun der Scheere fih bequemt, 
Mit mancher Krone ward's bediademt. 

Die Schulter, die der Kutte nun ſich bückt, 
Hat kaiſerlicher Hermelin geſchmückt. 


Nun bin ich vor dem Tod den Toten gleich, 
Und fall' in Trümmer, wie das alte Reich. 


Das Grab im Bufento. 
1820. | 
Nächtlich am Bufento lifpeln, bei Eofenza dumpfe Lieber, 


Aus den Waflern fhallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es 
wieber! 


Und den Fluß hinauf, hinunter, ziehn die Schatten tapfer Bothen, 
Die den Alarich beweinen, ihres Volkes beiten Toten. 


Alzufrüh und fern der Heimat mußten hier fie ihn begraben, 
Während noch die Sugendloden feine Echulter blond umgaben. 


Und am Ufer des Bufento reihten fie fih um die Wette, 
Um die Strömung abzuleiten, gruben fie ein frifches Bette. 


In der mwogenleeren Höhlung wühlten fie empor die Erbe, 
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüftung, auf dem 


Dferde. 


Dedten dann mit Erbe wieder ihn und feine ftolge Habe, 
Dap die hohen Stromgewächfe wüchſen aus dem Heldengrabe. 


\ 133 


Abgelenft zum zweitenmale, warb der Fluß Herbeigezogen: 
. Mädtig in ihr altes Bette ſchäumten die Bufentowogen. 


Und es fang ein Chor von Männern: Schlaf in deinen Heldenehren! 
Keines Römers ſchnoͤde Habfucht fol dir je das Grab verfehren! 


Sangen’s, und die Lobgefänge tönten fort im Gothenheer 
Wälze fie, Bufentowelle, wälze fie von Meer zu Meere! 


— —— — — — 


Wittekind. 
1820. 


Da kaum die Hügel matt erhellte 
Der morgenrote, lichte Schein, 
Wer ſchleicht ſich in die Zelte 
Des Fraukenlagers ein? 
Mit Schritien leife, leife, 
Wie Späherfchritte find, 
Berfolgt er die geheime Reife? 
Das iſt ter Safe Wittefind. 


Schon foht er wider mut'ge Franken 
Dur lange Jahre blut'gen Streit, 
Und grollte fonder Wanken 

Dem Herrn der Ehriftenheit: 

Nun ſchlich er Fühn und fehnelle 
Zum Beinde ſich bei Nacht, 
Bertanfchend feine Helvenfelle 

Mit einer feigen Bettlertracht. 





134 | 


Da fühlt er ploͤtzlich ſich umrungen 
Bon Melodieen ſanft und weich, 
Geſungen wird, geklungen 

Wird um ihn her zugleich; 
Verwundert eilt er weiter, 
Durchziehl das rüfl'ge Heer, 

Da fieht er Beter flatt der Streiter, 
Das Kreuz als ihre ganze Wehr. 


4 


Weihnachten war herangefommıen, 
Der Heil’ge Morgen war entglüht, 
Und innig fhwoll’des frommen, 
Des großen Karle Gemüt: 

Zum hohen Tempelbaue 

Ließ wölben er fein Zelt, 

Daß er in Land der Heiden fchaue 
Die Glorie der Ehriftenwelt. 


Hoch über'm Altar prangt und raget 
Ein blauer, golddurchwirfter Thron, 
Drauf fißt die reine Maget, 

Und ihr im Schooß der Sohn. 

Hell fhimmert rings das fehöne, 
Das heilige Gerät, 

Und alle Farben, alle Töne 
Begrüßen fid) mit Mafeftät. 


Schon fniete brünftig, ſtillandaͤchtig 
Der Kaifer vor dem Hochaltar, - 


135 


Mit Grafenkronen prächtig 

Um ihn die Heldenfchaar: 

Schon fällt vom Spiel der Lichter 
Ein rofenfarbner Schein 

Auf ihre klaren Angeſichter, 

Da tritt der Heide keck hinein. 


Er flauut, als er die ftolgen Päre 
Mit Karl auf ihren Knien erkennt, 
Damit fie himmliſch nähre 

Das ew'ge Sacrament; 

Doch ftaunt er deß nicht minder, 
Da fi Fein Prieiter fand, 

Und fieh! es famen Engelfinder 
Im blütenweißen Lichtgewand. 


Sie boten zum Berföhnungsmahle 

Die Hoftie dem Kaifer bar, 

Die anf fmaragdner Schaale 

Sie trugen wunderbar: 

Und Jubel füllt die Seelen, 
Empfahend Brod und Wein, 

Es dringt ein Lied aus taufend Kehlen 
Dom göttlihen Zugegenfein. 


Der Sachſe flieht betäubt, er faltet 
Die Hände fromm, fein Aug' ift naß, 
Das hohe Wunder fpaltet 

Den heidnifh argen Haß. 





136 


Hin eilt er, wo der Haufe 

Mit frobem Blick ihn mißt: 

Gieb, Karl, dem Wittefind die Taufe, 
Daß er umarme di als Chrift! 


— — nn ·— nn 


Der Tod des Carus. 
1330. 
Mutig ſtand an Berfiens Graͤnzen Roms erprobtes Heer im Feld, 
Carus ſaß in ſeinem Zelte, der den Purpur trug, ein Held. 
Perfiens Abgeſandte beugten ſich vor Roms erneuter Macht, 
Flehn um Frieden an den Kaiſer; doch der Kaiſer wählt die 
Schlacht. 
Kampfbegierig find die Schaaren, die er fern und nah beſchied, 
Durch das Heer, aus tauſend Kehlen, ging das hohe Siegeslied: 
„Weh den Perſern, Römer kommen, Römer ziehn im Flug heran, 
Raͤchen ihren Imperator, rächen dich, Valerian! 


Durch Verrat und Mißgeſchick nur trugſt du ein barbariſch Jod: 
Aber, ftarbft du auch im Kerfer, beine Rächer leben nod! 


Wenn zu Pferd flieg Artarerres, ungezähmten Stolz im Blid, 
Septe feinen Fuß der König auf Valerians Genid. 


Ah, und Rom in feiner Schande, das vorbem die Welt gewann, 
Slehte zum Olymp um einen, flehte nur um Einen Mann. 


Aber Männer find erftanden, Männer führen uns zur Schlacht, 
Seipio, Marius und Pompejus find aus ihrem Grab erwacht! 


137 
Unfer Raifer Aurelianus hat die Gothen übermannt, 
Welche deinen Wundertenpel, Ephefus, zu Staub verbrannt. 


Unfer Kaiſer Aurelianus hat die flolze Frau beflegt, 
Welche nun im ftillen Tibur ihre Schmach in Träume wiegt. 


Probus führte feine Mauer durch des Nordens halbe Welt, 
Neun Germanenfürften fnieten vor dem römifchen Kaiferzelt. 


Carus, unfer Imperator, fühnt nun auch bie letzte Schmach, 
Geht mit Heldenfchritt voran uns, Heldenſchritte folgen nach.“ 


So der Weihgefang. Und fiche, plößfich ſteigt Gewoͤlk empor, 
Finfterniß bedeckt den Himmel, wie ein ſchwarzer Trauerflor. 


® Z 
Regen ſtürzt in wilden Güſſen, graufenhafter Donner brüllt, 
Keiner mehr erkennt den Andern, Alles ift in Nacht verhültt. 


Blöglih zudt ein Blitz vom Himmel. Viele flürzen bang herbei, 
Denn im Zelt des Imperators hört man einen lauten Schrei. 


Carus if erfhlagen! Jeder thut auf Kampf und Wehr Verzicht, 
Und es folgt des Heers Berzweiflung auf bie ſchoͤne Zuverfidt. 


Alle fliehn, das Lager feiert, wie ein unbewohntes Haus, 
Und der Schmerz der Legionen bricht in laute Klagen aus: 


Bötter haben uns gerichtet, Untergang ift unfer Theil; 
Denn des Bapitold Gebieter fandte feinen Donnerkeil! 


Untergang und Schande wälzen ihren uferlofen Strom: 
Stich und neige dich, o neige dich zu Grabe, Hohes Rom! 





— — 


8 


° N 


138 
Harmoſan. 
1830. 


Schon war gefunfen in den Staub der Saſſaniden alter Thron, 

Es plündert Mosleminenhand das Ichägereiche Ktefiphon: 

Schon langt am Oxus Omar an, nad) manchem durdygefämpften 
j * Tag, 

Wo Chosru's Enkel Jesdegerd auf Leichen eine Leiche lag. 


und als die Beute muftern ging Medina’s Fürft auf weitem Plan, 
Ward ein Satrap vor ihn geführt, er hieß mit Namen Harmofan; 
Der legte, der im Hochgebürg dem kühnen Feind fich widerfeht; 
Doch ah, die fonft fo tapfre Hand trug eine ſchwere Kette jetzt! 


Und Omar blidt ihn finfter an und fpridt: Erkennſt du nun, 
wie ſehr 

Vergeblich iſt vor unſerm Gott der Gößendiener Gegenwehr? 

Und Harmoſan erwiedert ihm: In deinen Händen iſt die Macht, 

Mer einem Sieger widerfpricht, der widerfpricht mit Unbedacht. 


Nur eine Bitte wag' ih noch, abwägend dein Gefhid und meins: 

Drei Tage focht ih ohne Trunf, laß reichen einen Becher Weins! 

Und auf bes Feldherrn leifen Wink fteht ihm fogleih ein Trunf 
2 bereit; 

Doch Harınofan befürdtet Gift, und zaubert eine Feine Zeit. 


Was zagft du, ruft der Saracen, nie täufcht ein Moslem feinen Gaft, 

Nicht eher follft du flerben, Freund, als bis du dieß getrunfen Haft! 

Da greift der Berfer nah dem Glas, und flatt zu teinfen, 
fhleubert hart 

Zu Boden er's auf einen Stein mit rafcher Geiftesgegenwart. 


x 


139 


Und Omars Mannen flürzen ſchon mit blanfen Schwert auf 
ihn heran, 

Zu trafen ob der Hinterlift den allzufchlauen Harmofan; 

Doch wehrt der Feldherr ihnen ab, und fpricht ſodann: Ex lebe fort! 

Wenn was auf Erben heilig iR, fo ift es eines Helden Wort. 


Luca Signorelli. 
1 330. - 
Die Abenpftille Fam herbet, 
Der Meifter folgt dem allgemeinen Triebe; 
Verlaſſend feine Staffelei, 
Blidt er das Bild noch einmal an mit Kiebe. 


Da pocht es voll Tnmuli am Haus, 

Und ehe Luca fähig ift zu fragen, ’ 
Auft einer feiner Schüler aus: 

Dein einziger Sohn, o Meifter, ift erſchlagen! 


Sn holder Blüte ſank dahin 

Der fhönfte Süngling, den die Welt erblidte: 
Es ivar die Schönheit jein Ruin, 

Die oft in Liebeshändel ihn verftridie. 


Bor eines Nebenbuhlers Kraft 

Sanf er zu Boden, faſt in unfrer Mitte; , 
Ihn trägt bereits die Brüderfchaft 

Zur Totenficdhe, wie es heiſcht die Sitte. 





140 
Und Luca fpridt: O mein Gefchid! 
So lebt! ih denn, fo ftrebt' ich denn vergebens? 


gu nichte macht ein Augenblid 
Die ganze Bolge meines reihen Lebens! 


Was half es, daß in Farb’ und Licht 2 
Als Meifter ih Cortona's Volk entzüdte, 

Mit meinem jüngften Weltgericht 

Orvieto’d hohe Tempelhallen ſchmückte? 


Nicht Ruhm und nit der Menſchen Gunſt 
Beſchützte mich, und nicht des Geiftes Fener: 
Nun ruf! ich erft, geliebte Kunft, 

Nun ruf’ ih dich, du warft mir nie fo theuer! 


Er ſpricht's, und feinen Schmerz verrät 

Kein andres Wort. Raſch eilt er zur Kapelle, 
Indem er no das Mulgerät 

Den Schülern reiht, und diefe folgen fchnelle. 


Zur Kirche tritt der Greis Kinein, 

Wo feine Bilder ihm entgegentreten, 

Und bei der ewigen Lampe Schein 

Sieht er den Sohn, um den die Mönche beten. 


Nicht klagt er oder flöhnt und ſchreit, 

Kein Seufzer wird zum leeren Spiel des Windes, 
Er fegt fih Hin und Fonterfeit 

Den ſchoͤnen Leib des vielgeliebten Kindes. 


141 


Und als, ex ihn: fo. Zug für Zug 

Gebildet, fpricht ex gegen feine Knaben: 
Der Morgen graut, es ift genug, 

Die Priefter mögen meinen Sohn begraben. 


Zobir. 
1830. 


Raubluſtig und ſchreckenverbreitend und arm 

Geleitet Abdalla den Araberſchwarm 

Gen Afrika zu, 

Bor Tripoli ſtehn die Beherzten im Nu. "x 


Doch che fie ſtürmen um Mauer und Thor, 
Erſcheint mit dem Heere ber hohe Gregor; 
Statthalter im Glanz 

Erfochtener Siege, gefhidt von Byzanz 


Und waͤhrend er drängt bie fanatifhe Schaar, 
Nitt ihm an der Seite mit goldenem Haar, 
Den Speer in der Hand, 

Die lieblihe Tochter im Panzergewand. 


Sie Hatte gewählt ſich ein maͤnnliches Theil, 
Sie ſchwenkte die, Lanze, fle ſchoß mit dem Pfeil, 
Im Schlachtengetoͤn 

Wie Ballas und doch wie Eythere jo ſchoͤn. 





142 


Der Bater erhub fi, und blicfend umher 
Befeuerte mächtig die Seinigen er: 

Nicht länger gefpielt, 

Ihr Männer, und flets nad) Abdalla gezielt! 


Und wer mir das Haubt des Erjchlagenen beut, 
Dem geb’ ih die fhöne Maria noch heut, 

Ein Eöftlicher Sold, 

Mit ihre unermeßliche Schäße von Gold! 


Da warfen die Chriſten verdoppelten Schaft, 
Den Gläubigen Mecca's erlahmte br Kraft, 
Abdalla begab 

Ins Zelt fih und mied ein bereitetes Grab. 


Dog flritt in dem Heere, von Eifer entfadht, 
Bobir, ein gewaltiger Blit in der Schlacht; 
Fort jagt er im Zorn, 

Ihm triefte der Flirrende, blutige Sporn. 


Er eilt zum Gebieter und ſpricht: Du verſäumſt, 
Abdalla, die Schladt, wie ein Knabe? Du träumſt 
Im weichen Gezelt? 

Und follfi dem Kalifen erobern die Welt? 


Was, und zu entnerven, erfonnen der Chrift, 
Ihn mög’ es verderben mit ähnlicher Lift! . 
Das Ganze fogleid 

Berfprih es und ftelle dich eben fo reich! 


143 


Den Deinen verfündige folgendes Wort: 

Mer immer dem feindlihen Führer 'ſofort 
Den Schädel zerhaut, 

Der nehme die ſchöne Maria zur Braut! 


Die fündet Abdalla mit frifcherem Sinn, 
Die Seinen ermutiget hoher Gewinn ; 
Bobir dringt vor, 

Sein freifender Säbel erlegt den Gregor. 


Schon birgt in die Stadt fidy die chriſtliche Schwach, 
Schon folgen die Sieger und flürzen fih nad, 
Schon weht von ben vier 

Eaftellen herab des Propheten Banier. 


Lang trogte Maria dem feindlichen Troß, 

Bis endlich ein Haufe fie völlig umſchloß: 

Don Vielen vereint 

Wird vor den Zobir fie geführt, und fie weint. 


Und Einer beginnt im verfammelten Kreis: 
Mir bringen den füßen, ben lieblihen Preis, 
Den hoͤchſten, um den 

Mit uns du gefänpft und geflegt, Saracen! 


Doch jener verfegt in verächtlichem Scherz: 
Mer wagt zu verführen ein auge Herz? 
Mer legt mir ein Neg? : 

Ih Tampfe für Gott und das hohe Geſetz! 





144 


Nicht Buhl’ ich um hriftliche Frauen mit euch: 
Dich aber emlafl' ih, o Mädchen, entfleud! 
Mas willft du von mir! 

Beweine der. Bater und Kaffe Zobir: 


nn — — — — 


Gambacorti und Gualandi. 
1832. 

Als Alfons, der mächtige König, 

Seine Schaaren ausgefchickt, 

Anzufeinden jene weile 

Florentinifhe Republik, 

Die verwaltet wohlbebächtig 

Cofimo von Medieis, 

Hatte Gerhard Gambacorti, 

Tief im Schoos des Apennins, 

Als ein Lehn der Florentiner 

Eine Herrſchaft im Befitz. 

Durch Verſchwaͤgrung war verfnüpft er 

Jenem großen Albizi, 

Welcher aus Florenz vertrieben 

Nah dem Heiligen Grabe gieng, 

Bis zulept er, heimgewandert, 

Seltner Schickſalslaune Spiel, 

An dem Hochzeittag der Tochter 

War geſtorben im Eril. i 

Dep gedenft nun Gambacorti, 


145 


Der Verrat und Tücke fpinnt, 
Als ein Feind der Medicaͤer 

ö Abgeneigt der Republik, 
Welcher gleichwohl feinen Sohn er 
Hat als Geiſel überſchickt, 
Sicherheit ihr einzuflößen, / 
Die bereits Berrat umftrickt. 
Als vor feinem Schloß Corzano, 
Wo den fleinen Hof er hielt, 

. Mit dem Felvhaubtmann bes Könige 

Nun des Königs Heer erfchien, 
Laßt die Brüde Gambacorti 
Nieder, tritt entgegen ihm, 
Dem bie Burg er für den König 
Tückiſch uͤberliefern will. 
Ihn umgeben ſeine Ritter, 
Männer vielgewandt im Krieg: 
Unter ihnen war Gualandt, 
Dem ber Hochverrat mißflel, 
Der ergreift den Gambacorti, 
Meber die Brüde flößt er ihn; 
Diefe wird auf fein Derlangen, 
Aufgezogen augenblids, 
Während aufgepflanzt die freie 
Flocentiniſche Fahne wird, 
Waͤhrend innerhalb die Mannſchaft 
Ruft: Es lebe die Republik! 
Gambacorii ſteht verlaſſen 

Platen, fämmtl, Werke. J. 10 





146 


Außerhalb, im Angeficht 

Seiner nun verlornen Veſte, 

Die Gualandi treu verfit. | 

Nch Neapel muß er wandern, 

Mit dem Feinde muß er ziehn; 
Doch es fickt den Sohn zurüd ihm 
Großgefinnt die Republik. 


Alexius. 
1832. 


Vor der Strenge feines Vaters, vor dem allgetvaltigen Zar, 
Floh von Mosfau weg Nleris, der aus zarternı Stoffe war: 
Gern vergönnt der milde Kaifer, den er anzuflehn befchloß, 
Ein Afyl dem armen Flüchtling auf Neapels Felſenſchloß. 


Auf der Burg Sankt Elmo Hielt fh nun des Zaren Sohn 
verſteckt; 

Doch die Späher ſeines Vaters hatten dort ihn bald entdeckt. 

Als zurück ihn dieſe ſchleppten nach dem eisumſtarrten Pol, 

Nichtet er an feine Freiſtatt ein beklommnes Lebewohl: 


Lebe wohl, o Eden, befien Reize doppelt ich gefühlt, 
- Bo die Woge purpurfarbig um bie felfigen Gärten fpühlt! 
Gern um deinen Zauber Hätt’ ich eingetaufht das größte Reich; 
— Doch es iſt dem Feuerberg dort meines Vaters Buſen gleich! 


147 


Hab’ ih doch nach feiner Krone nie geflrebt, und was ich bin, 

Mar bereit ih abzutreten an ven Sohn ber Buhlerin! 

Blos des Klofters Zwang vermeiden wollt! ih, ale ih ihm 
entfloß: 

Fern von ihm And fern von Ehrfucht war ich Hier im Stillen 
froh! 


Stets vor feinem Geiſte bat ſich meine Seele tief gehüdt: - 
Nicht den Zepter ihm beneibet hab’ ih, ad, ich war beglüdt! 
Nicht beneidet ihm die Waffen, die von Sieg zu Sieg er ſchwang, 
Seine Tugend nicht beneibet, denn fie geht den Henkergang! 


Nicht die Krone blos, das Leben joll ih weihn ihm als Tribut, 
Sa, und wiederkehren ſoll ich, weil er lechzt nach meinem Blut! 
Vor der Allgewalt des Willens gebt zu Grunde jedes Recht: 

Bin ich ſelbſt doch ein Romanomw, und ich Eenne mein Geſchlecht. 


Wollte mich der Vater fehonen, gäbe mir doch feine Friſt 

Menzikoff und defien Kebsweib, weiches nun die Zarin tft! 

Doch die Rache folgt vielleicht mir in des Grabs erfchnten 
| Schoos, 

Und dem Paar, das mich verfolgte, wird ein unglüdfelig Loos! 


Gerne für den Pater flürb' ich, wär's der Welt und ihm zum 
Heil; 

Doch ich fürchte, feine Krone wird dem Schlechtern einft zu Theil; 

Mög’ er Finderlos verwelfen! Seine Herrfhaft, ihm zum Hohn, 


Möge jene Bauerndirne theilen mit den Bäderfohn! 


= * „un um 


146 


Außerhalb, im Angeficht 

Seiner nun verlornen Befte, 

Die Gualandi treu verficht. 

Nch Neapel muß er wandern, 

Mit dem Feinde muß er ziehn; 
Doch es [hit den Sohn zurüd ihm 
Sroßgefinni die Republik. 


Alexius. 
1832. — 


Vor der Strenge ſeines Vaters, vor dem allgewaltigen Zar, 
Floh von Moskau weg Alexis, der aus zarterm Stoffe war: 
Gern vergonnt der milde Kaiſer, den er anzuflehn beſchloß, 
Ein Afyl dem armen Flüchtling auf Neapels Felſenſchloß. 


Auf der Burg Sankt Elmo hielt fih nun bes Zaren Sohn 
verſteckt; 

Doch die Späher feines Vaters hatten dort ihn bald entdeckt. 

Als zurück ihn diefe fchleppten nach dem eisumftarrten Bol, 

Richtet er an feine Freiftatt ein beklommnes Lebewohl: 


Lebe wohl, o Eden, defien Reize doppelt ich gefühlt, 

Mo die Woge purpurfarbig um die felfigen Gärten ſpühlt! 
Gern um deinen Zauber Hätt’ ich eingetaufcht das größte Reich; 
Do es ift dem Feuerberg dort meines Vaters Buſen gleich! 


147 


Hab’ ih doch nach feiner Krone nie geftrebt, und was idh bin, 

War bereit ich abzutreten an ben Sohn der Buhlerin! 

Blos des Klofters Zwang vermeiden wollt ih, ale ich ihm 
entfloß: 

Fern von ihm md fern von Ehrfuht war ich Hier im Stillen 
froh! 


Stets vor feinem Geiſte hat ſich meine Seele tief gehüdt: 
Nicht ven Zepter ihm beneidet hab’ ih, ach, ih war beglüdt! 
Nicht beneibet ihm die Waffen, die von Sieg zu Sieg er ſchwang, 
Seine Tugend nicht beneibet, denn fie geht den Henkergang! 


Nicht die Krone blos, das Leben ſoll ich weihn ihm als Tribut, 
Sa, und wiederkehren foll id, weil er lechzt nad meinem Blut! 
Bor der Mlgewalt des Willens geht zu Grunde jenes Recht: 

Bin ich felbft Do ein Romanow, und ich kenne mein Geflecht. 


Wollte mid der Vater fchonen, gäbe mir doch feine Friſt 

Menzikoff und deſſen Kebsweib, weiches nun die Zarin ift! 

Doch die a folgt vielleiht mir in bes Grabs erfehnten 
Schoos, 

Und dem Paar, das mich verfolgte, wird ein unglückſelig Loos! 


Gerne für den Vater ſtürb' ih, wär's der Welt und ihm zum 
Heil; 

Doch ich fürdte, feine Krone wird dem Schlechtern einft zu Theil; 

Mög’ er Finderlos verwelten! Seine Herrfchaft, ihm zum Hohn, 


Möge jene Bauerndirne theilen mit den Bäderfohn! 


— — „un nenne 


148 


Die Gründung Karthago's. 
1833. 


Bor der Goldbegier des Bruders, 
Der nach ihren Schäben ſchnaubt, 
Der in ihres Gatten Bufen 

Sein verruchtes Schwert getaudit, 
Flieht hinweg die fhöne Dido 
Aus ſidoniſchen Heimatau’n, 
Nimmt mit fich gehäufte Schätze, 
Nimmt mit fid) des Gatten Staub, 
Dem gelobt fie näte Treue, 

Wie es ziemt den hoͤchſten Frau'n; 
Denn der wahren Wittwe Liebe 
Gleicht dem Lieben einer Braut. 
Edle folgen ihr und Knechte, 

Als fie löft den Ankertau, 
Segeln auf den hohen Schiffen 
Durdy das tiefe Wogenblau, 

Bis an afrifanifcher Küfte 

Landen alle vol Bertrau'n. 

Dido läßt an fihrer Felsbucht 
Mächtig eine Stadt erbau'n: 

Art an Art erflingt am Ufer, 
Stein um Stein wird ausgehau’'n. 
Bald beſchirmen ſtolze Mauern 
Tempel, Haven, Hütt' und Haus; 
Drauf als Königin beherrfchte 


149 


Dido diefen flolgen Raum. 

Dod der Ruf von ihrer Schöngeit 
Breitet feine Flügel aus: 

König Iarbas wohnt benachbart, 
Zapfter Männer Oberhaubt; 
Diefer bietet feine Hand ihr, 

Ja sie Drohung macht er laut: 
Wenn bie Königin fidh weigert 
Deiner Kraft fih anzutrau'n, 
Wehe jener Stadt, fie möchte 
Dann verfhwinden wie ein Traum! 
Zitternd hört e8 ganz Karthago, 
Weil er mächtig überaus, 
Und des Volks ergraute Vaͤter 
Treten vor ber Fürſtin auf, 
Flehn fie, jenen Bund zu fchließen, 
Hinzugeben nicht dem Raub 
Diefe' Laren, diefe Tempel, 

Die fie liebend jelbft gebaut; 

Aber ihr im tiefen Bufen 

Steigt ein böfer Geiſt herauf, 

Ob fie freveln fol am Gatten, 
Ob fie, jeder Bitte tauk, 
Freveln fol an ihrem Volke, 

Des an ihre Liebe glaubt? 

Doch in einer foldhen Seele 

Iſt ein Zweifel wie ein Hauch: 
Nur das Große kann fie benfen, 





150 


Mur das Große führt fie aus. 
Einen Holzftoß, wie zum Opfer, 
Laßt die Königin erbau'n, 

Laͤßt um ihn das Volk verfammeln, 
Tritt hervor und fteigt hinauf: 
Lebe wohl, o mein Karthago, 
Nicht die Feinde ſollſt du ſchau'n, 
Blühn empor in golbner Freiheit, 
Nicht vergehn in Schutt und Graue: 
O Sichäus, breite deine 
Schattenarme nach mir aus! 

Diefe Hohen Worte fprechend 

Faßt ein Schwert fie ohne Grau'n, 
Stößt es durch den fhönften Buſen, 
Den die Sonne durfte fhau'n. 

Und im Aſchenkrug gefammelt 
Ward fofort der edle Stanb, 

Ward im Tempel felbft beftattet, 
Ward befränzt mit Siegeslaub. 
König Jarbas zog von bannen, 
Störte nit Karthago's Bau: 
Senen feegewaltigen Freiſtaat 
Gruͤndete fo die größte Frau. 


151 


Der alte Gondolter. 
1833. 


Es ſonnt fih auf deu Stufen 
Der feebefpülten Schwelle - 
Ein Greis am Rand der Welle 
In weißer Loden Bier: 

Und gerne ſteht dem Fremdling, 
Der müßig wandelt, Rebe 

Auf feiner ragen febe 

Der alte Gondolier. 


Er fpriht: Ich Habe rüflig 
Lagun' und Meer befahren; 
Doch hab’ ih nun fett Jahren 
Kein Ruder eingetaudt: 

Es hangt die morfche Gondel 
An Striden in der Halle, 
Wo Mles im BVerfalle, 

Wo Alles ungebraucht. 


Es ift der Herr des Haufes 
Nah fernen Himmelsftrichen 
Seit langer Zeit entwichen, 
Für unfre Bitten taub; 
Der Gute z0g von binnen 
Am Tag, ald Bonaparte 
Der Republit Standarte 
Ließ werfen in den Staub. 








152 


Er Hand ın beiten Jahren, 
Als er von uns gefchieden; 
Doch, lebt er noch hienieden, 
So iſt's ein greifer Mann. 

Er ſprach: und fol ich dienen, 
So ſei's in fremden Ländern: 
Hier foll mit Orbensbändern 
Mich fhmüden fein’ Tyrann! 


Mir blieben, ah, und ſchauten, 
Mie Kirhenraub und Schande 
Begieng die fhnöde Bande 
Nah fchnellgebeohnem Eid! => 
Mir fahn, wie jene Wilden 
Den Bucentaur zerfchlugen, 
Und unfre Seelen trugen 
Ein unerhörtes Leid! ' 


Wir fahn den Mareuelöwen 

Zum fernen Strand entführen, 

- Wir jahn, wie man mit Echwüren 
Und mit Beſiegten fcherzt! 

Bir fahn gerftört von Frevlern 
Was würdig fehien der Dauer, 
Wir fahn ar Thor und Mauer 
Die Wappen ausgemerzt. 


Doch leb' ich und betrachte 
Die theure Stadt noch immer, 


153 _ 
Erquick' im Morgenfhimuer 
Die Glieder ſchwach und alt. 
Bon meines Herrn Ballafte 
Vermocht' ich nicht zu weichen, 
Auch läßt er gern mir reihen 
Den Kleinen Unterhalt. 


Da denk' ish meiner Jugend, 
Und wie ih als WMatrofe 
Gefolgt der Windeszofe 

Bei Sturm und Sonnenftral; 
Und wie blofirte Tunis 

Und jene Türfenrotte 

Mit feiner fhönen Flotte 
Venedigs Admiral. 


O holder Tag, ale Emo's! 
Heimzug die Fluten theilte, 
Und ihm entgegen eilte 
Der Doge Paul Kenier! 
Gedent' ich jener Zeiten, 
Wird meine Seele milder; 
Es fliegen jene Bilder 
Wie Engel um mid Her! 


— —— — — 


154 


Klaglied Katfer Otto des Dritten. 
1833. 


D Erde, nimm den Müden, 
Den Lebensmüden auf, 

Der hier im fernen Süben 
Befchließt den Pilgerlauf! 
Schon ſteh' ih an der Grenze, 
Die Leib und Seele tHeilt, 
Und meine zwanzig Lenze 
Sind raſch dahin geeilt. 


Boll unerfüllter Träume, 
Verweift, in Gram verfenkt. 
Entfallen mir die Zäume, 
Die diefes Reich gelenkt. 

Ein Andrer mag es zügeln 
Mit Händen minder Ihlaff, 
Bon diefen fieben Hügeln 
Bis an bes Nordens Haff! 


Do ſelbſt im Seelenreiche 
Harrt meiner noch die Schmach, 
Es folgt der blaſſen Leiche 
Begang'ner Frevel nach: 
Vergebens mit Gebeten 
Beſchwoͤr' ich dieſen Bann, 

Und mir entgegen treten 
Grescentius und Johann! 


155 


Do nein! Die Stolzen beugie 
Mein reuemülig Flehn; 

Ihn, welcher mid erzeugte, 
Ihn werd’ ich wiederfehn! 

Nah welchem ich ale Knabe 
So oft vergebens frug: 

An feinem frühen Grabe ? 

Hab’ ich geweint genug. 


Des deutſchen Volks Berater 
Ummandeln Gottes Thron: 
Mir winkt der Neltervater 

Mit feinem großen Sohn. 

Und während, voll von Milde, 
Die frommen Hände legt 

Mir auf das Haubt Mathilde, 
Steht Heinrich tiefbewegt. 


Nun. fühl’ ich erſt, wie eitel 
Des Gluͤcks Gefhente find, 
Wiewohl ich auf dem Scheitel 
Schon Kronen trug als Kind! 
Was je mir ſchien gewichtig, 
Berftiebt wie ein Atom: 

D Welt, du bift fo nichtig, 
Du bift fo klein, o Rom! 


D Rom, we meine Blüten 
Berwellti wie dürres Laub, 





156 


Dir ziemt ed nicht zu hüten 
Den kaiſerlichen Staub! 

Die mir die Treue brachen, 
Zerbrächen mein Gebein: 
Beim großen Karl in Nahen 
Will ich befattet fein. 


Die ächten Palmen wehen 
Nur dort um fein Panier: 
Ihn hab’ ich liegen fehen 
In feiner Kaiferzier. 

Mas durfte mich verführen, 
Zu öffnen feinen Sarg? 
Den Lorbeer anzurühren, 
Der feine Schläfe barg? 


O Freunde, laßt das Klagen, 
Mir aber gebt Entfag, 

Und macht dem Leichenwagen 
Mit euren Waffen Platz! 
Bedeckt das Grab mit Rofen, 
Das ih fo früh gewann, 
Und legt den thatenlofen 
Zum thatenreihften Mann! 





157 


Anmerkungen. 


1O helder Tag, als Emo’s u. f. w. 
Angelo Emo, der Teste venetianifche Seeheld, ftarb menige 
Jahre vor dem Untergang der Republil. Sein von Ganova’s 
Lehrer gearbeitetes und (mie Leute, vie ihn gekannt haben, ver- 
ſichern) ſprechend ähnliches Bildniß auf feinem Grabmale befindet 
fih gegenwärtig in ©. Biagio. Dorthin ward es gerettet, als 
die Franzoſen jene prachtvolle gothifche Kirche, I. Servt, zer- . 
ftörten, in welcher Emo fammt feinen Ahnen und unter andern 
auch Vaul Sarpl's Bebeine Tagen. — Dom Drogen Paul 
Renier, ver 1788 ftarh. kann man eine geiſtvolle Charakteriſtik 
in ven Denkwürdigkeiten Carl Gozzi's Iefen, und zwar aus 
einer Zeit als Renier noch Senator war. 

2 An feinem frühen Grabe. j 
Otto II. liegt bekanntlich in der Peterskirche begraben. 


. 


rm — 





Bermifchte und Gelegenheitsgedichte. 





Es giebt ein Dichter, ohne Falſch und Lift, 
Sich, wie er ſtrebt unt mie er lebt und ft, 
Er neidet nicht ven ſtoiſch fingen Schwarm, 
: An Sitte reich, doch an Gefühlen arm, 
Indeß Verluſt lets wechfelt mit Gewinn 
In feinem ewig aufjeregten Sinn. 


Epiſteln. 
| J. 
Au Nathan Sehlichtegroll. 
1815. 


Zu Zeugen ruf ich unſre deutſche Muſe, 

Mir zeugt der Muſengott, das Licht der Welt: 
Schon lange haͤtt' ich deinem lieben Gruße 

Auch meine Grüße liebend zugeſellt; 

Allein wohin ſollt' ich die Grüße wenden, 

Da deinen Aufenthalt zu ſpaͤhn mir nicht gelingt? 
Wohin die kleine Taube ſenden, 

Die dir den Brief an ihrem Halſe bringt? 

Noch ſpricht Fein Zeitungsblatt von deinen Thaten, 
Wie käm' ich alfo auf des Freundes Spur? 

Mir Hat fein Genius, wo bu warft, verraten, 
Und wo bu jegt bift, ich errat’ es nur. 

Ich wähne bich in jenem Sig der Pieriden, 

Der bergumfchlof'nen malerifhen Stadt, 

Wo nun den finnig milden Frieden 

Der Waffen Raufchen unterbroden hat; 

Daten, fammtl. Werke L 14 





— 


— 


162 


Wo man den Bacchos und des Bacchos Hoͤrner 
Durch ein ihm heilig Wunderfaß verehrt, 
Wo einſt Brentano, wo der tolle Werner 
Des Unſinns Poeſie gelehrt, 
Wo Manche ſich verirrt in Scheinſyſteme, 


Verlockt durch trügeriſchen Glanz, 


Wo jetzt zwei Kaiſerdiademe 

Mehr ſchimmern als Herrn Werners Dichterkranzz: - 
Dort wähn’ ih dich, und folge meinem ahnenden Gefühle, 
Und neide dir den Vorzug nur allein, 

Zugleich in einem fläbtifhen Gewühle 

Und einer ländlichen Natur zu fein! 


Nimm meinen Dank für deine Freundesworte, 
Ninm meinen Dank für deinen lieben Brief; 

Wohl dir, daß dein Geſchick auch dich an diefe Orte 
Und in das Friegerifche Leben rief! 

Wir alle ziehen gegen den Tyrannen, 

Den alle Welt für ihren Feind erkennt, 

Shn in ein fefteres Afyl zu bannen: 

Sein Grab allein ift unfer Friedensmonument. 

Er if fein jugendlicher Philippide, 

Nicht wie der Zwoͤlfte Earl ein fchwärmerifcher Held, 
Kein Guſtav Adolph, der für Recht und Freiheit gfühte, . 


Kein Friedrich, welcher weint auf einem Leichenfeld, 


Er ift fein Eäfar, der mit edlem Glanze 
Bon großen Tugenden den Ehrgeiz überbedt, 
So wie er mit dem Lorbeerfranze 


163 


Der Locken Mangel königlich verftedt, 

Er if ein Feind der Grazien und Mufen, 

Ein finftrer, ſchlauer, heimlicder Tyrann, 

Der eines Nero’s Herz im Buſen 

Durch Lift und Gold die halbe Welt gewann. 
Wohl uns, denn feine Zeit geht nun zu Ende, 
Sein blutig Sternbild fällt, 

Und unfer Arm, als ein Pitrup, vollende 

Den Friedensbogen über diefe Welt! 

Noch weiß ih nicht, wann wir hinübergehen, 
Hinüber über jenen alten Rhein, 

Um das entwürbigte Geflecht zu fehen, 

Und Zeuge ihres Sklavenjochs zu fein: 

| Ih fehne mich nad jenem Schlachtgebraufe, 
Und felbft der Tod erfheint mir ſchön, 

Ih fehne mich aus diefer Falten Pauſe 

Nah jener Donner heißem Sturmgedröhn! 
Wo Schlag auf Schlag, und Blip auf Blige fallen, 
Das Herz fih zwifchen Tod und Leben dehnt, 
Und endlih das Victoria von Allen 

Wie eine bimmlifche Muſik ertönt. 

Wohl mir, wenn dann von diefem Lebenstage 
Der Parze firenge Hand mid trennt, 

Wenn dann ein Freund mit ſtiller Klage 
Des Toten Namen ſeinen Freunden nennt. 
Vergieb mir nun die vielen Täfl’gen Worte, 
Er riß mi fort mit herrſchender Gewalt, 





164 


Bis, wo an jenem bunfeln Orte 

Das allerlegte Wort erfchallt. 

Seht bin ich wieder ganz bei dir zurüde, 
An deiner Bruft vom Phantafus befreit, 
Und frage dich nach deinem Lebensglüde, 
Und wünſche dir Zufriedenkeit. | 
Und bift du wirflih an dem Nedar drüben, 
Und Hält mid ab fein andrer Machtbefehl, 
Sp eif ih zu dir, wenn du mir gefchrieben: 
Ich komme dann, Nathanael! 


Do follt' es fih auch alfo nicht begeben, _ 

Daß ich dich fehe noch vor diefem großen Streit, 

So möge did ein Genius umjchweben 

In diefer blut’gen Kampfeszeit. 

Doch felbit im rauhen Kriege ſchwoͤre 

Noch zu den Mufen, Freund, mit fittig heiterm un 
Und immer denke deines Plato Lehre: 

Gus rals yapıdır. 


1 





I. 
An Sofeph von Xylander. 
1817. 
Schon unfre deutſchen Haine 
Betrat des Pilgers Fuß, 
Sch gab dem alten Rheine 
Den lebten Abſchiedsgruß; 


165 


Se.mehr jedoch die Reife 
Sich naht den heim'ſchen Au'n, 
Verlang ich mehr im Kreiſe 
Der Freunde mid zu ſchaun, 
Sehn’ ib mich deinem Bufen, 
Der frühern füßen Ruh, 

Den Studien, den Mufen 
Und lieben Wefen zu. 

Als unter fremdem Volke 

Ich einſam Hagend faß, 

Und jede ferne Wolfe 

Mit feuchten Bliden maß: 

Da konnteſt du genügen, 

O Hoffnung, der Bernunft,. 
Ich dachte mit Vergnügen 

Der fhönen Wiederkunft; 
Doch jetzt, da ſchon die Fluten 
Des Rhenus hinter mir, 
Erneuen fih die Gluten 
Derboppelter Begier. 

Es eilt dem Schritt von ferne 
Das'Herz voran in Haft: 

Sp Hflüdt der Knabe gerne 
unreife Frucht vom AR, 

So binden Mädchen lange 
Dem Bräutigam voraus, 

Bum fünftigen Gmpfange, 
Schon einen Blumenftraus. — 





166 


Freund, unfer deutfcher Krieger 
Hat gern aus jenem Land 

Der fränfifchen Betrüger 

Die Schritte weggewandt; 

Wo eitle Worte prunfen, 

Mo Frömmigkeit und Zucht 
Zum Spott herabgefunfen, 
Vom Witze nur geſucht. 

Doch weg von dieſer Stelle, 
Und von der Franken Schmach! 
Es decke Lethe's Welle, 

Was dieſes Volk verbrach; 
Nicht wir find deſſen Richter, 
Ein Andrer hält Gericht: 
Zu preifen liebt der Dichter, 
Zu fchelten liebt ex nicht. 
Als unfer Heer im Lenze, 
Zum Voͤlkerkriege zog, 

Und ſchon die Lorbeerkraͤnze, 
Schon die Triumphe wog; 
Als gegen Bonaparte 

Ein Jeder, kühn entbrannt, 
Den Prüfungstag erharrte, 
Die Waffen in der Hand: 
Da träumten wir von Schlachten, 
Don Tode nur und Streit, 

Weil wir zu fämpfen dachten 
Mit der Vermeſſenheit, 


167 
Mit blutig Aufgebrachten, 
Zu Allem‘ gleichbereit: 
Bon der Verzweiflung Söhnen 
Zu fodern unfer Redt, 
Mit Löwen, mit Hyänen 
Im äuflerften Gefecht. 
Do anders iſt's geworben, 
Doc leiter warb ber Sieg, 
Und eine Schlacht im Norden 
Begann und fchloß den Krieg. 
Es war die britt'fhe Klinge, 
Die mit gewalt'igem Schlag 
Die taufend Eifenringe 
Der Sklavenkette bradh. 
Zwar floffen blut'ge Ströme, 
Doch der Tyrann entfloh, 
Und beide Diabeme 
Ließ er zu Waterloo. 
Den Siegern unterthänig 
Erhob ins alte Recht 
Den langverbannten König - 
Das ſchwankende Geſchlecht. 
Da mußten ſie bekennen, 
Zum Trotz dem eitlen Stolz, 
Daß vor den tapfern Brennen 
Die fraͤnk'ſche Stärke ſchmolz. 
Es ſchritt der edle Britte, 
Ihr erſter Feind von fe, 





168 


Durch ihrer Haubtftabt Mitte 
Zu ihrem größten Weh. 

Und was fie glücklich raubten, 
Was fie gefichert glaubten, 
Verſchwand vor ihrem Blick; 
Die göttlihen Geftalten, 

‚ Sie fehrten zu den alten 
Behauſungen zurüd; 

Laokoon, der Fechter, 

Die himmliſchen Geſchlechter, 
Die ſchoͤngeformte Schaar; 

So ward die Halle ledig, 

Die Roſſe von Venedig 
Entjochten ſich ſogar. 

So iſt dem deutſchen Degen, 
Der nur zu lang geruht, 
Der Franken Stolz erlegen, 
Und böfer Uebermut. 

Auch jene. Thaten alle 

Gehören uns, wir fahn 

Mas wir in gleichem Falle 
Unzweifelhaft getban. 

Wir hätten, gleich ben Britten, 
. Und wie der Preußen Schwert, 
Für unfre lieben Hütten, 

Für unfern heim’fchen Herb 
Auch löwenfühn geftritten, 

Der großen Bäter wert. 


Drum if die Siegericane 
Auch unferm Königsfohne,. 
Auch uns gebühret fie; 
Und fo vereinigt Alle 

Die große Briedenshalle 
In heiligen Sympathie. 


Nah mehr als zwanzig Jahren, 
Die rauh und blutig waren, 
Erſcheint die fhönre Zeit, 
Erſteht der Themis Wage, 
Erſcheinen Friedenstage 

Und Tage der Einigkeit. 
Was auch der Krieg verderbe, 
Es heilt's Irene klug, 

Die Künſte, die Gewerbe 
Begleiten ihren Zug. 

Lang brachten nur Arkader 

Der Göttin frohen Zoll: 

Sie fühnt der Menſchen Hader, 
Sie Hillt der Voͤlker Groll. 


‚Mein theurer Freund, o möchte 
Sie ungetrübt und rein 

Des alten Teut's Geſchlechte 
Stets gegenwärtig fein! 

D möchten dieſe Lande, 

. Die nur vereinigt blühn, 





1 


Nie mehr, zur eignen Schande, 
Sich wechſelſeitig fliehn! 
Nah lang verfhiehnen Bahnen 
Kam jebt die große Zeit, 
In welcher zum Germanen 
Sich der Germane reiht. 
Denkt der Lictoren: Stäbe: 
Sie feien euch Symbol, 

Und jeder Deutfche lebe 

Dem allgemeinen Wohl. 

Ihr habt mit eurem Blute 
Das Baterland befreit, 

Ihr wart mit Spartermute 
Bu flerben kühn bereit; 

Zu leben für das Gute 
Erheiſcht die jetz'ge Zeit. 
Vergeßt auf ew'ge Tage 

Den alten, böfen Stoll, 

Aus dem fo manche Plage, 
So manche Schande quoll. 
Ihr thatet mächt'ge Dinge, 
Errangt fo manden Kranz, 
Zerſchlugt fo manche Klinge: 
Der größte Sieg gelinge 
Zum Wohl des Baterlande. 
Das Volk der ſtolzen Elbe, 
Das Boll am grünen Rhein, 
O fprecht, iſt's nicht daſſelbe, 


171 


Und. barf's geſchieden fein? 
Der Auftrier, der Baier, 

Mnd Wittekinds Geſchlecht, 
Begeh' des Sieges Feier, 

Der unſre Schmach geraͤcht: 
Ja, daß ihr nicht erkaltet, 
Für Hochgefuͤhle ſtumpf, 

O feiert und erhaltet 

Den Leipziger Triumph! 

Mit ſiegesſtolzem Zweige 
Shmüdt eurer Städte Thor, 
Der Freiheit Flamme fleige 
Bon Jahr zu Jahr empor! 
Und ehrt die heilgen Manen 
Bon jeglihem Germanen, 
Der mutig fämpfend flarb, 
Der fh, die Hand am Schwerte 
Für feine Vatererde 
Das Maͤrtyrthum erwarb. 
Rühmt nicht Athene's Hallen, 
Und rühmt nit Rom vor Allen, 
Weil's große Thaten fah: 
Wir fahn in unfern Zeiten 
Auch manchen Kodrus ftreiten, 
Und manchen Scävola. 
Befeuchtet, dich zu ehren, 

Und deines Lebens Schluß, 
Wird noch mit unfern Zähren 


x 





172 


Dein: Grab, Schill-Kafline! 

Auch deine Ruheftäte 

Am Eihenbaum betrete 

Das deuffhe Volf mit Dank, 
Du, ber ale Raub der Eos, 

Ein ſchoͤnerer Tyrtäos, 
Gleich Phoͤbus' Schwane ſank. 
Wenn auch der Schmach entbunden, 
Denkt noch vergang'ner Not, 
Mahnt euch an Wrebe's Wunden, 
An Braunſchweig's Opfertot. 


Und nicht umſonſt vergoſſen 
Ward dieſer Edlen Blut, 
Der Freiheit Blumen ſproſſen 
Aus ihrem Heldenmut. 

Die Eintracht, lang begraben, 
Aus unſerm Volk verbannt, 
Soll wieder Tempel haben 
In Hermann’s. Vaterland. 
Spricht nicht verwandte Töne 
Treuherzig jeder Mund? 
Eint nicht des Landes Söhne 
Der große deutfhe Bund? 


D Freund, der an ber Ehre 
Des Baterlands verzagt, 
Benenne nit Chimäre, 
Was meine Muje fagt; - 


173 


Und glaube, daß dem Norben 
Sich unfer Süden paart: 
Nichts iſt verwirklicht worden, 
Woran verzweifelt warb: 
Mag was da will uns nahen, 
Tee uns ein hartes Loos: 
Die Tage, bie wir fahen, 
Sind unvergeßlid groß! 

Es wird, wenn bie Annalen 
Ihm diefe Schlachten malen, 
Der Jüngling fpäter Zeit 
Bewundrungsthränen zalen 
Der deutfchen Herrlichkeit: 
Als raſch zum Sturz der Franken 
Der maͤcht'ge Bund fi wob, 
Als die Tyrannen fanten, 
Als fih das Bolt erhob! 

Er lieſt gerührt nicht weiter, 
Er ruft in heil'ger Glut: 
Mer weckt die alten Streiter? 
Mer weckt den alten Mut? 


So bracht' ih durch die Reime 
Die mir die Mufe Lich, 

Des Patrioten Träume 

Bor deine Phantafie, 

Doch laffen wir das Dringen - 
In die verborg’'ne Zeit; 





174 


Die Tage werden bringen, 
Was ihnen Gott verleiht. 
Bald fleigt der Tag vom Meere, 
Wo ih, mit freub’gem Geiſt 
Zu jener Mauer kehre, 
Die wohl auch dich umkreiſt. 
Dort hoff' ich dich zu finden, 
Wo ſich, zum Schreck des Gau's, 
Der Iſar Waſſer winden 
Um ihres Könige Haus. 
Die langen Winterfiunden, 
Bis fh der Lenz erneut, 
Sei'n wir beglüdt verbunden 
Durch die Gefefligkeit. 


— — — — — — 


III. 


Au G. J. 
1818. 


Geſteh' ich dir's, daß ich, mich ſtill bemühend, 
Um hoͤh'res Ziel der großen Welt entrinne, 
Für Einſamkeit und Wiſſenſchaft erglühend: 


Daß ich, wiewohl der Jugend Flaum am Kinne, 
Von Feſt und Spiel und froͤhlichem Gelage 
Der Mitgenoſſen weggewandt die Sinne! 


175 


Sie lernten früh dem nicht'gen Raufch entfagen; 
Wohin auch führt der gierigen Menge Streben? 
Mas wollen fie erreihen und erjagen? 


Die jetzt der üppigeren Göttin leben, 
Wird nicht um ihr ergrautes Haubt am Ende 
Des Ueberdruſſes Cumenide fehweben? ® 


Durch‘ freundliche, durch blumige Gelände 
Schlingt meines Lebens Fluß die fanfte Strömung, 
Vom Wogenſchlag befhüst durch Bötterhände. 


Und nicht Verleumdung, Freund, und nicht Beſchamung 
Seh ich am Ufer, die zur Erde drücken 
Den kühnen Aufſchwung edler Unternehmung. 


O koͤnnteſt du, der Ferne, mich erblicken, 
Zufrieden hauſend in verſchwiegner Zelle, 
Um mid die Mufen, die mich ftill beglüden; 


Und vor mir flehn in golbner Stralenhelle 
Das Bardenchor der Völker und der Zeiten, 
Und freudig fhöpf ih aus ber heil’gen Duelle. 


Bor Allen fol mich deine Harfe leiten 
Zur EC chönheit und zur Größe, Mäonide! 
Mit heldenkühnen und doch Holden Saiten; 


Auch folg’ ich gerne deines Schülers Liebe, 
Bon edler Worte Silberton begleitet, 
Find ih Tankred, Erminien und Armiden. 


176 


Einfach echab'ne Götterwürbe. breitet 
Sich über Milton’s zauberiſche Leier, 
Der mit Homeren um die Krone ftreitet. 


Du, Bope, erziehſt mich zur Gedanfenfeier, 
Daß Wahrheitsfeime nicht die Sakung döte, 
Macht Aı vom Staub des Pöbelwahns mi freier;. 


Doc heiter lachend, wie bie Morgenröte 
Drangt mi zurüd zum Leben und zur Freude 
Der füßeg Lieber füßer Schöpfer, Goethe! 


Und wenn die Schwermut mit erblaßtem Neide, 
Die wolluftvollen Tage mir zu trüben, 
Das AU verhält in ihrem Trauerfleide: 


Dann flücht' ih mi zu den entfernten Lieben 
Und innig fühl Ih, daß ihr Angebenfen 
Auch gegen Jene mir ein Troſt geblieben. 


Was kann die große Welt mir, Guftav, ſchenben, 
Mit ihrem Stolz und prahlerifchen Feſten, 
Des reinen Geiſtes wahren Folterbänten; 


Mit ihren feichten Meben, dem erpreßten 
Gelächter, den Genüffen, die berauſchen? 
Glaub' mir, die fanften Freuden find die beften! 


Und möchtet du mit jenem Höfling taufchen? 
Zwar nimmt er Theil an fremder Hoheit Glanze, 
Doch wo der Zwang und die Kabale laufchen. . 


.- 197 
} A s , 
‚Die Zeit erfeint, wo mit ben Luff’gen Krauze 
‚Die Shläfe felbftvergeffen Jeder zieret, — 
Und flattert im gedankenloſen Tanze. 


Mid hat der Gott zu anderm Tanz geführet, 
Zu ſchweben auf dem edlen Hippogryphe, 
Der in den leichten Wolfen ſich verlieret; 


Und wenn ich näher jenes Reben prüfe, 
Das Bieten wie ein Wonnetaumel fhwindet, 
Erſcheint mir's feelenlos und ohne Tiefe. 


Drum felig, wer fi eine Zufluht gründet 
Sm Land des Traums, am delphiſchen Parnaſſe, 
Wohin der Weg nicht ohne Müh' fi windet. 


Und fei es auch, daß mid bie Mufe hafle, 
Perweigernd ihre föltlicheren Gaben: 
Ih bin beglüdt, wenn ich fie lieb’ und fafle; 


Ich bin beglüdt, da fie mich ſchon als Knaben 
An fi gelodt, die Kindheit zu verfchönen ; 
Sie foll die legten Athemzüge haben! 


Nicht jede Stirne kann die Fichte Frönen, 
Mein Lohn ift groß, ſobald ich theure Weſen 
Manchmal ergögt mit fehnellverraufchten Tönen; 


Mein Kohn ift groß, wenn mic die Freunde lefen, 
Sdo leb' ich einfam, ferne von den Meinen, 
Eutfernt der Welt, von vielem Wahn genefen, 
Blaten, ſammtl. Werke. I. 12 





‘ 


‚176 


8 
Und ungekraͤnkt von Allen Trank! ih Keinen! 
Do Manchem, ver mich kennt nur von. Gefichte, 
Mag ich ein trüber, falter Menfch erfcheinen; 


Du aber ſiehſt mich im verteautern Lichte! 


IV. 
Au Dar von Gruber, 
Der Einzug in Golpolis. 
1816. 
„Seid willfommen! und Segen und Heil den gewanderten Kriegern, 
Die durch Golpolis Thor ziehn in die freundliche Stadt! 
Gebt uns Blumen, u gebt!“ So fingen die Knaben und Maädchen 
Meißgefleivet, beftreu'n Tieblih die Wege mit Heu. 
Alfo begrüßen fle eu, die unfträfliden Golpolitaner, 
Auch die Damen zumal fhwingen die Müben von Pelz. 


Endlich löst fi das Heer, es verflummt die gefhäftige Trommel, 

Siehe, da fammelt um di fi eine gaffende Schaar. 

Seglider rühmt dir die Stadt, die gefegnete, die bu betreten, 
Jeglichem Vogel gefällt — Jeglicher rühmt dir die Stadt. 


Aber es hebt nunmehr der Bürgermeifter zuerft an, 
Dreimal fraltete fih ihm das gefpaltete Kinn: 

Sei uns, Fremder, gegrüßt, du tritiß in geheiligte Mauern, 
Hier hielt eh'dem Haus Jeſu vergötterte Schaar. 


41719 


Mich auch zogen, den Anaben, fie auf, ich gedenke mit Rührung. 
Süßer Erinnrung voll, an die gebeihliche Zucht. 

Das war ber Silberhlid für die Göttin Paidagogefis, 
Trichter und Rute zugleich hielt fie in brohender Hand. 

Nicht genug, daß ihnen ber Glaube num nicht mehr genug if, 
Das was fie glaubten voreinft, wollten fe wiſſen fogar! 

O des verberblichen Lichts! Doch endlich wendet das Blatt Rh, 
Wieder zur Krippe zurüd kehrt das entfprungene Kalb. 

Wiederum kehrt ihr, Ignatius Söhne! ab obscoenilate ' 
Werden yon euch aufs nen heidniſche Bücher purgirt! 


Alfo fagte der trefflihe Mann, und Thränen der Rührung 
Mifsgten fih auf dem Geſicht mit oratorifchem Schweiß. 
Ihm antwortete drauf ein Brauer, fein trefflicher Nachbar: 
Rühmt mir Golpelis nicht, wo man bie Kinder verzog! 
Lefen und ſchreiben ift Höllifches Werk, denn ward nit Johann Fauſt, 
Der uns bie Bücher erfand, endlih vom Böfen geholt?:: 
Nichts ale ein Kreuz verfich’ ich zu ſchreiben, ein dyeiftliches 
Merkmal, 
Dennoch nennen fie mich unter den Reichften der Stabt. 
Mehr als Ehymie gilt Gold, und Grobheit mehr ala Gelahrtheit, 
Jedermann trinkt mein Bier, Jedermann achtet mein Kreuz. 
Wahrlich von Golpolis. find viel befiere Dinge zw fagen, 
Wahrlich die Schulen nit ſind's, welche mit Ruhm uns 
bevedt: : 
Bier und Würfe find Hier, und Würfl’ und Bier — nun 6 
ſchweige, 5— 
Aber es breitet der Ruf weit bin ſich über das Land. ö 


M 
J 


180 


Doch ein dritter begann, ein Jünger der hohen Poeſis, 

Denn auch zu Golpolis baut manchen Altar ſich Apoll: 
Ungern ſchelt' ich den Brauer, fo rief er, de gustibus-non est 
Disputandum, ich bin eben den Würften nicht gram; 

Doch find fies, die Golpolis zieren? die große Natur iſt's! 
Mufen bewohnten die Stadt, immerbar wohnen: jie hier. 
iſt Arlapien,iwo bu verteilt, und in dörflicher Grufalt- ' 
Säüttelt von Träumen dich auf frühe das Blöcken des Viehs. 
Zu Mufageten erhebet die Fliegen ein Dichter, o Phöbus! 
Kräftiyer als Mufaget dünkt mich ein brüffender Stier. 
Liefert du deinen Homer, und liefeft vom Rate der Helden, 
Wie ſich Therfites empärt gegen ben König des Bolts, : 
Dieſes Gomerifche Leben, du findet es Hier auf dem Marktplap, 
Unter den Frau'n dort kreiſcht mancher verweg'ne Therfit. 
Aber was ſag' ich vom blühenden Land, von der herrlichen Eb'ne: 
Ins Unermeßliche hin fchweift der poetifche Blick! 
Meder Gebürge, noch Baum, noch Hügel verbirgt dir die Umficht, 
Und der Karfuntel, du weißt's, Hüllt fi fo gern in den 
Sand. 


Sprach's und wollte nody mehr ausſprühn der geflügelten Worte: 
Ein Invalide jedoch fiel ihm begeiftert darein: 

Schön if die Ebene traun! Laßt fi Anmutigers träumen! 
Ein Exertierplatz, Freund, findet ſich ſelten wie der. 
Melde Manvenvres fah ic hier an, mir wäflert der Mund noch! 

Schön wie ein Uhrwerk griff raſch in einander die Schaar. 
Niemals fah ich den Krieg, da in friedliche Zeit mein Amt fiel; 
Ader was ift eine Schlacht gegen Manvenpres wie wie? 


181 


Srübeln und Forſchen ift ſchwer, amı leichteften ift der Gehorſam, 
‚Selig, o felig der Mann, der ihn zur Tugend gemacht! 
Doch was erneur’ ich den Schmerz in, der Bruſt durch Reden 

und Klagen? 
mimmerneht ſchließ ich mich an au das dreſſirte Geſchlecht! 


Sprach's der Krieger, da rief ihn ſcheltend die göttliche Viehmagd: 
Wenig wißt ihr, o Greis, was die Soldaten ergößt. 

Was ihr da ſagt find leidige Dinge, duch wiſſe du, Fremdling! 
Bielerlei Fraun find hier, herrliche Frauen fürwahr!' 

Pflücket die Roſen, bieweil fie noch blühn! So fagte bie Viehmagd, 
Und ein unbaͤndig Gefühl hob ihr den Buſen empor. 5 

Aber du wandteft dich weg, du wandteſt dich weg, und geboteft 
Ewiges Schweigen der Schaar, tratit aus dem Kreife betäubt, 

Gingſt an den Strom hinunter und rieffl: Ihr Urnen des Iſters, 
Ins euxiniſche Meer ſchweumt mir die leidige Stadt! 


V. 


An denſelben. 
1817. 


Du, des Gedichts wohlwollender Freund und des — Dichtetẽ 
Zreund, bu, welchen der Kunſt glühende Liebe beſeelt, 
Wirk mit dem Tadel mich nicht unwuͤrdiger Muße verletzen, 

Die ih im ſtillen Bezirk dieſer Geſilde gefucht: 
Wie mir aber allein hingehn die geflügelten‘ Tage, 
Wrag du, während ich fern lebe der ſtaͤdtiſchen Welt? 


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180 


Häufig bewundr' id rings, ausruhend am Hügel, bie Landſchaft, 
Wo ben beweglihden Schirm Buche mir, Efche mir beut; 

Süße, doch feltene Thränen, wie liebende Jünglinge weinen, 
Seh’ ich des Thale Frühthau hangen am Rofengebüfch, 


Bann ih zurüd von den Wallfahrtsort, von der bunten Kapelle 


Kehre, dem heiterfien Sitz, während die Sonne fid hebt; 
Zweifach laͤchelt mich dann dieß gartenumzingelte Dorf an, 
Bald am Wiefengeftad, bald im geglätteten See: 
Oft aud freu’ ih mid dann in dem Kahne des träufenden 
Ruders, 
Wenn auf flachem aeyflall Zirkel an Zirkel ſich reiht, 
Oefter des ſeltenen Flors großblumiger Alpengewädfe, 
Wenn ich bewaldeter Hoͤhn ruhige Gipfel erſtieg. 


Doch wer iſt's, der ſich zu dem einſam wallenden Jüngling 
Als willkommener Freund, bildend und liebend geſellt? 
Flaccus, apuliſcher Saͤnger, du biſt's! Frohfinnige Weisheit 
Lehren und glücklichen Mut deine Gefänge das Herz: 
Maͤßig im Lauf der vergänglichen Zeit zu genießen gebeutft du, 
Neben die Bilder des Tods ftelft du der Freude Pokal; 
Führft mich nad) dem beglüdten Tarent, ins ländliche Tibur, 
Mo du die Wunder von Rom, ohne zu feufzen, entbehrft; 
Oder ich lerne von dir, zum kühlen Pränefte bir folgend, 
Wie man finnigen Geifts lefe den Bater Hamer. 
Wahres verfünbeteft du, denn felbft in die Wälder bes Nordens‘ 
Drang des Iateinifchen Lieds blühende Stimme hindurch: 
Deines Auguſts Altäre zerbrödelten, beine Gefänge 
Nicht, um's roͤmiſche Haubt fliegen die Vogel des Ruhms. 


183 | 
Strebt auch Mandher wie bu, ſtets höfft er bie Krone vergebens, 
Und es bewahrt kein Baum Töfliche Zweige Fir Ihn. 
Einft wohl trauert ex noch um der Jahre verſchwendetes Opfer, 
Leicht zwar If der Beſitz, doch zu erringen, wie ſchwer! 
So um den blendenden Naden der Kürftin Bilden die Perlen 
gierliche Ketten, fe trägt ſtolz ihr Geſchmeide zur Schau; 
Aber bedenkt fie, wie in zerbrechlicher Glocke der Taucher 
Um den entbehrlihen Schmud fuhr in bie Tiefe des Meers ? 


v1. 
1822. 


Bergieb, wenn hier nah mandem Innern Streit 
Der lange Schmerz fi durch ein Wort befreit, 
Menn redend ich entbürbe mich der Laſt, 
Weil du die Blicke nicht verftanden haft. 
Du wirft auch jebt mid) mißverſtehn, es ſei, 
Dein Spott verffage mich der Traͤumerei; 

- So mandes litt, fo viel ertrug ih ſchon, 
Das Maß erfülle der verdiente Hohn. 
Wenn auch dein Stolz mich’ vor der Menge ränkt, 
War ich doch ftets nur auf mich felbft beſchraͤnkt, 
Da, was ich ward, und was ich überfam, 
SH auf ins Herz und aus bem Herzen nahm. 


Ich liebe ih, und konnt‘ es Kir entgehn, 
So laß mid hier es willig eingeflchn. 


> 





184 


Nie burft’ ih traulih dir mid nahn, allein „ 
Tief prägte fih mir beine Bildung ein: 
Dein ſchlanker Wuchs, dein mildes Auge gar 
Des Schauers Luft und dein geringelt: Haar’ 
Und konnt' th vor mir. ſehn fo viele Bier, 
Und nie mich ſehnen, mid zu nahen ihr? 
Sp oft ih zu begegnen bir gewußt, 
Durchlief ein fiedendes Gefühl die Brufl. 7 


In Sturm und Regen wand!’ id) oft bei Nacht, 
Zu fühlen, was den Bufen mir entfacht. 

Bor deinem Fenfter geh’ ich oft vorbei, - 

Ob wohl das Licht noch nicht erglommen fei. 
Oft jah ich dann dein fchönes Haubt erhellt, 
Als ſchwömm' in’ Stralen eine ganze Welt; 
Doc trittſt du wieder einen Schritt zurüd, 
Verlier' ich dieß ſeeundenlange Glück. 


J 


Verlaſſen hat mich, was mich ſonſt umgab, 

Und dich ergreif' ich wie den letzten Stab: 
Zerftoben ift mir mander falfhe Traum, 

Das Herz ift leer, es giebt der Liebe Raum: 

O füllteft du's mit beiner Liebe an, 

Wie gern vergäß' ih, was es je gethan! 

Wenn aud) die Hoffnung mir des Ruhms entwid, 
MWärf du nur mein, du wärft ein Ruhm für nid! 


Nicht flehen will id, denn was follte das? 
Wenn du nit liebſt, fo frommt kein Flehn etwas, 


185 


Doc oft durchſchleicht der füße Wahn die Bruf, 
Als wüßte. du, was ih mir bin bewußt, 
Als kitten beine wir biefelbe Pein, 
Als wünfchter du, von mir geliebt zu fein. 
Wird du mir lädheln oder mid verfhmähn? 
Wie kann id das erfahren und erfpähn? 
Wenn dir mein bittend Auge Liebe klagt, 
Hat es zu wenig, hat's zu viel gefagt? 


Wenn einfam ih durchwandle Feld und Hain, 
D mödhteft du begegnen mir allein! 

Mo Büſche fchatten, wo die Linde haucht, 
Sei's wenn der Morgennebel früh verraucht, 
Sei's wenn der Abendthau die Blume nebst, 
Sei's Heute, morgen, künftig ober jegt! 

Mit dir allein zu fein, o weldes Gluͤck! 

Nicht hielt’ IH dann der Worte Schwall zurüd, 
Ausfträmend, was ih je für dich empfand, 
Würd’ ich ergreifen deine weiche Hanb, 
Bielleicht ermweckte meiner Rede Schwung 

In dir erwiedernde Begeifterung! 
Doch Ueberrafhung ift nur halb Gewinn, 
Nein, liebe mich, auch wenn ich ruhig bin. 


Auf dich zu Hoffen, mag's verwegen fein, _ 
Schließt diefe Hoffnung doch mein Leben ein. 
Und werd’ ih auch dein Lächeln nicht gewahr, 
And fpiel’ ih nie mit deinem blonden Haar; 


—_ 





186 


Stets bleibt, wie wenig mir bei bir gelingt, 
Mein Auge durch dein Angeſicht bebingt. 

Nichts fonft erblid’ ih, wenn ſich dieß mir bot, 
Für das, was um dich, fit mein Auge tot; 
Empfänglih ift es für ein einzig Bild 

Im Schlaf und wach, daheim und im Geſild. 


Mie, ftolz! wie falt! und ach, du fühlft zu fehr, 
Daß du mir Seel’ und Leben bift und mehr. 

Wie ſtolz! wie kalt! Nur menn ich fern von bir, 
Steht Mut mir bei und Hoffnung lächelt mir; 
Do nahft du dich, fo flimmt dein fremder Blid 
Mich zur Verzweiflung über mein Geſchick. 

Was lernt ſich nit? Was bringt fo große Bein, 
Als dieß unſel'ge Nichtgeliebtzuſein? 


O Ungewißheit, die mich ſtets umrankt, 

Auf deren Schaukel meine Seele ſchwankt, 
Was ſteht bevor? Was haͤltſt bu mir bereit? 
Haß, Neigung oder Unempfindlichkeit? 


Genug! Ich ſteh' an diefes Briefes Rand, 
Vergebens wuchs ex unter meiner Hand. 
Antworte, ſprich, und thue was du mußt. 
Mer dürfte ruhn an beiner lieben Bruſt! 
Kaum Hab’ ich je mich deſſen wert geglaubt, 
Es ruh' am Buſen dir ein ſchoͤner Haubt! 


187 


In diefen Zeilen nimm noch was ich Bin, 
Und gieb dereinſt es dem Geliebten bin, 
Damit er fragen möge feine Bruſt, 

Ob folder Treue fie fich fet bewußt. 


VII. 

-4822. 
Unmittelbarer der Natur verſchwiſtert 
Fühlt ſich mein Geiſt, wenn aufgebunf’ne Kleinkeit 
Mißguͤnſtig fh an ihm emporphiliftert, 


Zu ziehn ihn in bie eigene Gemeinheit; 
Den Strom bes Lebens fühlt er in fich quellen 
Mit neuer Kraft, in feiner. lautern Reinheit. 


Ihr mögt, o fommerliche Rafen, fehivellen 
Um mid herum, euch bald mit Blumen fliden, 
Beplätfchert von gebürgentfloffinen Wellen, - 


Und bald als Heu mit trodnem Duft erquiden; 
Ihr Bäume mögt euch unter Früchten beugen, 
Die Hocherfreulich aus dem Laube bliden; 


Der Himmel mag fih Wollen bald: erzeugen, . 
Und bald die Kuppel wieder überblauen: 
Ihr alle fein mir liebgewordne Beugen!. 


188 


Bon früher Jugend Habt. ihr mein Vertrauen, . 
Der Knabe ſchon, in Eindifher Bebrängniß, 
Berfuchte ih, an euch ſich frohzuſchauen, 


Und raſch entriſſen ward er dem Gefaͤngniß 
Der engen Bruſt, und über was ſie brütet, 
. Und ungetrübt erſchien ihm ſein Verhängniß. 


Nun Hat ſchon mander wilde Sturn gemütet, 
Doch Fehrt das Herz aus ungewiflem Streben 
Zu dir zurüd, von dir, Natur, begütet. - 


Gemildert zeigt Erinnerung das Xeben 
Im wehmutsvollen, aber ruh'gen Lichte, 
Wo Hell und Dunkel in einander fehmeben. 


Geſchichte mag ſich reihen an Gefchichte, 
Doch alle werden jene Lehre lehren: 
Das Schönfte wird am ſchnellſten auch zunichte. 


und fol ih nun mid in mir felbft verzehren, 
Wie? oder foll ich, taufendmal betrogen, 
Die Taufhung ins Umendlicdhe vermehren? 


Ein Herz befaß ich, das mir fihlug gewogen, 
Sp wähnt ich, das mein eigenfles ich nannte, 
Ein Herz, doch ad! es wurde mir entzogen. 


Mer kann berechnen was dich mir entwandte! 
Berehnen kann ich nur was ich verloren, 
Weil ganz und gar ich beinen Wert erfannte. 


189 - 


War's eigner Wille? waren’s eitle Thoren, 
Die mich verlifpelten mit falfchen Zangen, 
Die di, vor mir zu hüten dich, Befchworen? 


Nie wird es fehlen dir an Huldigungen, 
Do wehe mir, daß ih zu dir erhoben 
Mein Auge, daß dich je mein Arm uniſchlungen 


Ein feliner Zufall, den ih müßte loben, 
Mär’ er- mir nicht zur leid'gen Dual zerronnen, 
Ließ mich allein mit dir nach langen Proben. 


Wer immer weiß, wie jelten abgewonnen 
Dem neid’fhen Schickſal wird die guͤnſt ge Stunde, 
Wird mir verzeihen, war ich unbeſonnen. 


Naht war's, und allee ruhig in der Runde, 
Da wand ich feis den Arm um did), den bangen, 
Und ein Geſtaͤndniß flog aus meinem Munde. 


Du ſchienſt, dich nicht entzichend dem Berlangen. 
Einwilligend und überrafcht zu ſchweigen,“ 
Dod ich verlieh dich trunken und befangen! 


Im Wahn, daß unſre Seelen fi verzweigen, 
Die Herzen an einander würden ſchlagen, 
Verließ ih, was ih glaubte ſchon mein eigen. 


Do ſchlimmer ward’s in allen Folgetagen, 
Du wardft mir fremder als du je gewefen, 
Du? Nein id bir, fo hätt! ich follen fagen. 


N 


19 


Dich auszuſcheiden, wie vermag's mein Wefen, 
Das kannſt bu jebt in meinem Angefihte, 


Und wirſt es .einft in diefen Zeilen lefen, 


Wofern dich je befümmert was. ich dichte, 
Wofern vielleiht nah manchen langen Jahren 
Gin Zufall dir es fördert zu Geſichte. 


Menn ein, wovor bein Engel dich bewahren 
Für ewig fol, auf deiner ſchoͤnen Stirne 
Gefurchte Lilien ſich offenbaren: 


Vielleicht dann ſchiliſt du eine falſche Dirne 
Das Glück, das dir den treuften Freund entriflen, 
Und fluchft, wie ih, dem neidiſchen Geſtirne. 


O regte fi ſchon Heute dein Gewiflen, 
So müßt ich einfam nit im Stillen Hagen: 
Geliebt von bir, was wollt’ ih nicht vermiſſen! 


Wie wollt’ ih ſchnell mir aus den Sinnen ſchlagen 
Was mir bereiten unberuf'ne Gecken, 
Es iſt kein Schmerz, doch iſt's ein Mißbehagen. 


Nun muß ich's hier in Feld und Buſch verſtecken, 
Im Unlebendigen mein Selb betrachten; 
Du wärft allein ein Spiegel ohne Flecken! 


Doch Hiet fogar wird Kummer mich umnmachten, 
Sind's nicht die Plätze, wo du mir erſchienen? 
Die Stellen, wo wir grüßten uns und lachten? 


191 


Als ich gelebt son deinen theuren Mienen, 
Da ſchaut' ih, wenn ich diefe Fluren ſchaute, 
— Mur eine Folie von dir in ihnen. 


Nun ſteh' ich hier, der Zährenüberthaute, 
Wieviel ein Herz erträgt im Sinne habend, 
Das ſchon fih Himmel über Himmel baute. 


Rum ſteh' ich hier, mein eignes Glück begrabend, 
Mit gleicher Liebe hier am gleichen Orte, 
Wie jenen fchönen, ewig ſchoͤnen Abend. 


Doch ungehört verhallen meine Worte. 


— 


Chorobus der Kaſſaudra. 
Seroide. 
1815. 


Nicht von Munde zu Mund und nicht von Auge zu Auge 
Darf die Liebe den Drang ihrer Gefühle geſtehn: 
Strenge verfchließeft dus dich in Heilige, keuſche Gemächer, 
Giebſt zerſtörendem Schmerz, finnender Trauer dich Hin, 
Wechſelſt allein mit dem pythifchen Gotte verlorene Worte,‘ 
Der undanfbar dafür Sammer und Sorge verheißt. 
Zürne, Kaflandra, mir nit, und nicht dem verwegenen Griffel, 
Der mir Blide des Augs, Töne ber Lippen erfegt. > 
Siehe, mein Land verließ ich, die blühenden Freunde, den Vater, 


Der, von Jahren gebeugt, kindlicher Stütze bedarf. 


BE, 


12 


Di zu gewinnen mir, zog ich hieher: mit bebenden Haͤnden 
Gab mir den Segen der Greis, als ich die Schwelle verließ:. 

Lange, fo ſprach er, und Font ich der mahnenden Worte 

vergefien? _ 

Zange berühmt und ‚geliebt blüht mein erhaben Geſchlecht. 

Viele bewohnten bereits, die num du verläſſeſt, die Wohnung, 
Selbſt Unſterbliche ſchon lebten und gafteten bier. 

Alfo erſchien auch Einf mit Hermes Phoöbus Apollon, 
Und prophetifchen: Geiſis fagte der Deliergstt: 

Ewig beſteh' dieß Haus, wenn nie ein Gebieter des Hanſes 
Im unrechtlichen Krieg waffnet die zürnende Bruſt. 

Nie begegnete dieß, noch ſoll dieß jemals begegnen, 

"Und fo hofft' ich zu ſehn Enkel auf Enkel dereinſt. 

Aber ziehe num Hin zu Phrygiens Königin, Troja, 
Eine von Priams Stamm wähle zur. Beitin dir aus. 

Denn ihn haben die Götter begabt mit Knaben und Sungfraun, 
Während fie dich mir gefhenkt, einiger Sprofle des Stamme. 


Alſo fagte der Greis, und legte die bräutlihen Gaben 
Selbft im Wagen zurecht, der mid nad Troja geführt. 

Damals wohnte noch Helena nicht im Phrygerpallafte, . 
Duftiger Rauch umſchlang friedlich noch jeden Altar. 

Und ih fah dich im Prieftergewande, du ſchmückteſt das it 
Blumiger Aeſte Gewind zierte Tas wallende Haar: 

Kypria fchienft du zu jein, mit großen fehmachtenden Augen. 
Aber ver Thräne Gewicht hing an der Wimper bereite: 

Flieh, Unfeliger, flieh! So riefft du, wehe dem Ephen, 
Der mit Liebe fh fhlingt um den entwurzelten Baum! 


293 


Doch ich blieb; da Fam mit dem Raube der Held Alerandros, 
Aber die Fremdkingin wich die an Reiz und Geflalt. 

Bald erfüllten das Meer bie ſchwärzlichen Schiffe von Hellas, 
Und vor den Thoren der Stadt rief es zum wilden Gefecht. 

Do umfonft nur fandte der Vater mir Boten um Boten, 
Ad, wo Liebe gebeut, fruchtet ein ander Gebot? 


Was betrauerſt du wohl? Was fürchtet die ſchöne Kafandra? 
Slaube mir, Ilion fällt nie dur Pelasgergewalt; 

Denn 28 verzehren bie Feinde fich ſelbſt in verderblicher Zwietracht, 
Mit dem atreifhen Paar hadert noch grimmig Achill. 

Ewiger Klage geweiht burchlehft du den. Tag im Pallafte, 
Aber was feffelt dic dort eiwiger Klage geiveiht? 

Deine Gefhwifter vielleicht? fie fliehen dich, fchöne Prophetin! 
Oder des Phöbus Alter, den du mit Schauber bedienſt? 

Ober die Stabt, Die, mie du perkünbiget, bald in ben Staub finft? 
Oder bie heimifche Klar, nun in der Feinde Gewalt? 


Ziehe, Kaſſandra, mit mir zu den freundlichen Wohnungen Mygdone, 
Und mit braͤutlichem Schmud taufche das Prieftergewand. 

Statt der verhaßten Befehle des Gott's und der Totenorakel, 
Labe mit traulichem Ton Kindergelifpel bein Or. 

Das bevenfe du wohl, und verfage den wolfigen Wahnfinn, 
Der dir des heiteren Geiſts lieblichen Aether umhüllt. 

Eich mich an und dich felbft, fieh unfere glänzende Jugend, 
Sp vergefien wir Teicht Fünftiger Tage Geſchick; . 

Aber wir ahnen es kaum, es bewahren die Götter ihr Vorrecht, 
Bönnen dem Sterblichen nicht ihren unſterblichen Theil. 


Platen, ſammtl. Werke. 1. 13 


194 


Kloſter Königsfelden. 
1816. 


In der Kapelle Wölbung trat ich ein, 
Verödet feiernd nun in Ketzers Kant; 
Kein Briefler opfert mehr bier Brod und Wein, ' 
Kein weißer Knabe geht ihm fromm zur Hand. - 


Schlicht iR die Wand und ohne Schmuck und Gold, 
Doch ſtellt in Bildern fie den tapfern Chor, 
Den gegen Sempach führte Leopold, 

Urd der des Heldentods fich freute, vor. 


Bei Jedem feht ihr Wappen, Ram’ und Schild, 
Und knieend flehn fie hier um Bottes Huld; 

An ihrer Mitte hängt des Führers Bild: 

Du ſtolzes Herz, du haft gebüßt die. Schuld! 


Du haft erfahren, was ein Voll vermag, 
Das für den eiguen Heerd die. Fahne trägt:. 
So fterbe Jeder bis auf diefen Tag, 
Wer einen freien Mann in Ketten [chlägt.! 


Und hier, wo fonft ich ein Altar erhub 
Erlag ein andrer mächtiger Tyrann: 
Im falfhen Bufen feines Ohms begrub 
Den vatermörderifhen Dolch Johann. 


195 


Im Tode brad hier Alberts harter Sinn, 
Der feinem Bolt Feiheit verhielt und Recht; 
Allein der Ungarn flolze Königinn 
Berdarb die Mörder und ihr ganz Geſchlecht. 


Selbſt Greis und Säugling unterlag der Wut; ” 
Es ſchwur die Königinn, ale wär's in Thau, 

Zu baden fih in ihrer Feinde Blut: 

Hebt fih fo wild der Bufen einer Braut 


Dieß Klofter bauend, wo der Bater flarb, 
Belud Nltäre fie mit fremdem Raub, 

Mo in Gebet fe um den Himmel warb; 
Doch ſolchen Thaten ift der Simmel taub! 


Carr —— — 


Zu Nouſſeau's Stube auf der Petersiuſel. 
1816. 
In Schwarm der Welt, wieviel des eitlen Strebens, 
Ter Thorheit, die fie rügen und begehen, 
Wie viele Wünfche, doch gewünfcht vergebens, 
Die von den Rippen in ein Nichts verwehen! 
Nur Einfamfeit ift Nollgenuß des Lebens; 
Bo find zwei Herzen, die fih ganz verftehen? 
Wohl mir, daß Hier des Grams ich mich entlabe, 
Umringt vom menfchenleeren Wogenbade. 


— — — nn nn 





196 


An einen Freund, 
1816. 


Die Zeit war fhön, der Himmel glänzte wieder ; 
Und Tellus wob ihr buntgewirftes Tuch, 

Boll blauer Trauben duftete dee Flieder, 

Die Maiengloden freuten Wohlgeruch, 

Das leichte Volk mit farbigem Gefleder 

Durkhblätterte fein kleines Rotenbuch, 

Als auch der Frühling unfers Bundes lachte, 

Den die Natur zu ihrem Lenze machte. 


Beim erſten Blide war ich bir gewogen; 

Die ew'ge Liebe, die das AU durchdringt, 
Hat did für mid, Hat mich füt dich erzogen, 
Du flandef vor mir, wie den Gott befingt 
Die Hymne, weldher Leier trägt und Bogen: 
Mit jenem Ton, der aus bem Herzen klingt, 
Mit jenen, Zügen, die zum Herzen ſprechen, 
Ein Rofenbufh, dem alle Knospen brechen. 


— un. — — 


Zueignung. 
1817. 
Jene Stunde würd' ich dreimal ſegnen, 
Wo ich einſt die erſten Verſe lallte, 
Friſche Roſen ſchlingen jeden Morgen, 
Jeden Abend ſchlingen friſche Roſen 


- 


197 - 


Um dig Leier in ben fihönen Händen 
Bon Apollos Marmorbild im Garten, 
Könnten feine Gaben dich beiwegen, 


eg Mich zu weihn in deine große Liche. 
Fragmente. 
17. 
ö I. 4 . — 
Horch, wie die Nachtluft ſpielt in ven zierlichen Blästern des 
Ahorns, 


Schwermut breitet ſich aus über die Schatten bes Mens; 
Brieblich feiert, bewacht vom Hunde, die Tänbliche Wohnung, 
Welche der frühefle Schein tagender Nöte belebt. 
Auch in der lärmenden Stadt entuölfern bie Gaſſen gemach id, 
Seltener raſſelt ein Tritt über den Hallenden Stein. 
Wach in der Kammer noch fibt am Roden das dürftige Mädchen, 
Und mit dem Drange der Not ringt die Begierde bes Schlafe. 
Dort au wandelt noch wach, an der einſturzdrohenden Burgwand, 
Eines Betrübten Gehalt über Gemäuer und Schutt, 
Und an des moofigen Thors Schwibbogen, wo Ginfter und 
Perlaras.. 
Wuchern, der Tanne geſellt, lehnt er das lockige Haubt. 


Einſam löſt fein Buſen ſich auf in melodiſche Klagen, 


Und es verhüllt der Gefang füßer Geheimniſſe Schmerz, 
Alſo wölbt ſich dichtes Gebüfch von jegligdem Ufer 
Veber deu ſchwellenden Strom, der in der Wildniß erbrauft. 


i98 


Thoͤricht wähnſt du, o Menſch, als flechte der Weltenvegierer 


In das Gewebe ber Zeit deinen phantaftifhen Wunſch! 
Wenn fih Boreas ndht vom nördlichen Schlund des Gebürges, 
Schont er die Blüten am Baum? fchont er die Blumen im 
Gras? 
Koͤnnten die Lieben wir doch im traulichen Kreiſe verſammeln, 
Alle der Trefflichen dann freuen uns alle die Zeit! 
Aber es drängen fich zwiſchen uns Land, Fluß, Wald und 
Gebürg ein, 
Sehnſucht flimmert im Aug’ nad) dem verlöfchennen Bild, 
And den Buſen beherrfcht verheerende, zehrende Sehnfucht; 
Ohne des trauten Geſprächs lieblihen Wechſelgenuß 
Schwinden bie Tage dahin, und ſchwinden die rollenden Jahre, 
unwillkuͤrlich und fehnell ſtehn wir am Ende der Bahn. 


Yubelt immer, fo fange der blühendwangigen Jugend, 
Blondem Gelode verwebt, ſchimmert in Purpur ber Kranz. 
Selten, nur felten vollendet ein Glücklicher, was er beginnt Hier, 

Manchem Werke mißginnt Lacheſis frohen Beſchluß; 


Oft entführt fle die Braut, tie geſchmückte, dem Reigen ber 


Hochzeit, ' 
Und van der- Hälfte des Lieds reißt fie den Dichter hinweg. 
Glaubt ihr mit magischen Künften die zarten Gefpinnfte zu dehnen ? 
Selb der Gewalt'ge betäubt nie das verhängte Geſchick: 
Milo fällte den Stier mit der Hand, doch erlag er den Wilfen, 
Ajas, von feinem beflegt, fiel in das eigene Schwert. 
Welch ein Geſetz if das, hin durch Iahrtaufende fchreitend ? 
Tod, wie entflieh’ ich dir ſelbſt? Tod, wie vermeid' ich dein Bild? 


1% 


Drück' ih die nn bes zärtlichen Freundes, fe hör’ ich dich 
flüͤſtern: 
Dieſe vertranliche Hand nagen die Würmer dereinſt. 
Gebt uns die edlen Gebräuche zurück, die gehetligten, alten, 
Gebt uns die Flamme zurück, raſch zu vernichten den Leib’! 
Leuchten winde fie fih um die ruhig erfalteten Glieder, 
Und mit föflichem Staub miſche die Liebe den Wein. 


— 1-20 mn. 1... 


II. 


Sehn wir euch wieder um uns, ihr flurenverſungende Götter? 
Schmüden dir wieder, o Nai, Laubbiademe die Stirn? 

Loͤſe den Gürtel, Natur! Durch kaum entriegelte Fenſter 
In das erhellte Gemach Hflere Iabend der Weſt. 

Während der. Norbſturm fanf in der Tanne beladenem Wipfel, 
Auf den unfenntliden Weg ſtreuend die flodlige Laſt: 

Da vertrauen wir gerne dem Schupe geborgener Wohnung, 
Zünden das Häuslide Licht roh an ber Flamme bes Herbs; 
Brenn uns, wenn ns foban die neun unſterblichen Jung⸗ 

frau’n, 

Trauert — Garten :und Wald, eigene Frühlinge ſtreun: 
Klis feffelte mich, mich feſſelte Kaliopea, 

und fie entfalteten mir Bilde ans glücklicher Zeit: 
Klare Geftalten erfihienen por nir der erhabenen Vorwelt, 

Und es ſtaͤhlte der Geiſt fi ın dem teten Geſchlecht. 
Doch nun mahnet der Lenz an les Dafeins frohe Gewißheit, 

Mahnet zu leben, daß einſt Spätere nennen auch uns. 





200 | 


Alles ift Hoffnung! Es zürnt der umbillenden Feſſel die Knospe, 
Und von der Krone des Parks buhlt un die Wette das Lied; 
Weiß ich Gefänge doch auch, drum unter die gellenden Stimmen 
Miſche geregelt und ernſt fi das elegiſche Map: 
Alfo vermengt bem Geplätfcher. des. Bachs fi der 
Floͤte, 
Stimmt ſie am Ufer der Hirt, langeverhallender Ton. 


—— — — —“ 


III. 
O noch denl' ich mit Luſt der liellich daͤmmernden Mondnacht, 
Welche dem Abende ſchnell, der mich beglückte, gefolgt. 
Ach, es war nicht Nacht, es way nicht Schimmer bes Morgens, 
Silbern dämmerte rings, traͤunte die ganze Natur. 
Und fo fah ich den Mond verbreiten befreundeten Abglanz, + 
Sah in die Bäume hinein, biz er fo ruhig beſchien: 

Und da konnte der Schmerz nich; Wurzel faſſen im Herzen. 
Nicht an bittern Verluſt mahrt' ih, au künftigen, mid. 
Hatt' ich fie nicht noch eben gefrgen im Glanze der Jugend, : 

‚Und im doppelten Glanz roter Juwelen im Haar ? 

Und nun ſchlich ich allein vom kLindengedüft umbalfanıt, 
Dachte des Feſtes im Geiſt, dachte der Blume des Feſt's. 
Rollen noch hört! ih den Wagen, der dich mir auf immer 

entführte, 
Aber mich wiegte der Traum. aber ich fühlte mich leicht! 


— —— — — — 


201 


Gedichte im Geiſte der Anthologie. 
1812-1818. 
Brutns und Cato. 
Cato, hättet du ſtatt zu verwunden den eigenen Bufen, 
Eher des Julius Bruft, jenes Tyrannen, verlegt! 
Brutus, hätteft du flatt zu durchflogen das Herz bes Vaters, 
Eher geftoßen den Dolch bir in das eigene Herz! 


—- — — 


Hero und Sappho. 
Hero ſtirbt, die geliebte, den Tod in den Fluten erwählend, 
Sappho die Liebende ftirbt, wählend den Tod in der Flut, 
Eros, geaufamer Gott, dir fanfen fle beide zum Opfer, 
Führe denn du fie hinab in ber Perfephone Reich; 
Doch an ben. Buſen Leanders geleite die ſeſtiſche Jungfrau, 
Aber zum lethiſchen Strom führe die Leshierin. 


— — — — 


Der Lorbeer. 


Sieh, es bricht ſich Apoll den Zweig der verwandelten Daphne; 
Iſt die Liebe dahin, labt der Gedanke daran. 


Alexranders Grab. 
Wie, es folgt der Gewalt'ge dem fackelſendenden Jungling? 
Taufende führt ex ihm zu, gieng fodann felber mit ihm. 


ar 


202 


4 
&äfer am Nubikon. 
Hier am Rubifon fpaltete fi die Seele des Cäſar, 
Am dieffeitigen Strand ließ er die Hälfte zurüd. 


4 


—— — — — 


Au die Muſe. 
Amme des Kinds warf du, nun bift bu Geliebte des Juͤuglings, 
Gattin werde dem Mann, Pflegerin werbe dem reis, 
Noch beſitz' ich dich nicht, noch ſtreb' ich, dich zu beſitzen: 
Taufh ih mich? Wirkt bu mir auch lifpeln das bindende Ja? 


— — — — — 


Nachleſe der Liebe. 


Hinter mir liegen die Tage der Glut, der elegiſchen Inbrunſt, 
Als mir die Sehnſucht ganz Leben und Denken verſchlang: 

Jetzt bringt felten ein Zug, ein ähnlicher jenem Geſicht, mir 
Sonftigen wahren Gefühle Schattengefühle zurüd: 

Liebe, du ſchieneſt mir einſt langwärmende Sonne des Mittags, 
Flüchtig entfunkelſt du jegt, Wettergeleuchte bei Nacht. 


Diftichen. 
Flüchtig verhallt ihr Diftichen wohl lieblofen Gemütern, 
Aber ein ſehnendes Herz findet ſich wieder in euch. 


Lange fah ich dich, fannte dich Tange, bevor ich dich liebte, 
Jener verborgene Keim fproßte nun mädtig enıpor. 


— — — 





Ploͤtzlich fühlt’ ih Das Herz entflammt mir, das ehebem kalte, 
Was das meinige war, leider das beinige blieb's! 


Dftmal welt’ ih dir fagen, geflehn dir, was ich empfinde, 
Aber das Beben der Bruſt theilte der Lippe fi mit. 

Wär ich allein bei dir, ach alles vermöcht' ich zu fagen, 
Keine Sylbe jedoch vor des Belaufchenden Ohr. 

Liebteft du mi, fo fühlteft du lange, wie fehr bu geliebt wirft: 
Nur ein befangenes fleht in ein befangenes Herz. 

Manchmal meid' ich dich wohl, nich nicht zu verraten aus Vorſicht, 
Doch zu verraten das Herz bleibet mein einziger Wunſch. 

Wenn dein Auge das meinige trifft, verſchiedene Blicke! 
Deiner ſo ruhig und kalt, meiner ſo glühend und ſcheu. 


Penn wein Auge verweilt anf deinen aͤtheriſchen Zügen, 
Gleicht es dem ſchuͤchternen Mond, wandelnd Die Himmel hindurch. 


Ewig wirft du, und ſtehſt du mir nicht zur Seite, mir nah fein. 
Steh ih zur Seite dir felbft, fühkt du dich ferne von mir. 


Sollt' ich nn, täuſchen, und wärſt du mir wirklich, und mwärfl 
du gewogen? 
Täufchen? So lange beftehn flüchtige Taufchungen nicht! 


Lieben! Ihr fragt nich, was unglüdlicher Liebe Gewinn fei? 
Iſt nicht Liebe für fih ſchon ein lebend'ger Gewinn? 

Menn ich gefchieben von dir, wie fehn’ ich mich, dir zu begegnen! 
Aber begegm’ ich dir auch, welches vergängliche Glück! 





204 


Wenn du des. Tags zwei furze Minuten erfchienft mir, fo mar ig 
Alle die kommende Zeit jener Minuten gebenf. 

Dürft ih unſichtbar dich und Atherifch umfchweben, o dürft' ich 
Mengen. mich unter die Luft, die um die Lippe dir ſpielt! 


Die bei Tag dich umgeben, beneib’ ih, aber zur Machtzeit- 
Neid’ ich den filbernen Mond, der in die Fenſter bir ſchaut. 


Verſe gelingen mir manche, für dich gelingen mir. manche, 
Aber ich reiche fie nie, füße Gefchenke, dir dar!. - 

Freilich es if wur ein Ton, dieß kurze, melobifche Verschen, 
Doc dein liebendes Herz dichte die Worte dazu. 


Trennung, welche bevorſteht noch, ift jede Gemeinſchaft, 
Und im Leben it Raum nur für ein Lehe du wohl! 
Länder befah ich umfonit und Menfchen gewann ich vergebene; 
Aehnliches deiner Geſtalt ſucht' ich, doch fand ich es mie. 


Hör’ ich bei ruhiger Nacht ein lieblich ſchmetterndes Poſthorn, 
Frag’ ih mich felber im Traum: Kommt die Beliebte vieleicht ? 


Nom mn 


Der Dichter und bie Lefer. 
1819. 
Die Sefer. 
Bil du eiwig radebrechen, 
Strophiſch, Freund, und antiſtrophiſch? 


205 


Berne lieber Brofa ſprechen, 
Denn. wir werben philoſophiſch. 
Laß denn endlich ab som Singen! 
Glaubſt du, bei fo Mugen Seiten 
Wirklich an den Mann gu bringen 
Deine zarten Nleinigkeiten? 


Der Dichter. 


.Denf euch, daß ihr fo mich richtet! . 
Maͤr't ihr früher Doch gekommen! 


Seht, Die Lieder find gedichtet, 

Seht, ihr habt fie felbft vernommen. . 
Euch gefallen laßt das Büchlein, 

Lest es in vertheilten Gaben, 

Jedes Berschen, jedes Sprüdjlein 
WIN tie eigrie Stimmung haben. 


Fragment. - 
1819. | 


Welch ein böfer Trieb, o Seele, ſtachelt dich ohn' Unterlaß? 
Bändige die Rachegeifter, zähme deinen wilden Haß! 

Nur Geduld, und wen’ge Tage, und du wirft fie nicht mehr fehn, 
Und im Herzen und im Raume wird ihr Bild dir untergehn. 
Mas auf ewig bir verſchwunden, zufll du dann vielleicht zurüd, 
Was dir jet no Dual bereitet, das beweinſt du als ein Glück. 


— 


Möchteft wiederfehn ihr Antlitz, deinem Auge lang entrüdt, 
Shren Mund, auf den der deine die beſcheidnen Küffe drüdt. 
Litt ih nit, und war nicht Damals eine Welt von Sammer mein? 
Mußteft denn auch bu mich ſuchen? und nun büg’ ich's ganz allein. 
Wirft du, Tod, und wann verwandeln biefen ſchwachen Körper, 
ſprich? 
Nun der Haß und erſt die Liebe rüttelten ihn fürchterlich. 
Welch ein Wahnfinn faßt mich? Himmiel! o vergieb die wilde Glut! 
Hießeſt bu nicht lieb und gut mir? hieß ich Dir wicht lieb und gut? 
Zwar vergeflen will ih, muß ih, denn ich fhwur's und halt’ 
, Ar: es treu, 
Doch zum Abſcheu ſoll nicht werden, -was da warb gerechte Scheu. 


ne 


Das Kreuz. 
1819. i 


CEhmals Hingen Schleierwolfen 

Un: did her mit goldnem Ranfte,. 
Do nun werfen alle Sonnen 
Ihre Stralen auf did Bin. 


Ja du trägft die Macht des Heilande, 
Der da wog bie Kugelhälften: 

Sieh! und Naht umfloß die nicht'ge,“ 
Die gewicht'ge Morgenrot. 


Ausgefpannte Mittlerarme 
Schwebten zwifhen. Erd' und Himmel, 


207 


Ihm zu Haubie faß ber Vater, 
Ihm zu Füßen lag die Welt. 


Laß mit warmen Liebesarmen 

Mich dein dürres Holz umfledhten: 
Einft noch wirft du, theures Sinnbild, 
Grünen und in Blüten ſtehn. 


24 


Chriſtuacht. 
1819. 


Der Engel der Verkündigung. 
Seraphim'ſche Heere 
Schwingt das Goldgefieder 
Gott dem Herrn zur Ehre, 
Schwebt vom Himmelsthrone 
Durch's Gewoͤlk hernieder, 
Süße Wiegenlieder 
Singt dem Menſchenſohne! 


Ein Hirte. 

"Bas feh’ ih? Umgaukelt mid Schwindel und Traum? 
Ein leuchtender Saum 

Durchwebt den azurenen, ewigen Raum, 

Es fchreitet die Sterne des Himmels entlaug, 

Mit leifem Gefang, 

Der feligen Schauren mufitifcher Gang. 


208: 


Cbor'der Hirten. 
Die Engel ſchweben fingenb 
Und fpielend durch bie Lüfte, 
Und fpenden füße Düfte, 
Die Lilienftäbe ſchwingend. 


Chor der Beraphim. 
Wohl auf, ihr Sirtenfnaben, 
Es gilt dem Herrn zu dienen, 
Es ift ein Stern erfchienen, 

Ob aller Wels. erhaben. 


Chor der Hirten, 
Wie aus des Himmels Thoren 
Sie tief herab ſich neigen! 


Chor der Seraphim. 
Laßt Eigentriebe ſchweigen, 
Die Liebe warb geboren! 


Der Engel der Verkündigung. 
Fromme Glut entfache 
Jedes Herz gelind, . 

Gilt nah jenem Dache! 
Betet an das Kind! 


Jener heißerflehte 

Hort der Menfchen lebt, 
Der euch im Gebete 
Lange vorgefjwehr. 


209 


Traun! die Macht des Böfen 
Sinft nun fort und fort, 
Sener wird erlöfen 

Dur das eine Wort. 


Chor der Hirten. 
Preis dem Geborenen 
Bringen wir bar, 

Preis der erforenen , 
Bläubigen Schaar! 
Engel mit Lilien 
Stehn im Azur, 
Fromme Bigilien 
Singt die Natur. 


Der den kryſtallenen 


! Himmel vergaß, 


Bringt zu Gefallenen 
Ewiges Maß! 


Der Engel der Verkündigung. 
"Schon Ief ih in den Weiten . 
Des Fünft'gen Tages bang, 

Ich Höre Völker fehreiten, 
Sie athmen Untergang. 


Es naht der müben Erbe 

Ein frifher Morgen fi, 

Auf diefes Kindes „Werde“ 

Erblüht fie jugendlich. 
Platen, ſämmtl. Werke. 1. 





i 210 


Chor der Seraphim. 
Pergeßt der Schmerzen jeben, 
Vergeßt den tiefen Fall, 

Und lebt mit uns in Eden, 
Und lebt mit uns im A! 


Dfterlied, 
1820. 


Die Engel fpielen noch uns Grab, 
Doch Er ift auferftanden! 

O trüg’ ich meinen Pilgerftab 

Nach jenen Morgenlanden, 

Zur Felſenkluft 

Mit hohler Gruft, 

Denn Er ift auferflanden! 


Mer nur fein eigner Goͤtze war, 
Geht unter in dem Staube, 
Mit jener lichten Engelfchanr 
Berfhwiftert nur der Glaube. 
Mer liebenn ftrebt, 

So lang er lebt, 

Der hebt fi aus dem Staube! 


211 


So laß uns, wie du ſelbſt, o Sohn, 
Rüdfehren aus der Hölle! 


»O daß fchon jetzt Poſaunenton 


Bon Bol zu Pol erſchoͤlle! 
Dein Stadhel ſticht, 

D Top, uns nit, 

Du flegft nit ob, o Hölle! 


— — —— — 


Auf Golgatha. 
1820. 
Pilgrim. 
Bebend finf ich nieder 
Im Genuß der Andacht, 
Frommgewohnte Seele! 
208 dih auf in Wehmut! 


Greis. 

- Selig ift die Jugend, 
Schon der Thräne wegen! - 
Lange troff mir Feine 
Bon der Falten Wimper. 


Pilgrim. 
Ha, wer bift du, Alter? 
Auf der Schäbelftätte 
Haft du dich gebettet, 
Und die Nacht ift ſchaurig! 





‚ 


212 


Greis. 
Freund, ich bin ein Freier 
Um die Hand des Todes: 
Ah, der Moder düftet 
Schoͤner als die Roſe. 


Pilgrim. 
Bald die Stirn dir küſſen 
Werden Todesengel, 
Denn wohl neunzig Winter 
Sahft da ſchwinden, Alter? 


Greis. 
Wenn du richtig zählteft, 
Hieß' ich noch ein Jüngling; 
Dieſe Scheitel bleichten 
Mehr denn tauſend Jahre. 


Pilgrim. 
Schauder faßt mein Innres! 
Haͤltſt du durch geheime, 
Magiſche Beſchwoͤrung 
Alle Zeit in Banden? 


Greis. 
Bleibe, Pilgerknabe! 
Höre, klag' und zittre: 
Nicht ein Magier bin ich, 
Bin der ew'ge Jude. 


213 


Pilgrim. 
Biſt du jener Wilde, 
Der den Herrn verſtoßen, 
Des gebannten Volkes 
Nun ein klaͤglich Bildniß? 


Greis. 
Nun ein ewig Bildniß 
Diefer Heimatlofen, 
Die an feiner Stätte 
Tempel Gottes bauten. 


Yilgrim. 
Senen Seelenfrühling 
Haft du nit durchjubelt, 
Liebe ſchmolz die Menfchen, 
Und du flohft die Liebe? 


Greis. 
Darum ſteht das Herz mir 
Stille nicht im Buſen, 
Suchen mußt' ich Weisheit, 
Durch Aeonen wandelnd. 


Pilgrim. 
Streng ift eure Buße, 
Deine, deines Volkes! 
Doch wie lange jchleppen 
Wirſt du diefe lieder? 





- 


214 


Greis. 
Bis er wiederkehret, 
Der Erſtand'ne, wieder, 
Bis ihr gottgeſtaltet, 
Wie er ſelbſt, hervorgeht. 


Pilgrim. 
Unfer 8008 erfenn’ ih: 
Ehöner wirb dereinft uns 
Sener Hain ſich aufthun, 
Den entflüchtet Adam. 


Greis. 
Zwieſpalt um euch ringeher, 
Sn euch felber Zwieſpalt, 
Seufzt ihr auf in Tempeln: 
Herr, erlöf’ vom Nebel! 


Pilgrim. 
Unfer Loos Erlöfung 
Durd den Sohn Verföhner! 
Klare Weisheit leuchtet, 
Wo gedämmert Unſchuld! 


&reis. 
Durch den fchranfeilofen 
Himmel Flingt ein Hymnus, 
Klingt der Auferftehung 
Siegesweltenhymnus. 


215 


Pilgrim. 
Er auch kehret wieder, 
Der zuerft begonnen 
Jenes Kampfes Löfung: 
Liebe bringt Erlöfung. 


Greis. 
Wenn er fomnt, befreit er 
Diefe müden Glieder. 
Zweifel find wie Nebel, 
Sonnig iſt der Glaube. 


Pilgrim. 
Habe Danf, Ergrauter, 
Kür die heil’ge Deutung, 
O fv laß uns beten: 
Herr, erlös vom Uebel! 


— — — 


Die Autiken. 
1820. 

Laßt uns ledig, und öffnet ſogleich Ruſtkammer und Wandſchrank! 
Nicht am dumpfigen Ort in Gewölben zu wohnen geziemt uns: 
Denkt doch, was wir und wo wir geweſen, und ſchenket uns Mitleid! 
Dieß uralte Gefäß war einſt der ägyptiſchen Gärten 
Zier, und Cleopatra ſelbſt ließ füllen mit Myrtengezweig es; 
Dieſer geſchnittene Stein, ein doppeltgeſchichteter Onyr, 


216 


Zierte des jungen Antinous Hand; als koͤſtlichen Ringſchmuck 
Trug ihn der fohöne, doch ach! zu frühe Yergätterte Jüngling; 
Ih, ale Hermes, fiand in der Halle des Eäfar Auguftus, 

Wo mich ein Lorbeergewächs mit füblichem Duft anhauchte. 
Und nun Habt ihr uns hier aneinandergehäuft und georbnet, 
Eines das andre verdrängend, und dieß durch jenes verbunfelt, 
Keins am ſchicklichen Ort, in belebendem Schimmer der Sonne. 
Eelbft das gelehrte Gefiht des begaffenden Kenners ermüdend, 
Liegen gefchichtet wir hier, gleich traurigen Knochen im Beinhaus, 
Und in empfänglicher Bruft aufregen wir fehmerzlihe Echnfucht 
Nach den Tagen, in denen wir faft wie Lebentige prangten. 
Zieht nicht Roſen auch ihr, frifchhlühende Flechte zu winden 
Um ben etruriſchen Krug und die Scheitel der Büfte von Marmor ? 
Habt nicht Tempel auch ihr, nicht ſchattige Bartenarfaden, 
Dafi ihr uns dorthin pflanzt in die Nähe des ewigen Himmels, 
Jedem Befhauer zur Luft, und felbft zur fügen Gewohnheit? 


Fauſt's Gebet. 
1820. 
Allfhöpfer, warum warfft du zwifchen Erb’ und Himmel mid), 
Und mebtef bein Geheimniß unter mir und über mir, 

Und füllte dieß Gemüt mit Sehnſucht nad) Allwiſſenheit? 
Mur langfam foll ich faſſen di, dir folgen Schritt vor Schritt 
ch alle Krümmungen des großen Weltenlabyrinthes ? 

"inemmale moͤcht' ich überfhaun dich und mid, ſelbſt, 


217 


Und überheben möcht! ich mich bes Targen Menſchenſeins. 
Kann je genügen mir das Nätfelhafte, darf ich je 

An di den kleinen Mapftab legen diefer Spanne Seit? 
Denn ih die Sterne, Herr, dort oben, bie unendlichen, 
Nochſtammle dir, nachzaͤhle dir, nachmillione bir, 

Wie möcht’ ich ſchwingen mich, von Welt zu Welt hin, ewig fort, 
Der Iſis vor mir her aufrollend großes Schleiertuch; 
Daran befriedigend der Sinne hohen Lebensmut, 

Was meine Zahl nur faflen kann in leere, nicht'ge Form. 
Bir werfen Maulwurfshlide zwergicht in die Wiſſenſchaft, 
Des Allernaͤchſten Fremdlinge, wie des Entfernteften. 

Was in den Boden diefe Bäume wurzelt, wer verſteht's? 
Bas diefe Lüfte kaum vernehmbar lifpeln, wer verficht’s? 
Sie alle fagen Etwas, doch fie fagen Nichte zu mir, 

Und ihre Sprache Flingt dem eingefchränkten Sinne fremb. 
Ad, fo begegnet immer feltner ein Verwandtes mir, 

Und Wenige nur verfichn das Weben diefer tiefen Bruſt: 
So hauch' ich's feurig nun in ahnungsvollen Dichterflang,, 
Doch ah, das Wort zerftüdelt, kümmerlich, Unendliches! 


Abſchied von der Zeit. 
"41820. 
Konnt' ih bo fonft mich auferbauen, 
Den luſt'gen Lauf der Welt befchauen, 
Nun Hör ich die politifchen Schellen 
Mir ewig vor den Ohren gellen, 





216 


gierte des jungen Antinous Hand; als Eöftlihen Ringſchmuck 
Trug ihn der fchöne, doch ach! zu frühe Yergötterte Juͤngling; 
Ich, ale Hermes, fiand in der Halle des Caͤſar Auguftus, 

Wo mich ein Korbeergewächs mit fühlihem Duft anhaudhte. 
Und nun habt ihr uns hier aneinandergehäuft und geordnet, 
Eines das andre verbrängend, und dieß durch jenes verbumfelt, 
Keins am ſchicklichen Ort, in belebendem Schimmer der Sonne. 
Eelbft das gelehrte Gefiht des begaffenden Kenners ermüdend, 
Liegen gefehichtet wir Hier, gleich traurigen Knochen im Beinhaus, 
und in empfänglicher Bruft aufregen wir fehmerzliche Sehnſucht 
Nah den Tagen, in denen wir faft wie Lebentige prangten. 
Zieht nit Roſen auch ihr, frifhhlühende Flechte zu winden 
Am den etrurifchen_ Krug und die Scheitel der Büfte von Marmor ? 
Habt nicht Tempel auch ihr, nicht fhattige Gartenarfaden, 
Daß ihr uns dorthin pflanzt in die Nähe des ewigen Himmels, 
Jedem Beſchauer zur Luft, und felbft zur füßen Gewohnheit? 


Fauſt's Gebet. 
1820. 


Alfchöpfer, warum warfit bu zwifchen Erb’ und Himmel mid, 
Und webtefl tein Geheimniß unter mir und über mir, 

Und fülltefl dieß Gemüt mit Sehnſucht nah Allwiſſenheit? 
Nur langfam foll ih faflen di, dir folgen Schritt vor Schritt 
Dur alle Krümmungen bes großen Weltenlabyriuths ? 

Mit Einemmale möcht ich überfhaun dich und mich felbft, 


217 


Und überheben möcht’ ich mich des kargen Menfchenfeine. 
Kann je genügen mir das Nätfelhafte, darf ich je 

An dich den Heinen Maßſtab legen diefer Spanne Zeit? 
Wenn ich die Sterne, Herr, bort oben, die unenblicdhen, 
Nochſtammle dir, nachzaͤhle dir, nachmillione dir, 

Wie möcht’ ich ſchwingen mid, von Welt zu Welt Hin, ewig fort, 
Der Iſis vor mir ber aufrollend großes Schleiertud; 
Daran befriedigend der Sinne hohen Lebensmut, 

Mas meine Zahl nur faflen kann in leere, nicht'ge Form. 
Wir werfen Maulmurfsblide zwergicht in bie Wiffenfchaft, 
Des Allernächften Fremdlinge, wie des Entfernteften. 

Was in den Boden diefe Bäume wurzelt, wer verſteht's? 
Was diefe Lüfte Faum vernehmbar liſpeln, wer verſteht's? 
Sie alle fagen Etwas, doch fie fagen Nichts zu mir, 

Und ihre Sprache Flingt dem eingefchränften Sinne fremd. 
A, fo begegnet immer feltner ein Verwandtes mir, 

Und Wenige nur verfiehn das Weben diefer tiefen Bruft: 
So hauch' ich's feurig nun in ahnungsvollen Dichterflang, 
Doch ah, das Wort zerftüdelt, kümmerlich, Unendliches! 


Abſchied von der Zeit. 
’ 4820. 
Konnt’ ich doch ſonſt mich auferbauen, 
Den luſt'gen Lauf der Welt befchauen, 
Run hör ich Die politifehen Schellen 
Mir ewig vor den Ohren gellen, 





- 


218 


Das Kleinfte feh ih zu hoͤchſt fi ſchwingen, 
Als wolle der Staat die Welt verfihlingen! 


Wie fühl ich frei mich und beglüdt, 

Daß man noch Blumen auf Wiefen pflüct, 
(In Gärten will ſich's nicht mehr ſchicken, 
Auch nur ein Blaͤttchen zu zerfnicen), 
Daß Jedem, welcher geht fpazieren, 

- Man nicht den Paß erft laßt vifiren, 

Und nit ihm, daß man ihn erkennt, 

Die Hausnummer auf die Nafe brennt. 


Zwar dachte man an all das nie 
Zur Zeit der alten Defpotie, 

Do find wir fonflige SHavenhorben 
Auf einmal liberal geworden, 
And wiflen in unferm Volksverein 
Dor Freiheit weder aus noch ein! 


O würde, was da lebt und handelt, 

In eine Papierfabrif verwandelt, 

Und der Vogel, ber in ben Lüften fegelt, 
Nah Theorien des Staats geregelt! 


Doch was die Zeit uns au verſpricht, 
Natur! verfiege du nur nicht! 

Du Mähtige, Mannigfache, Reiche, 
Berfinke nicht ins flache Gleiche! 


* 


> 


219 


Doch du Haft niemals mitbefchworen 


- Den Nberwiß befchränkter Thoren, 


Du ftrebteft nie, daß Eins wie's Andre, 


Und gönnft, daß Jeder in Frieden wandte; 


Den Beifen Hull du in dein Licht, 
Und giebft dem Schaf ein Schafsgefidt; 
Der Mittelmäßigfeit Gewühle 

Reibſt du zu Staub auf deiner Mühle, 
Und rufft, zu fchalten weit und breit, 
Das Große hervor von Zeit zu Zeit. 


Erzieht nur, bildet unverdroflen, 

Es fpielt Natur euch Allen den Poflen! 
Doch wird ein Eſel euch geboren, 

Sy Fultivirt ihm ja die Ohren! 


Germania! Weib soll edler Hier, 

Dein legter Dichter ſteht vor bir! 

Er fpriht: O laß dich nicht verführen, 
Did nicht in pelitifhe Ketten ſchnüren! 
D laß dich länger nicht betreffen, 
Ausländifchen Dünkel nadzuäffen, 

Um anzuflaunen, um einzuholen, 

Was abgefhliffen du an den Sohlen! 
Du, wußte das Große fonft zu nähren, 
Und liegeft Einzelnes gern gewähren, 
Es war dir Kraft und Fülle verliehen, 
Und wußteft nichts von Theorien, 





N 


A 220 


Und zogſt auf mannichfaltiger Spur, 
Ein Bild der ewigen Natur! 

Nun fehlagen fie dich über Einen Leiften, 
Daß du feift, wie da find die Meiften. 


Geſcheh's denn, was du willig erforen! 
Und, lebe wohl! du bift verloren: 

Auf ewig fhwörft du nun Bernihtung 
Der alten Liebe, der alten Dichtung; 
Und ad! bein Sänger kann allein 

Auf Trümmern ein Ieremias fein. 


— ne — — — 


1820. 
Sejp doch nicht fo droll'ge Kaͤuze, 
Laßt uns treiben, was wir koͤnnen! 
Ueberlaßt uns unſerm Kreuze, 
Da wir euch das eure goͤnnen. 


Da wir's jedem Würdentraͤger 
Goͤnnen, ſei er Zollinſpektor, 
Oder ſei er Armenpfleger, 
Oder Polizeidirektor. 


Wenn wir nun ein Dichter wären, 
Wollt ihr's uns vielleicht verdenken? 
Laßt uns unſer Thun gewähren, 
Da wir eures nicht beſchraͤnken. 


221 


Gloſſe. 
1820. 


Konnte dein Gebot mich zwingen, 
Keine Bitte je zu wagen: 

Dieß nur kannſt du nicht verſagen, 
Mein verliebtes Lied zu fingen. 


Als du — horch nur auf bie Gloſſe — 
Mir zum erſtenmal erfchienen, 

Prüften taufend Amorinen 

Bor dir Her ihr Wurfgefchofle ; 

Aber ihre goldnen Schwingen 

Mit der Scheere zu beſchneiden, 

Dich zu fliehen, di zu meiden, 
Konnte dein Gebot mich zwingen. 


Diejes Auge, das mid; blendet, 
Diefer Wangen weiche Blüte, 

Und die feelenvolle Güte, 

Welche jeben Zug vollendet: 

Sprich, wer wollte nicht verzagen, 
Sieht er Knosp' an Knospe fprießen, 
Menn er nämlich fol befchließen, 
Keine Bitte je zu wagen! 


Doch zu ſchmieden luft'ge Plane, 
Doch zu gehn und nachzuahmen 


Schäferlich geliebte Namen 

Auf der Rinde der Platane; 

Dod das eigne Herz zu fragen, 
Wie's der übermüt’gen Bürde 
Lediger und leichter würde, 

Dieß nur kannſt du nicht verfagen. 


Daß ich nicht umfonft mid mühte, 
Daß ih nit umfonft mir fehlte, 
Nicht umfonft mid) lange quaälte, 
Und nit ganz umfonft entglühte, 
Daß ih, follte mir's mißlingen,, 
Dennoch mid ergöß' am Scheine, 
Goͤnnſt du, ja, du gönnft dieß Eine: 
Mein verliebtes Lieb zu fingen. 


er —— 


An Goethe. 
Glofſe. 
1821. 


Kennen dich den großen Dicter, 
Wenn dich auf bem Markte zeigeft, 
Berne Hör’ ig, wenn du fingefi, 


Unb ich horche, wenn bu ſchweigeſt. 
Wefröfiliger Divan. 


Wer ein fhönes Lied erfunden, 
Darf dich rühmen, darf dich preifen, 
Weil nur er dich ganz empfunden, 
Di, den Glücklichen, den Weifen, 


223 


Der die Welt fih überwunden. 
Quaken mag im Sumpfe bdorten 
Jenes tückiſche Gelichter, 
Doch die beſten aller Orten ? 
Bilden fi an. deinen Worten, 
Nennen did den großen Dichter. 


Jene Schiefen, jene Lahmen 

Möchte gern auch dich ermüben, 
Bieten feil in fremden Rahmen 
Bodenlofe Platitüden 

Unter weltberühmten Namen. 

Aber jedem der Berächter, 

Denn aud du, wie Götter, ſchweigeſt, 
Schallt des Volkes laut Gelächter, 
Doch ein Jubel tönt, ein ädhter, 
Wenn di auf dem Markte zeigeft. 


Als die Welt im Schwindel kreiſte, 
Irrthum tauſendfach fi regte, 

Daß er Die und Jenes leifte, 
Sahſt du ruhig das Bewegte 
Spiegeln fi in deinem Geifte. 
Neidvoll wird die Nachwelt fragen, 
Wenn bu did der Zeit entſchwingeſt, 
Ber fih nad dir dürfte wagen, 

Dir von Mund zu Mund zu fagen: 
Gerne Hör’ ih, wenn du fingefl. 





2241 


Wenn die Zeit auch viel bedrohte, 
Wenn in Stratforde alten Hallen 
Schläft der theuxe, große Tote, 
Wenn ber Kiel der Hand entfallen, 
Melche fchrieb den Don Quixote: 

Du doch lebft, uns zu beglüden, 

Der du beider Sinn uns zeigeft, 
Beide würden mit Entzüden, 

Wenn du fprihft, vor bir fih büden, 
Und id horche, wenn du ſchweigeſt. 


1824. 
Ein jedes Band, das noch ſo leife 
Die Geifter an einander reiht, 
Wirkt fort auf feine flile Weiſe 
Durch unberechenbare Zeit. 


Nicht zu viel und zu viel, 
1821. 

Singt nur in Florenz Terzinen, 

Und Ottaven in Sieilien, 


Zu Paris Alerandrinen, o 
Und in Spanien Redondilien, 


223 


Singt, ihre Brittm, Spenſerſtanzen, 
Und Kaſſiden fingt, ihr Perſen: 
Arm an Maß zwar iR der Deutſche, 
Doch nur allzurcich an Berfen. 


— — — — — 


Sprüche und Bilder. 
1821. 


Altes Holz verbraudh am Herde, 
Und das junge wirf in’ Ofen: 
Gieb dich ab mit jungen Weibern, 
Und mit alten Philofophen. 


Bute Berfe fchreib in Bücher, 
Schlechte Verſe fchreib auf Teller, 
Offen laß dein Haus für Alle, 
Toh für Freunde nur den Keller. 


Klag’ nicht, wenn Bein Rod zerrifien, 
Laß dir machen einen netten, 

Doch begehft bu dumme Streiche, 
Sollſt du mehr thun, als berenien. 


Wenn von Thau fie Herrlich gliftert, 
Sentt die Rof’ ihr Haubt gewaltig: 


\ Stirnen, die Juwelen tragen, 
: Neigen fih, von Kummer faltig. 


Blaten, jämmtl. Werte 1. 15 





fi u 
N 
> 
. 


Wenn du Froſt Haft am den Armen‘, 
Mußt du tragen einen Kittel: 

Um zu leben mit den Menſchen, 
Iſt Geduld das einz'ge Mittel. 


Einem Lahmen, flieht er unten, 
Sf der Berg unüberwindlich; 
Willſt du dich bei. Großen fördern, 
Sei gefehmeidig, fei verbindlich. 


Wird ein Duell zum tiefen Beden, 
Endet all fein Murmelrauſchen: 

- Der Erwachfne fol fi ling 
Nicht in Poeſie beraufchen. 


— 0. 


An Goethe. 
Mit ven Bafelen. 
1821. 

Dein Name fteht zu jeder Friſt 
Statt eines heiligen Symboles 
Auf Allem, was mein eigen if}; 
Weil du mir Stern bes Dichterpoles, 
Weil du mir Schacht des Lebens bif. 


Der Drient fei neu bewegt, 
Soll nit nad dir die Welt vernüdtern; 


227. 


Du felbft, du haſt's in ung erregt: 
So nimm hier, was ein Jüngling ſchüchtern 
In eines Greiſes Hände legt. 


— nn uni 


An Zean Paul. 
Mit den ®afelen. 
1821. 
Vielleicht, daB dich dieß Buch berührt, 
Man fchelt' und tadl' es noch fo häufig; 
Denn wer den Streckvers eingeführt, 
Dem find Gaſelen auch geläufig. 


An Döpderlein. 
Mit ven Gaſelen. 

1821. 
Swar in Wolfen ſchwindelt die Cypreſſe, 
Doch Muſik erfüllt den Kelh der Tulpe; 
Zum Jahrhundert altert die Cypreſſe, 
* In der Jugend ſtirbt die weiche Tulpe; 
Laß dich von helleniſcher Cypreſſe, 
Laß dich dennoch nieder auf die Tulye. 


\ 





228 


Epruch. 
Das Alter waͤgt und mißt ed, 
Die Jugend ſpricht: So iſt ee. 


Yu Sugelbarb. 
‚Mit ven Gafelen. 
4821. 
Wir wiſſen kaum, woher es kommt, 
Wir wiſſen kaum, wohin es führt, 
Allein wir hoffen, daß uns frommt, 
Was in uns ſelbſt wir aufgeſpuͤrt. 


- 


— — — — — 


1821. 
Die Welt wird Proſa meht und mehr, 
Der Glaube ſelbſt iſt ohne Wehr: 
Was hat das Ewige verſchuldet, 
Daß man's nur nebenher noch duldet? 


An die Staatsrechtler. 
4821. 

D wollt ung doch nicht überziehen 

Mit euern magern Theorien! 

Ihr Hagt, daß eud die Großen baflen, 


229 


Doch thun ſie's aller Welt zum Heile, 
Und wenn fie euch nicht reden laſſen, 
Geſchieht's aus Furcht vor langer Weile. 


— 


Polizeiwiſſenſchaft. 
4821. i 
Auf jedem Feld wird augeſchlagen, 
Daß man die Blumen lafie fichen, 
Und wenn ihr wollt fpazieren gehen, 
Sp müßt ihr erſt um Päfle fragen. 


1821. 
Mist, fo lang ihr laffet walten 
Aller Seuchen fhwerfle Seuche, 
Reflexionsepidemie, 
Müßt ihr Quarantaͤne halten, 
Alſo wollens die Gebraͤuche, 
Vor dem Thor der Poeſie. 


— — — — — 


An die Vaterlandseifrer. 
1821. 

She wünſcht euch frei zu jeder Friſt, 

Und doch betreibt ihr's ganz beſonders, 

Denn eure ganze Freiheit if 

Die Freiheit eines HOypochonders 


— —* 








FR 


230 


MPromemoria. 
1924. 

Wie die Leute mir erzählen, 
Soll man einen Stand auf Erden, 
Wie field nennen, auserwählen, 
Und fie heißen’s: Etwas werben. 
Doch um Eins nur maß in Sorgen ' 
Ich euch fragen: Wenn ich heute h 
Noch nichts bin, ihr lieben Leute, 
Kann id} etwas werden morgen? 


Falſche Wanderjahre. 
1821. 
Wollteſt gern im Dichten deine Luſt fuchen, 
Kleiner Puſtkuchen! 
Da dir's nicht gelungen, mußt du Leid tragen, 
Kleiner Neidkragen! 
O du Neidkragen! o du Puſttuchen! 


Geh, wir bitten Ale, deinen Gang’ eilig 

Biſt fo langweilig! 

Willſt du, Männchen, etwa noch fortan treiben 
Dein Romanfhreiben? 

‚Dein Romanfchreiben, o wie langweilig! 


— —— 


231 — 


Prolog 
zu den lyriſchen Blättern. 
1821. 


Bis alle Kämpfe durchgekämpft die Liebe, 
Muß fie bewegen ſich, und tief erwägen 
Des Lebens vielgeftaltige Getriebe: 


Selbſt großer Irrthum iſt ein großer Segen, 
Und die des Glaubens ew'ge Quelle ſchlürfen, 
Sie haben tief im Pfuhl des Wahns gelegen. 


Ein Ungeheures will der Menſch beduͤrfen, 
Dem unabläßig er entgegenwalle, 
In aufeinander brängenden Entwürfen. 


Ihr Liebenden, ihr ſeid willkommen alle, 
Euch ſei der brüderliche Kuß entboten, 
Euch ſei der Sitz geboten in der Halle. 


Doch ench, ihr flachen Schleicher, werd' ein Knoten 
Geſchuͤrzt von uns, ben nie ihr loſen werdet: 
Ihr feid uns tot, ja toter, ale die Toten, 


Wiewohl ihr gerne Lebendes gefährbet. 
D könntet fhaun ihr, daß ihr ganz erblindet, 
Derweil ihr euch wie Schauende geberbet, 


Je mehr bas: Licht aus eurer Seele ſchwindet. 
Waͤhnt immer hur, kein NRärfel fei vorhanden, 
Sobald in end) ihr Feinen Schlüffel fiber, - 





238 
Und fpielt mit Worten, die ihr- nie verftanden. 


Ihr Guten aber, die ihr naht, vergebet, 
Wenn jugendlih bes Zornes Wogen branden. 


Wir folgen nicht, fo fehr der Wille firebet, 
Dem eigenen, dem bünfelhaften Triebe: 
Es iſt der Geifl, der in uns wirkt und webet, 


Bis alle Kämpfe durchgekämpft die Liebe. 


Evilog 
zu den lyriſchen Blättern. 
Erſtorben ſcheint das heilige Verlangen, 
Ihr fühlt's mit mir, in mehr als einem Herzen, 
Vom kleinen Treiben dieſer Zeit befangen. 


Deo Roͤbels Lob verdien' ich zu verſcherzen, 
Doc leg' ih euch mid an das Herz, ihr Licheg, 
Mit meinen Freuden und mit meinen Schwerzen. 


Das kleine Bu, das vor mirt liegt gefgrichen, 
Erwählt es zum gefelligen Begleiter, 
Und laßt die Blätter in die Weli zerflicben. 


Indeß verlodt der ſchoͤne Steig mich weiter, 
Bis we dereinſt, gewaltiger ergaflen, 
Der Steom bes Liebes höher ſchwillt und breiter. 


Menn alle Quellen dann ins Eins gefloflen, 
So voll, fo friſch, fo Mar und filberhaltig: 
Dann jauchzen wir, ihr. freubigen Genoſſen! 


Dann ſoll verffärend reine Glut dreifaltig 
Im Dichten, Glauben, Schauen uns umfangen, 
Wenn auch im Pöbel, der ſich dunkt gewaltig, 


Erſtorben fcheint das heilige Verlangen. 


Una Me Freuude. 
41822. 


Mögen unbeſcheiden Yadre 

Quälen euch durch viele Bände, 
Waͤhrend ich nur ſtets ein Büchlein 
Leg' in eure lieben Haͤnde. 


Werdet's um ſo mehr erkennen, 
Wird euch um ſo mehr erfreuen, 
Moͤgt ihr, was ich hier geſammelt, 
Wieder unter euch zerſtreuen | 








234 
Bi dem Werfifchen des Saadi. 
1822. 
Die Welt kam zur Ruh durch des Erdbebens Wut, 
Und Saadi nach langwier'gem Irrſale ruht, 


Es kann dein Gemüt, Freund, den Schmerz überftehn, 
Denn ſtets mit dem Tag muß die Nacht ſchwanger' gehn. 


Borwurf. 
1822. 
Die Stümper fagen zu dieſer Friſt, 
Du ſei'ſt ein rechter Cgoiſt. Ü 


Antwort. 
Ihr Tadel iſt etwas abgedroſchen: 
Wert find fie ſelber keinen Groſchen, 
Sp daß fie ſich nicht Lieben koͤnnen, 
Do follten fies den Andern gönnen. 


Sollen Andre Vortheil von mir haben, 
So muß ich pflegen meine Gaben; 
Und wer da nichts thut als das Seine, 
Der lebt erſt reiht für's Allgemeinc. 


235 


1822. 
Voͤlkchen geiſtiger Eaftraten, 
Das, unfähig ſelbſt zu ſchaffen, 
- Nichts vermag ald Andrer Thaten 
Scheelen Auges anzugaffen; 


Wenn von .grader Bahn ich irren 
Möchte, wandelnd eure fchiefe, 

Wollt' ih doch fo füß euch firren, 
Daß vom Mund euh Zuder liefe. 


Doch ich hör’ euch Lieber bellen, 
Und ich feh' euch lieber beißen, 
Mögt ihr manchen Sahn zerfchellen, 
Werdet mich doch nicht zerreißen. 
Let den Stachel unverhohlen, 
Beißt euch ein mit Eind’fcher Rache: 
Aber Fhüttl ih meine Sohlen, 
Liegt ihr in der naͤchſten Lade! 


— on nn 


1822. 
Wenn fih dem Ernſte zu, mit ernften Dliden, 
Der freie, fpielgewohnte Süngling wendet, . 
Wie fühlt er dann, ſich je darein zu ſchicken, 
Unfähig ſich, und völlig unvollendet;  ' 
Weil einzig er an Hüchtige Geſaͤnge 
Des Lebens Kraft, der Liebe Kraft verfehwenbet; 





236 


&o ſteht er num bebürftig im Gedränge, 
Bon ftolz Erwerbenden unangefehen, 
Sein ganzer Reichthum eine Hand voll Klänge. 


Was meint ihr wohl? Er muß wohl betteln gehen? 


. 


Zum Spiegel ded Hafis. 
f 1822, 
Hilf mir, Hafle, daß ich löße mit melod'ſchen, reichen Scherzen 
Luft in alle Dichterfeelen, Aerger in Philiftecherzgen; 
Euch verargen werd'ich's nimmer, wenn's euch hier nicht will behagen, 
Drebt euch nur in euren: Zirkel, während wir die Welt durchjagen! 


Lauer + — — 


Zueignung bed Spiegels des Hafis. 
An Otto von Bülow. 
1822. 


Wenn diefe Blumen fid) zur. Krone reihen, 

Die, Farb' an Farbe, dir das Haubt umflidht, 
Magft dur mir banken bald, und bald verzeihen 
Was hier gelungen oder was gebridht: 

Was könnte dir die Poefie verleihen? 

Du bift mir felbR ein freundliches Gebicht, 

Das, wenn ber Trübfinn oft ihn laͤhmend zügelt; 
Den ſchweren Mut des Dichters froh beflügelt. 


237 Zr 


Und wäg’ ih ums, erfcheinft du von uns beiben 
Der Kluge fiher mir, und ich ber Thor, 

IH trage nur das Leben und bie Leiden, 

Dich aber trägt das Leben felbft empor: 

Mer dich nit liebte, müßte dich beneiben, 
Allein wer zöge nicht die Liebe vor? 

Ich Habe, durch dein Weſen unterrichtet, 

Dem Hafis nachgefühlt und nachgedichtet. 


Prolog an Goethe. ' 
Zu einer Ueberfegung Hafiſiſcher Gevichte. 
1822. 


Erhabner Greis, der du des Hafls Tönen 
Zuerft geneigt, fie grüßend aufgenommen, 

Du magft did noch einmal an fle gewöhnen, 
Du fiehft ihn wieder dir entgegentommen, 

Mit frobem Klang der Zeiten Drang verihönen, 
Vielleicht von innerlihem Echmerz beflommen; 
Biel muß ein foldyer Geift von ſolchen Gaben, 
Wenn er um Leichtfinn buhlt, gelitten haben. 


⸗ 


Im Kampfe muß er ſich entgegen wagen 
Der eignen Liebe, wie dem eignen Haſſe; 
Denn einem Solchen Liebe zu verſagen, 
SH eine Wolluſt für die ſtumpfe Maſſe, 





238. 


\ 


Und Dieß und Scenes wird herbeigetragen, 
Das man ihn flets bei feiner Schwäche fafle, 
Und fehlen ihm, fo leiht man ibm Gebrechen, 
Shm, der zu groß if, um zu wiberfprechen. 


Das mochte Hafls wohl im Geiſt bedenfen, 

Und ließ getroft des Lebens Stürme rollen: 

Menn in Befriedigung wir uns verfenfen, 

Entgehn wir eigner Qual und fremdem Grollen: 
Beim Wein im Becher, bei dem Kuß des Schenken, 
Bei Liedern, die melodifch ihm entquollen, 

Empfand er ftets im Herzen ſich gefünder, 

Wiewohl fie fchrien: Es ift ein großer Sünder! 


Er ſchuf indeß durch Bilder oder Sprüde 

Ein Netz, worin die Herzen man erbeutet, 

Ein Gartenbeet erquickender Gerüche, * 
Dem jede falſche Neſſel ausgereutet, 

Und einen Himmel ehne Wolkenbrüche, 

Wo jeder Stern auf eine Blume deutet: 

Und ſo verglicheſt du dir ihn beſcheiden, 

In That und Sinn, im Streben und im Leiden. 


Was haſt du nicht erlitten und erfahren! 
Mie theuer mußteſt du den Ruhm erfanfen! 
Verkannt von ferne haufenden Barbaren, 
Vom Schwarm der Geden läftig überlaufen, 


239. 


Die Nebelwollenden zu ganzen Schaaren, 

Die Mißverſtehenden zu ganzen Haufen, 

Und wenn ih Alles insgeſammt erwähne, 

Der Krittler free, wenn auch ſtumpfe Zähne. 


Und wie du fonk in jugendlichen Tagen 

Sie reich befchüttet haft mit Blütenfloden, .. 
Und fe, zu feig, die ſchoͤne Laft zu tragen, 

Ei zeigten neidiſch halb und halb erſchrocken; 
&o fehn wir jeßt fie noch hervor fi wagen, . 
Um Echmach zu bieten deinen Eilberloden; 

Doc dieß Geſchlecht vermag di nicht zu hemmen, 
Es muß die Wei ſich bir entgegenflemmen. 


Da ſchwoll's um di in ungeheuren Wogen, 
Da fehlen der Boden unser bir zu wanken, 
Die ganze Maffe warb mit fortgezogen.. 

Und, Jeder trat aus feinen. eignen Schranuken: 
Du bliebft allein der engen Pflicht getvogen, 
Getreu dem Iebenfchaffenden Gedanken, 

Indeß die Seit, in ungebundner Meinung, 
Dem Leben bot bie gräßliche Berneinung. 


Da galt es Kämpfe gegen ganze Maflen: 

Ein ernfter Streit entflammte fi, ein neuer, 
Weit über Das hinaus, was MWenſchen faflen, 
Und die politifh Heinen Ungeheuer 





Berpeinrten Üd im gegenieit gen Halien: 

Du aber Handel unbewegt am Edrmer, 
Einziöwere Worte werfend in bie Winte, 
Det cinf der Eon, der Gufl inf fe fmbe. 


Und ürHtel Dar in wahren, großen Zügen. 
In welden Abgrund bie Begierde führe, 
Beun das Gefühl ſich nicht vermag zu fügen, 
Uub was. begabt wit frägliddem Genügen, 
Den Destiien, rechtlich wie fie find, gebüßret: 
Bei vieles Taumels fdywanfender Gmpirung 
3u Icmmen und zu meiden bie Zerkörung. 


Und überall im reidhergefuen Leben, 

In taufentfaden Bildern und Gefulten, 

Die bis herunter im ihr Heinfies Weben 
Anuıut und Wahrheit um fi ber entfalten, 
Haß du bie greße Lehre nur gegeben, 

Im eignen Kreife müfle Jeder walten, 

Und überall umidhwebt uns der Gebanfe: 
Freiheit erſcheint nur im Bezirk ber Schranfe. 


Dich Hat die Ahnung aber nicht betrogen: 
Macht wider Medht iR kraͤſtig aufgeflanden; 
Zur Hälfte ſchon if jemer Bahn verflogen, 
Der alles Leben löste von ben Banden, 


241 


Worin es gütig die Natur erzogem, - 
Und da die Wahrheit wir verirrend fanden, 
So fei'n vergefien jene Gränelthaten: 
Es flieht die Blume zwifchen jungen Saaten. 


Wenn aud ber. alte, hahe Baum yerdorben, 
Der eine Welt im Schatten fonnte wahren, 
Wenn aud der Glanz von ehedem erftorben, 
Zerftüdt ein Reich, das troßfe taufend Jahren, 
So ward dafür ein geifliges erworben, 

Und immer ſchoͤner wird ſich's offenbaren, 

Und fehlt ein Kaifer diefes Reiches Throne, 

So nimm von uns, bie du verbienft, die Krone! 


Legende. 
1822. 


Gin hoher Tempel ward erbaut 
Der benebeiten Himmelsbraut, 
Die aller Welt zu Heil und Kohn 
Geboren den erlauchten Sohn. — 
Sie mauerten fo manches Jahr, 
. Bis Dach und Dede fertig war; 
Ein Maler kam ſodaun herbei, 
Zu bilden eine Schilderei: 
Auf mächtigem Gerüft er fland, 
Den frommen Pinfel in der Hand, 
Blaten, ſammtl. Werte. 1. 16 


Berzehrten fi im gegenfeit'gen Haſſen; 

Du aber ſtandeſt unbewegt am Steuer, 
Sinnihwere Worte werfend in die Winde, 
Daß einf der Sohn, der Uufel einft fie fine. 


Und fielltel dar im wahren, großen Bügen, 

In welden Abgrund die Begierde führet, 
Wenn das Gefühl ih nicht vermag zu fügen, 
Und wenn der Geift nach dem Berfagten fpüret, 
Und was, begabt mit froͤhlichem Genügen, 

Den Deutfchen,; rechtlich wie fie find, gebichret: 
Ber dieſes Taumels. ſchwankender Empörung, 

Zu hemmen und zu meiben bie Jerförung 


Und überall im reichergoßnen Erben, 

Sn tauſendfachen Bildern una Behalten, 

Die bis herunter in ihre Heinftes Wehen 
Anmut und Wahrheit um fi her entfalten, 
Haft dur die große Lehre nur gegeben, 

Im eignen Kreife müfle Jeder walten, 

Und überall umfchwebt ums der Gedanke: 
Freiheit erſcheint nur im Bezirk der Schranfe. 


Dich hat die Ahnung aber nicht betrogen: 
Macht wider Macht ift kraͤftig aufgeſtanden; 
Zur Hälfte hen if jener Wahn verflogen, 
Der alles Leben löste von ben Banden, 


241 


Worin”es güttg "bie Natur erzogen, . 
Und da die Wahrheit wir verirrend fanden, 
So fein vergefien jene Gräuelthaten: 
Es ſteht die Blume zwifchen jungen Saaten. 


Wenn aud der. alte, habe Baum verborben, 
Der eine Welt im Schatten konnte wahren, 
Menn auch der Glanz von ehedem erſtorben, 
Zerftüdt ein Reich, das troßfe taufend Jahren, 
So ward dafür ein geiſtiges erworben, 

Und immer ſchoͤner wird ſich's offenbaren, 

und fehlt ein Kaifer djefes Reiches Throne, 

So nimm von ung, bie bu verbienft, bie Krone! 


Legende. 
1822. 


Ein hoher Tempel warb erbaut 
Der benebeiten Himmelsbrauf, 
Die aller Welt zu Heil und Lohn 
Geboren den erlauchten Sohn. — 
Sie mauerten ſo manches Jahr, 
.Bis Dach und Dede fertig war; 
din Maler kam ſodaun herbei, . ı- 
Zu bilden eine Schilderei: 
Auf mächtigem Gerüft er ſtand, 
Den frommen Pinfel in der Hand, 
Platen, ſammtl. Werke 1. . 16 


Lebendig ſchaffend und genau 

Das Angeficht der lieben Frau. 

Do ale er fa am Ende war, 
Bringt ihm ein faljcher Tritt Gefahr, 
Und vom Gerüſte Rürzt er ja, 

Das unter Ihm zuſammenbrach. 

Da ruft er an aus banger Bruft, 
Das Bild, das er vollendet juft: 

Dir wandt' ih all mein Leben zu, 
O Himmliſche, nun rette du! 

Und ſieh! Es faßt es fein Verſtand, 
Die Heil'ge Aredt herab die Hand, 
Und bielt fo lang ihn wunderbar, 
Bis Menfchenhälf’ erichienen war. 


1822, 


Hat euch die Schule ganz bemeiftert, 
Ihr weiſen Herrn, und wähnet ihr 
Zufammen fei die Welt gefleiftert 
Aus Pappendedel und Papier? 


Ihr befiert hier und dort vergebens, 
Und wähnt, ihr Habt was Mechts gethan, 
Doch yrädtig fhwillt der Daum des Lebens, 


Und ftrebt den. hohen Wolfen au! 


1 — — 


243 


: 1823. 

„Es wähnt ein Moraliſt zur Zeit, 
Du müßte hin und wieber 

Mit deiner Seele Seligkeit 
Grfaufen deine Lieber.“ 


No ift mir nichts bewußt bis jeht 
Bon einer ſolchen Steuer, 

Doch welch ein Preis auch ſei gefekt, 
Sie find mir ewig thener. 


\ . — — 


Zu einer Anthologie. 
1823. 


Was fehlet bei fo viel Gefängen, 

So fragt du, Shafefpeare nur allein? 

Ich konnt' ihn in dieß Buch nicht zwangen, 

Er ift zu groß, es if zu klein; 

Zu wählen unter feinen Klängen, 

Das möchte wohl verwegen fein: 

Zufammen läßt fi Manches drängen, 

Ihn aber fledt man gern in Bauſch und Bogen ein. 


N 





244 


Zum Geburtötage. : 
1828. 

Zu des liebfien Tages Preife 

Werden rings um. dich im Kreife 

Kinder fi und Entel fammeln, 

Lob und Liebe dir zu flammeln. 


Ale danken dir ergeben 

Für das fchön gelebte Leben, 
Das du, ihnen zugewendet, 
Müttalih an fie verſchwendet. 


Und mit jedem neuen Tage 
Waͤchſt für dich die füße Plage, 
Denn der Kreis am Hausaltare 
Waͤchſt mit jedem neuen Jahre. 


So um did, am Strand der Leine, | 
Drängen Große fich und Kleine, 
Doch es durften auch die Kernen 
Deine Milde fennen lernen. 


Wie du deine Gaben ftreneft, 
Wie du flets3 auch uns erfreueft, 
Die dich leider! nicht umgeben, 
Eoll in diefem Liede leben. 


+‘ 


245 


Drum, wer nur ſich auch erfrente- 
Deiner Nähe, jubelt heute, 

Und ein Fremder auch, ex wage _ 
Sich vor dich an dieſem Tage. 


Doch er tritt: zurück befäpelden: 

Jene mag er wohl beneiden, 

Die von Mund zu Mumd erwiedern, 
Was er liſpelt nur in Liedern. 


Auekdote. 
1823. 
Unter wohlbekanntem Führer 
Stritt ein Frankenheer im Norden, 
Um die Seele hinzugeben 
Für das neue Vaterland. 


Und der. Rampf entbrannte wechſeind, 
Schaaren von Befangnen fah men, 
Und fie fchleppten triumphirend 
Knecht und Edelmann herbei. 


Denn, der Zreihtitefahn entgegen/ 
Schlug ihr Banner auf die Kiebe, 
Da noch mancher treue Buſen 

Für den König überfloß. 





246 


Do wenn irgend ein Franzoſe 
Ward ergriffen, zog der Feldherr 
Die Piſtole aus dem Halfter, 
Und erſchoß ihn auf dem Platz. 


Denn wer bei den Feinden kaͤmpfte, 
Schien am Baterland zu freveln, 
Und der Ingrimm des Gemüter 

- Buchs zum Rafen, wude zur Wut. 


Einen edlen jungen Grafen 
Brachte man zulegt gefangen, 
Feuer war fein großes Auge, 
Wenn er and der Nacht erlag. 


Diefes ſchoͤnen, ſchlanken Sünglings 
Jammerte den rohen Krieger, 
Und, gefpannt die Waffen haltend, 
Sprach er voll Erbarmen bieß: 


Cuch verführte blos die Meinung, 

Do ihr feid ein Adıter Franke, 
Schirmt euch felbht und Fampft für Alle, 
Nuft: Es Tebe die Nation! 


Und der Jüngling, feine blut'gen 
Locken von ber Stimme ſtreichend, 
Nief geiroft: Der König lebe! 
Und der Andre drückte los 


247 


Ya Schelling. 
Als Zuelgnung zu einem Drama. 
1823. 


@6 muß ein Bolt almaͤhlig höher Feigen,“ 
Es kann zur ih nicht ergehn zum Kinde, 
Der Dichtung erfter, jugendlicher Reigen 
Zug längft vorüber, flog vorbei geſchwinde: 
Sophiſten kamen, fie begann zu ſchweigen, 
Und löste nad) und nad die goldne Binde. 
Doch jene Nüchternen bezwang dein Streben, 
Und fo entflammteft du das neue Leben! 


Das deutſche Kraft in diefer Zeit erreichte, 
Gehört dir an, und neigt fi deinem Bilde, 
Und dein vor Allen ſei dieß Lied, das leichte, 
Das du zuerſt empfingſt mit edler Milde, 
"Berfammelnd rings um deſſen frühfte Beichte, 
Bon Frau'n and Männern eine ſchöne Silbe: 
Sei's, daß das Volk es nun mit Gunft bezahle, 
Du ließeft leben es zum erften Male! 


Nun mögen Lieder fi zum Liebe reihen, ' 
Geſchichte zu Seſchichte, Sag’ an Sue, 
Ich fehne mich, fie alle bir zu weihen, 

Die noch als Keim ih in der Seele teage, 
Dir, der gehört mit gütigem Verzeihen 
Die frühen Klänge meiner jungen Tage, 





248 


Da noch ich fang des Stolzes mut'ge Triebe, 
Und, jenen brennenden nach Rohm und Liebe. 


De Hat das Herz fi nie zurecht ‘gefunden 
In diefes Lebens ird'ſchen Parabiefen: 
Die. freie Liebe, bie es ungebimben . - ;-; 

“ Ben Menſchen bot, fie ward verlacht von dieſen, 
Und. fyühe fühlt' ich in verlaſſnnen Stunden 
Mid. anf mein eignes, dunkles Selbſt veiimiefen, 
Und früh begann ein unausſprechlich Sehnen 
Die: Bruſt durch Seufzer mächtig. ausgubehnen. 


Das iſt vorbei! Ich lernte viel verſchmerzen, 
Ich fühlte Kraft, mir Alles zu verfagen, 
uUnd seine Welt von Heiterkeit und. Schergem: 
Im leichtbeweglichen Gemüt zu tragen: ' 

Nur felten foll die tiefe Dual im Herzen 
Ergießen fih in ungeheure Klagen, ° -; % 
Und jeder Hörer fühle dann mit Beben, 
Was für ein trauriges Geſchenk das Leben! , 


So ward geftählt ich denn und ansgeflattet 

Zu Thaten, die ich länger nicht verfchiebe: 
Mein. Mut, in Qualen nah und nach mwmaettet, 
Wird wie mehr beiteln gehn mm weiche Liebe. 
Vielleicht, da Stunde fi zu Stunde: gatiet; 
Gelingt es meinem glühenben Betriebe, 

Daß ich dereinft, wenn deutſches Wort ich meiſtre 
Die edle Jugend dieſes Vollks begeifter, 


249 


Klagen eined Namlerianers 
bei Durchleſung yes gläfernen Pantoffels. 
1828. ° 


Den heiten Schwank ermeßt, 
Yerfönlihe® vergeßt. 


Ha beim Styr! Mit kecker Stirn und Nafe 
Stürmen lodre Knaben den Parnaß, 
. Denen ah! Apoll nur eine Phrafe, 
Und der Mufenquell ein Tintenfaß! 
Zevs! Was if aus unfrer Zeit geworden, 
Aus der Mufenalmanade Zeit? 
Bald erftiden diefe rohen Horben 
Jene Haflifche Vortrefflichkeit! 


Dichter ihr, wo ſeid ihr hingeraten, 
Denen Leiern noch den Arm bewehrt? 

Die ihr Sonntags euern Lämmerbraten 

Ohne Rorbetrblätter nie verzehrt? 

-Ghloris, Doris, magre Schäferitmen, 

Die ihre fhädertet im oͤben Thal! ; 
Hinfende Herameter beginnen 

Euern Gang vom Nuten der Moral, 


Komm zurüd, duch unfer Lied erbeten, 
- Das dem Utile das Dulce miſcht: 
- Der das Alterthum fo breit geixeten, 
Der die Grazien wieder aufgefriſcht! 





258 


Ab, und du, der jenen goth'ſchen Schlingel, 
Der den Reim zur Thür hinansgeklopft, 
Deſſen unerträglijem Geklingel 

Der Gebildete ſein Ohr verſtopft! 


Dieſe Neuern haben einen Sparren, 

Und vor allen dieſes grobe Spiel: 

Spricht der Koͤnig nicht mit ſeinem Narren? 
Spielt mit Worten? Das iſt doch zu viel! 
Ernſt und Scherz, promiscue behandelt, 
Machen wuͤtend auf einander Jagd: 

Ward Apoll in Kasperle verwandelt? 

Trat in Dienſt die Muſe hier als Magd? 


| Märchen, die ein finfleres Jahrhundert 


Ansgebrütet, werben jet edirt! 

Hab’ ih darum den Terenz bewundert? 
Hab’ ih darum den Horaz fiudirt? 

Iſt mein Name fhon, mein Lied erloſchen, 
Das ich liegen ließ in's neunte Jahr? 
Hab’ ih darum.nod einmal gedroſchen, 
Was ſchon tauſendmal ‚gedrofchen war! 


Aus dem PBöbel aufgegriffnen Sagen 

Wird noch Lob in dieſer Zeit ertheilt, 
Ohne, wenn das Werk erjcheint, zu fragen: 
Welchem Alten iR es nachgefeilt? 


251 
Mögen fie zum Poͤbel fid verlieren, 
Nie mehr feh' ih mich nach ihnen um: 
Eine Mufe wird mid einquartieren 
Zu Perücken in's Elyfium. 


Antwort an den NHamleriauer. 


Heißen Dank für Ihren Zettel 
MWirbelt zum Olymy empor 
Meine Mufe, jene Bettel, 
Lieber alter Herr Major! 


Spornten Sie doch ſelbſt mit Cifer 
Ginen Pegafus zuvor: 

War es etwa nur ein fteifer, 
Lieber alter Herr Major? 


Aber nun als Kritikafter 
In bejahrter Muſen Chor 
Rügen Sie poet'ſche Lafter, 
Lieber alter Herr Major! 


Do fih in ein Lieb zu finden, 
Das die Seele bringt hervor, 
Muß man felber was empfinden, 
Lieber alter Herr Mafor! 





— 


252 


Was Sie als verrückt beftreiten, 
Saugt in ſich der Jugend Obr: 
Mie verwandelt find die Beiten, 
Lieber alter Herr Major! 


Ale ans Schneiden fremder Febern 
Ramler feine Zeit verlor, 
O wie war die Zeit fo ledern, 


Lieber alter Herr Major! ° 


Was das Säfulum der Gleime 
Sich als Haffifch auserfor, 
Mahnt uns faft wie Leberreime, 
Lieber alter Herr Major! 


Doch verachten Sie die Schreier, 
Und es ſtimme Cypripor 

Ihnen die gedaämpfte Leier, 
Lieber alter Herr Major! 


Abſchiedbslied 
nach bekannter Melodie. 
1824. 
Da du fliehſt aus unſern Armen, 
Sitzen wir betrübt allhie, 
Intoniren dir ein Carmen 
Nach bekannter Melodie. 


253 


Troft gewährt es, da wir ſcheiden, 

Daß du Ichrft Pathologie, 
Denn fo tönt dir unfer Leiden F 
Nach bekannter Melodie. 


Doch was ziemt es ſich, zu trauern, 
Weil man dich von dort beſchrie?. 
Du verläfſeſt unſre Mauern 

Nach bekannter Melodie. 


Wenn bein Beutel hier ein ſchmaler 
‚ Beutel war, und reichte nie, 
Klappern dir dort taufend Thaler 
Nach befannter Melobie. 


Führft dur auch aus unfern Pforten 
Mit dir feine thenre Sie, 

‚Freien laßt ſich alfer Orten 

Nach bekannter Melsdie. 


Hörft du dort ein Lied erllingen, 

Bern von ung, fo denk an Die, 

Die dir bier das ihre fingen 

Nah bekannter Melodie. 2° , 





254 


Ueberſchriften 
einer Reihe Calderon'ſcher Schauſpiele. 
El Purgatorio de San Patricio. 


Bald mit Blitz bewehrt, durchleuchtet 

Als ein Aar, die Luft der Glaube, 

Und bald ruht er, eine Taube, 
Die am Bad die Flügel feuchtet. 


EI Principe constante. 


Echt, ein Held, ein Fürft, ein Weifer 
Hat die Märtyrfron’ errungen, 

Und ein Dichter drein gefchlungen 
Blütenſchmuck und Murtenreifer. 


Eco y Narciso. 


Welche Zauberwildniß 
Feffelt Ohr und Bi? 
Blume jedes Bildniß, 
Jedes Wort Mufll! . 


— Les armas de la hermosura. 


Daß geſchmückt Veturia bleibe, 

Siegt die Pflicht Hier ob dem Grolle! 
Mer erflärt die wundervolle, 
Magifhe Gewalt im Weibe? 


255 
La sebora y la criada. 
Maͤchtig flammt Cupido'a Kerze, 
Durch Gefahr umfonft verdüſtert, 


Und die Liebesklage flüftert 
In das Echo leichter Scherze. 


Nadie fie su seereto, 
Schon vor achtzehnhundert Jahren 
Bab une Freund Ovid bie Lehre: 
Bin Geheimniß der Kythere 
Darf du Keinem offenbaren. 


Amar despnes de la muerte. 
Klage weine, Trauer mache, 

Röst Geſchick das Band der Liche, 
Aber Löfen'se Moͤrderhiebe, 

Melk ein Troſt, wo nicht bie Race? 


Un eastigo en tres Yenganzas. 
Sei's, daß Unſchuld durch die Hände 
Des Verraͤters Schmach erfahre: 
Doch die Liebe fliegt, die wahre, 
Wahre Freundfchaft fliegt am Ende. 


Los. empefios de un acase. 
Was den Zwiſt entzünd' und mehre? 
Mas ihn duch fo mande Wendung 
Glücklich fügre zur Vollendung? 
Eiferfubt und Lieb’ und Ehre. 


256 


-Ei secreto a vözes. 
Treue fürchtet nicht Berräter: 
Zeig’ es bir dieß Spiel auf's neue; 
Gi, worauf gerät die Treue! 
Gin Pet, woranf gerät er! 


Dicha’ y desdicha del nombre. 
Seht ihr ſchakkhaft Amoͤrn faufchen 
Auf zwei Ritter, auf zwei Damen? 
Sei’s, er läßt ja nicht Blos Namen, 
Läßt er doch auch Herzen taufchen. 


La vanda y la flor. 
Daß hier unterliegt die Binde, 
Siegt die Pomeranzenblüte, 
Beigt, wie Höflichkeit und Güte 
 Begen’ wahre Liebe ſchwinde. 


Con quien 'vengo, vengo. 
Gines Gartens Labyrinthen 
Gleicht dieß Spiel, die hold uns neden, 
ofen tragen alle Helen, 
Me Beete Hyacinthen. 


EI mayor encanto amor. 
Don der Liebe wird, vom Ruhme 
Zaubervoll das Herz gefpaltet: 
Größern Zauber noch entfaltet 
Boefte, die golone Blume. 


257 
Duelos de amor y lealtad. 


Selbſt die Pflicht der Liebe wanfe, 
- Eteht des Danfes Pflicht entgegen: 
- Endlidy feönt der Liebe Eegen 
Noch die Dankbarkeit zum Dante. 


Am Grabe Peter Alrich Kernell's. 
1824. 


Den ein allzufrüh Ermatten 

Um der Jugend Meft betrogen, 
Laflet uns den Freund beflatien, 
Den wir, wenn auch fern erzogen, 
Lieb, wie einen: Bruder, hatten. 


Ad, es Indten heim’fche Bande, 
Lockten aus. Heaperiens Eden, 
Dom erhabnen Tiberfirande, 
Wieder ihn in's theure Schweden, 
Nach) dem frommen Baterlande! 


Nber eilendes Verderben, 

Du vergönnteft nicht dem Nrmen, 

Um das größte Glück zu werben, 

In den fchwefterlichen Armen, - 

An der Mutter Brut zu Rerben! 
Blaten, ſammtl. Werte 1. 17 


- 
- 





258 
Schauernd in ber Morgenflunde, 
Bei dem Schale fremder Gloden, 
Senfen hier wir ihn zu Grunde, 


Senden, ah! nur wen'ge Locken 
Nach dem allzufernen Sunde. 


Befires laͤßt ih nicht gewähren 

Senen, bie fo viel ertragen: 

Ihre Sehnſucht quillt in ZBaͤhren, 
Schwillt in Seufzern, ſtuͤrmt in Klagen, 
Die ſich ewig neu gebären! 


Eh’ der Lenz dir Friſt gegeben, 
Lie, o Freund, dein allzufarges 
Lebensloos bi uns entſchweben, 
Und den Dedel deines Sarges 
Bieren Roſen ohne Leben. 


O wie z0g e6 dich nach jenen 
Tagen bin, wo laue Winde 
Meichgeflaumte Flügel behnen! 
Nah der erfien Knospenrinde 
Lockte dich bein letztes Sehnen! 


Noch bei ſeinem mattern Pochen 
Hat vielleicht das Herz bes Kranken, 
Gh’ der ſtarre Blick gebrochen, 
Unausſprechliche Gedanken 

Mit den Seinen ſtill geſprochen! 


259 


Diefe Lieben zu ermuten, 

Säufelt aus dem Schooß der Grüfte 
Noch ein Lebewohl des Guten: 
Haſchet es, ihr Frühlingelüfte, z 
Tragt es über Land und Fluten! 


An die Diana des Wiefen, 
Von den Zägern der Müllimatt. 
1825. 


O Göttin, die du ſtets geleiteft 

Des Jaͤgers Gang buch Feld und Wiefen, 
Und gern das Hochgebirg befchreitekt, 

Die Blümlisalp und unfern Niefen, 

And. Allen ftete dich Hold erwiefen, 

Die dir, dee Stäbtelebens fatt, 

Auf wald’ger Berge Rüden huldigen: 
Was züuenft du deinen ungeduldigen 
Berehrern auf der Müllimatt? 


Auf daß uns froh dein Auge nide, 

Dein heil'ger Grimm uns endlich fehone, 
Wie gerne Ienften wir bie Blicke | 
Hinauf zu deinem hochſten Throne, 

Zu jener keuſchen Blätfcherzone, 








260 


Die dir den Namen hat geraubt; 

Doch Nebel, ach! fich ewig haͤufende, 
Bon allen Seiten niederrräufende, 
Ummehn der Jungfrau Stralenhaubt. 


Wir ziehn dem Regenguß entgegen, 

Und weihn dir manden Tag und Morgen; 
Doc feine Schnepfe will ſich regen, 

Und alle Hafen find verborgen: 

So fehren wir denn ftets in Eorgen 

Bon mander eitlen Fahrt zurüd, 

Die Müh' und Schweiß genug uns foflete, 
Und unfre Flinte, die verroftete, 

Erjehnt umſonſt ihr altes Glück. 


Zwar laßt ſich Manches in den Lauben 

Der ſchoͤnen Müllimatt eriwerben: 

Bei Holden Frau'n, beim Eaft der Trauben, 
Beim Duft fo vieler Blumenſcherben, 
Hier ließe leben fih'8 und flerben; 

Doch, Göttin, ſieh, zu dir nur ſchau'n 

Wir Hoffend auf, zu deinen fuftigen 

Und wilden Höhn von Tiefen buftigen 
Gewächſen, diefen fhönen Frau'n! 


Laß dih von unferm Flehn erweichen, 
Und fei mit uns in diefen Tagen: 
Das Höcfte wollen wir erreichen, 
Die pfeilgefhwinde Gemſe jagen; 


261 * 
Es wird uns kein Gewehr verſagen, 
Wenn du uns ſchützen willſt, o du! 
Sei gnädig unſerer Verwegenheit, 
Etſpaͤhe ſelbſt uns die Gelegenheit, 
Und jag’ uns alle Gemſen zu! 


Und wenn du uns vor Schmach mit dieſen 
Geſchenken deiner Gunſt gerettet, 

So möge dir am Rand des Nieſen, 

Auf Alpenrofen hingebettet, 

Erſcheinen, mas dich ewig Fettet: 

Auf tag du fenfit den Wagenthron, 

Erfcheine die ein hingefunfener, 

Bon Lieb’ und Mein und Echlummer- trunfener, 
Ein ſchnarchender Endymion! 


Zu den Sonetten aus Venedig. 
1825. 

Dem deutſchen Freunde, den die Sterne lenken 
Zu dieſer Inſelſtadt, vom Meer beſchäumet, 
Sei dieſes kleine Buch ein Angedenken, 
Wann er am Ufer der Lagune fäumel, 
Mann Lieb’ und Kunft ihm ſchöne Stunden ſchenken, 
Mann er, geftredt in eine Gondel, träumet; 
Und legt er’s weg, fo mag er leife fagen: 
Hier hat vor mir ein fühlend Herz geſchlagen. 





262 


Ihren hochverehrteſten Göunern 
am Neujahrstage 1826 in tieffier Ehrfurcht nargebradt 
j von ber 


Dekretirten Bettelträgerin Pi in Erlangen. 


Der Bettelträg'rin leeren Magen 
Begeiftert heut, wie fonft, der Gott: 

Ich möcht' euch füße Dinge fagen, 

Doch wird mir kein Gedanke flott. ' 
Wofern es mir die Mufen gönnten, 

Wie gern erflürmt' ich ihren Sig! 

Sa’ wenn wir, was wir möchten, koͤnnten, 
Was möchte nicht die Dame Pi! 


Bon unfrer Bühne, liebe Chriſten, 
Wie gerne ſpraͤch' ich, aber was? - 
Wir haben Feine Mafchiniften, 

Und alles Andre, was ift das? 

Der Donner Tönnte befler Elappen, 

Zu wenig zadig ift der. Blitz; 

Und an Coſtüm, das heißt an Lappen, 
Gebricht es noch der Dame Pip. 


Do billig fühlt ihr eure Grenzen, 
Und Hoffentlih mißgoͤnnt ihre nie 
Den Bühnen in den Refldenzen 
Die göttliche Mafchinerie! 





263 


Es if, ihr Deutſchen, eure Scene 
So malerifh, wie bunter Zitz, 
Und eure jeß'ge Melpomene 

Iſt eine zweite Dame Pig. 


Denn faht ihre nicht in trag'ſcher Glorie 
Ein albernes Gefpenft torquirt, 

Und eine Criminalhiſtorie 

Durch beide Pole motivirt? 

Sa, förmlih um den Galgen drehen 
Intriguen fi mit gord'ſchem Witz, 
Und Alle haben's angeſehen, 

Geduldig, wie die Dame Pitz. 


Dekorateure, Figuranten, 

Ihr ſeid's, die man hierher beſchwoͤrt, 
Wir möchten einen Intendanten, 

Und ein Lofal, wo Niemand Hört! 
Dann dürft‘ auf unfrer Bühne prangen 
Gin Eluger Pudel oder Spitz: 

Und foldes wünfcht der Stadt Erlangen 
Zum neuen Jahr die Dame Pitz! 








264 3 * 


Antwort 
an einen Ungenannten im Morgenblatt. 
1828. 
Dis zu mir aus weiter Kerne Hör’ ich füße Worte flüftern, 
Glättend jene Falten alle, welche meine Stirn verbültern, 
Zeigend, daß ih richt vergebens Neſſeln ſchwang und Difteln 
köpfte, 
Nicht mit Danaideneimern aus des Lebens Brunnen ſchoͤpfte: 
Meiner Widerſager Mißmut ſtört mich nicht in Roms Ruinen, 
Doch die Liebe, wie ein Pilger, überſteigt die Apenninen, 
Allen Denen, die ſo gerne jede wahre Kraft verkennen, 
Sei's geſagt, daß nicht einmal ich ihre Namen höre nennen; 
Dod von Anderen hör’ ich, welche, fonder Echeu ver Witzesnadeln, 
Loben mein Gedicht mit Einfiht, und mit Einfiht auch es 
: tadeln!? 
Dielen biet’ ich aus der Ferne gern die Hand, und Dir vor Allen! 
- Swar du ließefi nicht die Stimme fritifher Vernunft erfchallen, 
Aber nach dem Kavitole, tefien Höhn ich jest erflimme, 
Ließeſt wehn du mir Begeiſtrung, jene reine Milderfiimme, 
Die fo glockenhell und herrlich von der Menfchenklippe gleitet, 
Und eleftrifch ihren fchönen Liebesfunfen weiter leitet. 
Sa, es müfen, wo dem Buten fie fi beigefellt, dem Wahren, 
Aus der Seele Tithyranıden, wie aus Wolfen Blitze fahren! 
Mögen denn auch meine Töne durch des Mordens Stürme lauten 
Wie ein Weihgefang des Orpheus auf dem Echiff der Argonauten, 
Die den Pelz, den im Barbarenland fie fih mit Müh' ergattert, 
Für Apollo's Mantel halten, der in Tempe's Lüften flattert. 


\ 


265 


Rufe nit, da mid das beutfche Chaos würbe blos ermüden, 
Nufe nicht zurück den Tichter aus den vielgeliehten Eüden, 
Welcher, bis mich Froſt und Alter lüftern macht nad) euerm Vließe, 
Ueber jedes meiner Worte Ströme von Mufik ergieße, 
Immer mehr nad Eüden laß mich meines Auges Wünfche richten, 
Und, genährt von Hyblahonig, auf des Aetna Gipfel dichten! 
Laß mid Odyſſeen erfinden, fihweifend an Homers Geſtaden, 
Bald, in voller Waffenrüftung, felgen ihnen Jliaden. 
Sa, wenn ganz mit deutfcher Seele griechiſche Kunft ſich Hat 
verſchmolzen, 
Sollſt du ſehn, zu Pfeilen greift Apoll, zu welchen Bolzen! 
Noch ſo lange, Freund, ſo lange laß umher mich ziehn verlaſſen, 
Bis Muiskons Volk und meine Wenigkeit zuſammen paſſen, 
Bis wir Einer Lehre Schüler, Brüder find von Einem Orden, 
Beide dann einander würdig und einander lieb geworben. 
Wie die Lerche möcht! ich fommen, wann die erfien Knospen treiben, 
Nicht wie euer Schneegeftöber wehn und entlich liegen bleiben. 
Eher nit an eure Herzen klopf' ih an, an eure Pforten, 
Bis das Schönfte nicht gethan ich, eine große That in Worten, 
Welche kalte Einne glühn macht, Rob erpreßt von Sylbenflaubern, 
Selbſt den Feinden muß gefallen und die Freunde ganz bezaubern; 
Tann vor Sole will ich treten, die verächtlidh mir, verblendet 
Ehedem des Aberwitzes Achſelblicke zugewenbet, 
Die mir in's Geficht gepredigt, deutſche Kunſt fei Tängft gefunfen, 
Und umfonft in meinem Bufen bremme diefer heiße Funken: 
Ihrem Schamerröten tret’ ich ſchweigend dann und fill entgegen, 
Und vor ihre Füße will ich alle meine Kränze legen. 





266 


Flucht nach Toscana, 
1828. 


Wie flog der Wagen raſch dahin, 
Seit hinter mir der Apennin, 

Seit jeder Pfad, auf dem er flog, 
In's Arnothal hinunterbog! 
Olivenhaine rings herum, 

Wo manches fhöne Tusculum, 
Umgeben von Cypreſſen, ſtand, 
Verhießen mir ein mild'res Land, 
Ein Volk, das immer froͤhlich fingt, 
Und deſſen Sprache ſüßer klingt. 


Nie laßt mich wiederſehn, o nie 


Die nebelreiche Lombardie, 

Mo winterlich der Flüſſe Qualm 
Umdampft den dürren Stoppelhalm, - 
Und über ebne Flaͤche weit 

Sich legt die die Feuchtigfeit!. 
Wie prädtig Mailand auch, wie groß, 
Es liegt der Finſterniß im Schooß, 
Und feiner breiten Straßen Glanz, 
Was frommt er ihm? Der Scala Tanz, 
Ten alten, marmorblanfen Dom 
Beneiden ihm Florenz und Rom: 
Doch wo's fo finfter iſt und falt, 
Welch quälerifcher Aufenthalt! 


: ‚267 
Wer wollte nicht, um ihn zu fliehn, 
Hoch über die Gebürge ziehn, 
Hinab zur fhönen Stadt gefchrt, 
Die einft der Welt fo viel gelehrt? 


Du bift mir im Dezember Lenz, 
Du milder Himmel von Florenz, 
Palläfte, grüne Haine ziert 

Der Arno, welcher nie gefriert, 
Und über ihm, fo fehön und breit, 
Die Brüde der Dreifaltigfeit. 


— Yu einen Ultra. 
41831. 


Du rühmft die Zeit, in welcher deine Kaſte 
Genoß ein ruhig Süd? 

Mas aber, außer einer Puderquafte, 

Ließ jene goldne Zeit zurüd? 


Kann blos Vergangnes bein Gemüt ergögen, 
Nicht frifche, warme That? 

Was blickſt du rüdmwärts nach den alten Goͤtzen, 
Die Julian, der Apoftat? | 


Es führt die Freiheit ihren golbnen Morgen 
Im Stralenglanz herbei! 

Im Finſtern, fagft du, ſchlich fie lang verborgen: 
Das war die Schuld der Tyrannei. 


268 


Wer foräche laut, wenn's ein Defpot verwehret, 
Der Nllen fchließt den Mund? 

Selbſt Chriſti Wort, das alle Melt verehret, 
War lang nur ein geheimer Bund. 


Nicht Böfe blos verbergen ihre Thaten, 
Auch Tugend büllt jih ein: 


Das Vaterland, auf offnem Marft verraten, 
Weint feine Thräne ganz allein! 


Den Herrfcher, fagft du, fol ein Zepter zieren, 
Das unumfchränft beäelt. 
Als ſtünd' ein Menſch er zwifchen wilden Thieren 
Nach denen feine Flinte zielt! 


Da willft der Rede feben ihre Echranfe, 
Einferfern Schrift und Wort? 

Unfont! Es waͤlzt fih jeder Glutgedanke 
Bachantifh und unſterblich fort! 


Umsenft, Berflodter, tadelft du das Neue, 
Allmächtig herrſcht die Zeit: 

Zwar eine fhöne Tugend ift die Treue, 
Dech ſchöner iſt Geredhtigfeit! 


Und iſt es neu, was einſt der Weltgemeinde 
Freiheit verliehn und Glanz, 

Bor jenem fünften Karl und feinem Feinde, 
Dem ſchnoͤden Unterbrüder Franz? 


269 


And ſollt' ih ſterben einft wie Ulrich Hutten, 
Verlaſſen und allein, 

Abziehn den Heuclern will ich ihre Kutten: | 
Nicht lohnt's der Mühe, ſchlecht zu fein! 


— — —— — 


Das Reich der Geiſter. 
1832. 


Es lag ein Müterih auf goldnen Kiſſen, 
Und ſchlief; da famen fürdterliche Träume 
Ihm in's Gemüt, gleih wilden Ehlangenbiffen: 


Eie führten ihn in außerirbifche Räume, 
Dom Mei der Geilter fühlt er fih umfangen, | 
Das ewig Mar und ohne Wolsenfäunte: 


Gntfeglih war ihm, was die Geifter fangen, 
Wie eint Tarauin von Brutus ward vertrieben, 
Und wie Hirpardhus nicht dem Tod entgangen. 


Und folhe Frevler wagt man bier zu lieben, 
So denft er bei fi ſeibſt, wo int bie Achtung 
Für jeden Machtſpruch, den ich ausgejchrieben ? 


Bas will die Sonne hier, da längft Umnachtung 
Ib übern Horizont der Welt verbreitet, 
Wo Jeder fuiet vor. wir in Selbiinerahtung? 


270 


Und fieh, ein Mann mit hoher Stirne fchreitet 
Auf ihn heran und ruft: Bejammernswerter, 
Welch Schreckenſchickſal iſt dir hier bereitet! 


Hier herrſcht die Freiheit ſtets in unbeſchwerter 
Gedankenruh', du kannſt ſie nicht verjagen, 
Ohnmaͤchtig find hier alle deine Schwerter! 


Doch will zuerft ich, wer ich fei, dir fagen: 
Sch bin der große florentinifhe Dichter, 
Nach defien Staub du magfi Ravenna fragen: 


Ih war den Sündern meiner Seit ein Richter: 
Do unter Allen, welche ſchon verwefen, 
Erreichte feiner dich und bein Belichter! 


Bas wird man einft auf deinem Grabe leſen, 


Der du zugleich Herodes gegen Kinder, 
Und gegen Männer Ezzelin gewefen! 


Ein Unterbrüder, nicht ein Ueberwinder; 
Bezeugt von einer fehauderbar'n Lemure, 


Und dann gepfropft noch auf den Stamm ber Schinder! 


Sohn eines Banferts, Enfel einer Hure, 
Bernimmft du nit, daß Alle dich begrüßen: 
Rehabeam, wie flehts mit deinem Schwure? 


Hier Haft du nun die graufe Schuld zu büßen: 
Die Lepten felbft im Reich der Geiſter grollen 
Dir in's Geſicht und treten di mit Füßen! 


271 


Gehorfam wußte dir die Welt zu zellen: 
Dort nannten Echurfen dich fogar den Frommen, 
Hier wär's Verbrechen, dir gehordhen wollen! 


Mo find die Sklaven alle hingefommen ? 
Die, unterwürfig ihrem Herrn und Meifter, 
Jedweden blut'gen Frevel übernommen? 


Hier gilt Geſetz, Hier äußert fi in freifter 
Thatkraft die Tugend, die du haft gelugen: 


Hier giltft du nichts, du biſt im Reich der Geifter. 


Wie haben deine Schmeichler dich betrogen! 
Nun wirft du (wer gedächte dih zu fchonen?) 
Zur ungeheuren Rechenſchaft gezogen! 


Bernimm! von allen jenen Millionen, 
Die du geflürzt in Sammer und iu Klage, 
Die du gefchleppt in fürchterliche Zonen, 


Bon Allen, denen du verfürzt die Tage, 
War jeder Menfch wie du, der Eeelenwäger 
Hat fie gewogen auf derfelben Wage: 


Bald fiehn fie Alle gegen dich. die Kläger, 
Wann ihre Zähren ſich zum Strom vermälen, 
Aus dem du fehöpfen ſollſt ale Waflerträger! 


Bom König Kodrus will ich dir erzälen, 
Der in den Tod ging. um fein Bolt zu retten, 
Dein’s muß fi deinethalb zu Tode quälen! 


J 


* 


272 


Und noch auf Lorbeern wähnſt du dich zu betten, 
Wie deine Schmeichler dir es vorgeplaudert? 
Tyrann, erſtick“ in deinen eignen Ketten! 


Er ſpricht's. Der Wuͤterich erwacht und ſchaudert. 


An einen dentfchen Staat. 
1832. 


Du wahl; allein wer bürgt dafür, 
Ob nie du fchlafen wirft? 

Ob Mut und Vaterlandsgefühl 

Auf ewig bleiben wach? 


Du ruhſt an einem Bergesrand 
Gefährlich überaus, 

Und wehe dir, febald du ſchlaͤfſt 
Nur einen Augenblid! 


Gedenke nicht des Augenblide, 
In's tiefre Werden fich! 

Tie ganze Iufunft, liegt fie nicht 
In deiner Bruf allein? 


Es fah die Welt Jahrhunderte 
Sn dunpfen Schlaf gefeuft, 
Und einer wilbbewegten Seit 
Folgt’ eine träge nad. 


273 


Wer aber felbft in ſchlaffer Seit, 
Wer, ſprich, erhielt ih wach? 
Es blieben felb in ſchlaffer Zeit 
Die freien Voͤller wach! 


Es ift die Freiheit jener Puls, 

Der flets lebendig Schlägt, . 

Der flets zum Kampfe treibt ein Volt 
Für feinen eignen Herd. . 


Nie fehlen ihre Vertheidiger, 
Nie mangelt ihr ein Schwert, 
Und wer fie recht gekoſtet Hat, 
Seht in dem Toy für fie! . 


O waͤr' ih fest, wer sanbie mir's? 
Berlör' ich jede Hand, 
So hielt ich doch die Waffe noch 
Mit meinen Zähnen feſt! 


Du fürchteſt diefen ſtarken Wein, 
Dieweil er mächtig gährt; 

Do feße nur ben Becher an, 
Er macht die Seele ſtark! 


Und wenn du diefen Trieb exſtickſt, 
(Du wirft ea nicht, ich weiß!) 
Dann ſtehſt du nackt und waffenlos, 
Wie ein entnervter Greis. 

Phaten, ſammtl. Werke. 1. 18 





274 


Mann diefer Trieb erlifcht, er iſt 
Erloſchen manchem Bolt, 

Du rüttelſt dann die Leiche wohl, 
Und rüttelt fe nit auf! 


Es fei bewahrt als Heiligkhum, 
Der ew'gen Lampe gleich, 
Die hangend wor-dem Hochaltar 
Des Doms Gewölb erhellt. 


Vergebens blickt Bewunderung 

Auf .alte Voͤlker Hin: 

Bewundert nicht! Es liegt an euch, 
So groß zu fein wie fe! 


Wirf endlich dieſe Stelzen weg 
Vornehmer Gleißnerei: 

Bahr fei der Menſch, er krieche nicht, 
Sonft braucht es Fein Gebet. 


Im Herzen wohnt die Gottesfurdt, 
Und blog ein Wüterih 

(Wir wurden’s inne) breitet fie 
Wie einen Mantel aus! 


Bann deiner Söhne jeglicher 

Sein Bürgerthum erfennt, 

Dankt finkt vor dir Europa's Schwert 
Und Afiens Henkerbeil! 


215 


Der Rubel anf. Neiſen. 
1833. 


Der Rubel reist im beutfchen Land, 

Der frommen Leuten fromimt, 

Und jeder öffnet fehnell die Hand, 
Sobald der Rubel fommt. 


Ihn fpeichert felbft der Pietift, 
Und giebt den Armen mehr: 
Seit außer Kurs die Tugend ift, 
Kurfirt der Rubel fehr. 


Der Tugend wird blos Ruhm zu Theil, 
Es iſt ein hohler Schall; 

Do wen die Welt um Nabel feil, 
Dem klingt ein rein Metall! 


Da wird die Nacht geſcholten Tag, 
Der Teufel wird fo gut! 

Mas nicht ein heller Klang vermag, 
Mas nit ein Rubel thut! 


Des Nerdens Sternbild wird befränzt 
Bam Sängerigor des Tent: 

Es ift der Rubel, ber fo glänzt, 

Der fo das Aug’ erfreut! 





276 
Wohl ift er ein an jedem Strand 
Süßangegrinater Salt: 


ı Berfaufe nur dein Baterland, 
Mofern du eines haft! 


Der Rubel klirrt, der Rubel fällt, 
Was ift der Menfh? Ein Eduft! 
Und wenn die Welt dir nicht gefällt, 
So fleig in deine Gruft! 


Erft gab's nur Einen Kobebu, 
Sept giebt's ein ganzes Schock; 
Und ſchüttelſt du das Haupt dazu, 
So leg' es auf den Block! 


Der Teufel fiegt, der Gott verliert; 
Der blanke Rubel reift: 

So ward von je die Welt regiert, ' 
So lang die Sonne freift. 


Chor zu einem Drama „Meleager.“ 
1834. 
Artemis, wälderbefuchenbe, ſchreitende 
Ueber die thanigen Halme der Flur! 
Deinen unſterblichen Bruder begleitende, 
Bogengerüſtete, jammerbereitende, 
Höre der Flehenden reuigen Shwur! . 


277 


Tilge die Spur 

Deines gewaltigen Grimme und den Eber, 
Den du gefendet, verheerenden Gange: 
Sei wie Apollo der freundliche Geber 
Süßen Geſangs! 


Siehe das Opfer, das feftlih entglommene, 
Höre den Hymnus, an Wendungen reich! 
Dih und die Leto, die glücklich Entkommene, 
Rühm' id, und ihre delphinenumſchwommene 
Infel, die göttliche rühm' ich zugleid. 

Ueppig und wei 

„Boten die veilchenumdufteten Halme 
Freundlich ein Bette der Flüchtigen dar: 
Heil dem erquickenden Schatten der Palme, 
Wo fie gebar! 





” 


Parze uchor 
zu bemfelben Drama 


1834, 


Die Seele wimmt 
Abſchied vom Leben, 
Die Funken Beben, 
Das Scheit verglimmt. 


278 


Des Menfchen Bahn 
Iſt ſchnell gemefien, 
Und bald vergeſſen 
Der kurze Wahn. 


Zu Boden finft 

Des Leibes Schwere, 
Es blinkt Die Scheere, . 
. Dis Parze winft. 


iu Palermo. 
1835. 


Wohl reizend iſt die Stadt Panorm, 
Vom Hochgebürg umzäunt, 
Die Frau'n der Kypris gleich an Form, 
Die Knaben ſchoͤn gebräunt. 


Metteifernd ſtets im holden Streit 
Zeigt hier fh Stadt und Flur: 

Es kaͤmpft der Menſchen Lieblichfeit 
Mit deinem Reiz, Natur! 


Doch hinter eh'rnem Wahn verſchanzt 
Herrſcht hier allein der Pfaff, 

Das Seil, worauf ſo frech er tanzt, 
Er haͤlts beſtaͤndig ſtraff! 


279 


Aus jenen fhönen Stirnen keimt 
Nie ein Gedank' empor: 

Auf jede hat ein Brett geleimt 
Der fhnöde Pfaffenchor. 


Es Hält ein ganzes Boll im Schach, 
Wer's täglich dreift beläugt, 

Und jene Brüſte haben, ad, 

Nie einen Mann gefäugt! 


Der Schlendrian, der alles knickt, 
Yührt Tag an Tag vorbei, 

Und ad, des Jünglings Arm umftridt 
Die tiefite Sklaverei! 


D Aberglaube, dickſte Nacht, 
Wie drückſt du fehwer die Welt! 
Das Licht, es iſt umfonft erwadht 
Am hohen Sternenzelt! 


Es ſpricht umfonft Vernunft Natur, 
Den Wahn befiegt fie nie: 

Ad wäre jene Babel nur 

Harmloſe Poeſie! 


Schoͤn iſt die Fabel, die allein 

Als Fabel gilt dem Sinn; 

Doch wenn ſie Wahrheit moͤchte ſein, 
Dann wird fie Moͤrderinn! 


Anmerkungen. 


1 Abſchiedslied, nach bekannter Melovie. 
Ein Freund des Dichters hatte ven Ruf als Profeſſor der Pathologie 
erhalten. Mehrere Bekannte verlangten für den Abſchiedsabend ein 
Lier nach bekannter Melodie von dem Dichter, fanden ſich aber ſelt⸗ 
ſam überraſcht, als er das vorliegende lieferte. 
2 Mein Gevicht u. f. m. 
' Die verhängnißvolle Babel. 


Geſammelte Werke 


des Grafen | 


Auguſt von Platen. 
In fünf Bänden. 
Zweiter Bons, 
Stuttgart und Tübingen. 


% G. Eotta’fher Berlag 
18353. 





Buchernderei ver % ©. Cottaſchen Buchhandlung in Etuttgert. 


5 


Inhalt. 


Geite 

Gaſelſenn. nen... 1 
Vierzeiliennnnn.. 2272 84 
Sonette......88—147 
Dden ... 668206 
Eklogen und Gbyllen re re 4 00 
Die Bifher auf Capri 2 20 een. 209 
Bilver Neal 220. AM 

. Amali. . . ee en el 
Hirte und Winzerin . — a 21908 
Einladung nach ver Inſel Balmarla Fe ER ee Er Er >. 
Philemon's Tor . . 5 e 228 
Das Fiſchermädchen in Burano re re DA 
Scylla und der Reiſene 2 nenn 
Geftgefänge.. . . . a U EZ a 28 
Am Theater von Taormina — ee a Se 0 3 A 
Abfchied von Rom . . . te ae a na 
Dem Kronprinzen von Bayern 88868 

An die Brüder Frizzoni in Bergamo 2. 2 2 2 2200. 92 
Dem Grafen Friedrich Fugger - > > 2 2 2 2246 
Auf ven Top des Kaiſerr2249 
Der Herzenin von Leuchtenberg - . > 0 2 2 2 282 
An die Brüder Frizzonunnngg. 28386 

An Hermann Schuzz.. 2809 
Hymnus aus Sicilien. 2881 


Fragmentt..æ 4 224 





IV 


i " Seite 
Epyigrammıe » 2 2 0 2 ren nn UT 
NBeberfegungen -» . - >: 2 2 2 2 rn nn... 317 

An die Zanbe oe. un ae era .4319 

SHarmlofes Leben . . ren... 80 

An ein Mädchen. 832271 

Aus dem Griechiſchennnn. 323272 

Aus ver Sapyho oo 2.22 nr nn nn. 39 

An Thallarhus - 2 > 272 

Altfchettifhe Ballade . . > > > 2 2 een nn nn. 83 

Ballade aus dem Dänifhen - - >: 2 2 2 2 222... 83 


Wainämsinens Harfe. nn. 97 
Aus dem Hollänpifchen ER Sn era 
Aus vem Stallänifhen - » 2 2 2 nn nn nn. BR 
Romanze aus dem Altfpanifchen . ' 831 


Sonett von Gamoens . — RE a Er 389 


Eingang von Sefander-Nameh . a 3388 
Nachbildungen aus dem Divan des Safe een nn. 834352 
Einzelne . 2... EEE 1,°; 355 


Gullenah ball. 2 a an we nee 


— — — — — — 


Platen, jänımtl, Werke. IE. 
\ 


IV 


i ä Geite 
Spigra m inmnmneee..ö287314 
Beberfeugungen » :» - > > 222er nenn. 317 

An die Taube nn. 99 

Harmlofes Lebbenn.. nn. 8W 

An ein Madchennnn. 221 

Aus dem Griechiſchennnn. 222 

Aus der Sappho — 77 

An Thaliarchus.. 222 

Altſchottiſche Ballade Be . 9323 

Ballade aus dem Dänifhen » » . - « . 88 

Wainamdinens Harfe S . 927 

Aus vem Hollänpifchen . 890 

Aus dem Staliänifchen i . 8% 

Romanze aus dem Altfpanifchen . . 8831 

; . 832 

Sonett von "Eamoens . Er . 8333 

Gingang von Sefander-Mameh . ee ... 333 

Nachbildungen aus dem Divan des Sch 2 834-352 

Einzelnes ; 5* ‚, 359—355 

Bafele nad Hafis h . 8855 


— — — nn — 


Gaſelen. 


Platen, ſämmtl. Werte Ik. 


\ 


Im Wafler mogt die Lilte, vie blanke, Kin und her, 

Doch irrſt pr, Freund, ſobald du fagft, fie ſchwanke hin und her! 
&s wurzelt ja fo feft Ihr Fuß im tiefen Meeresarund, 

Ihr Haubt nur wiegt ein Lieblicher Gevanke bin und her! 





1. 
Der ſich ſchaffend Hat eriwiefen fiebenmal, 
Mohnt in fieben Paradieſen fiebenmal; 
Adler, ſiebenmal umkreiſe du ben Fels, 
Krümme Bad dich dur die Wiefen flebenmal; 
Feuer fhürt am Stamm der Geber, und fein Duft 
Mind als Rauch ih um den Riefen fiebenmal: 
Schenke nimm die beiden Becher, beide nimm, 
Fülle jenen mir und dieſen Rebenmal! 
Siebenfach ift deine Lode ſchoͤn getheilt, 
Deine Locke ſei geprieſen ſtebenmal! 


— — — — — 
» 


2. 
Entfpringen Tießett du dem Ei die Welt, 
Dein ew'ger Wunberfptegel fei die Welt, 
Es ſchaut nah dir, wiewohl dich Feiner ſchaut, 
In liebevoller Schwärmerei die Welt; 
Du athmeſt Leben und du athmeſt aus 
Mit jedem Athemzuge frei die Welt; 





4 


Du fiehſt did felbft, und dir am Nuge geht 
Sn jedem Augenblid vorbei die Welt; 

Der einzig Eine bift du, doch du lenkſt 

Als eine myſtiſchgroße Drei die Welt. 


' 3. 
Düfte fprüht die junge Sprofle fernehin, 

Und die Sonne wirft Geſchoſſe fernehin; 
Spiegelruhig glänzt bie Welle, ſieh, der Fiſch 
Segelt mit bewegter Floſſe fernehin; 

Sieh, die Roſ' errötet, weil ihr ſchickt ein Lied 
Nachtigall, ihr Buhlgenoffe, fernehin; 

Dort am Hügel ſieh den Süngling, wie er blidt 
Nach der Lichfien Marmiorfchlofie, fernehin; 

Laß uns eilen, fei es mit dem Pilgerſtab, 
Oder auf dem folgen Roſſe, fernechin! 


4. 
Nah’ dich, ungeweihte Weſpe, dieſem frommen Herde nie, 
Du beſuchſt den Tempelgarten ohne viel Befchwerde nie! 
Alle find wir wohl bewaffnet, wohl gerüftet, wohl bewehrt: 
Sahft du meines Blumenheeres Friegrifche Geberde nie? 
Traun, der Roſe Dornengeißel wirft du nie gefund enigehn, 
Auch der Lilie gottgeweihten, breiten, blanfen Schwerte nie! 
Sonnenblumen tragen Keulen, Hyacinthen find behelmt: 
Nah’ Did, ungeweihte Weſpe, diefer frommen Erde nie! 


oO 


; 5. 
Die Knospe ſprach: Du ſiehſt, ih bin im Keim erſt! 
Was fpäl die Welt entzüdt, es iſt geheim erfl. — 

Der Vogler ſprach: Dir ſingt die Nachtigall einſt, 

Laß auf die Rute ſtreichen mich den Leim erſt. 
Die Biene ſprach: Dir wird mein Honigantheil, 
Doch aus dem Krokus nipp' ich ſüßen Seim erſt. 
Ihr ſeht mich wandeln ohne Kranz im Haubthaar: 
Laßt nur die Welt erfahren meinen Reim erſt! 


6. 
Dem morgenlaͤndiſchen Dichter brennt das Herz, 
Es glüht auch uns im Occident das Herz: 

Wir ſchleudern kühn des Zweifels Schwert von uns 

Und in der Liebe Speere rennt das Herz, 
Es füllen ewig Bilder uns, fo vile | 

As Sterne find am Firmament, das Herz, , 

Sieh nur der Rofenblätter Labyrinth, 

In feinen Gängen, wer erfennt das Herz? 

Auf Wohlgerüchen laßt das Herz erglüh’n, 

Es iſt ein Phoͤnix, was ihr nennt das Herz! 


— — — — ·— — 


7. 


Dürft ich doch auf alle Pfade folgen dir, 
Als ein Sklave deiner Gnade folgen dir! 


Ir 





6 


Duͤrft' ih von mir werfen jeder Yehel Drud, 

Ueber Land und Meer gerade folgen dir, 

Dürft' ih, wenn Dich ſtolz die ſchönen Roſſe ziehn, 
Gleichen deinem Wagenrabe, folgen bir! 

Dürft’ ich, wenn dich fehnell die leichte Gondel trägt, 
Gleich dem Fiſch im Wogenbade folgen dir! 

Mit den Bliden folgt die Pappel dir am Weg, 

Und die Tuspen am Geflabe folgen bir. 


— — — — — — 


8. 
Mein Herz iſt zerriſſen, du liebſt mich nicht! 
Du ließeſt mich's wiſſen, du liebſt mich nicht! 
Wiewohl ich dir flehend und werbend erſchien, 
Und liebebefliſſen, du liebſt mich nicht! 
Du haſt es geſprochen, mit Worten geſagt, 
Mit allzugewiſſen, du liebſt mich nicht! 
So ſoll ich die Sterne, ſo ſoll ich den Mond, 
Die Sonne vermiſſen? Du liebſt mich nicht! - — 
Mas blüht mir die Roſe, was blüht der Jasmin? 
Was blühn die Narziffen? Du Tiebft mi nicht! 


— — — — 


9. 
Es tagt, es wirfi auſ's Meer den Streif die Sonne; 
Aufflatternd ſucht der junge Greif die Sonne; 
Auch du blick' auf, und ſinge Morgenhymnen, 
Als aller Weſen Bild begreif' die Senne. 


7 


Die Sonne fet dir jede volle Rofe, 

Und jeber Pfirſich rund und reif bie Sonne, 

Du fchft den Pfau, der durch den Garten ſchreitet, 
And dir enthüllt fein fhöner Schweif die Sonne; 
Und fhmüdt der Schah die Krone mit Demanten, 
Bedeutet ihm der galbne Reif die Sonne. 


— ——— — 


10. 
Ihr betrübt mich, Jene haßt mich, o wie ſehr! 
O wie ſehr drückt dieſe Laſt mich, o wie ſehr! 
Durch den Laubhain, durch die Kornflur ſchweif' ich nun, 
Siehe treibet ohne Raft mi, o wie fehr! 
Zwar «6 lat mir Sonn’ und Frühling Wonne zu, 
Und mit Duft Iabt jeder At mich, o wie fehr! 
Doc ter Duft ſelbſt ift der Sehnſucht Bote nr, 
Tiefe Schnfucht, ah, erfaßt mich, o wie fehr! 


— — — — 


11. 
Komm und brich des jungen Jahres Hyacinthen; 
Laß mich locken deines Haares Hyacinthen! 
Auf ein ſüß Geheimniß deuten, auf ein ſtilles 
Und allein uns beiden klares, Hyacinthen. 
Nicht allein im Morgenlande, allenthalben 
Blühn des ſrohen Liebespaares Hyacinthen; 
Brach doch auch der Muſelmann im Abendlande 
Am Renil und Manzanares Hyacinthen. 





8 
Ä 1. | 
Ganz in Unſchuld, Lieb’ und Güte glühte die Wange dir. 
Gleich der Purpurnelke Blüte glühte die Wange bir. 
Als du mir den Wein kredenzet, welcher im Glafe mir 
Funfelnd, wie dein Auge fprühte, glükte Die Wange bir. 
Als den fchönen Bid du niederſchlugſt, den beſcheidenen, 
Daß er meinen Bit verhüte, glühte Die Wange dir. 
Da du fanzft die frühften Lieder, die ich dir fendete, 
Fühlend ganz, wie fehr ich glühte, glühte die Wange bir. 


— — — — — 


13. 

Mir vor allen ſchoͤn erſchien die Tulpe; 

Meine Seele nahm dahin die Tulpe; 

Ueberbeut den Saphir doch an Farbe, 

Doch an Farbe ven Rubin, die Tulpe! 

Eher pflüd' ih, wenn auch nie fie duftet, 

Als Sasmir und Rosmarin die Tulpe. 

Lieblicher, als alle Sterne leuchtet 

Unterm Sternenbaldadin die Tulpe; 

Gerne wandl’ ih, wenn der Mond am Himmel, 
Denn es feffelt mih und ihn die Tulpe. 

Schenke! Tulpen find wie Kelche Weines, 

Bieb den Freunden, gib fie Hin, die Tulpe! 


— 


14. 
Sieh die Wolfe, die mit Blig und Knall ſpielt, 
Sieh den Mond, mit dem der Himmel Ball ſpielt, 


Zr u 


Sich den Fels, der bis ans Kirmament reicht, 

Wie er lebend mit dem Wiederhall fpielt, 

‚Sich den Strom, der rauſchend ſich am Fels Bricht, 
Wenn er mit der vollen Woge Schwall ſpielt, 

Sieh den Schmetterling, ber längs bes Stroms fleucht, 
Und mit Hyacinthen übern! fpielt: 

Spiele du nur mit, und fei ein Kind nur, 

Schöne Spiele find es, die das All fpielt! 


45. 
Dir, edler Süngling, bring’ ich Heut ein Lieb 
Dir, fehöner Freund, frei lets erneut ein Lieb! 
Du biſt mir Schab des Morgenlands, und id 
Der Sänger Barbud, der bir beut ein Lied, 
Ein Baradiefesvogel bin ich bir, 
Der eine Feder auf dich fireut, ein Lieb. 
Ein Lied hat Flügel zwar, doch komm’ zurüd, 
Denn gar fo weit zu fliegen feheut ein Lieb! 
Frommt's, wenn im Traum ein Dichter bichtete, 
Wenn ihn des Morgens nicht erfreut ein Lied? 


46. 
Mer zog den Nerv im Weltgehirne? Du! 
Mer Hält das All an. diefem Zwirne? Du! 
Mer gab dem Neger das geflachte Haubt, 
Und wölbte Blatons hohe Stirne? Du! 





10 . 


Mer ſchuf die Tulpe wie das Haidekraut, 
Die Pomeranze wie die Birne? Du! 

Wer hat bas Thal mit Rofen rot bedeckt, 
Und wer mit Eis die blaue Firne? Du! 
Du bit es, der, wie eine Perlenſchnur, 
Zufammenreihte die Geſtirne, Da! 


17. 


Der Strom, der neben mir verraufäte, two iſt er nun? 
Der Vogel, deſſen Lied ich laufchte, wo iſt er nun? 
Mo iſt die Roſe, die die Freundin am Herzen trug, 
Und jener Ruß, der mich berauſchte, wo tft er nun? 
And jener Menſch, der ich geweſen, und den ich laͤngſt 
Mit einem andern Ich vertauſchte, too iſt er nun? 


— —— — — — — 


18. 
Dir gehorcht' ich will'gen Ohres, ehedem, 
Gleichwie Afien dem Kores ehedem; 
Was dem ſchwerverſchloßnen Buſen Zunge leiht, 
Deine Liebe rief hervor es ehedem. 
Dieſe Gaͤrten, nun entblättert, nun entblumt, 
Freuten ſich des Tulpenflores ehedem; 
Und das Waſſer, das im Becken ſchlammig ſtockt, 
Eine Säule ſprang empor es ehedem; 
Und die Luft, die Schnee verſtoͤbert, ſchwellte ſüß 
Jeden Gang des Floͤtenrohres ehedem; 


11 


Deine Schönheit und das eigne, ſchoͤne Gluͤck 
Sang id, weh mir, ich verlor es! chebem. 


— nn nn — — 


TER: 19, 

Nach lieblicherm Geſchicke ſehn' ih mich, 

Wie nah dem Stab die Wide, fehn' ih mich! 
Nah deines Mundes Duft, nad deines Haars 
Geringel am Genide ſehn' ich mid. 

Ich fehne mid, daß poche mir das Herz, 
Daß mi dein Arm umfride, ſehn' ich mich. 
Du gehſt, o Schöne, mir fo flolz vorbei, 

Nach einem zweiten Blicke ſehn' ih mich! 


— 2... — — — 


20. 


Schatten wirft die laubige Platane mir, 

Suͤßern Schatten wirft des Siegers Fahne mir; 
Minder froh betret ich glatten Weg, ale den, 

" Den id durch die Waldgebüfche bahne mir. & 
Nicht die Fahrt im Schiff, ich wünfche jene Fahrt, 
Auf dem Halbmond fiehend, wie im Kahne, mir. 
Leicht zu tragen ſcheint des Winters Flodenfchnee, 
Weil ich YBlütenfchnee des Lenzes ahne, wir. 

Nicht im Garten, rief ich, als du badeteſt, 

Nur im Wafler blüht die Tulipane mir! 


u — — 


19 


21. 


Es fprudelt Waſſer aus dem Stein empor, 

Der Walfifch fpritt es nit fo rein empor; 

Die Lilie Perfiens ift ein ſchlanker Baum, 

So blüht fie nicht am deutfchen Rhein empor. 
Die feinften Berlen, deine Thränen find’s, 

Kein Taucher fifcht fie dir fo rein empor; 

Du mußt die Melle binden an den Stab, 

Es ranft der Epheu ih allein empor; - 
Den Trunk der Quelle führft bu fill zum Mund, 
Doch hebſt du hoch den Becher Wein empor! 


— — nn — — 


22.” 
Gleich Alfonfo’s Heldenahne ſchlummerſt du, 
Aber nicht im Liebeswahne fchlummerfi du; 
Nicht umgittert von Armidens Lodennep, 
Nicht auf Rof und Tulipane fhlummerf du: 
Eine Niefin, flarr und finfter, Hält dich fe, 
Unier ihrem Klippenzahne ſchlummerſt du; 
Nicht mehr unter purpurſtolzem Baldadyin, 
Nicht mehr unter Zelt und Fahne ſchlummerſt du. 
Ruhig ſchlummerſt du, Gewalt'ger, doch vielleicht 
Traͤumend ungeheure Plane, ſchlummerſt bu. 
Fernher rufen deine Freunde: wach', erwach'! 
Sieh dich um nach einem Kahne! Schlummerſt du? 


— — — — — 


13 


23. 


An der Lilie fhönen Kelchen, und am Aglei, pranget ex, 
Hangt der Heinen Biene Rüflel, nicht am Schierling hanyet er; 
Nicht auf Serkeſch Melodieen horcht der Weltregent, der Schah, 
Doch es horchte, wenn ihr Barbud's Melobieen fanget, er. 
Wenn du vor den Liebeskranken Hafls und Firduſſi legſt, 

Den Firduſſi läßt er Liegen, nach dem Hafls langet er. 

Mond und Sonne, dieſe wärmet, unter jenem frieren wir: 
Nicht nach Kob verlangt ber Dichter, doch nach Ruhm verlanget er. 


- 3 ——— un — 


24. 


Auf, und wicht länger Dich verhehle dem Baterland! 

Entgegenfhwillt ja beine Seele dem Baterland! 

Der Perferfaufmann, was er fanımelt, er bringt's zuräd 

Auf fehwerbeladenen Kameele dem Baterland. 

Die Nachtigall, die Parfl finget, gewannft du lieb, 

Sie fingt ja mit verwandter Kehle dem Vaterland. 

Schneegloͤckchen gehen, ericheinen Blumen, den Blumen vor: 
Verkünde mich indeß, Bafele, dem Vaterland! 


25. 
Du grollſt der Welt, weil du gebunden bift, 
Und von dir felber überwunden bift? 
Verklage nicht das fromme Schwert der Zeit, 
Wenn du der Mann der taufend Wunden bifl! 


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14 


Bezeug’ uns erſt, daß nichts in dir dich hemmt, 
Daß du ein Freund von allen Stunden bift! 
Sprich erſt zur Rofe, wenn fie well erſtirbt: 
Was kümmert's mid, daß du verſchwunden bift? 
Dann, Bruder, glauben wir, wie fehr au bu 
Bon uns, den Freien und Gefunden bif. 





* 


26. 
Was frommıt’s, von fern der Dichter Wahn zu ſchau'n? 
Did Parfilten verlangt mid anzuſchau'n, ' 
Gen Oſten Hin zu pilgern mwohlgemut, 
Die Karavan auf ihrer Bahn zu ſchau'n, 
Zu fhweijen durch dein Blütenparadies, 
Um einen Rofenocean zu ſchau'n, 
Im Duft zu fhlummern deines Palmenwalbs, 
Und Hunderttaufend Früchte dran zu ſchau'n, 
Zuletzt den Schah, juwelenüberſtreut, 
Auf feinem Thron in Jopahan zu ſchau'n. 


27. 
Wenn ich deine Hand liebkofe, zittert fie, 
Und berührft du die Mimoſe, zittert fie. 
Zwar die Flamme, Sommervogel, tötet dich, 
Doch gerührt von deinem Looſe, zittert fie. 
Eine Rof im Garten nenn’ ich diefes Lied, 
Aber geb’ ich dir die Roſe, zittert fle. 








15 


{ 28. 
Du bit der wahre Weife mir, 
Dein Auge Lifpelt’s leife mir: 
Du bil ein Gaflfreund ohne Hehl 
Auf diefer langen Reife mir; 
Dein Lehen wird, daß Liebe no 
Zebentig, zum Beweiſe mir; 
Du bringft der Liebe Moſchusduft, 
Du bringft der Wahrheit Speife mir; 
Es wird fo leicht, es wird fo warm 
In deinem lieben Kreife mir; 
Du bi die Berle, deren Wert 
Hoch über jedem Preife mir! 


— — — — — — 


29. 

Wenn du ſammelſt goldne Trauben ein, 

Hüllen Reben dich in Lauben ein; 

Wenn am Hügel dich umfängt der Schlaf, 
Glrren dich verliebte Tauben ein; _ 

Wenn du liebft, fo ſtellen Engel fi, 

Die der Sorge dich berauben, ein; 

Da die Weisheit mühenoN du fandft, 

Büßteft doch du nicht den Glauben ein. 


= 


30. 
Der Löwin dient des Löwen Mähne nicht; 
Buntfarbig fonnt ſich die Phaläne nicht; 


16 | 
"Der Schwan befurcht mit flolzen Hals den See, 
Doch Hoch im Aether Haufen Schwäne nicht; 
Die Riefelquelle murmelt angenehm, 
Doch Schiffe trägt fie nit und Kühne nicht; 
An Dauer weicht die Mofe dem Rubin, 
Ihn aber ſchmückt des Thaues Thräne nicht; 
Was fuhft du mehr, als was du biſt, zu fein, 
Ein andres fe zu werden, wähne nicht! 


a ee ee a 


si. 
O weh dir, der die Welt veradhtet, allein zu fein, 
Und deffen ganze Seele tracdhtet, allein zur fein! 
Es ſchuf der unerfchöpfte Schöpfer Gefchöpfe rings, 
Und nicht ein einzig Wefen trachtet, allein zu fein: 
Allein zu jein, verfhmaht die Tulpe des Tulpenbeets, 
88 fcheut der Stern fih, wenn es nachtet, allein zu fein. 
Berlaß den Stolz, der deine Seele fo tief bethört, 
Der ih und feine Freuden flachtet, allein zu fein! 
Sogar von Throne reicht der Herrfcher die Hand herab, 
Ihm ſchwindelt, wenn er fih betrachtet, allein zu fein; 
Dem Klausner felbit im Wald gefellt fih fein Gottesbild, 
Meil betend er’s für ſündlich achtet, allein zu fein. 


— — nn nun. 


92. 
Su deine Liebe Hauımt in meinem Buſen, 
Du ha fie nicht verdammt In meinem Buſen, 


17 


N 


und weichlich ruhn, zum Lobe bir, Bejänge, 
Wie Kronen auf dem Sammt, in meinem Buſen; 
Der Dichtung Lanzen faſſ' ich mit einander, 
und berge ſie geſammt in meinem Buſen; 
Ya, wie ein Flaͤmmchen, fadert eine Roſe, 
Die noch ans Ehen ſtammt, in meinem Bufen. 


.83. 


Sieh, du ſchwebſt im Reigentange, doch den Sinn erfennft du nit; | 


Did beglückt des Dichters Stange, doch den Sinn erkennſt bu nicht; . 
Du beſchauſt die Form des Leibes, undurchſchaulich abgeſtralt 


Bon des Marmors friſchem Blanze, doch den Sinn erkennſt du nicht: 
Als Granate blinkt die Sonne golden bir, die goldne Frucht, 
Und der Mond als Pomeranze, doch den Sinn erkennſt du nicht; 


Ihr Geblüt, das Heilig dunkle, das in Trunfenheit dich wiegt, 


Bietet dir die Mebenpflange, doch den Sinn erfennft du nicht; 


Sieh, die Balme prangt als Kragen um des ird'ſchen Rockes Rand, 


Sieh, die Fichte hangt als Franfe, doch den Sinn erkennſt bu nicht; 
Sterngezelte, Blütenharnifh, blendet und erfreut den Blick, 
Thaleslager, Bergesfhanze; doch den Sinn erkennſt du nit; 
Bebend in der Mutter Bufen, der gefäugt den ew'gen Sohn, 
Sicher du des Schmerzes Lanze, doch den Sinn erfennft du nicht. 


4 


. 


— —— — — — — 


34. 
Bann eink der Fiſch vom Bade fpringt, . 
Bann ewig bie Cascade fpringt, 
Platen, ſammtl. Werke. IL. 2 





18 


Mann einft die Gemfe, wie der Stern, 
Diefelben hohen Made firringt, 

Hann auf des Hethers reiner Flur 

Die fingende Cicade fpringt, 

Wann oͤffnend ihren treuen Schatz 

Des Sarges morſche Lade frringt: 

Mo ift der Bufen, ruf ich dann, | 
Aus dem die Mil der Gnade Ipringt? 


35. i 
Bift du der Freund, weil du mein Herz gewinnen? 
Bift du Die Schlange, weil dir flets entrinneft, 
Bit du die Seidenraupe, weil du fachte 
Mit feinen, arten Fäden mich umſpinneſt? 
Biſt du der Strom, weil unerſchoͤpflich dunkel 
Du Well’ in Welle ditrcheinander rinneft? 
Bift du der Mond, weil du mit großem Auge 
Die Welt in Maren Nächten überfinneft? 
Bift du die fromme Nachtigall der Liebe, 
Weil du den Todeskelch der Roſe minneft? 


—— — —— — — 


86. 


Dir wuchs aus flacher Rechten ein Parabies, o Freund! 
Der Staub zu deinen Füßen war goldner Kies, o Freund! 


19 


Geringel deiner Loden ift Ring der Ewigkeit, 

Und Leben if dein Athem, Der liebend blies, e Freund! 

Du ſtehſt, und taufend Sonnen: umwandeln bir das Haubt, 
Du gehfl, und taufend Tulpen entblühn der Wieſ', o Freund! 
Es füllte fih die Rofe, zu bau'n ein Bett für bich, 

Es kam ein Stern im Tanze, der dich verhieß, o Freund! 

Der Erbe Halbe Kugeln find Pauken, die du Ichlägft, 

Die Himmel rufen: Lebe! dir rufen ſie's, o Freund! 

Du wandeſt di, du lanfchteft, vu neigteft Hin das Ohr, 

Da fangft du felbft bie Hymne, bie hoch dich pries, o Freund! 


— — — — — 


37. 
Wallt der Buſen dir? Das Gewand bebt; 
Pocht das Herz dir nicht, weil die Hand bebt? 
Droht dem Schmetterling naher Tod nicht, 
Weil des Kerzenlichts banger Brand bebt? 
In der Lilie raſ't der Sturm wohl, 
Weil die Welle Thau bis zum Rand bebt? 
Sicher wandelt du durch's Gemach hier, 
Weil dein Schattenbild längs der Wand bebt. 


38. 
Die Bätter find im Buſchrevier gefallen ab, 
Am Roſenſtock die Rofe hier gefallen ab; 
Mit Briefen flog die Taube weg aus beinem Hof, 
Bon deinen Pflügen iſt der Stier gefallen ab; 





18 


Mann einft die Genfe, wie der Stern, 
Diefelben hohen Made fyringt, 

Wann auf des Aethers reiner Flur 
Die fingende Cicate fpringt, 

Wann öffnend ihren treuen Schatz 

Des Sarges morſche Lade frringt: 

Mo ift der Bufen, ruf ich dann, 

Aus dem die Milch der Gnade fpringt? 


35. i 
Biſt du der Freund, weil du mein Herz gewinneſt? 
Biſt du die Schlange, weil du flets entrinneft, 
Bil du die Seidenraupe, weil du ſachte 
Mit feinen, ſtarken Fäden mich unifpinneft? 
Biſt du der Strom, weil unerfhöpflih dunkel 
Du Well in Welle ditrcheinander rinneft? 
Bit du der Mond, weil du mit großem Auge 
Die Welt in Maren Nächten überfinneft? 
Biſt du bie fromme Nachtigall der Liebe, 
Weil du den Todeskelch der Roſe minneft? 


36. 


Dir wuchs aus flacher Rechten ein Parabies, o Freund! 
Der Staub zu deinen Füßen war goldner Kies, o Freund! 


19 


Beringel deiner Locken ift Ring der Ewigkeit, 

Und Leben ift dein Athem, der liebend blies, oe Freund! 

Du flehft, und taufend Sonnen: umwandeln dir das Haubt, 
Du gehft, und taufend Tulpen entblühn der Wieſ', o Freund! 
Es füllte fi die Roſe, zu bau'n ein Bett für dich, 

Es fam ein Stern im Tanze, der dich verhieß, o Freund! 

Der Erbe halbe Kugeln find Paufen, die du fhlägft, 

Die Himmel rufen: Lebe! dir rufen ſie's, o Freund! 

Du wandeſt did, du laufchteft, du neigteft Hin das Ohr, 

Da fangft du felbft bie Hymne, die hoch dich pries, o Freund! 


— — — — — 


37. 
Wallt der Buſen dir? Das Gewand bebt; 
Pocht das Herz dir nicht, weil die Hand bebt? 
Droht dem Schmetterling naher Tod nicht, 
Weil des Kerzenlichts banger Brand bebt? 
In der Lilie raſſt der Sturm wohl, 
Weil die Welle Thau bis zum Rand bebt? 
Sicher wandelt du durch's Gemach hier, 
Weil dein Schattenbild längs ter Wand bebt. 


38. 
Die Bätter find im Buſchrevier gefallen ab, 
Am Roſenſtock die Roſe hier gefallen ab; 
Mit Briefen flog die Taube weg aus beinem Hof, 
Bon deinen Pflügen ift der Stier gefallen ab; 


> 





20 


Du trugft der Freundin Bild, doch ad! die Farbe loſch, 
Es iſt vom Ringe der Saphir gefallen ab; 
Auf deinem Nacken flog umher das üpp'ge Haar, 
Der Scheitel iſt die Lockenzier gefallen ab; 
Den Boden küßten vor bir einſt bie Fünglinge, 
Sie find zu zwei, zu brei, zu vier, gefallen ab; - 
O fage mir, wo wendeft du bie Schritte zu? 
Wen ſuchſt du, da fo Diele dir gefallen ab? 


— — — — —— — 


39. 
Du biſt der Stern, der Hoch im Blauen ſchwimmt, 
Durch's Unermefl'ne nıit Vertrauen ſchwimmt; 
Du biſt der Lotos, der im Ocean, 
Wo rings die Wogen ihn umthauen, ſchwimmt; 
Du biſt der Tropfen, der im Aug' allein, 
Ach, unter gramverzognen Brauen! ſchwimmt; 
Du biſt die Feder einer Nachtigall, 
Die durch die Lüfte, durch die lauen, ſchwimmt; 
Du biſt das Roſenblättchen, das im Kelch, 
Den uns Erebenzen ſchoͤne Franen, ſchwimmt. 


— ——— 





40. 
Ich bin wie Leib dem Geiſt, wie Geiſt dem Leibe dir! 
Sch bin wie Weib dem Mann, wie Dann dem Weibe bir! 
Men darfſt bu lieben fonft, da von ber Lippe weg 
Mit ew'gen Kiffen ich den Tob vertreibe dir? 


21 


Ich bin dir Rofenduft, dir Nachtigallgefang, 

Ich bin der Sonne Pfeil, des Mondes Scheibe bir: 

Was will du no? was blidt die Sehnſucht noch umher? 
Wirf Ales, Alles hin: du weißt, ich bleibe bir! 


4. 
Wie die Lilie fei dein Bufen offen, ohne Groll; 
Aber wie die Feufche Roſe fei er tief und voll! 
Laß den Schmerz in deiner Seele wogen auf und ab, 
Da fo oft dem Quell des Leidens bein Gefang entquoll! 
Märe Daphne nicht entronnen ihres Buhlen Arm, 
Welchen Kranz um feine Eyra fhlänge dann Apoll? 
Fuͤrchte nicht zu flerben, Guter, denn das Leben trügt: 
Gieb der Erde gern den letzten, ſchauderhaften Zoll! 
Laß das welfe Blatt vom Baume flürzen in den Teich, 
Weil es noch im Todestaumel fih berauſchen foll! 


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AR. 
In Thälern iſt der Tuipe Si, du ſiehſt es: 
Der Funke wohnt im Wolkenritz, du fiehf es; 
Do Hammt und blüht ein hoher Stern darüber, 
Der Stern allein ift Blum’ und Blitz, du fiehft es; 
Wie Drei zu Dreien find und ins, auf ewig, - 
Erkennt e8 dein verruchter Wis? Du ſiehſt es. 


—— en — 


22 


43. 

Wenn id) hoch ven Becher ſchwenke ſüßberauſcht, 
Fühl' ich erſt, wie tief ich denke füßberaufht; 
Mir wie Berlen runden lieblih Verſe fich, 
Die ich fehnüreweis verſchenke, füßberaufct; 

- Boll des Meines knüpf' ich fühn des Zornes Dolch 
An der Liebe Wehrgehenke, füßberaufäht; 
Hoffen darf ich, überhoben meiner felbkt, 
Daß ein fremder Schritt mich lenke füßberanicht; 
Staunent hören mich die Freunde, weil ich tief. 
Sn Myſterien mich fente füßberaufcht; 
Weil mein Ih fih ganz entfaltet, wenn ich frei 
Keiner Berficht mehr gedenke, füßberaufcht; 
Wehe, wer fi hinzugeben nie vermocht, 
Wer dich nie gefüßt, o Schenke! ſüßberauſcht. 


. 


44. 
Die Nachtigall, trog allen Falten, bleibt, 
Sp wie der Biedre nach den Schalten bleibt; 
Der Ehelftein im Diadem des Schahs, 
Wenn alle Steine ſich verlalfen, bleibt; 
In Splitter fhlägt den Eichenſtamm der Blitz, 
Doch fich! des Kreuzes ew’ger Ballen bleibt. 


45. 
Mann wird empor ber-Rofenaft fi richten, 
Und lachend ſchlingen fih um duͤſtre Fichten? 


23 


"Mann rollt fih auf der Wolfen Oriflamme, 
Des Donner kriegerifhe Wut zu ſchlichten? 
Dann. ‚öffnet fi) der Schlund bes Oceanes, 
Daß wir ber Berlen, tiefe Schäge fihten? 
Mann wird der Fittig an ber Schulter feimen, 
Daß von den Sternen wir, gin Wort berichten ? 
Wann finkt der Regenbogen, daß den Pinfel 
Wir mögen tauchen in die fieben Schichten? 
Wann thut ſich auf des Kirmamentes Kugel, 
Daß wir bie fieben Himmel ſchau'n, die lichten? 
Wann follen wir die Wahrfugung gewahren, 
Und wachen, was wir fhlummern in @edichten? 





46. 
Waͤhnſt, du, daß der Krommen 
Haus did anfgenommen? 
Biſt du je. des Zweifels 
Ungethüm entlommen? 
Biſt du je des Sehnens 
ı Meere duxchgeſchwewmen? 
‚Hat bir je den Buſen 
Liebesſchmerz beflummen? 
Haft du je, des Todes 
Tiefen Sinn gerunmmen? 
Biſt du, hinzuopfern 
Irdiſches, entglommen? 
. Offen ftehn die Thore, 
Biſt du's, magſt du kommen! 


24 


47. 


Ber immer Gott ergeben, er opfert fi der Welt. 

Es fließt der Saft der Neben, er opfert ſich der Welt. 
Den Seidenwurm erblickt' ih, und fah ihn wohlgemut 
Den Sarg fi felber weben, er opfert fih der Welt. 
Ich fah den Halm des Feldes, der ehedem gewogt, 
Sm Sicheltode beben, er opfert fi der Welt. 

Es läßt melod'ſche Seufzer, wiewohl fle töten ihn, 
Der Schwan gelind verfchweben, er opfert ſich der Welt. 
Ich fah der Rofe Bufen, gefchwellt von Wohlgeruch, 
Dem Sturme hingegeben, er opfert fih der Welt. 

Ich ſah die Völker alle, ald Einen großen Leib, 

Den Deutſchen als ihr Leben, er opfert fi der Welt. 


; 48. 
Der wegt vom Schwerte mir hinweg die Scharten? 
Der heilt die kranke Rofe mir im Garten? 
Wer ſchlaͤgt den Geier, der mir frißt am Leben? 
Bon weflen Hänben darf ih es erwarten? 
Wer wird, da ih mid fchiden muß zur Reife, 
Die Tulpenzwiebel, die ich pflanzte, warten ? 
Wer wird im Spiel mir Gut und Habe reiten, 
Da ich gefeht fie auf die letzten Karten? 
Wer wird dem Joche fllavifhen Gehorſams 
Mid ganz entziehen, jenem allzuharten ? 
Denn ih bei Nacht die finfire See befahre, 
Wer zündet Licht mir auf den Hohen Warten ? 


= 


Wenn ih dem Feinde mich entgegenwerfe, 
Mer hütet mir erbeutete Standarten ? 
Wenn ih Vergangenheiten überbenfe, 
Mer ſchützt indeß mir meine Gegenwarten? 


nn — — — — 


49. 
Sturm und Meersgefährde trifft nie 
Dich, den Klugen, der gefchifft nie; 
Mer in Furt fogar den Wein fheut, 
Trinkt das eingemifchte Gift nie; 
Schartenlos iſt euer Schwert zivar, 
Weil ihr feig zum Schwerte grifft nie; 
Hieroglyphiſch biſt du nicht? Gut! 
Man entziffert deine Schrift nie. 


— —— — — 


50. 
Du wähnſt fo ſicher dich und Flug zu fein, 
So ganz der Welt und dir genug zu fein? 
Do unbefriedigt ſchien mir jedes Herz, 
Und jedes Weſen, das ih frug, zu fein; 
Ein duftig Rätfel ſchien die Mofe mir, 
Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu fein; 


Des Baumes Schatten, unter dem ich lag, 


Schien mir ein föftliher Betrug zu ſein; 
Gehemmt in Feſſeln.ſchien mein eigen Lied, 
In bie ich's wider Willen ſchlug, zu fein. 


‚ 





m 


26 


> s1. 
Biſt du geboren eine alte Büfe? ; 
Wo iſt das Auge, das nicht weinen müßte? 
Die Nofe wellt, da kaum der Summervogel 
Zum erflenmal den üpp'gen Buſen küßte; 
Kaum hat fein Werk der Spinne Fleiß vollendet, 
Serftört ein Tritt das finnige Gerüſte; 
Als eben kommt heran die Karavane, 
Vertrocknet ganz ver letzte Duell ber Wüfte; 
Und wenn das Schiff tm Sturme ſucht zu landen, 
Zerſchmettert es ein Felfen an der Küfte; 
Nur ftundenlang geflügelt, büßt die Larve 
Der Ephemer’ ein mondenlang Gelüſte; 
Den Wein der Sonne ſchlürft das Meer am Abend, 
Wie au der Pilger fi darob entrüfle; 
Es Hagt das AU: ein Mefier hat durchſtochen 
Des Lebens ew’ge Sungfraus Mutter» Brüfte. 


82. 
Du fiehft, wir lächeln beinen Hohne nur! 
Was nie du fafen wirft, verſchone nur. 
Der Käfer hier beſchmutzt den reinen Quell, 
Doch er ertrinkt, er hat's zum Lohne nur. 
Es Hängen Tropfen an die Tulpe ch, 
Do fie verfhönern ihre Krone nur. 
Das Schilf erklang, ber Hirte ſchnitt es ab, 
als Flöte ſcholl's mit füßerm Tone nur. 


27 


Der Meuter zudt das Meſſer auf den Schah, 
Er wird ein Fröhner feinem Frohne nur! 


53. 
Das Morgenrot befhämt die Nacht endlich; 
Die lange Müh’ vergilt der Schacht endlich. 
Die Wolken bergen flets den Mond wieder, 
Do er gewann bie fhöne Schlacht endlich. 
Es fäumt die Aloe am Putztiſche, 
Bis fie fi zeigt in ihrer Pracht endlich. 
Es hat die Sonne grüne Brantperlen 
Aus Wittwentkränenthau gemacht endlich. 
Getrauert hat der Berg in Schneekleidern, 
Der, rot von Alpenrofen lacht endlich. 
Dort oben feheint die Flut des Gießbaches, 
Hier unten fließt fie wieder facht endlich. 
Der Samenfunfe glimmt im Erbreiche, 
Bis man die Tulpenflamme facht endlich. 
Der Simmel wählt, in Grau gehüllt lange. 
Sich eine goldgeſtickte Tracht endlich. 
Wir waren lange ſchnöder Welt Beute, 
Bis des Erlöfers wir gedacht endlich. 


54. 
Laß dich nicht verführen von der Roſe Düften, 
Die am vollſten wuchert, wuchert auf den Grüften! 





EN 


28 


Laß dich nicht verloden vom Gyprefienwuchie, 

Denn Gewirme nagen feine ſchlanken Hüften; 

Staune niht dem Felfen, Stürme, Winde, Blibe, 

Selbſt der Menſchen Aerte mögen ihn zerflüften; 

Flehſt du zu den Sternen? ‘Sterne find nur Floden, 
‚ Die nicht ſchmelzen Tonnen in ben Falten Lüften. 


38. 
Nach Sommervögeln haſche nicht, 
Vergeht der Lenz, ber raſche, nicht? 
Das Gold zerreibt fih allgemach, 
Vertrau' der vollen Tafche nit! 
Der Wein vergeiftet in ber Luft, 
Vertrau' der vollen Flaſche nicht! 
Der harte Diamant fogar, 
Berzehrt er fih zur Afche nicht? 


— —— — —— 


56. 
Die Ruhe wohnt in deinen Zügen, Freund! 
Doch auch ein ſelbſtiſches Genügen, Freund! 
Sie Heiden ih in fihre Harmonte, 
Uns um fo fihrer zu betrügen, Freund! 
Do ſuchen mehr wir, als die glatte Stirn, 
Die feine Runzel wagt zu pflügen, Freund! 
Bas in den Adern uns lebendig rollt, 
Kein Leben fei es, das wir lügen, Freund! 


29 % 


Kein Yächer fei ber fchöne Fittig dir, 
Er trage dich zu Hohen Flügen, Freund! 


57. 
Die Rebe fhlingt um ihre Stange Blüten; 
Ich öffne liebend im Gefange Blüten; 
Die Alpenrofe ſpendet tiefgewurzelt 
No am granitnen, dürren Hange Blüten; 
Sogar im unfruchtbaren Schooß' entfaltet 
Des wilden Meers der Lotos bange Blüten; 
Menn aus der Ferne nahen Wlötenfpieler, 
Entfiehen unfidtbar im Klange Qlüten; 
Surüde ſchauend in der Iugend Spiegel, 
Erblid’ ich ewig deiner Wange Blüten. - 





58. 
Du bift der Wandersmann, der auf der weiten Fahrt 
Sich ſtets dem Pilger nur, doch nie dem Räuber paart! 
Du bift der fiare Quell, der auf dem Lehme fließt, 
Und doch auch Hier nicht läßt von feiner reinen Art; 
Du bift der Schmetterling, der au im Sturme nie 
Bon feinen Fittigen verliert die Farbe zart; 
Du bift das Lotoshlatt, das mitten in der Flut, 
Die ewig es umfpühlt, fih ohne Naß bewahrt; 
Du bift der Friebliche, der nur die Fahne trägt, 
Da um di her die Welt in Waffen iſt gefhaart; 





30 


Du gehft in Dunkelheit, doch wie ein halber Mond 
Umftralt dein Angefiht der Haumig junge Bart. 


ee 


i 59. 
Wenn bu dich zur Duelle büdeft, feh’ ich gerne zu; 

Wenn du Tuliponen pflüdeft, ſeh' ich gerne zu; 

Wenn. du, ſchauend nach den Sternen, in der Haren Nacht, 
Dich der Erde Tand entrüdeft, ſeh' ich gerne zu; 

Wenn du gegen Feinde Gottes, welche dich bedräu'n, 

Deine fromme Waffe züdeft, feh’ ich gerne zu; 

Denn du beine reinen Schläfe, gleich dem Herrn ber Welt, 
Mit der Dornenkenne ſchmückeſt, ſeh' ich gerne zu; 

Wenn du Jene, bie dich Hafen, Sene, die dich ſchmaͤh'n, 
Freundlich an den Buſen brüdefi, ſeh' ich gerne zu; 

Wenn dir alle Herzen Liebe flammeln, weil du fie 
Hochentzückeſt, hochbeglückeſt, ſeh' ich gerne zu. 


; 60. 
Wie fhön dein Haubt die Krone von Lilien umflicht! 
Ein Leuchter jeder Stengel, und jede Blum’ ein Licht; 
Auf deinen Schuhen blühen zwei goldne Rofen bir, 
Ein Duft ergeht aus ihnen, der Freund und Feind beſticht; 
Berbrämet ift dein Mantel mit flüfigem Smaragd, 
Wer immer zerrt am Saume, zerreift den Mantel nicht; 
Das Blut ift deines Herzens der Liebe heißer Quell, 
Wiewohl er fih am Gletſcher des Poͤbelhaſſes bricht. 


31 


81. 
Sich wie die Roſen vor bir ſtarben weg; 
Du nabmft den Tulpen ihre Karben weg; 
Der Biene ranbteft du den Honig, nahmſt 
Das Mehl der Achren aus den Garben weg; 
Du nahmſt, fobald wir fchliefen, unfern Schlaf, 
Sobald wir fochten, unfre Narben weg; 
D nimm nur beine Liebe nicht, daß nicht 
Bei dir, o Meicher, ganz wir darben, weg! 


62. 
Kann ih Mut und Luft erneuen ohne dich? 
Taufend Schreden muß ich feheuen ohne dich! 
Ah, ih bin, was Nachtigallen nach dem Lenz, 
Mas im engen Kerker Keuen, ohne dich! 
Nur ein Regentropfen bin ih, welchen, ad}! 
Sorglos kalte Wolfen fireuen, ohne big! 
Mich erquiden wirb fein voller Becher Wein, 
Keine Tulpe mich erfreuen, ohne dich! 
Ohne dich find alle Freunde Feinde mir, 
Treulos find mir alle Treuen ohne di! 
Retter komm! In Thränen fleh’ ich: Retter lomm! 
Selbft die Liebe ſcheint zu dräuen ohne did! 


.ı 68. 
Abendhimmel färbt ich Dichter roſenrot; 
Durd die Bäume tanzen Lichter roſenrot; 





32 


Aus dem Mooſe [hauen Blümchen keuſch empor, 
Schau'n, wie Mädchenangefichter, rofenrot! 
Sing’ o Rachtigall, und bring’ o Schenke, Wein, 
Da er funkle deinem Dichter rofenrot! 


i 54. 
Wach auf, wach auf! o Hafls, wir lieben den Wein, wie bu! 
Den Reim, wir ründen, reih'n ihn, und reichen ihn rein, wie bu; 
Wir beiten gern im Hain uns, auf Roſen und am Jasmin, 
- Im Raufche ziehn heraus wir, im Raufche hinein, wie du; 
Wir fehleudern weg den Koran, der heilige Gluten bampft, 
So zügellos, fo flandhaft im Lieben zu fein, wie du; 
Befäßen wir Samarkand, beſaäßen Bochara wir, | 
Dem Liebchen ſchenkten's gern wir, vergäß es das Nein, wie du; 
Wir fhwören ew'gen Leichifinn und ewige Trunkenheit, 
Mas fehlte dem, ber treu hält den Liebesvyerein, wie bu? 
Wir fchlihen lange gramvoll und kummergebeugt umfonft, 
Run laſſen wir im Kelchglas zurüde die Pein, wie du; 
Auch unfre Zunge rühmt fih des myftifhen Wortes laut: 
Wer Seelenfpiegel fein will, verſchmaͤhe den Schein, wie bu. 


65. 
Entgeht auch Segen euch und Friede hier, 
Vergeßt es, Freunde, doch im Liede hier; 
Euch aufzuregen mit lebend'gem Tact, 
Schnitt ih mir Flöten ans dem Wiebe hier; 


⸗ 33 
O kehrt den Staub von eusen Sohlen weg, 

Die Schwermut werde zur. Syiphide hier; 

Hier iſt nur überird’fche Lieb’ und Wein, 

Und Leben firömt in jedem Gliede hier; 

Trinkt ans dem Turban, wenn's an Bechern fehlt, 
Bis Schlummer zuckt am Nugenliebe hier; . 

Die Sorge weicht vor Hafis mächt'gem Bann, 
Singt er Gaſel' euh und Kaßide bier. 


— — — — — 


66. 
O ſcheue Did nicht in Not zu fein, 
Bon Liebesgefahr bedroht zu fein; 
Auf ſchäumendem Meer des Glücks beſtürmt, 
Ein fchaufelgewohntes Boot zu fein; 
O ſcheue dich nicht, dag nicht du Bit, 
Mas unfer Prophet gebot zu fein, 

* Wie ſchoͤn in der Wage Muſtafa's, 
Wenn auch nur ein leichtes Lot zu ſein; 
Schattirungen liebt die Tulpe zwar, 

„Doch frent ſich die Rofe, rot zu fein; 
Ber fehnte fih nicht, um ſtets zu blühn 
Im Liebe, wie Hafis tot zu fein? 


67; Ä 

Mer hätte nicht, wie Schemsebbin, des Weind Genuß geliebt? 

Mer hat nicht, was er muß, gehaßt, und was er muß, geliebt? 
Blaten, fämmtl. Werfe. 11 3 


34 
Mir haben ſtets das volle Glas, das auf und nieder Freift, 
Dabei der Rede Wechſelkampf, des Liedes Erguß geliebt; 
Wir haben flets den Wohlgerud im Rofenhain, und flete 
Das feuerfarbne Tulpenbeet am fühlen Fluß geliebt; 
Wo Maͤdchenwange ladet ein, wo Mäpchenauge fpäht, 
Mer hätte nicht verſtohl'nen Wink, verſtohl'nen Kuß geliebt; 
Dem Soft wiberfprech’ ich nicht, die Kutte fei fein Theil, 
Das Leben Hafle, wer es bis zum Ueberdruß geliebt; 
Doc bleibe fern der feige Knecht, der ſchoͤne Form erfannt, 
Und nicht fie mit unendlihem Gemütsentfchluß geliebt; 
Bor allen lebe Hafls Hoch, fo rufe laut mit uns, 
Wer unfres Liedes Andbeginn, und wer den Schluß geliebt. 


a‘ . 


’ 


- 68. 


D nimm die Rofen auf, und um ben Becher ſchlinge, 

Daß duftig fei der Trank, gewob'ne Rofenringe; 

Der Wein, der uns befreit, Befittigt unfre Herzen, 

Ein Reiher flieg’ ih Hin, vom Weine naß bie Schwinge; 
Verletzen mögt’ ihre mih, ihr Kalten, Liebelofen, * 
Doch wenn ich bin berauſcht, eracht' ich euch geringe; 
Was ihr ergrübeln wollt, es raubt mir nicht den Frieden, 
Geheim entſteht das Ich, geheim entſteh'n die Dinge; 
Doch Hört, was Hafis ſpricht: der Wein iſt eine Sonne, 
Der Kelch ein halber Mond, die Sonn' im Monde bringe! 


— — — — 


69. 


Der Liebe Blütenflaub, o Freund, zerſtiebe nie, 

Doch wenn du Tiebft, verfprich dir Gegenliebe nie; 

Die Luft bewahrt den Ton der Nachtigall nicht auf, 

Du Hältft die Flare Flut im hohlen Siebe nie; 

Laß fliehen, was entflieht! Der Weife härmt fih ab 

Mit unerwiedertem, mit halbem Triebe nie! 

Du liebſt, was willſt du mehr? Du fuchft verfagten Lohn? 
O fuche nie die Qual, und lieber Liebe nie! 

Auch Hafls Fennt den Schmerz des Schnens, doch er fpricht: 
So bald Erhörung winkt, nur die verfchiebe nie. 


70. 
Der Schenke fpriht: „O feht, wie fchön ich prange!“ 
Doch Jugend, leider! blüht nicht allzulange! 
Dein wolkenfreies Angeſicht verfläret 
GEin leichter Sinn, an dem ich zärtlich hange; 
Wie freundlich lacht das Aug’ aus blonder Mimper, 
Wie ſchmückt der Bart fu fchön die Tulpenwange! 
Den Becher fülle mir! Der Wein befchwichtigt 
Die Franke Bruft mit ihrem wilden Drange: 
Du zwingſt zu Heben dich die Welt, wie Hafis, 
Euch beide drum verfünd’ ih im Geſange. 


— 


36 


71. 
Preifen wilft du mich? Was fann ih geben, 
MWürdig kaum, zu dir emporzuſtreben? 
Deiner Blicke jeder ift ein Funken, 
Der verdunkelt jeden Stern daneben; 
Angefefielt Hält mich deine Lode, 
tind fo ſchleppſt du mich dir nach im Leben; 
Blühen möcht ih dir um's Haubt, wie Roſen, 
Schlingen mid um deine Knie, wie Reben; 
Selig feid ihr, liebende Planeten, 
Ewig dürft ihr um die Sonne ſchweben! 
Xiebe wirft mir in der Seele Wogen, 
Aber Hafls macht die Wogen eben. 


72. 
Das iſt der wirkliche Schöpfungstag, an dem entſtand Die Schönheit; 
Den Koran malte Muhammeds Hand, doch Gottes Hand HieSchönheit; 
Als Saͤulen thürmte Cypreſſen ſie zum Tempelbau der Luft auf, 
Und rein entzündete Roſenglut, und Tulpenbrand, die Schoͤnheit: 
Nicht ſchäämen wir des geliebten Frohns, der uber uns verhängt, uns, 
Der Kette weihen wir Kuß auf Kuß, mit der uns band bie Schönheit; 
Der Himmel fendet die Wolken weg, entfchleierft du das Antlitz, 
Mas fann er wollen? Er ift dahin, es überwand die Schönheit; 
Der Schenke feßte den leichten Buß auf unfre Naden flegreich, 
Und Mofchus duftete jedes Haar, auf welchem fland die Schönheit; 
Weh dem, der wider das Weltgeſchick mit Uebermut fich auflehnt, 
Wir folgen willig, und Iodte bis zu Grabes Rand die Schönhelt; 


37 N 


Der Tiedentglühenden Trunfenheit gehorchen wir, wie Hafls, 
Auch ihn betrog fie um guten Ruf und um Verftand, die Schönheit. 


— / 


73. 
So Viele fah'n um uns wir, und nahmen Kunde von allen, 
Doch Keiner flug, nur du ſchlugſt, der Bruft Die Wunde von allen; 
Als in dein Gartenantlitz der Blid als Pilger getreten, 
Ya, zwifchen Wieg’ und Sarg war's die fhönfte Stunde von allen, 
Dein Auge zwingt den Herbflfroft, und Weuernelfen erzicht es, 
Da feine mehr erfcheint längft im MWiefengrunde von allen, 
Des Bartes Flammeninfchrift durchlas ih, wife, da hieß es: 
Seht unter mid) und lobfingt dem feinften Munde von allen; 
Den Bildern gram it Mahmud, befreit davon die Mofcheen! 
Nur eines ſchmück', o Hafls, des Liedes Rotunde von allen. 


— nn — —— 


74. 
Die Sterne ſcheinen, und alles iſt gut, 
Sie tadeln Keinen, und alles iſt gut; 
Drum keck, o Schenke, kredenze mir Wein, 
Den ſüßen, reinen, und alles iſt gut; 
Die Sonnenaugen entflammen den Stern, 
Und mich die deinen, und alles ift gut; 
Dein Schmeichein, Zürnen und Trogen und Flehn 
Dein Lachen, Weinen und alles ift gut; 
Die Welt im Großen, und bu mir in ihr, 
Die Welt im Kleinen und alles ift gut; 


38 


Des Hafis Lieder, ich rühme fie laut: 
Du rühmft die meinen, und alles ift gut. 


e " 75. 

Es trillert Bülbül fern von ihr, und Thau vergießt die Rofe: 
Dem Liebften folgen fann fie nicht, im Boden fprießt die Nofe; 
Ihr feht der Rofe fehnend Herz und laͤchelt, flolze Tulpen, 
Wahr iſt's, fie leidet viel, Doch auch wie viel genießt die Rofe! 
Zwar fallen ihre Blätter ab, und flattern durch den Aether, 
Doch jedes Blättchen wird ein Stern, und Stralen ſchießt die Roſe! 
Wohl euch, daß Hafls unter euch, euch ihren Schmerz zu deuten, 
Weil ihren goldnen Bufen body vor euch verfhließt die Rofe! 


m mn — —— — — 


76. 
Wer wagte je zu haſſen dich, wiewohl du ſchweigſt? 
Wir kennen dich, wir faſſen dich, wiewohl du ſchweigſt: 
Der ſchelm'ſche Zug um deinen Mund und um dein Aug' 
Verraͤt auf allen Gaſſen dich, wiewohl du ſchweigſt; 
Verſtellung irrt um deine Stirn ſo liebenswert, 
Wie ſollten wir verlaſſen dich, wiewohl du ſchweigſt? 
Es iſt der Wein, den Hafis trinkt, gefaͤrbt wie du, 
Doch Liebe macht erblaſſen dich, wiewohl du ſchweigſt. 


77. 
Wer ſpricht dem Traur'gen Troſt zu? Wer giebt dem Liebenden Rat? 
Verwirrung traf mein Antlitz, ſobald der Schenke genaht; 


N 


39 


Im Weine ſuche Hell nie, wen ach! die Liebe beraufcht! 

Mer nüchtern nit ihr ausweicht, der flieht im Rauſche zu fpat. 
Um Tücher aus Samarland, um Perlenfhmud von Aben 
Verhandl' ich nicht das Staubforn, das deine Ferſe betrat: 

O denk', ih wäre Hafls, und reiche perlenden Wein 

Mit reiner Marmorhand mir, im bunten Glas von Agath! 


— — — — — 


79. 
Deine Wang’ iſt, dürft’ ich Küſſe holen mir, das goldne Vließ, 
Doch ift jedes Aug’ ein Wächter, hütender ein Paradieß; 
Laß uns eilen, weil die Locke bei den Schläfen fi verdünnt, 
Kann fi dürres Laub erhalten, wenn den Wald der Lenz verließ ? 
Horch, was uns ber Nachtigallen Lied beftehlt: „O werde froh!“ 
Sich, was auf dem Rofenblatte fieht gefchrieben: „D genieß!“ 
Wenn uns Jugend zeigt die Ferfe, wenn Gelegenheit entfleucht, 
Reut uns, was man übte, felten, aber was man unterließ; 
Gerne läßt dein fchelm’fches Auge mich erraten dieß und bag, 
Aber voll Berftelung plaudert deine Zunge das und bieß; 
Auf! begeht ein Feſt der Freude, Trunfenheit fei heute Pflicht, 
Weil fein Glas der Schönberauſchte heut an meinen Becher fließ; 
Krieger, laßt die Waffen fallen, weihlih athme nur Gefang, 
Nehmt den Helm zum Trinfgefchirre, bindet Neben an den Spieß: 
D mein Lieb, auch Hafis würde bill’gen dich, vernähm er bich, 
Wenn er Beßres auch gebichtet, wenn er Schönres auch verhieß. 


— — — — 


40 


79. 

er Im Glas, im helfe verflärten, gieb 
Den Bein, den Wein, den begehrten, gieb! 
Die Heil’gen Tropfen des Selfebil, 
‚Die nie die Sinne beſchwerten, gieb! 
Die weiße Nofe behalte dur, 
Die rote deinem Gefährten gieb! 
Unzählige Küffe dem Dichter, dem 
Dir werten, lange bewährten, gieb' 

. Nur eine Zeile des, Alforans, 

Des vom Propheten befcheerten, gieb! 
Mas Muftafa mir darin verfagt, 
Doch Schenkenhände gewährten, gieb! 
Dem Hafis jenen gefüllten Kelch, 
Dem Soft diefen geleerten gieb! 


80. 
Mädchen, ewig junge, fchöner als die Sonne, wenn es tagt, 
Hat fie doch im Paradiefe der Prophete nicht verfugt! 
Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht, warum? 
Doch ein Thor, wer nach Geboten, oder nad Verboten fragt! 
Hörtet ihr die Roſe fragen, ob fie blühen darf? Sie blüht; 
Hörtet ihr das Echo fragen, ob es Flagen darf? Es klagt; 
Bom Gebirge fällt die Quelle, rinnt als Silberfluß daher, 
Prallt am Felſen ab und fprißet bis zum Himmel unverzagt! 
Klüglich meßt ihr eure Schritte, weil ihr firauchelt jeden Tritt, 
Doch es fürchtet nicht zu fallen, wer für Alles Alles wagt. 


41 


Stannet mit, wenn unfer Hafis euch ein fletes Nätfel bleibt, 
Da ihr flets des Lehens Sorge, wie der Bär die Pfote nagt. 


81. 
Du fingft im Tieblichen Trugneß der Haare die ganze Welt! 
Als fpiegelhaltende Sklavin gewahre die ganze Welt! 
Ich ſuch um teine Geſtalt her den Schatten des ew'gen Seins, 
Der Segler, fuchend was nicht ift, umfahre die ganze Welt! 
Mas täufchen Jene fo tief ih? Enthüllte nur mir allein 
Dein rütfelbannendes Antlib die wahre, Lie ganze Welt? 
Der Soft geifele wund fi, mich rite bie Rofe blos, 
Er ſcheid' und treime was eine ift, ich paare die ganze Welt; 
Und was ich thue, verdank' ich dem Meifter im Of allein: 
Daß ich dir huldige, Hafls, erfahre die ganze Welt! 


—--- —— — 


82. 
Erſchiene ſelbſt Suleucha, vom Grab' erſtanden, hier, 
Sie liebte dich, o Schenke, was wäre Juſſuf ihr? 
Aeghpten, fieben Jahre veröbet, fiel ihm zu, 
Do dir mein Herz, ein ewig befruchtetes Revier; 
Mer darf ihn dir vergleihen? Gieb Wein und the dein Amt, 
In goldne Decher faſſe Rubine, Juwelier! 
Du ruft Mufit, berührft du das Glas, aus ihm hervor, 
Du färbft, auf dem du wandelſt, den Kiefel zum Sapphir; 
Dein Kien ift gleich der Tulpe, das Grübchen iſt ihr Kelch, 
D wär! id Thau, Hinunter zu fallen voll Begier! 


40 


79. 

s Im Glas, im heile verflärten, gieb 
Den Wein, den Wein, den begehrten, gieb! 
Die Heil’gen Tropfen des Selfebil, 
‚Die nie die Sinne beſchwerten, gieb! 
Die weiße Rofe behalte du, 

Die rote deinem Gefährten gieb! _ 
Unzählige Küffe dem Dichter, dem 
Dir werten, lange bewährten, gieb' 
Nur eine Zeile des, Alkorans, 
Des vom Propheten befcheerten, gieb! 
Was Muftafa mir darin verfagt, 
Doch Schenlenhände gewährten, gieb! 
Dem Hafls jenen gefüllten Keld, 
Dem Soft diefen geleerten gieb! 


80. 
Mädchen, ewig junge, fehöner als die Sonne, wenn es tagt, 
Hat fie doch im Paradiefe der Prophete nicht verfagt! 
Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht, warum? 
Doch ein Thor, wer nad) Geboten, oder nah Verboten fragt! 
Hörtet ihr die Nofe fragen, ob fie blühen darf? Sie blüht; 
Hörtet ihr das Echo fragen, ob es Flagen darf? Es Flagt; 
Bom Gebirge fällt die Duelle, rinnt als Silberfluß daher, 
Prallt am Felſen ab und fpriket bis zum Himmel unverzagt! 
Klüglich meßt ihre eure Schritte, weil ihr ſtrauchelt jeden Tritt, 
Doch es fürchtet nicht zu fallen, wer für Alles Alles wagt. 


ai 


Stannet nit, wenn unfer Hafis euch ein fletes Raͤtſel bleibt, 
Da ihr flets des Rehens Sorge, wie der Bär die Pfote nagt. 


81. 
Du fingft im Tieblichen Trugneß der Haare bie ganze Welt! 
Als fpiegelhaltende Sklavin gewahre bie ganze Welt! 
Ich ſuch um teine Geſtalt her den Schatten des ew'gen Seins, 
Der Segler, ſuchend was nicht iſt, umfahre die ganze Welt! 
Mas täufchen Jene fo tief ſich? Enthüllte nur mir allein 
Dein rätfelbannendes Antlib bie wahre, Lie ganze Welt? 
Der Soft geifele wund fi, mich rike die Mofe bios, 
Gr ſcheid' und treime was eins ift, ich paare bie ganze Welt; 
Und was ich thue, verdanf' ih dem Meifter im Oft allein: 
Daß ih bir huldige, Hafls, erfahre die ganze Welt! 


an er en a ar a] de 


82. 
Erſchiene ſelbſt Suleuha, vom Grab’ eritanden, hier, 
Sie liebte dich, o Schenke, was wäre Juſſuf ihr? 
Aegypten, fieben Jahre verödet, fiel ihm zu, 
Doch dir mein Herz, ein ewig befruchtetes Revier; 
Mer darf ihn dir vergleihen? Gieb Wein und thu dein Amt, 
In goldne Becher faſſe Rubine, Juwelier! 
Du ruft Muſik, berührft du das Glas, aus ihm hervor, 
Du färbft, auf dem du wanbelft, den Kiefel zum Sapphir; 
Dein Kinn ift gleich der Tulpe, das Grübchen iſt ihr Kelch, 
O wär ih Thau, hinunter zu fallen vol Begier! 


43 


Es fragten deine Wangen: Wie kam ber Bart uns zu, 
Mer fah no Rofen, denen bie Dornen eine Bier? 
Es fragten deine Brauen: Wie trat das Aug’ uns nah, 
Da doch das Auge Sonne, da halbe Monde wir? 

Du fendeft ſeidne Schnüre den Dienern allen zu, 

Doch würde, lebte Haſis, auch Hafls dein Weſir. 


— — — —— — 


83. 
Nicht immer heitre mich mit Scherzen auf, 
Gehn Roſen ſelbſt doch aus den Schmerzen auf: 
Wenn du dich ſchlaflos auf dem Lager quälft, 
So ftedt der Bol dem Pole Kerzen auf; 

Sm Liebesfcheiterhaufen zehre Dich, 

Um nit den Himmel zu verfcherzen, auf; 
Selbft Hafls wich dem unabwendbar'n Loos: 

Es opfern Dichter ihre Herzen auf. 


84. 
So war ih ein Ball des Geſchicks nur? Die Liebe, fle ſchied 
und fie fan, 
Sie brachte mir liebliche Hoffnung, fie brachte mir tötlidden Bram; 
Doc ward fie auf immer verbannt nun, und all ihr Gefolge mitihr: 
Die Trauer, die Sorge, bie Sehnſucht, die Furcht, die Begierbe, 
| | die Scham; 
Und nun, da der Schenke mir Wein bent, und Rofen in roflger 
Hand, . 


43 


‘ 


Entrinnet dem Herzen das Blut leicht, das fonft mir den Obem 
benahm; 

Nicht mehr in unenblicher Schwermut verlangt und erbangt das 
Gemüt, 

Ich huldige cuhlger Neigung, fo treu, fo gelinde, fo zahm; 

Wohl rühm' ich die Tulpe der Schönheit, doch ohne beftochen zu fein, 

Zum Spiele nun hebt ſich der Geift frei, der jedem Berlangen 
entfam; 

Erwähle die Tulpe, wie Hafls, die Mofe der Liebe verlaß, 

Betäubend erfüllt ihr Geruch Dich, e8 machen die Stachel dich lahm. 


85. 
Und fäng’ ih noch fo mild von deiner Schönheit, 
Es giebt Fein Ton ein Bild von deiner Schönheit; 
Im eignen Blute fhwimmt die ganze Jugend, 
Getoͤtetes Gewild, von deiner Schönheit; 
O welche Pfeile ftralt mir zu dein Antliß, 
Und es befreit fein Schild von deiner Schönheit; 
Bergebens ſuch' im Himmel ih ein Gleichniß, 
Bergebens im Geflld, von deiner Schönheit; 
Kredenzt mir Wein, auf daß berauſcht wie Hafis 
Ich phantafire wild von deiner Schönheit. 


— u 


86. 
Mist, daß Allah jedem Ird'ſchen irgend eine Kraft werlich, 
Keiner möge drum verfchweigen, was im Bufen vollgebieh, 





44 


Meine Habe find Gedanken, Worte find es, Töne ſind's, 
Wenn fie dir gefallen, horche, wenn fie dich ermüden, flieh! 
Einen. weiß ich, mögt ihr Alle mich verbammen, weiß ich Doch, 
Wen ich taufendmal verlegte, wer mir taufenbmal verzieh: 
Sieh mich bier im Staub und ſetze beine Ferſe mir aufs Haubt, 
Mich, den lebten von den legten deiner lebten Sklaven ſieh! 
Denn was fol der Stolz? Wie Hafls Hab’ aud ih das Wort 
beherrfcht, 
Do es kommt ber Tag, an dem es wieber fordert, ber es lich. 


% 


87. 


Verliebt it mein Gefofe genug, 

Dein Auge Hell und lofe genug, 

Laß laufen uns dem Falle des Quelle, 
Mer hörte fein Getofe genug? 

Du bringft mir Wein und Küſſe dazu, 
Wir ruhn hier weich im Moofe genug; 
Wie danf' ih dir? Ich fühle mich arm, 
Wie dank ich meinem Loofe genug? 
Doch ah! du fcheideft! Hafls entflieht, 
Und Blätter ſtreut die Rofe genug. 


— — nn — 


88. 


Alterſt du? Mir wird ſo bang, ſo bange; 
Neigſt du dich zum Sonnenuntergange? 


45 


Nein! ihr Werk zerflört Natur nicht alfo: 
Lebe lang und lange blüh’ und prange! 
Stirbft du, werden Menſchen an der Grube 
Stehn von jeden Glauben, jevem Range; 
Seder lieft des Namens Leichentafel, 7 

Den gerühmt ein Hafis im Befange, 


89. 
Kein Berftänd’ger kann zergliedern, was ben Menfchen wohlgefällt: 
Etwas ift in meinen Liedern, was den Menfchen wohlgefällt: 
Sollen eures Wortes Pfeile dringen in bes Lebens Herz, 
Müßt ihr jie mit dem beiedern, was den Menſchen wohlgefällt. 
Selbft der Herr des achten Himmels mochte diefe Welt befehn, 
Mochte fi zu dem erniedern, was ben Menſchen wohlgefällt. 
Bor dem Hochaltar des Schönen neige fi das Gute felbft, 
Mas den Herzen aller Biedern, was den Menfchen wohlgefältt' 
Hat uns auch der Mai verlaflen, Jugend ift im Winter Mai, 
Jugend zeigt in fhönen Gliedern, was den Menfchen wohlgefällt. 


nl 


3 
— —— — — — 


90. 
Wer Gelder eingetrieben, 
Durchbebt die Nacht vor Dieben; 
Mir, der ich nichts beſitze, 
Vergeht fie nad) Belieben. 
Es dunkeln zwar die Lüfte, - Ä 
Do find fie rein geblieben; 


44 


Meine Habe find Gedanken, Worte find es, Töne ſind's, 
Menn fie dir gefallen, horche, wenn ſie dich ermüden, flieh! 
Einen. weiß ich, mögt ihr Alle mich verdammen, weiß ich doch, 
Men ich taufendmal verlegte, wer mir taufenbmal verzieh: 
Sich mich hier im Staub und-fehe deine Ferſe mir aufs Haubt, 
Mich, den lebten von den lebten beiner lebten Sklaven fieh! 
Denn was fol der Stolz? Wie Hafls Hab’ auch ich das Wort 
beherrſcht, 
Doch es kommt ber Tag, an dem es wieder fordert, ber es lieh. 


87. 
Verliebt iſt mein Gekoſe genug, 
Dein Auge hell und loſe genug, 
Laß lauſchen uns dem Falle des Quells, 
Mer hörte fein Getoſe genug? 
Du bringſt mir Wein und Küſſe dazu, 
Wir ruhn hier weich im Mooſe genug; 
Wie danf ih dir? Ich fühle mid arm, 
Wie dank ich meinem Looſe genug? 
Doch ah! du ſcheideſt! Hafis entflieht, 
Und Blätter freut die Rofe genug. 


— — — — — 


88, 


Alterfi vu? Dir wirb fo bang, fo Bange; 
Neigft du did zum Seonnenuntergange ? 


45 


Nein! ihre Werk zesflört Natur nicht alfo: 
Lebe lang und lange blüh' und prange! 
Stirbft du, werden Menfchen an der Grube 
Stehn von jeden Glauben, jedem Range; 
Seder lieft des Namens Leichentafel, 

Den gerühmt ein Hafls im Befange, 


89. 
Kein Berftänd’ger kann zergliedern, was den Menſchen wohlgefällt: 
Etwas ift in meinen Liedern, was ben Menfchen woh!gefällt: 
Sollen eures Wortes Pfeile dringen in bes Lebens Herz, 
Müst ihr ſie mit dem beiiebern, was den Menſchen wohlgefällt. 
Selbft der Herr des achten Himmels mochte diefe Welt befehn, 
Mochte fi zu dem erniedern, was ben Menſchen wohlgefällt. 
Bor dem Hochaltar des Schönen neige fich das Gute ſelbſt, 
Mas den Herzen aller Biedern, was den Menſchen wohlgefällt! 
Hat uns aud) der Mai verlaflen, Jugend ift im Winter Mai, 
Jugend zeigt in fchönen Gliedern, was den Menfchen wohlgefällt. 


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.—— —— —— — — — 


90. 
Wer Gelder eingetrieben, 
Durchbebt die Nacht vor Dieben; 
Mir, der ich nichts befiße, 
Vergeht fie nad) Belieben. _ 
Es dunkeln zwar die Lüfte, i 
Doch find fie rein geblieben; 


46 


Da fenkt des Himmels Wagen 
Der Sterne heil’ge Sieben. 

D lernt die Welt befchauen, 
Dann lernt ihr auch fle Tieben! 
Bemächtigt euch der Tage, 
Die Jedem fehnell zerſtieben; 
Die Welt ift eine Tafel, 

Noch viel ift unbeſchrieben. 


— — — — — 


91. 
Wohl mir, es heilte die liebe Hand mich! 
Die mit balſamiſchem Blatt verband mich! 
Als mich in Flammen umdroht Verzweiflung, 
Deckte des Glaubens Asbeſtgewand mich; 
Irrend durchſtrich ich das wald'ge Dickicht, 
Aber der flötende Vogel fand mich; 
Wellen verſchlangen mich, doch der Delphin 
Segelte ruhig an's grüne Land mich; 
Nieder vom Berge zur Tiefe glitt ich, 
Aber die Rebe des Bergs umwand mich. 


— — — — 


92. 
Was heimlich oft das Herz erfriſcht, 
Wird endlich allen aufgetiſcht: 
Geſegnet werde, wer da lobt, 
Geſegnet werde, wer da ziſcht! 


47 


Bo find’ IH den Berfchwiegenen, 

Dem nie ein rafches Wort entwifcht? 
Das Wort fei Jedem gern vergönnt, 
Auch wenn er leere Halme driſcht. 
Eröffnet er die Mufchel nie, 

Mas frommt's, ob Einer Perlen fifcht? 
Mer ſchilt die Rofe, wenn ihre Duft 
Sich mit des Aethers Wolke mifcht? 
Mas flaunft du, da du ziehft den Kost, 
Daß an die Dede fpringt der Giſcht? 
Das Herz ift eine Flamme, Freund, 
Sie lodert, bis fie ganz erliſcht. 


— — 


Ich ſah vor mir dich wandeln einſt; o ſchoͤne, goldne Tage mir, 
Entfuhr auch damals manches Ach, entfuhr auch manche Klage mir! 
Es brachte jedes Lüftchen mir aus deinen Locken füßen Duft, 
Und Rede ſtand dein blitzend Aug', fo ſchien'e, auf meine Frage mir; 
An deiner Stimme hing ich feſt, an deiner Lippen weichem Ton: 
Muſik, bei der mein Herz gehüpft, wo flohſt du hin, o ſage mir! 
Da mir die leeren Hoffnungen geſtoben in die leere Luft, 

Der Tröfter unberufne Schaar, wie wird ſie nun zur Plage mir! 
An einer fhönen Bruſt zu ruhn, das iſt ein Troft, und das allein, 
Es ift verhaßt mein eigen Selbft in fjeber andern Lage mir. 


-_ 1 — — nn 


48 


94. 
Unter deinem Yenfterpfoften 
Sei mein Stab und fei -mein Poflen: 
Ah, ich ſchweifte nur vergebens 
Bald nah Wellen, bald nah Oſten! 
Doch es pflegt, wie Viele fagen, 
Alte Liebe nicht zu roften. 
Eüßeres, als deine Blicke, 
Gab mir nie die Welt zu Eoften: 
Ewig fende mir dein ſchwarzes 
Auge füße Liebespoſten! 


95. 
Schwarzes Auge! böfer, falfcher Dieb, 
Sprich, o ſprich, wo meine Seele blieb ?- 
Bald vergleich) ich ſolch ein Aug’ der Nacht, 
Bald der Sonne, die die Nacht vertrieb. 
Krauſe Lode, ringle Gold in Gold, 
Denn du mahnft an junger Reben Triev! 
Lebte wohl ein Alexander je, 
Der fo fchöne Knoten frech zerhieb? 
Meiße Hand, verwalte Schenfenamt, 
Sieb mir Wein, o gieb mir Wein, o gieb! 
Was mir allzuhoh, vergäß ich gern, 
Aber ach, es ift mir allzulieb! 


49 


96. 


Verdammen mögen hier und da der Kunſt geftrenge Richter mich, 
Doch wer verliebt ift und beraufcht, der halt für einen Dichter mich! 
Nur daß ich altre fühl’ ih nun, da mich ein Falter Blick ver: 
ſcheucht, 
Es machte ſonſt ein ſolcher Blick nur mut'ger und erpichter mich; 
Doch ſenken alte Wuͤnſche fi, fo ſteigen neue wieder auf, 
Berfolgen, wie ein Fliegenſchwarm im Sommer immer dichter mid); 
Dermöcht' ich zu vertrau'n die Qual, die feufzend nun im Wind 
jerrinnt, 
So tröftete vielleicht ein Freund, ein redlicher und fhlichter, mid: 
Die Guten Lieb’ ich allgefammt, und horche gern der Weifen Rat, 
Do Halt’ ich freilich Lieber flets zu Iuftigem Gelichter mid. 


% 


— — — 





9. 
Ein Maienathem kommt aus deinen Landen her, 
Es weht ein Duft vom Ort, wo wir uns fanden, ber; 
Der Winter ift ein Wreis, doch ſchickt der Lenz ben Duft 
Der Kränze, bie wir einft als Kinder wanden, her; 
Dein Angeficht verheißt des Lenzes Wiederkunft, 
Du ſchickſt mir einen Blick, den ich verftanden, her; 
Könnt ih dem Fruͤhlingshauch nicht öffnen meine Bruft, 
Wo nahm’ ich folden Mut in folhen Banden her? 
Laß träumen uns dahin, wo bald die Rebe blüht, 
Und, Knaben, bringt den Wein, der noch vorhanden, her! 


— — — — 


Blaten, ſämmtl. Werke 11. 4 


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98. 
5 Eyhbr > ver nicht im Angenbud den wahren Augenblic ergreifi 
Weit al Te ltebtim kiunie hat⸗ nd dennoch nache vet" Seite 
y.n une ls] 137 one 21 ih sein Are Er u UF a1 


Es Hat der Sämant'hirehefät, doch frißt der Roſt die Senfe num, 


Dee Alme vera haha, wad sim, vb bh Re 
en list pn ori gereiftt in let 5 
SHE welten Btuttlen LePrTgE if, va ſtͤtiniſch ber Nvvember ſauuſt 
5‘ Huth ren ie‘ tin. Mai, wenu us dem Laub der Vogel 
pfeift! 
Rur det sg ie PIE einſt; zu’tirfen :: Ich gewann vn Tag 
Re Anke ſügen Mund beruͤhrt, an einem Tönen Arm geffteift, 
Die Lehre zwar Malt, ich weiß; doch hat ſie Mancher nicht befbigt 
Dep Grab fich nun im senz berof’t, deß Grab fi nun im Herbft 
bereift. 


De A 0 a ee 479 


et ATS gt ee) 

u Der —9 hält * niſtnimener N 
Wit müihn und, ad und‘ kommen nicht zufämnien: 
Mein Name Hingt aid deinem Mund’ nielobtſh I 
Doch reihſt bu felten dieß Gebicht äufaniiten; wa 

oe Sonn und Mond the’ fleis getremit zu halten,” 
Verſchwoten Sitte Rd und geist zuſammen? in 
Laß Haubt an vaubt ung ehnen, denn’ ed tagen " 

> Data bunkles Haar, mein heil Geſicht zuſanmen! 

Doch ah! ich träume! denn du zieht von binnen, 
Ch ia) das Gluͤck ung brachte dicht zuſammen: 


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St 


Die Seelen bluten, da getrennt die Leiber, 
O waͤren's Blumen, dienman flichtJuſtemen! 


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— jest 153 — 97 sel 
Or. Ir? 
& liegt an eines — Simngsanıtin Menſchen Wunde 
Yyydsim rin sis Timm Wchteiins: 
Es kehrt an das, was Kranfe mil, Rchnwig;der Befunde nichts! 
Und wäre nicht das gehen ihirgu dnsnfetsihen Meni vom Menfchen 
ma BASE neh, 
So gab's Beflagensmenits® auf dieſemn waitan Munde nichte! 
Cinförmig flellt Natur ſich-het Roistauenafirg iſt ihr Tod, 
88 fragt die Welt nach meinemißiel; nach deiver lebten Stunde 
monsi br Tat de? 
Und wer fi willig nicht ergieht demaıehruenooofe, das ihm 


bräut, 
Der zurnt in's Grab ſich Bungee, und fühlt in defien Schlunde 
ae 11 17 Fe 


Dieb wiſſen As Seh We es Jeber gernẽẽ jebenu agn 12 
SE den Seen Sinnhinforbauls metarmib Munv⸗ 
Kr pin hr den biefggaperk nnd nm 11% 
Verßtzeßt daB euch idie Welr ibetrügt run Ba ihr Wunſch! mul 
si arten m aaa hit ee nd ni 
Laßti Tuer Aebennechts entgehn;! rAntſchluͤpfen ehr Ran 
Es eat Seit Aſm'n gebe wes ſie Rare ya" 
Dein? Bert! Fig vinu zur ſeine auZedeno iſn imn Grunds 
Jeunif tn os Am rennt hliünichtaroh monisd mi An? 
.»dai2 ng sid minsr]n9 zu nn tn pin) u; nun tat m? 


52 
101. 
Den Gerud beraufcht der Flieber, 
Und Sasmine buften wieder; 
Und der Oft, ber fede Freier, 
Löft den Knospen ihre Mieder: 
Du allein verhüllſt dich ewig, 
Schlägft vor mir die Augen nieder! 
Bliefe doch ein Wind und legte 
Das Gewand an deine Glieder! J 
Nähm’ er meiner Seufzer einen 
Auf fein raufchendes Geſteder! 
O belohne deinen Sflaven, 
. Der fo treu dir ift und bieder! 
Deoch du ſprichſt: Beglüd' ich jenen, - 
So verfiummen feine Lieber. 


102, 
Oft mit banger Seele fpiele ich den Serfireuten, bir zu Liebe, 
Oft auch nehm’ ich mid) zuſammen vor den Leuten, dir zu Liebe; 
Dft in deiner Freunde Zirkel hab’ ih angehört geduldig 
Worte, welche nichts verfangen, nichts bebeuten, dir zu Liebe! 
Sa, damit des Lenzes Reize fich erhöhn in meinen Augen, 
Den? ich, daß fih Blur und Garten nur erneuten bir zu Liche! 
Auf verfhiernen Wegen haben fih ber Trunfenheit ergeben 
Für fi) ſelbſt die Stumpfgefinnten, bie Geſcheuten bir zu Liebe; 
Laß in deinem Schatten endlich ſchlummern uns, o ſchlanke Pappel, 
Da wir nur zu lang an Schatten uns erfrenten, bir zu Liebe. 


53 


103, 
Du blühſt umſonſt, Natur! Die Zeiten find verwirrt, 
Es hadern die Partei'n, und jede Waffe Mirrt: 
Wer achtet nun den Lenz, den üpp’gen Gaſt der Welt, 
Der taumelnd und berauſcht nach allen Seiten irrt? 
Ber blidt den Himmel an, und faugt die reine Luft, 
Die breitend über ung mit leifem Flügel ſchwirrt? 
Drum fammle fih under, wem noch der Lenz behagt, 
Wer noch des. Weins begert, wer noch von Liebe girrt! 
Ihm bat den Schleier nicht umfonft geſtickt die Nacht, 
Und nit umfonft der Tag die Selter angeſchirrt. 


104. 
Den Zehnten giebt die Rofe von ihrem Golde, 
Da bieten Kelch und Fächer die Blüt’ und Dolbe: 
Behalte diefen, fächle die feuchte Stirne, 
Für Freunde fülle jenen, für Trunfenbolde! 
Der Traubenhyacintäus bewegt bie Gloden, 
Da ſchmückt fih weiß die Lilje zum Felt, die holde; 
Das Licht verfchenft die Farben, wie Band und Orden, 
Daß Tulpe ſich verbräme, fich Lack vergolde: 
Damit Natur im Lenze fich felbft genieße, 
Ernährt fie einen Dichter in ihrem Sole. 





— — 


105. 
O Zeit, in der ich raſtete, 
In der mich nichts belaſtete, 


54 


Sn der ih noch gſa wohlgemut, 
nie Am Bilde der Muhe aoſtetehunn fdüld u? 
On ih micht nach Falſſher Ans 2 
ht na Mi lg Sehen af oh 14 
:ır mBMefahf, A nettq mich das Gſchc 122 
u2 uMOos weiß wie lang sich ;fallete, hi 9« 
Str Bie,Jmg ap feine ſchoͤnt Hand ie 5 
‚I£Erd99 zu Mit meiner Sand betafikte. Sasent an D 
rip ss mon eben son Arspad niet nn7 dba 1uhf 
Jgbrt 319 Yhifon Palm vbst EBD 199 In) dd 
arbbrme ssiish SAQEE 135 Tarstsum ihin Sin 
Die Fülle diefes Lebens erfüllt mich oft mit Schreden, 
Als fielen taufend Sterne vom, Simmel, mich zu been: 
Es reizt die Melt, mein Auge durch tauſend prächtige Normen, 
Mo ſoll .gor dieſe m Drange, wie © Saul id mid veritesfen ? 
Des Forſchene Labytinthe! Der Kunß Geſtallenauber! 
Der Voͤlker That und | Sage! Her Länder schöne Streden! 
Auf meinem Bufen lajtet unendliche Begierde y 
Nah jegen,, Schägen ‚allen, bie Lieb’ und Furt eriveden | 
So ‚wär ib, ling erlegen; doch „meine Blick jolkten, 
In einen Punkt verbichtet, des ſchoͤnen All entdecken 
Seitdem bu mir exjchienen, entſagt' ich biefem, Schweigen. 
- Nah allen Himmelswinfeln, nad allen Grbeneden. 
Es dampft ber Duell ber Jugend vom Fels im MWirbellaube, 
Dis friedlich ihn und ſilbern umfängt der Liebe Becken. 
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Hin br TI m Ask I 


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rt re 3 5407, vb Merry 

Hab’ id doh Perſuſt in vüem, was ich je ‚Brgann, erltagen; 

Aber glaubet mir, dag Lehen läßt Aꝙh bang und wann ertragen! 
Zwar bes, Leidend ‚ganze Würde ‚if. Eir® oft, Schon halb. zu Boden, 
Da. ich hah es immer wieder, enn is mich beſann, ‚erfragen : 
Mir geajemt ber vplle Bechex, ‚mir, ber volle „Klang ber baulen, 
Denn den vollen Schmerz des Lebens hab’ ih als ein Dann 

ertragen! 

Doch nun fühl’ ich, wie beflügelt,, bis zum Himmel mich gehoben, 
Dmurss lehrte mid das Sehen, daß man Alles fann, ertragen, 
Und es öffnet gegen, Als fi) das Herz in reiner Liebe, 

Andi Aph: wiſl ſo gern auft Allen, dieſes Febens Bann ertragen; 
ie den Kreis, und, leert bie Flaſchen, dieie Sommernädte 


.123 an AR et 31 a Eu Pa) iernd, up pi io gm: ii 
Söfmmg Mn werden Formen, ‚bie, mir au * tagen 
ul 3 si Au Lone wer nn Benerisito pp 


I LE A RT re —— hun 


Aachelt, p fl pon Mipr,, mir mahchee — ya bi, 

"Da ale. vergfbens, ihr Alle ſeid g, nit! vu I 

Ior Blauen Mngem tperbst nie meine Sterne fein, „,,, 2, 

Gin fpmarzsp, Auge, mpiß, ic, ans Bielem (ang! 1, & Rt “ 
ni⸗Hin. hartes, Wort befürqht ig, vom, beine ſyr— u öden, Mur, Zn 

Drum laß die Lippen, fhweigen, fo lang bas Auge fpricht! 
sine Sonn' eriyärmt bie Steine, ‚wie ‚Inlte vicht bein Aug’ 

Ein Herz erwärmen, dem ed an Birne nicht gebricht? 

Doch rat’ ich dir, vertraue dem Geiſte nicht fo fehr, 

Der, flücht'ger als die Rofe, nur flücht'ge Bande flicht; 





AR 


z 56 


Der gern erproben möchte die ganze Welt umher, 

Dem nad fo viel gelüftet, den ach! fo viel befticht. 

Allein was fag' ih? Flehen um Liebe follt’ ich dich, 
Denn dich vor mir zu warnen, ift über meine Pflicht! 
Mein leichtes Wefen hätte fi) längft, wie Spreu, zerftrent, 
Doch Schmerz um deine Liebe verleiht mir noch Gewicht. 


m 


109. 
Die Seiten, wo das Liebchen nah, fie gehn, ihre wißt nicht wie, 
herum; 
Do jene Seiten, wenn es fern, o fagt, wie bringt ihr bie 
| herum? 


Menn ihr ein Lied zu fingen denkt, fo fingt ein regelvechtes Lied, 

Das meine ſchwankt am Gängelband der Iofen Bhantafte herum. 

Ein Nebenbuhler hatte fhon entzogen mir dieß ſchöne Bild, 

Doch bracht' ich wieder es zu mir, wiewohl er mich befchrie, 
herum; 

Ih höre Hoffend ſchon voraus, wie mich dein erftes Du begrüßt, 

O wäre jchon die bange Zeit und biefes folge Sie herum! 

Es windet fih der Liebe Geift um deiner Glieder Ebenmaß, 

Wie um die Worte des Gefangs die weiche Melodie herum! 

Wann liegt mein Haubt auf deinem Schooß, indem fi mein 
verwegner Arm 

Um deine ſchlanke Hüfte fchlingt, und um dein fchönes Knie 
herum ? 


57 


110. 
Sabre ſchwanden, dieſer Bufen iſt von Liebe rein gemefen, 
Was ihn wieder hat befangen, ift ein Becher Wein gewefen, 
Lenzeshaud aus golden Locken lockte mich in ehrne Bande, 
Denn ihr Anbeginn if Irrthum, und ihr Ende Pen gewefen: 
An bemalten Schaugerichten wollt' ich meinen Hunger ſtillen, 
Aber was mir Brod geſchienen, iſt ein kalter Stein geweſen: 
Gold und Silber wollt! ich fördern auf im Traum gefehnen Plägen, 
Aber was ich ausgegraben ift ein morfch Gebein gewefen. 
Wil mic dennoch, aus ber Ferne, deine Huld und Wilde fegnen, 
Soll mir theurer fein die Trennung, als es der Verein gewefen; 
Flatterfinnig, unbeftändig ließ ich zwar das Auge fchweifen, 
Do es ift das Herz im Stillen, ‚ganz im Stillen dein gewefen: 
Was zu dir mich hingezogen, war Geſchick und Gegenliebe, 
Bas an Jene mich gefeffelt, ift ein falfcher Schein geweſen: 
Nichte nicht zu ſtreng die Lieder, die ich nicht am dich gerichtet, 
Freilich, folcher Lieder würdig wärft du gang allein geweſen! 





— 


111. 
Wie; du fragft, warum dein Wohlgefallen 
Mich erwählt, umfchlofien Hält vor Allen? 
Fragſt, warum zu mir, dem Fernen, pilgernd 
Deine heimlichften Gedanken wallen? 
Weiß ich's ſelbſt? Bermag ich's ſelbſt zu deuten, 
Welch ein ſchoͤner Wahn dich überfallen? 
Glaubſt du nicht, es fei mein Herz die Zither, 
” Deren Seiten allgemach verhallen? 





2 


Fühlſt du nicht, daß dieſe leichten Lieber 
u Starhlich, ſeien,/wie adie Rochtigallen? ur nuni sro’; 
‚0 Miebſt Au dich Für ich? Di gleihinden: Milden, a0 
‚3 Bitlen Fand erkaufenh mit Metallen... an Rs les; 
tm Alaı fürchte nit dein Glaͤub gan wälen: er mi 
1, öelae Meöollan id: gu. Feſen ballen = nern ne 
: ν_α nie ya ler nn Br mein bon Gar But 8 
Mat PP nenn en meta I im on..3 5 dr glauRd) 
sup rd en Hi. 1.2 Den 
ragt MB ich, wehin, ich noch gezegen ern. nie 
ur MP euch ich ren werden su © 
name, daß ich, da mein Benz ntwichen ir um? 
no Bam »Bluͤtenſtaub noch ühenfagen, werde; ni itı ou bu 
I fee, daich) gaſpielt FJen Kalten, co; 200° 
5: Ob, ein Semüt min mich igewogen perdet ut, TE 
15: Dee Fein ſüß Geſchwätz Ju mieten, sie 
DR Aus zu zaͤrtlichen Gklogen werdej mu... lila 
Zum Himmel trotzt mein Lebensbaum und harret 
Ob er zur Laube noch gebogen werde; 
Mer meiner Fahrt Gefaͤhtte, ſei gewaͤrtig, 
Daß er ein Spiel: dev: falſchen Wogen werde? 
ll wen lb soil. en Hrderıy rh..lE 
EB SCHERER ee Po MEISSEN ‚Ipat? 
Sl. nis) ichilinisd 3a & 
Iſt's moͤglich; ein! Geſchopf inn der Natut⸗ zu Felngis't 
Und ſtets und wiederum auf falſcher Spur zu ſein ? 
Ward nicht dieſelbe Mlaft; ıbiesdoer imb Stotne nftum net 
Beſtimmt als Rofe hier die Bier ser Flavi pucſein 7 


9 


Was feufzt ihr xuch zuruͤck inis:fonfige Paradies, 
Um wie dag Somnonſicht verklaͤrt und, yur.zu:; ſein? 
Bas wuͤnſcht ihr ſchmerzbewegt au hald im Erdenſchooß, 
Mnd über Walken ‚bald, and im RMur au fein! ı 
Mas fort ihrtäh: und fvatııbem. Dagllhes.Mebels nach, 
Das doch kein andreß iſt, als Freqtur igu ſain? 
Sich ſelbi u ſchau'n, erſchuf; der Schoͤpfer einſt das All, 
Das iſt der Schgerz: das All's, ein, Spiegel: ame zu fein! 
‚hr nt 23 0 ee i 
BBE si PR uoN 
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Ich trat. ‚hie: Straße ‚ber. Gefahxen an... ;, 
Sie reihten fi zu ganzen Schaaren an! 
Als Unerfahrner ward ich eingefhifft, 
Und kam im Hafen wnerfahren an! 
n⸗Beyn ‚pn, heſuchen willſt der Liebe M Lu Dyon land 
yasl Sir y® N: atfiffft dj Bett, yen meinen Waaqre 195 13 sitnzefe 
— ——— Ye, ich, ffrherhig Rap Ar ZOG bi "Türk 
er ‚Anarig,, Iäterhin 34) ſpapen — ur chi en 
ss ht? Y,üf,. BAR, ie an Km, lothu F iept PHDRTH 
"DU tzifft mic, goch Ari ungen Sahren an! ;, „.,y 
nzizatt— rauch, früher trüben Wein 2 
Die Haff ſonk, ib. biete e Haren ‚au, yon) Hl: 
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—1311 


15. 
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Immer erhält die gerllebten wach 


Manches Enizüden und manches Ad; 





Ohne zu ſchwindeln ergehn fie fi 
Mitten im Schlafe von Dach zu Dad. 
Wandelt geſchwinde des Wunſches Weg, 
Doch in der Nähe des Ziels gemach! 
Denn ihr den Gipfel erklommen wähnt, 
Oeffnen ſich graͤßliche Schlünde jadh. 
Freunde, mir iſt die Vernunft zu ſchwer, 
Aber die Liebe, das iſt mein Fach! 
Während ich zog in der Tugend Feld, 
„Sah id, es flehe die Lieb’ im Schach: 
Meine Gefänge, das macht mir Mut, 
ließen melodifcher als ein Bad. 


116. 
Einmal will ih, das verfprech' ih, ohne Liebgefofe Ieben, 
Wann die Blumen hier im Garten nad ben Tafeln Mofe leben: 
Hör’ ich Abends auf den Strafen einen Vogel, eine Flöte, 
Sag’ ih bei mir ſelbſt: Es möge djefer Birtuofe leben! 
Freund! es ift der Lenz gefommen, unfre Wege find verfchieben: 
Lebe wie die keuſche LKilje, laß mich wie die Nofe leben! 
Laßt mich euern Rat vernehmen, was das Beſte fei von Zweien: _ 
Weiſe leben, loſe reden? Weife reden, Iofe leben? 
Wollt ihe mich durchaus verfennen, thut es immerhin, denn 
| immer 
Werd' ih, ob ich lächle drüber oder mich erbofe, leben. 


LS 


an Eee GE 


61 


117. 
Aus allen Feffeln wand mein Geiſt behende ſich, 
Denn liebend fhlingt- mein Arm um beine Lende fi! 
Mo fände Mut das Herz, ſich karg zurückzuziehn, 
Es gebe ganz ſich Hin, und es verſchwende fi! 
Der Lenz der Liebe tritt hervor, und das Geſetz, 
Es neigt, dem Winter gleich, zu feinen Ende fi: 
Der Eine bete dich wie feine Heiligen an, 
Der Andre kniee fromm vor eine Blende fi! 
“ Dem Strengen gönnen wir, zu werden was er foll, 
Do auch des Freien Geift, o Freund, vollende fi! & 


— — — —— 


118. 
Ich bedurfte, deine Liebe zu gewinnen, heut und morgen! 
Drum, o Freunde, laßt vergebens nicht verrinnen heut und morgen! 
Heut und morgen iſt die Summe dieſes allzukargen Lebens, 
Und wie ſchnell, wir wiſſen's Alle, gehn von hinnen heut und 
morgen! 
Im topafnen Kelch der Tulpe fchwelgt der Thau als Silbertropfen, 
Doch ihn läßt das Gold der Sonne nit darinnen heut und 
morgen; 
Ein’ge Blätter aus den Rofen hat ein Wind davon getragen, 
Und er wird fie entführen, fürcht' ich binnen heut und 
morgen! 
Laß den Trank im Bader fleigen, benn ber Wein des Morgenrotes 
Quillt empor bis an der Berge hohe Binnen heut und morgen! 


— — 





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62 


449. 
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‚mBoridein Fenſter würd! ich treken, 9enn° 70 
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Schwarzes Auge! Goldne Loden! 
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Wuͤnſcht Id. daß bie Liebeeleiter keine boͤhre Nr Hay 
Denn was müßte ber‘ emipfürtben,” ber. an deinen &l ppei i athine 
Dieſe ſchonen teilen Formen“ jugendlich umſchloffen Kr 
——— bir am Bufen, würd ‚'g brünftig weinen lernen, 
Wenn ich nicht od; mal aus gieub⸗ hränen f&on serd often 


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Denn ich ppm erfipni mi) ‚hätte, Teife bir bie Hand zu brüden, 


1‘ 


2 zu ‚gerne möcht” ih wiflen, DR es ih verbrofſen Hälter 
Hünfdden n icht, wir folfen wagen; denn vie tleicht ie Dee 


zu fagen: 


tage mieth dd} wenn ich ige, Fehmarn ich Lo 
j Maof griint spubr sm terre Shirt de N 
Sittenzwang und Forntelweſen hatten laͤngſt die Melt gerkmmert 
Wenn ſichi micht Gefaug zuweilen durch die Welt ergoſſen hätte. 


] ann) sung ds Ta ober en armani m ln! 
121. 


Schüchtern war bie Seele, war erfchroden fonft, | 
21197 Kam! bei jeveni!Bcheitte Fa! ins: Stoden forfb;n ev" 
Sie; die’ man’ im Aether ih ESchwinge wiegt" 7:7 

Lie in 'raüferid Nee Rich verloͤcken ſonſtz ' obunli® 

Sie, die nun vie Hydra ber Begier erlegij min 17 

u Saß in Weiberroͤtken vor demNRoctken To 
Gegenũber leinen Angeſicht: wie: veins "2:9 Ans 
nWar ich nicht ſor froſtig, ae trocken Font; tn: 
Mver neu verführen wirſt du mein Gemüet, > Dr 
Den! was wöllen anders deine Locken fern © 
„amt lan. rent An ame DR I 8 
nel Ian BIT Te au ae al BE, 


a re ar DaF HE ar Vs Ua 39 
122. 
Dir ja nit allein vor Allen, ich entfage lange ſchon, 
Und ein fliller Gram vergiftet meine Tage lange ſchon: 
Seufzer ſlohn und —— fen, was noch Heifcht die Welt 
a Figur 

Zeugniß gab von end — ſeine KlageLaͤnge „ſchon, 
Nicht das kleinſte Liebesſeichen gabſt di ie HR Täufch' umſonſt, 
Leſe die umſonſt im’ Autge, foeſch' undifragerkange ſchon! 





64 


Aber nein! Ein leiſes Etwas, nenn’ ih Wink es oder Gruß, 
Weht von dir zu, mir und lindert unfre Plage lange fchon. 
Doch was frommt's? Es trennt uns Alles, Sprach’ und Sitte, 
Raum und Seit, - 
Wandern in die Ferne muß ih, und ich zage Tange fon! 


) 


— — — — — 


123. 
Was giebt dem Freund, was giebt dem Dichter ſeine Weihe? 
Daß ohne Rückhalt er ſein ganzes Selbſt verleihe: 
Erleuchten ſoll er Här der Seele tiefſte Winkel, 
Ob auch ein Tadler ihn verlorner Würde zeihe. 
Ihr Halden Hofft umfonft, mit enger Furcht im Herzen, 
Daß euer Lied man einft zu großen Liedern reihe: 
Stumpffinnige, was wähnt ihr rein zu fein? Ich Härte, 
Daß feine Schuld fo fehr, als ſolch ein Sinn entweihe; 
Ih fühlte, daß die Schuld, die und aus Eden bannte, 
Schwungfedern uns zum Flug nah höhern Himmeln leihe. 
Noch bin ich nicht fo bleih, daß ich der Schminke brauchte, 
Es fenne mich die Welt, auf daß fie mir verzeihe ! 


124. 
Es fhmüdt mit zarter Dede kaum 
Das junge, neue Laub den Baum: 
So grünt um beine Wange rings 
Der frifche, dunkle, weiche Flaum; 


65 

Für Schöne Weiber wär's ein Glück, 

Nur zu berühren deinen Saum! 

Doch warfft bu deinem Naden um 

Der reinen, keuſchen Sitte Zaum. 

D bringe Wein und komm zu mir, 

Im hohen Graſe hier it Raum! 
Gs lege deiner Zunge Wort 

Das Ohr mir und ber Wein den Gaum; 

- Der Rauſch erhöht die Wange dir, 

Laß fleigen bir zu Kopf den Schaum! 
Laß hier uns träumen, Arm in Arm, 

Der Jugend Furzen Morgentraum! 


125. 
Da, wie fat ih muß vermuten, beine Liebe lau geworden, 
Fürcht' ih, daß die braune Scheitel über Nacht mir grau ges 
| worden! 
Geizeſt du, mit Augenbliden, ‚vie mir mehr als dir gehören? 
Bif dur, Fieblicher Verſchwender, plöplich fo genau geworben ? 
Haben deiner Treue Rofen fih als Dorn ben Stolz erlefen? 
Sind ber Liebesgättin Tauben wie der Juno Pfau geworben? 
Wenn dich Weiber mir geftohlen, werden fie fo lang dich fefleln, 
Bis der Tempel deiner Glieder ein zerflörter Bau geworben. 
Ober willſt du blos mich loden, ben du längft im Neg gefangen, 
O fo lohnt ſich's nicht der Mühe, daß du falt und fchlau ges 
worden! 


— e —— m un 


Platen, ſammil. Werke II. 5 


66 


126. 
Das vermag ich micht zu fagen, ob die Zeit dich mir entriß, 
Aber daß du fehön geblieben, wie du warft, das iſt gewiß! 
Menn im brüderlicen Zirkel andrer Jünglinge du ftehft, 
O fo ftehft du wie der'Morgen zwifchen Grau'n und Finſterniß. 
Nur vergebne Mühe war es, umt zu retten mid, vor bir, 
Daß ich Andre fhön zu finden über Alles mich befliß! 
Doch in eines Stolzen Banden fi zu wiſſen, ift fo Hart, 
Daß ich oft, ergrimmt und troßig, in die falſche Kette biß: 
Grauſam ift es, Trank und Speiſe meiner Lippe zu entziehn, 
Und dabei mir Glüd zu wünfchen, und zu fagen: Trink und ig! 


127. 

D Thor, wer nicht des Glücks geheimem Winke folgt, 
Und nicht dem Flötenton, dem Ton der Zinke folgt, 
Mer, ohne Tanz und Scherz, der alternden Vernunft, 
Wohin aud fchleiche fie, wohin fie Hinfe, folgt: 
Kurz ift der Lenz, es ging das Veilchen keuſch voran, 
Die Rofe, die fi malt mit eitler Schminke, folgt; 
Kurz iſt das Glück, da ſtets der Freude die Gefahr, 
- So wie dem rechten Fuß fogleich der linke, folgt; 

Doch naht auch ſelbſt ein Tag, der wahre Gunft verleiht, 
Der Träge bleibt zurüd, und nur der Flinfe folgt. 


128. 


Herein, ergreift das Kelchglas! Was ließe fi) weiter thun? 
Mas erwa dürft ihr font noch, o meine Begleiter, thun? 


67 


Ihr rüdt mir nur mit Unrecht ein müßiges Treiben vor, 
Denn da das Schiff zu Grund ging, was follen die Scheiter thun! 
Ich weiß ein Bolt, das ehmals zum Mufter gedient der Welt, 
Was wollt id, wär's ein Ball noch, als rüftiger Streiter than! 
Doch greif' ih zum Pokal nun, und übe Gefang, und will, 
Mas hart und. unabmweisbar, gefällig und heiter thun 

Den Himmel, wenn an’s Herz euch ich drücke, begehr' ich nicht! 
Was ſollt' ich auch mit Jakobs gewaltiger Leiter thun? 


129. 
Mährend Blut in reichen Strömen floß dem Wahne, floß der Zeit, 
Standft du, Held, auf beiden Ufern, ragend als Koloß ber Zeit, 
Tief zu fi herabgegogen alles Große Hatten fie, 
Doch du kamſt und herrſchteſt mächtig über'm Fleinen Troß ber 
Seit: 
Fürften hielten dir den Bügel, Kaifer dir den Baldachin, 
Unter deinem Schenkel ftöhnte das gezähmte Roß ber Zeit. 
Was nur Scheinverbienft erheuchelt, tratft du nieber in ben Staub, 
Nahmft des Glüds Tribut zum Opfer, nahmſt den Zoll und 
Schoß der Beit: 
Sei das Glück denn Laut gepriefen, fammt den Gaben, bie's 
verfchenft; 
Wer's gewann, genof bes Lebens, wer's erfuhr, genoß der Zeit! 
Aber Hütet eu, Beglüdte; denn bie Menge raft um euch, 
Stets belagert fie den ſtolzen Kaſtellan im Echloß der Zeit: 
Mancher Pfeil, o Held, durchbohrte deine, farfe Bruft ven Erz; 
Aber Namen, groß wie deiner, fürchten fein Geſchoß der Beit! 


66 


126. 
Das vermag ich nicht zu fagen, ob die Zeit dich mir entriß, 
Aber daß du fchön geblieben, wie bu warft, bas ift gewiß! 
Menn im brüderlicdhen Zirkel andrer Jünglinge du ſtehſt, 
O fo flehft du wie der Morgen zwiſchen Grau'n und Finfterniß. 
Nur vergebne Mühe war es, um zu retten mid vor bir, 
Daß ich Andre fhön zu finden über Alles mid, befliß! 
Doch in eines Stolzen Banden fih zu wiſſen, ift fo Hart, 
Daß ih oft, ergrimmt und troßig, in die falſche Kette biß: 
Graufam ift es, Trank und Epeife meiner Lippe zu entziehn, 
Und dabei mir Glüd zu wuͤnſchen, und zu fagen: Trink und ig! 


127, 
D Thor, wer nicht des Glücks geheimem Winke folgt, 
Und niht dem Flötenton, dem Ton der Zinke folgt, 
Mer, ohne Tanz und Ecerz, der alternden Vernunft, 
Wohin auch fchleiche fie, wohin fie hinke, folgt: 
Kurz ift der Lenz, es ging das Veilchen Feufch voran, 
Die Nofe, die fih malt mit eitler Echminfe, folgt; 
Kurz ift das Glück, da ſtets der Freude die Gefahr, 
So wie dem rechten Fuß fogleih der linke, folgt; 
Doch naht auch ſelbſt ein Tag, der wahre Gunſt verleiht, 
Der Traͤge bleibt zurüd, und nur der Flinke folgt. 


— — * — — 


128. 


Herein, ergreift das Kelchglas! Was ließe ſich weiter thun? 
— — g etwa dürft ihr ſonſt noch, o meine Begleiter, thun? 


67 


Ihr rückt mir nur mit Unrecht ein müßiges Treiben vor, 
Denn. da das Schiff zu Grund ging, was follen die Scheiter thun! 
Ich weiß ein Voll, das ehmals zum Mufter gedient der Welt, 
Was wollt ih, wär's ein Volk noch, als rüftiger Streiter thun! 
Do greif' ih zum Pokal nun, und übe Gefang, und will, 
Mas hart und. unabmweisbar, gefällig und Heiter tun! 

Den Himmel, wenn an's Herz euch ich drüde, begehr' ich nicht! 
Was ſollt' ic auch mit Jakobs gewaltiger Leiter thun? 


129. 
Mährend Blut in reichen Strömen floß dem Wahne, floß der Zeit, 
Standſt du, Held, auf beiden Ufern, ragend ale Koloß der Zeit, 
Tief zu ſich herabgezogen alles Große Hatten fie, 
a du kamſt und herrfchteft mächtig über'm Fleinen Troß ber 
Beit: 
Fürften hielten dir den Bügel, Kaifer dir den Baldachin, 
Unter deinem Schenkel ftöhnte das gezähmte Roß der Zeit. 
Was nur Scheinverbienft erheuchelt, tratft bu nieder in ben Staub, 
Nahmſt des Glüds Tribut zum Opfer, nahmft den Soll und 
Schoß der Zeit: 
Se das Glück denn laut gepriefen, fammt den Gaben, bie's 
verſchenkt; 
Mer's gewann, — des Lebens, wer's erfuhr, genoß der Zeit! 
Aber hütet euch, Deglüdte; denn die Menge raft um end, 
Stets belagert fie den folgen Kaſtellan im Schloß der Zeit: 
Mancher Pfeil, o Held, durchbohrte beine, ftarfe Bruſt von Erz; 
Aber Namen, groß wie deiner, fürchten kein Geſchoß der Seit! 


130; Be 

Der Trommel folgt’ ich manchen Tag, umd an den Höfen -Icht’ 
ih auch, 

Gefahren hab’ ich dieß und dus, und das umd dieß erfitebe ich 

auch; 

Es zog der ungeſtillte Geiſt mich wandernd oft im Land umher, 

Und wieder ſtille ſaß ich dann, und an den Büchern klebt'ich auch; 

Verglommen iſt die Hitze halb, die junge Seelen ganz etfuͤllt, 

Denn oft verzehrte mich der Haß, und vor der Liebe bebt' ich auch; 

Doch ſchien ich mir zu nichts beſtimmt, als nur das Schoͤne 
weit und breit 

Zu kroͤnen durch erhabnes Lob, und ſolche Kronen webt' ich auch; 

Mas künftig mir beſchieden ſei, verfünde kein Orakel mir, 

Denn dieſer Sorg' und Bangigkeit um Künftiges entſchwebt' ich 
and. 


131. 
Er, defien Sinn durch Schönes nicht anzufachen iſt, 
Er iſt's, für den die Erde der Hölle Rachen ift: 
Der ew’gen Schönheit Athem befeelt den Leib der Zeit, 
Der ohne fie ein Haufen von toten Sachen ift! 
Wer, ohne fie, noch möchte beftehn in einer Welt, 
Die, wenn auch rei an Schägen, es auch an Drachen if. 
D Selig, wer im Herzen ein ſchoͤnes Bild erfor, | 
Bei dem es füß zu fchlummern, und füß zu wachen ift! 
In defien Augen Seele, in deffen Gliedern Maß, | 
And deffen Thräne lieblih wie deſſen Lachen if! 


Mir bleibt das Schoͤne ferne, der ih es ſtets beſang: 
Sprich, Weiſer, was in Fällen, wie der, zu machen ift? 
Es fleuert nad dem Hafen des Glücks mein Herz umfonft, 
Das auf Dem Meer der Liebe der Heinftle Rachen ift! 


132, 


Die Ketten ſtreift' ih ab, und warf die Seile weg, 
Und wandte mid) vom Tand der Welt in Eile weg! 
Bon froſt'ger Nüchternheit, von grübelnder Vernunft, 
Wie fehn’ ih mich davon, aus langer Weile, weg: 
Sagt ihre mir Schlimmes nad, fo fagt' ich's im Voraus, 
Und nahm euch diefen Ruhm zum beften Theile weg: 
Ich zöge gern den Weg, den eure Tugend bahnt, 

Doch Hlieb ich fletd davon um eine Meile weg; 

Denn wer zur Scheibe fih, zum Biel die Sonne, wählt, 
Der fendet ſtets umfonft die leichten Pfeile weg! 

Nun aber, Dichter, ſchweig und laß der Welt den Lauf, 
Und was ihr nicht behagt, vertilge, feile weg! 


133. 


Die Lebe giebt Geung und Schmerz, und Bieles tragen wir, 
Ein einziges Geſetz if hart, und dieß beffagen wir: 

Wohl Alles zwar befiben wir, ſobald der Freund mit uns, 
Dog müfen Allem, wenn er uns verläßt, entfagen wir! 
Erfag für Manches beut die Welt, für Liebe beit fie nichts, 


TO 


Die follten das verlorne Gluͤck dem Sinn enifählagen wir? 

Hört ihre von Gluͤck, denkt nicht an Gunſt, da nie wir — 
erlangt, 

Doch fühlten, fahn wir Schönes .nar, ein tein Behagen * 

Es gnügt, dem hohen Cedernwuchs befriedigt nachzuſchau'n, 

Und nie nach Stand und Vaterland und Namen fragen wir. 


! 


134. 


Wenn did mein Blick vermodht zu finden auch, 
Nie doch vermag er dich zu binden auch; 

Dein Wuchs ift ſchlank, wie einer Pappel Wuchs, 
Doch ah! Du neigft did allen Winden aud; 

Du fhüttelft ftolz dein Fraufes Veilchenhaar, 

Bei Gott! Wie Veilden wird's verſchwinden auch; 
Der harten Worte gabſt du nun genug, 

O laß dich lehren die gelinden auch! 

Weil meine Liebe doch du mir verzeihſt, 

Wil deinen Haß ich gern verwinden auch. 


135. 


D wäre dich zu lieben, mein einziger Beruf, 

Da mi Natur zum Beter, und di zum Göben ſchuf! 

Es breitete der Schöpfer, damit vor dir wir Mnien, 

Die Welten aus als Teppich zum heiligen Behuf; 

Du zog am Chöpfungsmorgen den den Raum hindurch, 
Da fioben alle Sterne vor deines Roſſes Huf! 


71 
Die Lieb' iſt ohne Schtanken, und ſchrankenlos ihr Lob, 
Es beuge ſich dem Schoͤnen, wer Schoͤnes ſelbſt erſchuf! 
Nur deinem guten Namen zu Liebe bleib ich fern, 
Daß Keiner ihn vermenge mit meinem boͤſen Ruf. 


136. 


Mit Manchem taͤndelt' ich fo manche Zeit hinweg! 

Doch zu biſt allzuſchoͤn, dich wuͤnſcht' ich weit hinweg! 
Denn, wie zu gut ich weiß, ſobald die Liebe naht, 

So ſlieht die ſchelmiſche Gelegenheit hinweg! 

Wer ſtand gefühlbegabt dir gegenüber je, 

Und ſchlug die Augen auf, und ging befreit hinweg? 

Auch Andre find‘ ich ſchön; doch hebſt du, wenn du kommſt, 
Mich über jede Wahl und jeden Streit hinweg; 

Wenn je fih in dein Haar verwidelt meine Hand, 

So führe mid der Tod, ich bin bereit, hinweg! 


. 


137, 


Der Frühling hilft der Welt, der ſtarren, lahmen, auf, 
Die Knospe wird erlöst, es fchießt der Samen auf; 
Doch da der Lenz noch nicht in unſer Herz gekehrt, 
So geben wir, was ſonſt wir unternahmen, auf; 

Ja von den Wünfchen ſelbſt, die font das Herz gehegt, 
Mie mander ging zu Grund, wie wenige famen auf! 
Ihr wünſcht mir nah zu fein? O Freunde bleibet fern, 
Wo nicht, ſo gebt vorerſt den guten Namen auf. 


12 


Man fagt mir jeden Tag: Geben! an morgen, Freund! 
Und Jeder fordert mid, ihm nachzuahmen, auf; 

Doch thu' ich ohne Plan, was heut nur Beute ziemt, 

Das Künft'ge nimmt von Gott mein fronrmes Amen auf. 


— — — — —— — 


138. 
Das Schoͤne will ich verehren, verlachen die ganze Zeit, 
Mich weihn, zum Trotze der Thoren, der Außerften WeichlichFeit! 
Gin Sittenrichter entdecke Gebrechen genug an miv; 
Dod weiß ich dem zu vergeben, der mich des Verbotnen zeiht! 
Ein Staub der Lode des Haubtes der Lieblichen gift mie mehr, 
Als eure fchillernde Tugend, von ber ich mich laͤngſt befreit! 
Ein Sklave bin ich des Schönen, kein Sklave darum von euch: 
Es fucht auf eigene Weife ſich Jeder Zufriedenheit, 
Mas wollt die glüdtihe Laune dem Dichter zerftören ihr? 
Was macht ſich neben Gefängen das nüchterne Wort fo breit?‘ 


139. 
Im Leben fühl ich Reis, ich weiß nid, welche Qual? 
Gefahren ohne Map! Gedanken ohne Zahl! 
An Harmonie gebriht’s den Formen um mid her; 
Mir fhaudert’s im Gemach, mir wird's zu eng im Saal! 
Und tret’ ih auch hinaus, erholt ſich kaum ber Blick: 
Mas thürmt ſich im Gebirg? Was ſchlingt fih im Gethal? 
Die Sterne find fo fern! Die Blumen find jo tot! 
Die Wolten find fo grau! Die Berge find.fo Tabl! 


13 


Wie folite die Natur befeieb'gen ein Gemuͤt, 

Die heute friſch und grün, bie morgen welk und fahl? 

und ah! Die Liebe: felbk, erwari' ich noch vielleicht 
Befriedigung von ihr, die mir den Frieden ſtahl? 

Du aber, wer bu ſeiſt, o ſend' in meine Beruf, 

Wie einen glüh'nden. Pfeil, den ſchoͤpferiſchen Stral! 
Dann ift die Seele voll, und eingelullt der Schmerz, 

Das Ich, es fahlt fich frei, wiewohl ihm fehlt die Wahl! 

Und wenn der App’ entflürzt in Strömen der Gefang, 
Verbindet Welt und Ich fein filberner Kanal. 


149. — 

Wie doch ſogleich im Werte der Preiß der Dinge faͤllt, 
Wenn deine goldne Locke in tauſend Ringe faͤllt! 
Beglückt, wer einzuathmen der Locke Duft vermag, 
Beglückter, wer gefangen in ihre Schlinge fällt! 
Allmächtig if dein Auge, doch if es ein Tyrann, 
Bor dem der Große zittert und der Geringe fällt! 

‚ Du wohnt fo hoch und ferne, daß, eh’ er Dich erreicht, 
Dem Balfen des Vırlangens die matte Schwinge fällt! 





4141. ; 
Meine Lieder, die du höret, trämmen nur von Saus und Braus, 
Denn im Leben muß ich kämpfen beinetiwegen manchen Strauß; 
BiR du doch ein Bild im Baffer, ohne Wehen und Beſtand, 
Wenn du auch dem Auge ſchmeichelſt, weichſt du doch den Händen 
aus! 


7A 


Dieß verzehrende Verlangen, überwunden hätt! ich's. Tängft,. . 
Mären deine Blicke kälter, deine Soden minder kraus! 

Aber, wenn ich dich betrachte, thut mir nur dieß Cine net, 
Dich zu feben über alles, dich zu lieben überaus: 

Deine Schulter fei mein Polſter, und dein Gürtel fei mein Arm, 
Und mein Auge fei dein Spiegel, und dein Wort mein Ohrens 
| fhmaus; 
Wenn fi unfer Bli begegnet, ſeufz' ich leiſe bei mir ſelbſt: 

Diefe Fenſter find zu dunkel, um zu fehn in dieſes Hans ! 


142. 
Ein Wunder muß gefhehn, wenn ich di pflüden fol, 
Wenn an mein Herz ich dich, o Roſe, drücken foll! 
Doch iſt die Liebe ja nur eine Gauklerin, 
Wenn Mögliches allein ihr nicht mißglücken ſoll! 
Es ruht dein fchöner Blick noch zweifelhaft auf mir, 
Ob ſchrecken mich bein Aug’, ob's mich entzüden ſoll? 
Wenn auch die Mofe floh, die After ift vielleicht 
Ein Stern des Glüds, wonach ih mi nur büden foll. 





443. 
Mir iſt's, als ſtünd' ih a dem Ararat, 
Der Regenbogen über mir im Staat; 
Als ſenkte das Gewäfler Äh gemach, 
Das noch verbirgt der Erde golbne Saat; 
Als ragte hier ein Lerbeer fchon hervor, 
Und dort ein Fels wie Jafpis und Agath; 


75 


Als dürft' ich nieberfleigen in die Welt, 

Da Stürme fchweigen, da der Lenz ihre naht. 

Ihr Fluten fingt, ihr Fluren, fleigt empor, 

Und du, o Grün, erfheine nicht fo ſpat! 

Erfrifchfe Welt, wie machſt du den zum Gott, 

Der dich genießen fann in Red’ und That. x 


⸗ 


144. 


Entſprungen iſt, entſprungen iſt 

Ein Lied mir, das mißlungen iſt, 
Die Lippe ſiecht, ſobald fie nicht 
Bon Liebhens Kup durchdrungen if; 
D fage, wer dich jet umfchlingt, 
Wer jegt von dir umſchlungen if? 
Sobald mein Lied dich nur erhebt, 
Wer fragt, ob's gut gefungen if? 
Mer fragt no, da dein Name ſchon 
Durh mich auf allen Zungen ift! . 


145. 
Diefe weihlichen Gefänge, die ich hier zufammenflodht, 
Wenn fie auch die Strenge tabelt, hat's die Liebe je vermocht? 
Laßt das ſchelmiſche Getändel ſchmeicheln ſich in eure Bruſt, 
Möge der Verſtand es ſchelten, wenn das Herz euch nur gepocht! 
Dachtet ihr an weile Lehren, wenn das Liebchen euch umſchlang? 
Sragtet ihr um Rat die Sitte, wenn ihr an den Rofen rocht? 





r 


16 
Andre Gaben würd’ ich pflegen, wenn fle mir das Loos eriheilt, 
Doch nur Schönes ‚fest in wann meines Lebens ſchwanken 
VDocht; 
Denn mir ward ein Sinn gegeben, den ich ſelbſt mir nicht 
verlieh; 
Stolz und trotzig gegen Alles, doch vom Schoͤnen unterjocht: 
Das nur iſt es, was mich feſſelt, ob ich wandle durch den Hain, 
Ob mir holde Blicke laͤchlen, ob der Wein im Becher kocht! 
Das nur iſt's, wofür id athme, das nur, was mid treu be- 
wahrt, 
Wenn ich liebender Entfagung ehrenvolle Kämpfe focht. 


146. 


Früh und viel zu frühe trat ich in die Zeit mit Ton und Klang, 
Und fie konnte kaum empfinden, was dem Buſen faum entſprang: 
Nicht den Geiſt, der ſcharf und ficher in bes Lebens Auge blidt, 
Nicht die zarten Klagelaute jener Seele voll Gefang! 
Kalt und ahnungslos und fehweigend, ja mit "Hohn empfing fie 
! mid, 
Während fie um niedre Stirnen ihre fhnöden Zweige ſchlang! 
Mir indefien, dem’s im Bufen thatenfhwanger wühlte, gohr, 
Diente felbft der Scherz als Maske, wenn ich tiefe Schmerzen fang; 
Do getroft! Vielleicht nad) Iahren, wenn den Körper Erde deckt, 
Wird mein Schatten glänzend wandeln diefes deutſche Volk ent⸗ 
lang. 


— — — — — 


77 

447, 
Farbenſtaͤnbchen auf der Schwinge 
Sommerlier Schmetterlinge 
Flüchtig find fie, find vekgaͤnglich 
Wie die Gaben, die ich bringe, 
Wie die Kraͤnze, die ich echte, 
Wie die Bheder, die ich. finge: 
Schnell vorüber ſchweben alle, 
Ihre Dauer iſt geringe, 
Wie ein Schaum auf ſchwauker Welle, 
Wie ein Hauch anf blanfer Klinge, 


Nicht Unfterblichkeit verlang' ih, 


Sterben it Das Loos der Dinge: 
Meine Töne find zerbrechlich 
Wie das Glas, atı das ich Flinge. 


148. 
Tief ins Herz mir Yeuerbrände 
Merfen deine ſchoͤnen Hände! 
Zwiſchen Erd’ und Himmel kenn' ich 
Keine liebern Gegenuflände:. 
Ueber diefe fünnten. Dighter 
Schreiben hunderttaufend Bände!. 
Pfänder find ſie deiner Nähe, 
Denen ich das Herz verpfänbe. 
Wenn fie keuſche Roſen pflüden 
Länge der grünen Gaͤrtenwaͤnde, 


8 


Micht' ich ſelbſt zur Mofe werben, 
Das Ic ihren Druck empfände! 


449. 
Dich erfleht das Land ale Segen, 
Schnöder, unwilllommner Regen! 
Mid nur Körk du fehr auf meinen 
Abendlichen Liebeswegen. 
Nach der Feder muß ich greifen, 
Wie ein Held nad feinem Degen, 
Weil die Helden wie die Dichter 
Langeweile macht verlegen; 
Eitle Reime muß ich ſchmieden, 
Statt der Liebe Gunſt zu pflegen: 
Sonft erheitert fein Geſchaͤft mid, 
Meiner tiefen Wunde wegen. 


150. 

Sang ih einft in deutſchen Landen, 
Ward ich felten recht verftanden, 
Und das Schönfte, was ich Flagte, 
Schien, ale wär’ es nicht vorhanden: 
Scheint es doch, daffelbe Schickſal 
Macht mich überall zu Schanden! 
Was ſich auch für füße Dinge 
Zwiſchen meine Reime wanden, 


279 


Unverfänblich blieben bir fle,. - 
Die mir ungehört verfhwanden: 
Meine Lippe muß verflummen, . 
Meine Barke muß verfanden! 


451. 

Sm Kaftanienwälnchen ſaß ich, 
Alle Welt umber vergaß id), 
Denn du ruhtef mir zur Seite; 
Deine fchönen Blicke maß ib; 
Pomeranzen dir. vom Schooße, 
Gold von goldnen Ehüffeln aß id; 
Reicher, als ein MWeltbeherricher, 
Mehr ale eine Welt befaß id; 
Fruͤchte dir und Küſſe ftehlend, 

War beglüdt im Uebermaß id. 


152.. 
Sommerlihe Mondenſcheibe, 
Deren Bracht ich gern befchreibe, 
Eterne, deren holden Flimmer 
Meinem Lied ich einverleibe, 
Die zu Zeugen deß ich rufe, 
Was ich Hoffe, was ich treibe: 
Wenn des Menfhen Looſe lenkt. ihr, 
Mie man fagt, vom Mutterleibe, 


So erfpart mir dieſe Trennung, 
Sp vergömt mir, daß ich bleibe, 
Honigfüße Küffe fobre, 
Honigfüße Lieder fchreibe! 


159. 


Mo Platanen ſtehn im NRafen, 
Ruhten wir beglüdt, und laſen 
Bald von Bradamantens Treue, 
Bald von Rolande Liebesraſen: 
Sipend auf des Berges Gipfel, 
Mo die reinften Lüfte blafen, 
Inſelreiches Meer befchauend, 
Eine Wüfle vol Oaſen, 

Wo der Himmel gleich Sapphiren, 
Wo die Erde gleih Topafenz 
Doch die Sonne ſank, der Hirte 
Trieb die Ziegen heim vom Grafen. 
Unfre liebefranfen Herzen, 

Dank der heiligen Nacht, genafen. 


454. 
Mas ich vente, was ich finne, 
Ohne Worte wirt du's inne, 
Wenn vor deinem Fenſter Morgens 
Mein Gefpräd ich ſtill entfpinne. 


81 


Reib' ih mir die Stirn, fo heißt es, 
— Daß ich heute nicht entrinne; 

Aber kann des Nachts ich kommen, 

Streich' ich leiſe mich am Kinne. 

Leicht verſtehſt du, was ich ſage, 

Leicht bewahrſt du dir's im Sinne, 

Warteſt mein im ſchoͤnen Garten, 

Auf des Bergs Terraſſenzinne: 

Heute ſteht der Mond in Wolken, 

Das gereicht uns zum Gewinne. 


— — — —⸗ —— — 


155. 


Diefe Bäume, diefe Blüten 

Mögen unfre Liebe hüten, 

Bor den Menfchen uns verbergen, 
Die nur Neid und Nebel brüten; 
Diefe furzen Augenblide 

Mögen uns den Schmerz vergüten, 
Den die Trennung bald herbeifühtt: 
Möcht' ein Bott fie doch verhüten! 
Dich erwarten Klofterzellen, 

Mich verhaften Schiffs: Eajüten. 


— on nn 


156. 


Wo ih Mädchen rings und Knaben 
Feſtlich ſchmücken und begaben, 
Platen, ſammtl. Werke. IL 6 


” 


82 


Sich am Tamburin ergägen, 

Oder am Gefang fi Iaben, 

Mag ih wohl den Freunden bieten 
Leichter Lieder leichte Gaben; 

Doch zumeilen, wenn ich fiße 

Tief in Einfamfeit begraben, 

Sn der menfchenleeren Wildniß 
Auf antiken Architraben, 

Wird Anakreon zum Pindar, 

Und die Seele tönt erhaben. 


Bierzeilen. 


Denn ih Schenfenwangen füfle, denk’ ich, wären’s beine nur! 
Möchteft du an feiner Stelle fommen mit dem Beine nur! 
Sprich, warum, wenn auf den Straßen ich begegne dir, warum, 
Statt ins Auge mir zu bliden, blickſt du auf die Steine nur? 





—— 


Habt ihr nie gefehn im Walde, daß auf trübem Wafferfchlamm 
Gine Lilie beſcheiden mit unzähl’gen Blüten ſchwamm? 

Diefes Volks gefhwäh'ge Leere gleicht geſtandnem totem Pfuhl, 
Deines Weſens ew'ge Jugend ift des Keben grüner Stamm. 





— — 


Da ich für des Lebens Mühen hab erfleht zum Lohne dich, 

Welch ein Recht erwarb die Stunde, zu verſtreichen ohne dich? 

Komm, o komm! Doch willſt du ferne bleiben, ſei auch fern 
beglückt: 

Liebe, Liebe nur umgaukle, Friede nur umwohne dich! 


7 


83 


Sol dein ganzes Lob geföärieben vom Beginn zum Ziele fein, 
Müſſen Paradieſesvögel Spender ihrer Kiele fein: 

Meine Lieder, Tepp'che find es, die ich breite deinem Tritt, 
Doch fie könnten Baldachine, wenn es dir gefiele, fein. 


Komm, denn ohne dich die Seele durch den Wein erlab’ ich nicht, 
Komm zu mir, und nimm mein Leben, denn was Beß'res hab’ 
ih nicht! 
Bor den Hufen deines Roſſes ftreut’ ich meine Lieber aus, 
Doch du ſprachſt: Auf Steinen trab’ ich, über Perlen trab' ih. 
nidt. 
— ————— 
Schilt mich ſtolz die Welt, ſo weißt du, daß ich von den Milden 
bin, 
Daß ich ſcheu vor dir und ſchuͤchtern, gleich dem Reh, dem wilden, 
bin, 
Schilt fie wortfarg mich, fo weißt du, daß ich fähig neben Dir 
Auch des Schoͤnſten, was die Sprache je vermocht zu bilden, bin. 
Traͤgſt den Ring du, den vom Freunde dir gefanbten, an der Hand? 
O was trägft du meine Thränen als Demanten an ber Hand? 
Die mir oft im naſſen Auge brennend glühten, ah, um dich, 
Wundern fol’s mid, wenn dich dieſe nicht verbrannten an ber 
- Sand. ' 


D wie zeigt mir heut dein Auge liebevoll und Iofe fi, 
Ans der yollen Wangenknospe fehnt die golbne Roſe ih; 


84 


Laß mich ſterben, jetzt im erſten Augenblicke deiner Gunſt, 
Daß mein Grab noch unter deinen Füßen übermooſe ſich. 


— — — — 


Wenn du ſcheidend dich entferneſt, ſprich, wo nur ich bliebe, wo? 
Nicht: ein Raub zu fein dem Grame, jenem falſchen Diebe, mo? 
Sprich, wo fänd ich ſolche Scherze, foldhen Heiter feften Mut, 

Solche Züge, freundlich edel, ad, und wo die Liebe, wo? 


— — — — — 


Heut erbarme doch dich dieſer liebentglühten Pein etwas, 

Ab, von deinen Schäßen allen, wär', ach wäre mein etwas! 
Nur ein Härchen deiner Wimper, nur ein Löckchen deines Haars, 
Do wir betteln um das Schöne, du nur haft allein etwas. 


nn — — 


Freund, wie viele Schmerzen pein'gen, die man, ach, vergebens 
traͤgt, 
Die man ſelbſt noch in der ſchoͤnſten Zeit des ird'ſchen Strebens 
trägt; 
Mußt' ich denn fo fpät erfahren, prüfend manches Labyrinth, 
Daß fi nur an deinem Buſen das Gewicht des Lebens trägt? 


Deine ſchwarzen Augen ruhten auf den meinen allzulang; 
Doch es nahn der Trennung Stunden, ach! fie ſcheinen allzulang! 
Lieblich iſt's, geliebt zu lieben, aber fol ein fhöner Blick 
Nie zum Duell des Schmerzes werben, blid in feinen allzulang! 


—— — — 


Was flets und aller Orten 
Sich ewig jung ermeift 
FR in gebundnen Worten 
Ein ungebunpner Geiſt. 


1. 


Entled’ge dich von jenen Ketten allen, 

Die gutgemutet bu bisher getragen, 

Und wolle nicht, mit kindiſchem Verzagen, 

Der ſchnoͤden Mittelmäßigfeit gefallen! 


Und mag die Bosheit auch die Faäuſte ballen, 
Noch athmen Seelen, welche fe es wagen, 

Lebendig, wie die beinige zu fchlagen, 

Drum laß die frifehen Lieder nur erfchallen! 


Geſchwätz'gen Krittlern gönne bu die Kleinheit, 
Bald dieß und das zu tabeln und zu loben, 
Und nie zu faflen eines Geiftes Einheit. 


Ihr kurzer Groll wird allgemach vertoben, 
Du aber ſchüttelſt ab des Tags Gemeinheit, 
Wenn dich der heil'ge Rhythmus trägt nach oben. 





— 


nr 


Was ftets und aller Orten 
Sich ewig jung erweift 
IR in gebundnen Worten 
Ein ungebunnner Geiſt. 


1. 


Entled'ge dich von jenen Ketten allen, 

Die gutgemutet du bisher, getragen, 

Und wolle nicht, mit Tindifchem Verzagen, 

Der fhnöden Mittelmäßigfeit gefallen! : 


Und mag die Bosheit auch die Faͤuſte ballen, 
Noch athmen Seelen, welche keck es wagen, 

Lebendig, wie die deinige zu ſchlagen, 

Drum laß die frifchen Lieder nur erfchallen! 


Geſchwaͤtz'gen Krittlern gönne du die Kleinheit, 
Bald dieß und das zu tadeln und zu loben, 
Und nie zu faflen eines Geiſtes Einheit. 


Ihr kurzer Groll wird allgemach vertoben, 
Du aber fchüttelft ab des Tags Gemeinheit, 
Wenn bich der heil'ge Rhythmus trägt nad) oben. 


— — — 


88 


2. 


Sonette dichtete mit edlem Feuer 

‚Ein Mann, der willig trug der Liebe Kette! 
Er fang fie der vergötterten Kaurette, 
Im Leben ihm und nad) dem Leben iheuer. . 


Und alfo fang aud) manches Abenteuer, 

Sn ſchmelzend muſikaliſchem Sonette, 

Ein Held, der einft durch wildes Wogenbette 
Mit feinem Liede ſchwamm, als feinem Steuer. 


Der Deutfche hat fich beigefellt, ein Dritter, 
Dem Florentiner und dem Portugiefen, 
Und fang geharnifhte für Tühne Bitter. 


Auf diefe folg' ih, die fih groß erwiefen, 
Nur wie ein Achrenlefer folgt dem Schhnitter, 
Denn nicht als Bierter wag’ ich mich zu diefen. 


3. 
Das Sonett au Goethe. 


Dich ſelbſt, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren 
Mein tiefes Weſen wisig fah verneinen, 

Dich felbft nun zaͤhl' ih Heute zu den Meinen, 
Zu denen welche meine Gunſt erfahren. 


89 


Denn wer durchdrungen if vom innig Wahren, 


Dem muß die Form ſich unbewußt vereinen, 


Und was dem Stümper mag gefährlich ſcheinen, 


Das muß den Meifter göttlich offenbaren. 


Mem Kraft und Fülle tief im Bufen keimen, 
. Das Wort beherrfcht er mit gerechtem Stolze, 


Bewegt fi Teiht, wenn auch in fehweren Reimen. 


Er ſchñeidet fi des Liedes fücht'ge Bolze 
Gewandt und ficher, ohne je zu leimen, 
Und was er fertigt, iſt aus ganzem Holze. 


4. 
Au J. 3 W. 


„Die Kunſt iſt tot, wir haben fie begriffen!“ 
Dieß rufend, feh’ ich dich die Nafe rümpfen, 
Als ob wir Alle fläfen nur in Sümpfen, 
Statt übers Meer der Poefie zu ſchiffen. 


Das Ew'ge wähnft auf einmal du vergriffen, 
Als ob die Rede fei von alten Strümpfen: 
Das ift der Eräftigfte von deinen Trümpfen, 
Das ift der pfiffigfte von deinen Pfiffen! 





99 * 
Doch Hoffe nie, durch eitlen Wahn befangen, 


Der Poefie Myſterium zu faſſen, 
Das kaum dein Witz noch obenhin umgangen; 


Allein von uns, die wir den Irrthum haſſen, 
Dich aber lieben, wirft bu nie verlangen, 
Daß ihm zu Liebe wir uns felbft verlaflen. 


5. 
Shakespeare in feinen Sonetten. 


Du ziehft bei jedem Loos die befte Nummer, 
Denn wer, wie bu, vermag fo tief zu dringen 
In's tieffte Herz? Wenn du beginnft zu fingen, 
Berftummen wir als Häglihe Verftummer. 


Nicht Mäpchenlaunen flören deinen Schlummer, 
Doch flets um Freundſchaft fehn wir warm dich ringen: 
Dein Freund errettet dich aus Weiberfchlingen, 

Und feine Schönheit ift dein Ruhm und Kummer. 


Bis auf die Sorgen, bie für ihn dich nagen, 
Erhebſt du Alles zur Apothenfe, 
Bis auf den Schmerz, den er dich läßt ertragen! 


Wie ſehr did Fränfen mag ber Seelenlofe, 
Du läffeft nie von ihm, und fiehft mit Klagen 
Den Wurm des Laflers in der fhönften Rofe. 


k 91 
6. 


Sophokles. 


Dir iſt's, o frommer Sophokles, gelungen, 

Den Punkt zu ſchau'n, wo Menſch und Gott ſich ſcheidet, 
Und was in ird'ſche Worte bu gekleidet, 

Das ward vom Himmel aus dir vorgefungen! 


Du biſt in’s Innre diefer Welt gedrungen 

Und fennft zugleih, was auf ber Fläche weibet: 
Was nur ein Menfchenbufen Hofft und leidet, 
Du ſprachſt es aus mit deinen taufend Zungen! 


Nie biſt du kühl zur Nüchternheit verfunfen, 
Du fprühteft in erhabener Verſchwendung 
Der golonen Flammen lichte, dichte Funken! 


An dich erging die heil’ge große Sendung, 


Du haſt den Rauſch der Poeſie geteunfen, 
Und fhimmerft nun in firalender Vollendung. 


7 


Hafis. 
Daß Hafis kühn ſei, darf ich nicht verſchweigen, 
Und daß fein Geiſt wie feiner ſchwer zu zügeln, 
Dem Adler gleicht er, der mit breiten Flügeln 
Im Aether fchlägt den lichten Sternenreigen. 


* 


= 


90 [4 


Doch Hoffe nie, duch eitlen Wahn befangen, 
Der Borfie Myſterium zu faffen, 
Das faum dein Wit noch obenhin umgangen; 


Allein von und, die wir den Irrthum haſſen, 
Di aber lieben, wirft du nie verlangen, 
Daß ihm zu Liebe wir uns felbft verlaften, 


5. 
Shatespeare in feinen Sonetten. 


Du ziehft bei jedem Loos die befte Nummer, 
Denn wer, wie bu, vermag fo tief zu bringen 
In's tieffte Herz? Wenn du beginnft zu fingen, 
Verſtummen wir als Hägliche Verftummer. 


Nicht Mäpchenlaunen flören deinen Schlummer, 
Do flets um Freundfchaft fehn wir warm dich ringen: 
Dein Freund errettet dich aus Weiberfchlingen, 

Und feine Schönheit ift dein Ruhm und Kummer. 


Bis auf die Sorgen, die für ihn dich nagen, 
Erhebft du Alles zur Apotheofe, 
Bis auf den Schmerz, den er dich läßt ertragen! 


Mie fehr dich Fränken mag der Seelenlofe, 
Du läffeft nie von ihm, und flehft mit Klagen 
Den Wurm des Lafters in der fchönften Rofe. 


nn nn 


: 91 
6. 
Sophokles. 
Dir iſt's, o frommer Sophokles, gelungen, 
Den Punkt zu ſchau'n, wo Menſch und Gott ſich ſcheidet, 


Und was in ird'ſche Worte du gekleidet, 
Das ward vom Himmel aus dir vorgeſungen! 


Du biſt in's Innre dieſer Welt gedrungen 

Und kennſt zugleich, was auf der Flaͤche weidet: 
Was nur ein Menſchenbuſen hofft und leidet, 
Du ſprachſt es aus mit deinen taufend Zungen! 


Nie .bift du fühl zur Nüchternheit verfunfen, 
Du fprühteft in erhabener Berfhwendung 
Der golpnen Flammen lichte, dichte Funken! 


An did erging die heil’ge große Sendung, 


Du haft ven Raufch der Poeſie getrunfen, 
Und ſchimmerſt nun in firalender Bollendung. 


nn 


7 


Hafis. 
Daß Hafis kühn ſei, darf ich nicht verſchweigen, 
Und daß ſein Geiſt wie ſeiner ſchwer zu zügeln, 
Dem Adler gleicht er, der mit breiten Flügeln 
Im Aether ſchlaͤgt den lichten Sternenreigen. 





92 
She mögt ihm nachſchau'n oder mit ihm fleigen 
Zu feinen blühend unbewölften Hügeln, 


Mo nicht, ihn tadeln oder ihn beflügeln: 
Er wird fih Keinem, als nur Einem, neigen. 


Sm Guten mögt ihr ſchwelgen oder Schlinnmen, 
Doch nur Geſtalt entzücke den Geftalter, 
Und Jeder fol fein eignes Ziel erflimmen. 


Kein Mißverftehender vermag mit Falter 
Beichränktheit einen Bufen zu verfliimmen, 
Der frei fi fühlt durch alle Lebensalter. 


8. ’ 
An F. v. B. 
Mit den Gaſelen. 
Die ſchoͤne Schickung, welcher Lob gebühret 
Für dieſes Lebens Herrlichſtes und Meiſtes, 


Sie hat hierher in unſer unbereiſtes, 
Beſcheidnes Städtchen dich, o Freund, gefuͤhret. 


Die ſchoͤne Sehnſucht, welche du verfpüret, 
Ein Hoͤchſtes frühe zu verſtehn und Freiſtes, 
Hat auf die Spuren jenes großen Geiſtes 
Dich hergeführt, der alle Welt berühret. 


93 


Du hafleft Alle, die nur Formeln ſchwätzen, 
Du firebft das Innre jedes Dings zu ſichten, 


. Und übft den Geift in fchroffen Gegenfägen. 


Dieß hätt’ ich ſcheidend noch an dich zu richten, 
Du pade nun zu deinen andern Schägen 
Auch diefen Schak von närriſchen Gedichten! 


9. 
An Schelling. 
Mit demſelben Anlaſſe. 


Gebeut nicht auch im Königreich des Schoͤnen, 
Wer immer König iſt im Reich des Wahren? 
Du fiehft fle beide ſich im Höchften paaren, 


Gleich in einander wie verlornen Tönen. 


Du wirft die Feine Gabe nicht verhöhnen, 
Wirſt diefe morgenländifch bunten Schaaten 
Sn ihrer Bilderfülle gern gewahren, 

Und gerne dich an ihren Klang gewöhnen. | 


Zwar auf den Blüten eines fernen Landes 
Schweb' ih nur flüchtig, gleich dem Schmetterlinge, 
Vielleicht genießend eines eitlen Tandes. 


Du aber tauchſt die heil'ge Bienenſchwinge 
Herab vom Saum des Weltenblumenrandes 
In das geheimnißvolle Wie der Dinge. 


nn nn — 





94 


10. 
Nah langer Arbeit glüdlidem Vollbringen 
Mit fügem Nichts die Tage zu verträumen, 
Bei jedem flüchtigen Genuß zu fäumen, 
Am Großen fih ergöpend und Geringen: 


Aus edlen Dichtern einen Vers zu fingen, 
Geſtreckt in's Gras, wo laute Quellen fhäumen, 
An Rofenheden, unter Lindenbäumen 

Das Leben unbeforgt dahin zu Bringen: 


Im Mai die Stirn mit jungem Laub zu Frönen. 
Die lauen Nähte, bis es wieder taget, 
Durch Weingenuß und Liebe zu verfchönen: 


Dieß if, und wenn mich auch darob verflaget 
Ein Sittenrichter, der es will verpönen, 
Das Einzige, was meinem Sinn behaget. 


——— — — 


11. 
Wenn du vergeſſen kannſt und kannſt entſagen, 
So biſt du mir der Glückliche hienieden; 
Dir iſt ein leichter Lebenskampf beſchieden, 
Wenn du verlierſt, beginnſt du neu zu wagen. 


Und wenn du haſt Treulofigfeit ertragen, 
Als, die du liebteft, dich gehaßt, vermieden, 
Und doch im Herzen nie verlorft den Frieden, 
Dann ift die Zeit dir vol von ſchoͤnen Tagen! 


% 


Wenn jede Trennung du mit Mut verfchmerzeft, 
Und wenn, da faum ein Liebchen dich verlaffen, 
Du ſchon ein andres vol Verlangen herzeft: 


Dann weißt du, traun! did in die Welt zu faflen; 
Das Leben flürmt und wütet, doch du feherzeft, 
Mit fanftem Hauch bewegend ſchwere Maflen. 


— — — nn 


12. 
Was will ich mehr, als flüchtig dich erblicken? 
Was waͤr' ich, trüg' ich heißeres Verlangen? 
In welche Netze würd’ ich, wenn ich hangen 
An deinem Auge bliebe, mich verfiriden! 


Mas will ich mehr noch, als ein eilig Niden? 
Es würden deine Worte mich befangen: 

Dom Schügen wird ein Vogel raſch umgangen, 
Wenn mehr er will als an der Kirfche piden. 


Wohl moͤgen Reize, die ſo ganz dein eigen, 

Den Wunſch der Sehnſucht in den Andern wecken, 
Sich dir zu nahn und dir ein Herz zu zeigen. 

Ich werde nur, wenn Jene ſich entdecken, 

Vor deiner Schoͤnheit huldigend mich neigen, 
Nicht eine Sylbe ſoll dein Ohr erſchrecken! 


— — — — — 


* 





96 


43.. 


Mer hätte nie von deiner Macht erfahren? 
Wer hätte je dich anzuſchau'n berenet? 

Mie viele Reize liegen Hingeftreuet 

Auf diefen Wangen, diefen fohönen Haaren! 


Du bi fo zart, bu bift fo jung an Jahren, 
Dur jede Huldigung des Glücks erfreuet; 
Dod wer die Lift in deinem Busen fheuet, 
Der mag vor bir fih Tag und Nacht bewahren! 


Noch prahlt ein Baum mit manchem frifhen Afe, 
Die Blätter bilden noch geräum’ge Lauben, 
Da ſchon Zerflörung wütet unterm Bafte. 


Doch foll mir frofige Betradtung rauben 
Den füßen Schatten, unter dem ich rafte? 
Nein, deine Schönheit fordert blinden Glauben! 


| un —— 


14. 
Wie ſchwillt das Herz von feligem Genügen, 
Sobald ein Blid, der lange trüb ummadhtet, 
Derähtlich uns und blinzelnd nur betrachtet, 
Zulegt voll Milde ruht auf unfern Zügen! 


Waͤr's Zufall, oder willſt du mich betrügen? 
Haft du vielleicht mich veiner wert erachtet? 
Menn, Augen, ihr mir nidtet oder lachtet, 
Dann wollt’ ich flets mich euch als Sklave fügen! 


97 


O gieb Gewißheit, wo nur Zweifel waltet, 
Laß länger nit mid hin und wieder ſchwanken, 
Weil oft im Zweifel das Gemüt erfaltet! 


Nicht fchwer zu helfen if gewiſſen Kranken: 
Ein einz'ger Wink, ein Haͤndedruck entfaltet 
Uns Millionen liebender Gedanfen. 


— —— — * 


15. 
Was kann die Welt für unſer Glück empfinden, 
Die kalte Welt mit ihrem falſchen Treiben? 
Kann ſie es feſſeln oder es vertreiben? 
Kann fie und trennen ober uns verbinden? 


Wir fehn die Dinge rings um uns verfchwinden., 
Als Dinge, die die Liebe nur umfchreiben; 
Verborgen muß die wahre Liebe bleiben, 

Kein Dritter darf zu dir und mir fi finden. 


Sieh, die uns wandeln fehn im bunten Schwarme, 
Nicht ahnen follen fie, Daß in der Stille 
Wir uns verzehren im verliebten Harme. 


Bergeffen will ich jede fremde Grille, 
Wenn dich umfhlingen meine frohen Arme, 
Und dir allein beugt ih mein Eigenwilfe. 


— — — —— 


Platen, fämmtl. Werke. IL 7 





98 


16. 
Des Glückes Gunſt wirb nur durch dich vergeben, 
Shin iſt die Roſe nur, von dir gebrochen, 
Und ein Gedicht nur ſchoͤn, von dir geſprochen: 
Tot iſt die Welt, du biſt allein am Leben. 


In dieſen Lauben, die ſich Hold verweben, 
Wird ohne dich mir jeder Tag zu Wochen, 
Und dieſer Wein, den warme Sonnen kochen, 
Kann nur aus deiner Hand mein Herz beleben. 


Von dir geſchieden, trenn' ich mich vom Glücke, 
Das Schoͤnſte dient mir nur, mich zu zerſtreuen, 
Das Groͤßte füllt mir kaum des Innern Lücke. 


Doch drückſt du mich an deine Bruſt, den Treuen, 
Dann kehrt die Welt in meine Bruſt zurücke, 
Und am Geringſten kann ich mich erfreuen. 


17. 
Wer in der Bruſt ein wachſendes Verlangen 
Nah fhönen Augen fühlt und ſchoͤnen Haaren, 
Den mahn’ th ab, der nur zu viel erfahren 
Don Schmerz und Qual durch eitles Unterfangen. 


Dem jähen Abgrund nur mit Not entgangen, 
Was blieb mir aus unendlichen Gefahren? 
Im Aug’ die Spur von Hingeweinten Jahren, 


\ und in der Bruft ein ungeheures Bangen. 


99 


Naht nicht der jähen Tiefe, junge Herzen! 
Des Ufers Lilien glühn von falfchem Feuer, 
Denn ad, fie Ioden in das Meer der Schmerzen! 


Nur Jenen ift das Leben ſchoͤn und theiter, 
Die frank und ungefeflelt mit ihm herzen, 
Und ihnen ruft ein Gott: die Welt if euer! 


18. 
Bon weiter Ferne werd’ ich angezogen, 
Ich möchte fuchend duch die Länder ſchweifen, 
Dich wieder fehn und wieder dich ergreifen, 
Und nie mehr laflen, bis bu mir gewogen. 


Durchwandeln moͤcht' ich Falte Meereswogen, 
Und Erdenfluren, welche ſchwellend reifen, 
Nah dir zu fragen bei ven Wolfenftreifen, 
Nah dir zu fragen bei dem Regenbogen: 


Ob über dir fie fehwebten in der Ferne? 
Ob er di fah durch feine Pforten treten? 
Dem Liebenden antwortet Jeder gerne. 


Nun faſſ' ich erfi den Wandel der Kometen, 
Sie fhweifen hin und fragen alle Sterne: 
Wo it fie? oder: Habt ihr fie betreten? 


— — — — — — — 


100 


49. 
Was gleißt der Strom mit fhönbefhäumten Wogen, 
Da nur Entfeßen lauſcht im tiefen Grunde? 
Was haut die Rofe füßen Duft vom Munde, 
Da mandes Blatt ihr fhon im Wind entflogen? 


Mas if mit Gold der Wolfe Saum bezogen, 
Da fon Gewitter birgt die naͤchſte Stunde? 
So hat, mit allem EHredlihen im Bunde, 
Natur uns flets durch falfhen Reiz belogen. 


Doch wer enträtfelt erfi der Serle Tüden! 
Dein Blick erglüht, der nur Berberben fendet, 
Und ah! ih wähnte reines Licht zu faugen. 


Nun fühl ich wohl, erwachend vom Gntzüden, 
Das meine Sinne nur zu fehr verblendet: 
Dein Herz ift fhwarz, wie beine ſchwarzen Augen! 


— — [mn 


20. 
Die erſte Gunſt haſt du mir heut geſpendet, 
Und mußte ſolch ein ſchoͤner Tag enteilen? 
Die düftre Wolke fah ich fich vertheilen, 
Die fonft den Reiz mir deiner Brau'n entwendet. 


Dein Bi, der ſtets von mir ſich abgewendet, 
SH fah ihn Heut anf meinen Blicken weilen, 
Und all ihr Gift entfaugt’ ich jenen Pfeilen, 
Die mir bein fehönes Auge zugefenbet. 


101 


Der Hoffnung erfler ſchwacher Stral entbrannte, 
Mir im Gemüt, daß du mir feift gewogen, 
Und unfre Seelen grüßten fih Verwandte, 


1 
War jener Stolz, der deine Stirn umzogen, 


Vielleicht nur Groll, weil ih dich lange Fannte, 
Eh dir mein Herz begeiftert zugeflogen ? 


21. 
Dich oft zu fehen ift mir nicht beſchieden, 
Und ganz verfagt ift mir, zu dir zu kommen, 
Dir felten zu begegnen und beflommen 
Dich anzuſchau'n, das ift mein Loos hienieben. 


Doch von dir träumen, dichten, Plane fehmieben, 
Um dir zu nahn, das ift mir unbenommen, 

Das fol, fo lang es frommen will, mir frommen, 
Und mit fo Wen'gem ſtell' ich mich zufrieden. 


Denn ad! id habe Schlimmeres ertragen, 
Als diefes Schlimme jebt, und duld' ergeben, 
Statt heftiger Dual, ein füßes Mißbehagen. 


* 


Mein Wunſch bei Andern zeugte Widerſtreben: 
Du haſt ihn nicht erhoͤrt, doch abgeſchlagen 
Haft du ihn auch nicht, o mein füßes Leben! 


— — — — — — 


102 


22. 
Nicht aus Begier und aus Genuß gewoben 
Mar unfre Liebe, nicht in Staub verfunfen: 
Nur deiner Schönheit hebt’ ich wonnetrunfen, 
Und gütig warft du, glei den Engeln oben. 


Du batteft mich zu dir emporgehohben, 
Sn deinem Auge ſchwamm ein lichter Funken, 
Der Farben fhuf, den Pinfel drein zu tunfen, 
Den reine Dichterhände Gott geloben. 


Nun, da ih fern von bir den Tag verbringe, 
Erfheinft du der Bewunderung noch reiner, | 
Se mehr im Geift ich deinen Wert durchdringe. 


Sa, immer fehnfuchtövoller dent’ ich deiner, 
Und legt die Welt mir aud fo manche Schlinge, 
Du ſollſt mi nie gefangen fehn in einer. 


23. 
In alle Räume brauft die ſtolze Welle, 
Die ih im dichteriſchen Uebermute 
Entfpringen ließ aus meinem eignen Blute, 
Daß fie zum Strome mir, zum Meere fchwelle. 


Den Afterwig verfchlinge fie, die ſchnelle, 

Daß er fein Liedchen nicht mehr länger bute, 

Doch weichmelodiſch und gelind umflute 

Der blum’ge Strom des Glaubens heilige Schwelle. 


103 


Die Fluten, welche die Natur erfrifchen, 
Gebaren fe nicht alles ird'ſche Leben? 
Entwand fi nit fogar dem Schaum Urania? 


Sp moͤcht' ih Perlen aus der Tiefe fifchen, 
Der unerfhöpflihen, und dann fie weben 
Zum Diadem ber heiligen Germania! 


24. 
An Schelling. 
Wie fah man uns an heinem Munde bangen, 
Und lauſchen Jeglichen auf feinem Sitze, 
Da beines Geifles ungeheure Blitze 
Wie Schlag auf Schlag in unfre Seele drangen! 


Wenn wir zerftüdelt nur. die Welt empfangen, 
Siehft du fle ganz, wie von der Berge Spiße; 
Was wir zerpflücdt mit unferm armen Witze, 
Das ift ald Blume vor dir aufgegangen. 


Ned flieht man Thoren zwar, erbost dagegen, 
Mit logiſchen Tiraden überkleiftern \ 
Der Geiftesarmut Eier, die fie legen; 

Doch diefes Völkchen, das dich wähnt zu meiftern, 
Nie wird's die Welt der Wiffenfchaft bewegen, 
Und einen Dichter wird es nie begeiftern. 


—— — — en 





104 
An denfelben, 
Als ein Jahrhundert müde ſank zu Grabe, 
Und viel des Großen uns zu Theil geworben, 


Da tratfi du auf, und grünbetefl den Orben 
Der neun Zeit, beinahe ſchon als Knabe! 


Die Kunft vernahm’s, und griff zum Pilgerflabe, 
Befreit durchzog fie alle Völferhorben, 

Der weiche Süden und der frifche Norden 
Berliehn ihr willig reihe, goldne Gabe. 


Zwar füllt Gebelfer überall die Lüfte, 
Die Schnöden, Blöden zerren ihr am Ruhme, 
Und Eulen heulen durch die morfchen Klüfte; 


Do ruhig flammt die Diamantne Blume, 
Weihrauchgewöͤlk' verſchwenden ihre Düfte, 
Und fpenden es dem ew'gen Ehriftenthume. 


26. 
Venedig 
Mein Auge ließ das hohe Meer zurüde, 
Als aus der Flut Palladio's Tempel fliegen, 
An deren Staffeln fich die Wellen fehmiegen, 
Die uns getragen ohne Kali und Tüde. 


105 


Bir landen an, wir banfen es dem Glüde, 
Und die Lagune ſcheint zurüc zu fliegen, 
Der Dogen alte Säulengänge liegen — 
Bor ung gigantifh mit der Seufzerbrüde. 


Denebigs Löwen, fonft Venedigs Wonne, 
Mit ehrnen Flügeln fehen wir ihn ragen 
Auf feiner Eoloffalifhen Eolonne. 


Ich ſteig' an's Land, nicht ohne Furcht und Bagen, 
Da glänzt der Marfusplab im Licht der Sonne: 
Soll ih ihn wirklich zu betreten wagen ? 


— —— en ann na 


2 
| 27. 

Dieß Labyrinth von Brücken und von Gaſſen, 

Die tauſendfach fich ineinander ſchlingen, 

Wie wird hindurchzugehn mir je gelingen? 

Wie werd' ich je dieß große Raͤtſel faſſen? 


Erſteigend erſt des Markusthurms Terraſſen, 
Vermag ich vorwärts mit dem Blick zu dringen, 
Und aus den Wundern, weldhe mich umringen, 
Entfieht ein Bild, es theilen fi die Maſſen. 


Ih grüße dort ben Deean, den blauen, 
Und bier die Alpen, die im weiten Bogen 
Auf die. Loguneninfeln nieberfchauen. 





en 


106 


‚ Und fieh! da fam ein mut'ges Volk gezugen, 


Paläfte fih und Tempel fih zu bauen 
Auf Eichenpfähle mitten in die Wogen. 


28. 
Wie lieblich iſts, wenn fih der Tag verfühlet, 
Hinaus zu fehn, wo Schiff und Gondel ſchweben, 
Denn die Lagune, ruhig, fpiegeleben, 
In fi verfließt, Venedig fanft umfpühlet! 


In's Innre wieder dann gezogen fühlet 

Das Auge fih, wo nad den Wolfen ftreben 

Pallaft und Kirche, wo ein lautes Leben 

Auf allen Stufen bes Rialto wühlet. 

Ein frohes Bölfchen lieber Müffiggänger, . 

Es ſchwaͤrmt umher, es läßt durch nichts fi ſtoͤren, 
Und ftört auch niemals einen Grillenfänger. 

Des Abends fammelt ſich's zu ganzen Chören, 
Denn auf dem Markusplatze will!s den Sänger, 
Und den Erzähler auf der Riva Hören. 


— 





29. 
Nun hab’ ich diefen Taumel überwunden, 
Und irre nicht mehr Hier und dort in’s Weite, 
Mein Geift gewann ein ſicheres Geleite, 
Seitdem er endlid einen Freund gefunden. 


IS r 


‚107 


Dir nun, o Freund, gehören meine Stunden, 
Du gabft ein Ziel mir nun, wonach ich ſchreite, 
Nach diefer eil’ ich oder jener Seite, 

Wo ih, dich anzutreffen, kann erfunden. 


Du winftt mir zu von manchem Weihaltare, ' 
Dein Geiſt ift ein harmoniſches Beſtreben, 
Und deine fanfte Seele liebt das Wahre. 


O wel ein Glüd, fih ganz dir hinzugeben, 
Und, wenn es möglich wäre, Jahr! um Jahre 
Mit deinen Engeln, Gian Bellin, zu leben! 


30. 


Venedig liegt nur noch im Land der Träume, 
Und wirft nur Schatten her aus alten Tagen, 
Es liegt der Leu der Republik erfchlagen, 
Und öde feiern feines Kerkers Räume. 


Die ehrnen Hengfte, die durch ſalz'ge Schäume 
Dahergefchleppt, auf jener Kirche ragen, 

Nicht mehr diefelben find .fie, ach fie tragen 
Des korſikan'ſchen Ueberwinders Zaͤume. 


Mo iſt das Volk von Königen geblieben, 
Das diefe Marmorhäufer durfte bauen, 
Die num verfallen und gemach zerftieben? 





108- 


Nur felten finden auf der Enfel Brauen 
Der Ahnen große Züge fich gefchrieben, 
An Dogengräbern in den Stein gehauen. 


— — — — — nun 


31. 
Erſt hab' ich weniger auf dich geachtet, 
O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben! 
Jetzt fiehft du mich vor deiner Größe beben, 
Seit ih Maris Himmelfahrt betrachtet! 


Bon Wolfen war mein trüber Sinn umnachtet, 
Wie deiner Heil’'gen fie zu Füßen fchweben: 
Nun feh' ich felbR dich gegen Himmel fireben: 
Wonach fo brünftiglih Maria tradhtet! 


Dir faft zur Seite zeigt ſich Porbenone: 
Ihr wolltet lebend nicht einander weichen, 
Im Tode hat nun jeder feine Krone! 


Verbrüdert mögt ihr noch die Hände reihen 
Dem treuen, vaterländifchen Giorgione, 
Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen! 


—— — 


ir 


32. 
Es fcheint ein langes, ew'ges Ach zu wohnen 
In diefen Lüften, die fich leiſe regen, 
Aus jenen Hallen weht es mir entgegen, 
Mo Scherz und Jubel fonft gepflegt zu thronen. 


/ 


109 


Denedig fiel, wiewohl's getroßt Aeonen, 
Das Rad des Glücks kann nichts zurücbewegen: 
Oed' ift der Hafen, wen'ge Schiffe legen 
Sich an die fhöne Riva der Sclavonen. 


Wie haft du fonft, Venetia, geprahlet 
Als ftolzes Weib mit goldenen Gewändern, 
So wie dich Paolo Beronefe malet! 


Nun fleht ein Dichter an den Prachtgeländern 
Der Niefentreppe flaunend und bezahlet 
Den Thränenzoll, der nichts vermag zu ändern! 


33. 
Ich fühle Woch' auf Woche mir verftreichen, 
Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen, 
Hör’ ich Fuſina, hör’ ich Meftre nennen, 
Sp ſcheint ein Froft mir dur die Bruft zu ſchleichen. 


Stets mehr empfind’ ich dich ala ohne Gleichen, 
Seit mir’s gelingt dich mehr und mehr zu kennen: 
Im Tiefften fühl’ ich meine Seele brennen, 

Die Großes flieht und Großes will erreichen. 


Welch eine Fülle wohnt von Kraft und Milde 
Sogar im Marmor hier, im fpröden, Falten, 
Und in fo manchem tiefgefühlten Bilde! 


108- 


Nur felten finden auf der Enfel Brauen 
Der Ahnen große Züge fich gefchrieben, 
An Dogengräbern in den Stein gehauen. 


— — — — — mn nn 


31. 
Erſt hab' ich weniger auf dich geachtet, 
O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben! 
Jetzt ſiehſt du mich vor deiner Größe beben, 
Seit ich Mariä Himmelfahrt betrachtet! 


Von Wolken war mein trüber Sinn umnachtet, 
Wie deiner Heil'gen ſie zu Füßen ſchweben: 
Nun ſeh' ich ſelbſt dich gegen Himmel ſtreben: 
Wonach ſo bruͤnſtiglich Maria trachtet! 


Dir faſt zur Seite zeigt ſich Pordenone: 
Ihr wolltet lebend nicht einander weichen, 
Im Tode hat nun jeder ſeine Krone! 


Verbrüdert mögt ihr noch die Hände reichen 
Dem treuen, vaterländifchen Giorgione, 
Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen! 


— — — — 


ir 


32. 
Es ſcheint ein langes, ew'ges Ach zu wohnen 
In diefen Lüften, die ſich leife regen, 
Aus jenen Hallen weht es mir entgegen, 
Mo Scherz und Jubel fonft gepflegt zu thronen. 


⸗ 


109 


Venedig fiel, wiewohl's getrotzt Aeonen, 
Das Rad des Glücks kann nichts zurückbewegen: 
Oed' iſt der Hafen, wen'ge Schiffe legen 
Sich an die fhöne Riva der Sclavonen. 


Wie Haft du fonft, Benetia, geprahlet 
Als ftolzes Weib mit goldenen Gewändern, 
Sp wie dich Paolo Beronefe malet! 


Nun ſteht ein Dichter an den Prachtgeländern 
Der Riefentreppe flaunend und bezahlet 
Den Thränenzoll, der nichts vermag zu ändern! 


33. 
SH fühle Woch' auf Woche mir verflreichen, 
Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen, 
Hör ih Zufina, Hör’ ich Meſtre nennen, 
Sp fcheint ein Froſt mir duch die Bruft zu ſchleichen. 


Stets mehr empfind’ ich dich als ohne Gleichen, 
Seit mir’s gelingt dich mehr und mehr zu fennen: 
Im Tiefften fühl’ ih meine Seele brennen, 

Die Großes fieht und Großes will erreichen. 


Welch eine Fülle wohnt von Kraft und Milde 
Sogar im Marmor Hier, im fpröben, Falten, 
Und in fo mandem tiefgefühlten Bilde! 


110 


Doch um noch mehr zu feſſeln mich, zu halten, 
So miſcht fid unter jene Kunſtgebilde 
Die ſchönſte Blüte lebender Geſtalten. 


34. 
Hier wuchs die Kunſt wie eine Tulipane, 
Mit ihrer Farbenpracht dem Meer entſtiegen, 
Hier ſcheint auf bunten Wolken ſie zu fliegen, 
Gleich einer zauberiſchen Fee Morgane. 


Wie ſeid ihr groß, ihr hohen Tiziane, 

Wie zart Bellin, dal Piombo wie gediegen, 

Und o wie lernt ſich ird'ſcher Schmerz beſiegen 
Vor Paolo's heiligem Sebaſtiane! 

Doch was auch Farb' und Pinſel hier vollbrachte, 
Der Meißel iſt nicht ungebraucht geblieben, 

Und manchen Stein durchdringt das Schoͤngedachte: 


Ja, wen es je nach San Giulian getrieben, 
Damit er dort des Heilands Schlaf betrachte, 
Der muß den goͤttlichen Campagna lieben! 


— — 





35. 
Ihr Maler führt mich in das ew'ge Leben, 
Denn euch zu miſſen koͤnnt' ich nicht ertragen, 
Noch dem Genuß auf ew'ge Zeit entſagen, 
Nach eurer Herrlichkeit emporzuſtreben! 


111 


Um Gottes eigne Glorie zu ſchweben 
Bermag die Kunft allein und darf es wagen, 
Und weſſen Herz Vollendetem geſchlagen, 
Dem hat der Himmel weiter nichts zu geben! 


Wer wollte nicht den Glauben aller Zeiten, 
Durch alle Laͤnder, alle Kirchenſprengel 
Des Schönen Evangelium verbreiten: 


Wenn Palmas Heil’ge mit dem Palmenftengel, 
Und Paolo's Alerander ihn begleiten, 
Und Tizians Tobias mit dem Engel? 


36. 
Zur Wüfte fliehend vor dem Menſchenſchwarme, 
Steht hier ein Iüngling, um zu reinern Sphären 
Durch Einfamkeit die Seele zu verflären, 
Die hohe, großgeflimmte, gotteswarme. 


Boll von Begeifterung, von heiligem Harme 
Erglaͤnzt fein. ew’ger, ernfter Blick von Zähren, 
Nach Ienem, den Maria foll gebären, 

Scheint er zu deuten mit erhobnem Arme. 


Wer kann fih weg von dieſem Bilde kehren, 
Und möchte nicht, mit brünftigen Geberden, 
Den Gott im Bufen Tizians verehren? 


rn 


112 


O golone Zeit, die nicht mehr if im Werben, 
Als no die Kunſt vermocht die Welt zu lehren, 
Und nur das Schöne heilig war auf Erden! 


37. 
Hier feht ihr freilich Feine grünen Auen, 
Und könnt euch nicht im Duft der Rofe baden; 
Do was ihr faht an blumigern Geſtaden, 
Dergept ihr hier und wünfcht es kaum zu ſchauen. 


Die flern’ge Naht beginnt gemach zu thauen, 
Um auf den Markus Alles einzuladen: 

Da ſitzen unter herrlichen Arkaden, 

In langen Reih'n, Venedigs ſchönſte Frauen. 


Doch auf des Platzes Mitte treibt geſchwinde, 
Wie Banaletto das verfucht zu malen, 

Sich Schaar an Schaar, Mufſik verbaut gelinde. 
Indeſſen wehn, auf ehrnen Piedeſtalen, 

Die Flaggen dreier Monarchien im Winde, 

Die von Venedigs altem Ruhme ſtralen. 


— —— — — — 


38. 
Weil da, wo Schönheit waltet, Liebe waltet, 
Sp dürfte Keiner fi verwundert zeigen, 
Wenn ih nit ganz vermöchte zu verfehweigen, 
Wie deine Liebe meine Seele fpaltet. 


113 


Ich weiß, daß nie mir dieß Gefühl veraltet, 
Denn mit Venedig wird fih’s eng verzweigen: 
Stets wird ein Seufzer meiner Bruft entfleigen 
Nach einem Lenz, der fih nur halb entfaltet. 


Wie fol der Fremdling eine Gunft dir danken, 
Selbft wenn dein Herz ihn zu beglüden daächte, 
Begegnend ihm in zärtlihen Gedanken? 


Kein Mittel giebt's, das mich dir näher brachte, 
Und einfam ſiehſt du meine Tritte wanken 
Den Markus auf und nieder alle Nächte. 


39, 


Wenn tiefe Schwermut meine Seele wieget, 
Mag’s um die Buden am Rialto flittern: 
Um nit den Geift im Tande zu zerfplittern, 
Sud’ ich die Stille, die den Tag befleget. 


Dann blick' ich oft, an Brüden angefchmieget, 
Sn öde Wellen, die nur leife zittern, 

Mo über Mauern, welche halb verwittern, 
Ein wilder Lorbeerbufch die Zweige bieget. 


Und wann ih, fiehend auf verfleinten Pfählen, 
Den Blid hinaus in's dunfle Meer verliere, 
Dem fürder feine Dogen ſich vermählen: 


Blaten, ſammtl. Werke, II. 8 J 


114 


Dann flört mi faum im fchweigenden Reviere, 
Herfchallend aus entlegenen Kanälen, 
Bon Zeit zu Zeit ein Ruf der Gondoliere. ? 


— — m — — 


40. 
Der Canalazzo traͤgt auf breitem Rücken 
Die lange Gondel mit dem fremden Gaſte, 
Den vor Grimani's, Peſaro's Pallaſte * 
Die Kraft, das Ebenmaß, der Prunk entzücken. 


Dod mehr noch muß er fi den Meifterflüden 
Der frühern Kunft, die nie ein Spott betafte, 
Euch muß er fih und euerm alten Glaſte, 
Piſani, Vendramin, Ca Doro büden. 


Die goth’fchen Bogen, die ſich reich verweben, 
Sind von Rofetten überblüht, gehalten 
Durch Marmorfhäfte, vom Balfon umgeben: 


Welch eine reine Fülle von Geftalten, 
Mo, triefend von bes Augenblickes Leben, 
Tieffinn und Schönheit im Bereine walten. 


— — — — — — 


41. 
Ich liebe dich, wie jener Formen eine, 
Die hier in Bildern uns Venedig zeiget: 
Wie ſehr das Herz ſich auch nach ihnen neiget, 
Wir ziehn davon und wir beſitzen keine. 


115 


Wohl bift du glei dem fhöngeformien Steine, 
Der aber nie dem Piedeſtal entfleiget, 

Der felbft Bygmalions Begierden fhweiget, 
Do ſei's darum, ich bleibe ſtets der Deine. 


Dich aber hat Venedig anferzogen, 
Du bleibit zurüd in diefem Himmelreiche, 
Bon allen Engeln Gian Bellins umflugen: 


Ich fühle mich, indem ich weiter fchleiche, 
Um eine Welt von Herrlichkeit betrogen, 
Die ih den Träumen einer Nacht vergleiche. 


42. 


Was laßt im Leben fi zulebt gewinnen? 

Was fihern wir von feinen Schäben allen? 

Das goldne Glück, das füße Wohlgefallen, 

Sie eilen — treu ift nur ber Schmerz — von hinnen. 


Eh mir in’s Nichts die legten Stunden rinnen, 
Will no einmal ih auf und nieder wallen, 
Venedigs Meer, Venedigs Marmorhallen 
Beſchaun mit ſehnſuchtsvoll erflauntem Sinnen. 


Das Auge fehweift mit emfigem Beftreben, 
Als ob zurüd in feinem Spiegel bliebe, 
Was länger nicht vor ihm vermag zu fchweben: 


= 116 


\ 
Sulept, entziehenn fi dem letzten Triebe, 
Faͤllt ad! zum letztenmal im kurzen Leben, 
Auf jenes Angefiht ein Blid der Liebe. 


43. 
An ©. 
Daß ih ein Recht auf dich zu zürnen Habe 
Für fo verlegende Beleitigungen, 
Das fühl ich tief, Doch thu' ich's blos gezwungen, 
Wenn ich mein Herz an biefem Recht erlabe. 


Denn ich verwünfdh’ es als die fhlimmfte Gabe, 
Vom Schickſal unferer noch allzujungen, 
Noch zarten Liebe feindlich aufgedrungen, 
Da es die faum geborne trägt zu Grabe. 


Beginnſt du fo, was fol: id fünftig Hoffen, 
Benn fhon am Morgen unfres neuen Bundes 
Mich fol ein Schlag aus blauer Luft getroffen? 


Doch ad), mein Recht begiebt fich jedes Grundes, 
Es ficht geformt dich aus zu ſchoͤnen Stoffen, 
Und lebt ja nur vom Hauche deines Mundes! 


117 


44. 


Wenn auch getrennt die Geiſter find, zu dringen 
Vermag der Geift zum Geift, indem er denfet; 
Wenn meine Seele fih in dich verfenfet, 

So mein’ ih, müßt! es dir im Ohre Flingen. 


Beſäße nicht der Gott der Liebe Schwingen, 

Er Hätte nie zum Himmel fie gelenket, 

Und wenn dein Herz er mir im Traume ſchenket, 
Bon wem als dir vermag er mir's zu bringen? 


Menn du mich liebft, fo will ich gern ertragen, 
Die fern zu fein, weil ich zu gut verſtehe, 
Mas unfre Seelen ohne Laut ſich Hagen. 


Allein fo lang ich noch in Zweifel ſtehe, 
Und gerne möchte deine Blicke fragen, 
Acht ih Entfernung als das größte Wehe. 


45. 
An Juſtus Liebig. 
Den Freund erfehnend, welcher, treu den Bunde, 
Mich reich ergänzen fann in Sein und Wiffen, 
Fuͤhlt' ih mein Herz durch manden Wahn zerriflen, 
Und eitle Täufchung ſchlug mir mande Wunde: 


// 


118 


Da bringt dein Auge mir die fehöne Kunde, 
Da find’ ih dich, um weiter nichts zu miſſen, 
Mir fühlen beide ſchnell uns hingeriflen, 

Zu Freunden macht uns eine kurze Stunde. 


Und faum genießen wir bes neuen Dranges, 
Als ſchon die Trennung unfer Glüd vermindert, 
Befchieden uns vom prüfenden Gefchide. 


Doch ihres innigen Zufammenhanges 
Erfreu’n die Geifter fih noch ungehindert; 
Es ruhn auf goldner, künft'ger Zeit die Blide. 


46. 


Mer möchte fih um einen Kranz bemühen, 
Den unfre Seit, bie feile Modedirne, 
Geſchaͤftig flicht für jede flache Stirne, 

Aus Blumen fliht, die zwo Sekunden blühen? 


Der wollte no für das Volllommne glühen, 
Wo man willlommen ift mit leerem Hirne? 
Wer wollte fliegen gegen die Geftirne, 

Wo Funken blos aus faulem Holze fprühen? 


Gereimten Aberwibes Propaganden, 
Fahrt ruhig fort euch wechfelfeits zu preifen, 
Und flellt eu nur, als wär’ ih nicht vorhanden! 


119 


Ein Beitungsblatt iſt leider nit von Eifen, 
Und wenn pofaunt ihr feid in allen Landen, 
Gins fehlt euch doch — es if das Lob der Wetfen.' 


47. 
Anſtimmen darf id ungewohnte Töne, 
Da nie dem Halben ich mein Herz ergeben: 
Der Kunft gelobt’ ich ganz ein ganzes Leben, 
Und wenn ich flerbe, flerb’ ich für das Schöne. 


Doch wünfht' ih, daß man Beſſere befröne, 
Mi aber ziehen laſſe, wo ich neben 

Dem Höcften lernen kann nah Hohem fireben, 
Sa, daß man mir mein Vaterland verpöne! 


Ich lieb’ es drum in feinem Sinne minder, 
Da flets ih mi in feinem Dienft verzehre, 
Doch wär’ ih gern das fernfte feiner Kinder. 


Geſchieht's, daß je den innern Schak ich mehre, 
So bleibt der Bund, wenn längft dahin: der Finder, 
Ein fihres Eigenthum ber deutſchen Ehre. 


48. 
Mies auch die Tadler an mir tadeln mögen, 
Ich halte nie der Seele Mut in Schranken: 
Was wären wir, mit denen Alle zanfen, 
Wenn wir uns felhft das bischen Ruhm entzögen? 


120 


Sol bergen ich mein innerfles Vermögen, 
Was ich empfinde zu befennen ſchwanken? 

Ich ſchämte mich ber eigenen Gedanken, 

Wenn fie, wie Schwalben, an ber Erbe flögen. 


Hienieben lohnt's der Mühe nicht, zu zagen, 
Und wahr und frei zu fprechen Fleidet Jeden, 
Da bald wir Nlle ruhn in Earfophagen. 


Es werden Spätre meinen Geift in Even 
Beſchwoͤren und entfhulbigen und fagen: 
Er dachte groß, wie konnt’ er kleinlich reden ? 


49. 


Mem Leben Leiden if, und Leiden Leben, 

Der mag, nah mir, was ich empfand, empfinden; 
Wer augenblicks fah jedes Glück verſchwinden, 
Sobald er nur begann darnach zu fireben; 


Wer je fi in ein Labyrinth begeben, 

Aus dem der Ausgang nimmermehr zu finden, 
Men Liebe darum nur gefucht zu binden, 

Um der Verzweiflung dann ihn hinzugeben; 


Mer jeden Blitz beſchwor, ihn zu zerflören, 
Und jeden Etrom, daß er hinweg ihn fpühle 
Mit allen Qualen, die fein Herz empören, 


121 


Und wer den Toten ihre Karten Pfühle 
Mißgönnt, wo Liebe nit mehr kann bethören, 
Der Tennt mid ganz, und. fühlet was ich fühle. 


50. 
Daß ich dich liebe, Haft du nie vermutet, 
Nie konnten's Menfchen um uns her beachten: 
Mein ganzes Sein ift nur ein ſtilles Trachten, 
Und leiſe pocht das Herz mir, weil es biutet. 


Ob's in mir ruhig, oder ob es flutet, 
Theilnehmend mwollteft du das nie betrachten, 
Und daß die Deinen mid für wenig achten, 
Das hat mich oft gefchmerzt, doch oft ermutet. 


Denn meine Seele firebte warm nach oben, 
Und was mir freundlich, feindlich trat entgegen, 
Ein Traum erſchien mir’s, der mich ringe umwoben. 


Und alfo will ich auch der Liche pflegen, 


Mit einer Sinnesart, die nicht zu Toben, 
Doch die zu ſchelten mich bedünkt verwegen. 


— — 


51. 
Nie hat ein ſpätres Bild dein Bild vernichtet, 
Das fühlt' ich ſtets vielleicht, und fühl’ es heute, 
Da ſich's nach langen Jahren mir erneute, 
Nachdem ich manchen Wahn der. Welt gefichtet. 


122 


O Seit, in der ih noch für dich gebichtet. 
Mas, außer mir, fi keiner Lefer freute! 
No war mein Name nicht der Welt zur Beute, 
Die felten fühlt und oft fo lieblos richtet! 


Noch undelannt mit meinen eignen Trieben, 
Zu ernft, zu ſchüchtern, allzufehr verfchloflen, 
Din ich dir fremd durch eigne Schuld geblieben. 


Da wieder nun ich deines Blicks genoffen, - 
Enpfind’ id wieder jenen Drang zu lieben; 
Do meine fchönfte Jugend ift verflofien. 


52. 
An Windelmaun. 


. Wenn ih der Frömmler Gaukelei'n entlommen, 
So fei der Dank dafür an bich gewendet: 

Wohl fand dein Geiſt, was nie beginnt noch endet, 
Do fand er’s nicht im Predigtbuh der Frommen. 


Dir if das Licht des Göttlihen entglommen 
Im Werk der Heiden, die es reich gefpendet; 
Denn himmliſch ift, was immer iſt vollendet, 
Und Chriſtus felbft gebietet: Seid volllommen! 


Zwar möchten gern gewiffe ſchwarze Nöde 
Den Geift verwideln, der fi will befreien, 
Wo nit, uns flellen in die Zahl der Boͤcke. 


123 


Doch laßt nur ab, die Heiden zu befchreien! 
Mer Seelen hauchen fann in Marmorblöde, 
Der iſt erhaben über Litaneien. 


53. 
An Jean Panl. 


Sp oft ih fonft mid trug mit deinem Bilde, 

Bereut’ ich, daß ih meine Pflicht verfchoben, 

Und nie zu dir ein Wort des Danks erhoben 
Für deine feelenvolle Lieb’ und Milde. 


Nun Hat der Tod mit feinem Gorgofdhilde 

Den Blick erſtarrt, der gern gefhaut nad) oben, 
Und was ich Freundliches für dich gewoben, 
Send’ ich dir nad in fremdere Gefilde. 


Es hat den Jüngling deine Gunſt belebet, 
Dir galt für fünft'ge Glut der erſte Zunder, 
Auf dem noch faum ein Funke ſchwach gebebet. 


Nun weilt dein ewig wonniger, gefunder, 
Berfüngter Geift, wohin er ſtets geſchwebet, 
Im überfchwänglichen Gebiet der Wunber. 


124 
54. 


An Nückert. 


Kaum noch verfehlang ich deines Buchs ein Drittel, 
Das von der Kunft Hariri’s zengt und deiner, 
Und ſchon erfchein’ ich der Entzücten einer, 

Der’s ohne Hehl beftaunt und ohne Krittel. 


Wenn das Genie fo ganz auf eigne Mittel 

Die Welt durchbetteln muß, bewährt fich’s reiner 
Als je, vergöttlichter und ungemeiner, 

Menn auch verfappt in einen Gaunerfittel. 


Mit einem Andern aber fol ich lofen, 
So will du, ſtatt zu fhiden uns ein Pärchen, 
Um deines Abu Seide Metamurphofen? 


Darüber wachſe mir fein graues Härdhen: 
Nie trenn’ ih mich von deinem Virtuofen, 
Drum fende lieber noch ein Erempläcchen! 


um — — — — 


Mann werd’ ich dieſes Bangen überwinden, 
Das mich befällt in deiner lieben Nähe? 

Wohin ich geh’ und mit den Blicken fpähe, 
Da Hoff ih dich und fürchte dich zu finden. 


125 


Wie kann ih Furcht vor dir, o Freund, empfinden, 
Den ich fo gern an meinem Buſen ſähe? 
Erkläre du mir, was fo fehnell und jähe 
Das Blut mir hemmt, den Geift vermag zu binden? 


Iſt es die Sorge, daß bein Herz mir ſchweiget, 
Daß ih an Klippen deines Stolzes firande, 
Der als der Liebe größter Feind ſich zeiget? 


Iſt es die Göttlichfeit fo füßer Bande, 
Da ſtets die Liebe, wie vor Gott, fich neiget 
Mit Heil’ger Furcht vor ihrem Gegenflande? 


— — ——— 


56. 


Auch du betrügſt mich, da von allen Seiten 

Ich mich betrogen weiß und hintergangen, 

Du füllſt mein Herz mit brennendem Verlangen, 
Und meinen Gaumen an mit Bitterkeiten. 


Was nur dem Feinde mag der Feind bereiten, 
Hab' ich von dir als Freundeslohn empfangen, 
Ich aber laſſe deinen Namen prangen, 

Und überliefre dich dem Lob der Zeiten. 


Dei dieſem Thau, der mir im Auge flimmert, 
Noch geb’ ich deine Liebe nicht verloren, ; 
Wie ſehr bein Herz fi gegen mid verfchlimmert! 

E g 


we 


126 


Di Hat zum Spiegel ih ber Lenz erforen, 
Die Jugend lacht auf deiner Stirn und fhimmert, 
Wie ein Gemifh von Sonnen und Auroren! 


57. 
Du Tiebft und ſchweigſt! O Hätt’ auch ich gefchwiegen,, 
Und meine Blide nur an dich verſchwendet! 
O haͤtt' ich nie ein Wort Dir zugewenbet, - 
So müßt’ ich feinen Kränfungen erliegen! 


Doch dieſe Liebe moͤcht ich nie beſtegen, 

Und weh dem Tag, an dem fie froſtig endet! 
Sie ward aus jenen Räumen und gefendet, 
Wo felig Engel ſich an Engel fehmiegen. 
Drum laß des Wahns mid, daß du Viebft, mid freuen, 


Damit die Seele nicht mir ganz veröde, 
Und meinen Glauben möge nichts zerfireuen! 


O Glück, verweigre nicht mir allzufchnöde 
Den Tag, an welchem feinem Bielgetreuen 
Die ganze Seele zeigt der fihöne Spröbe! 


58. 
Wenn einen Freund du ſuchſt für's ganze Leben, 
Der dich durch Freude fol und Schmerz geleiten, 
So wähle mich, du findeft keinen zweiten, 
Und feinen fähigern, ſich hinzugeben. 


127 


Zwar kann er nit, wie bu, ein Wonnebeben 
Durch feine Schönheit um fid) her verbreiten: ; 
Do alle horchen gern den Lieblichfeiten, 

Die ihm begeiflert auf der Lippe ſchweben. 


Ich fürdhte nur, es möchte dich erbittern, 
Wenn ich mir felbft fo Hohes Lob verflatte, 
Blos um vor bir in falſchem Glanz zu flittern; 


Sonft würd’ ih fagen, daß auf diefe glatte, 
Noch junge Stirn, mit ungewiſſem Zittern, 
Der Schatten fällt von einem Xorbeerblatte. 


59. 
O füßer Lenz, beflügle deine Schritte, 
Komm früher diefmal, als du pflegft zu kommen! 
Du bift ein Arzt, wenn unfre Bruft beflommen, 
Ein milder Arzt von immer fanfter Sitte! 


O koͤnnt' ih ſchon in deiner Blumen Mitte, 
Wann faum der Tag am Horizont entglommen, 
Bis er in's Abendrot zuleßt verſchwommen, 
Bon Träumen leben, ohne Wunſch und Bitte! 


Waun deine helle Sonne flammt im Blauen, 
Würd’ ih, in’s Gras geſtreckt, nad oben bliden, 
Und würbe glauben meinen Freund zu fehauen! 


128 


Geblendet würde dann mein Auge niden, 
Ich würde Ihlummern bis die Sterne thauen, 
Und mid im Schlaf an feinem Bild erquiden! 


60. 
Um meinen Schmerz im Stillen zu verwinden, 
Sud ih nah günſt'gem Ort und günfl’ger Stunde; 
Doch fehwebt dein Bild mir flets im Hintergrunde, 
Indeß die nähern Dinge ſchnell verfchwinden. 


Sefelligfeit vermag mich nicht zu binden, 

Und Einfamfeit ertragen blos Gefunde: 

Den? ih, fo fchärft des Denkens Pfeil die Wunde, 
Und ſchweif' ih müßig, Flag’ ich es den Winden. 
Und foll ih je von diefer Pein genefen, 

Sp werde mir, fo zeige dich gewogen, - 

Denn du nur fehlit dem Herzen, theures Wefen! 
Ich Tiebte manchen Freund und ward betrogen; 
Doch mag bie Welt in diefen Blättern lefen, 

Daß ih dich allen Andern vorgezogen. 


— nn — 


61. 
Schön war der Tag und lieblich wie der Morgen, 
Mit edler Stirn, mit Augen voll von Treue, 
An Jahren jung und reizend wie das Neue, 
So fand ich dich, fo fand ich meine Sorgen. 


- 


129 


O wär’ ih ſchon am deiner Bruft geborgen, 
Mo ih mich fammle, wenn ich mich zerftreute! 
D wäre ſchon bezwungen diefe Schene, 

Die unfern Bund vertagt von heut auf morgen! 


Mas fliehft du mih? Vermagſt du mich zu haflen? 
Was quälft du fo durch deiner Huld Verſchweigung 
Den Liebevollen, der fih fühlt verlaffen? 


Beim erften Zeichen deiner fünft’gen Neigung 
Mird eine bange Wonne mid erfaflen, 
Wie einen Yürften bei der Thronbefteigung. 


62. 


Es fei gefegnet,. wer die Melt verachtet, 

Denn falfcher ift fie, als es Worte malen: 

Sie fammelt graufem unfern Schmerz in Schalen, 

Und reiht zum Trunk fie, wenn wir halb verfhmachtet. 


Mir, den ale Werkzeug immer fie betrachtet, 
Mir preßt Gefang fie aus mit taufend Qualen, 
Laßt ihn vielleicht durch ferne Zeiten ftralen, 
Ih aber werd’ als Opferthier gefchladhtet. 


D ihr, die ihr beneidetet mein Leben, 
Und meinen glüdlichen Beruf erhobet, 
Wie koͤnnt in Irrthum ihr fo lange fchweben? 


Platen, fämmtl. Werke II. 9 E 


130 


Hatt ich nicht jedes Gift der Welt erprobet, 
Nie hatt’ ich ganz dem Himmel mich ergeben, _ 
Und nie vollendet was ihr liebt und lobet. 





63. 
Dualvolle Stunden haft du mir bereitet, 
Die aber nie an bir der Himmel rädje, 
Sonft müßten fließen deine Thränenbäde, 
Menn von der Lippe dir mein Name gleitet. 


Do bis Gewißheit jeden Wahn beftreitet, 

Wil gern ih did, und thät’ ich es aus Schwäche, 
Vertheid'gen, Freund! von auf der Oberfläche 
Gefchöpften Sufalligründen nie verleitet. 


Zwar würd’ ih faum dir zum Vertheid'ger taugen, 
Do ftets bedienſt du dich als deiner beiden 
Fürfprecher liftig meiner beiden Augen: 


So lang fie fih an deinem Blicke meiden, 
So müſſen Xiebe fie aus ihm ſich faugen, 
Du aber Ties in ihrem Blick mein Leiden! 


64. 
Bewunderung, die Mufe des Gefanges, 
Gebeut mir flets, daß ich das Hoͤchſte preife: 
Drum rühm' ih Künſtler, Fürften, Frau'n und Weiſe, 
Dem Zuge folgend eines großen Hanges. 


131 


Di nenn’ ih nun die Seele diefes Dranges, 
Den fonn’gen Gipfel meiner Lebensreife, 

Den Mittelpunkt, um den ich Iobend Ereife, 
Beſtrickt vom Schwindel des Planetenganges. 


Doch wenn vor Liebe deine Worte beben, 
O fo verleiht bu, Freund! mir mehr in diefen, 
Als meiner Kunft beſchieden ift zu geben. 


Zwar Hat audy dir die Welt ſich Hold erwiefen; 
Denn fchöner flirbt ein Soldher, den im Leben 
Ein unvergängliher Gefang gepriefen. 


— — — — 


65. 
Wenn ich fo viele Kälte bir verzeihe, 
Geſchieht's, indem ich bei mir felber fage: 
Er weiß ja nicht, wie fehr ich meiner Tage 
Zufriedenheit an feinen Namen reihe! 


Er weiß ja nicht, wie fehr ich ihm verleihe, 
Was Liebenolles ich im Herzen trage, 

Was gerne theilt des Lebens Luft und Plage, 
Ja, was dem Leben giebt die höchfte Weihe! 


Du weißt es nicht, und foll ich dir's beſchwoͤren? 
D nein! Ich wage faum mit bir zu fprechen, 
Um nit den Traum, ber mich beglüdt, zu flören. 


rn 


132 


Wie ſehr mich Schönheit auch und Reiz beſtechen, 
So fürcht' ich doch, fie koͤnnten mich bethören, 
Es könnte doch an Liebe dir gebrechen! 


— — —— — — 


66. 
Entſchuldigungen wirſt du kaum bedürfen, 
Wenn du mich liebſt; es kann dich nicht erniedern: 
Verlieren würden in der Gunſt der Biedern, 
Die meine Gunſt mir vor die Fuͤße würfen. 
Ich würde viele Freunde zählen dürfen, 
Wenn ich die Freundfchaft Aller könnt’ erwiedern, 
Auch der Entfernten, welche blos aus Liedern 
Die ganze Flamme meiner Seele fchlürfen. 


Ein warmes Herz, und wenn auch du mit herben, 
Gehaͤſſigen Geſchoſſen nach ihm zieleft, 

Muß doch fi manden warmen Freund erwerben! 
Du aber, der dur jeßt den Harten fpieleft, 

Laß einft mid nur an deinem Bufen flerben, 

Und jhließ ein Auge, dem du mohlgefieleft! 


— 





67. 
Du prüfſt mich allzuhart. Von deiner Senne 
Kommt Pfeil auf Pfeil in meine Bruſt geflogen. 
Du Haft mir mehr als Einen vorgegogen, 
Den ih als Körper ohne Seele kenne. 


133 


Doch ’mwährend ih in deiner Flamme brenne, 
Bekämpf ich flets in mir Die ſtürm'ſchen Wogen, 
Damit ich zürnend nicht und oft betrogen 

Mit einem bittern Namen dich benenne! 


D nein, Geliebter! Keine Klage fhände, 
Don fhwarzem Unmut weibifch Hingerifien, 
Den liebenswürdigften der Gegenftände! 


Wenn meiner Freundſchaft nie bu dich befliſſen, 
War mein die Schuld: man beut ja nicht die Hände 
Zum Bunde blos, man muß zu fefleln wiſſen. 


— 


68. 


Man ſchilt mid ſtolz, doch hat mich's nie verdroſſen, 
Daß ich ſo wenig dir gefallen habe; 

Denn deine blonde Jugend, füßer, Knabe, 
Berfhmäht den melandholifchen Genoflen. 


Sp will in Scherz ich mich ergehn, in Boflen, 
Anftatt ich jeht mich blos an Thränen labe, 
Und um der Fröhlichkeit mir fremde Gabe 
Hab’ ih den Himmel anzuflehn befchlofien. 


Zwar dank' ich viel dem wohlgelaunten Glücke, 
Don dem ich mehr als ich verdient, empfangen, 
Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzüde: 





134 


Wer aber gäbe mir die vollen Wangen 
Der erften Jugend und den Glanz zurüde, 
Woran allein der Menfchen Blicke hangen? 


— — — ———— 


69. 
Wenn unſre Neider auch fi ſchlau vereinen, 
Um uns zu hindern und getrennt zu halten, 
Noch zähl ich nicht Dich zum Geſchlecht der Kalten, 
Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen. 


Do allzufelten feh ich dich erfcheinen, 

Und wenn ih rings Das Auge laffe walten, 
Vermiſſ' ich flets die liebſte der Geftalten, 
Die liebften Züge fehlen mir, die deinen! 


Grmanne di, und lege nicht die Zäune 
Der Liebe furchtſam in die Hand des Neides, 
Die gern uns fehiede durch entlegne Räume! 


Sei ganz du felbft, dann wird bie Zeit bes Leides 
Verronnen fein, dann werben unfre Träume 
Berförpert werden. Wir verdienen beibes. 


70. 
Die Liebe ſcheint der zartefte der Triebe, 
Das wiffen felbft die Blinden und die Tauben, 
Ih aber weiß, was wen'ge Menſchen glauben, 
Daß wahre Freundſchaft zarter iſt als Liebe. 


135 


Die Liebe wird mit feurigem Betriebe 

Dich in fi felber zu verzehren ſchnauben; 

Do meines Freundes kann mich nichts berauben, 
Bis nicht ich ſelbſt in leichten Staub zerſtiebe. 


Er ‚zeigt mir Kälte nur und Uebelwollen, 
Er fpottet mein, er hat mich längft vergeflen, 
Doch dacht' ich nie daran, mit ihm zu grollen. 


Nie wird er meine Hand in feine preffen, 
Stets aber werd’ ich neues Lob ihm zollen, 
Und was man lobt, hat man im Geift befeflen. 


71. 
Ich möchte, wenn ich flerbe, wie die lichten, 
Geftirne ſchnell und unbewußt erbleichen, 
Erliegen moͤcht' ich einft des Todes Streichen, 
Wie Sagen uns vom Pindaros berichten. 


Ich will ja nicht im Leben oder Dichten 

Den großen Unerreichlichen erreichen, 

Ih möcht', o Freund, ihm nur im Tode gleichen; 
Do höre nun die fehönfte der Geſchichten! 


Er faß im Schaufptel, vom Gefang beweget, 
Und hatte, ber ermüdet war, die Wangen 
Auf feines Lieblings fehönes Knie geleget: 


136 


Ald nun der Ehöre Melodien verlangen, 
Will werden ihn, der ihn fo fanft geheget, 
Do zu den Göttern war er heimgegangen. 


72. 
Mas ſoll ich noch der Menfhen Gunſt erlauern, 
Da Troft mir Keiner doch vermag zu ſchenken, 
Ih will mich ganz in meinen Schmerz verfenfen, 
Im Stillen weinen und im Stillen trauern. 


Nicht würdig bin ich länger fortzudanern, 
Seitdem ich farb in feinem Angebenfen, 
Und in den ſchon ermattenden Gelenken 
Fühl' ich die Keime der Zerflörung fehauern. 


Ihn aber, bimmlifche Gewalten, laflet 

Ganz glücklich werden, und verfagt ihm feinen 
Don allen Wünfchen, die fein Herz umfaflet! 
Nie foll mein Bli begegnen mehr dem feinen 


Und ad, das Bild des Menfchen, den er haffet, 
Es fol ihm nicht einmal im Traum erfcheinen! 


73. 
Indeß ich Hier im Grünen mid erfreue, 
Ruf’ ich zu mir die kaum befeelten Dinge: 
Ihr Vögel fommt, o kommt ihr Schmetterlinge, 
Befürchtet nichts, und glaubt an meine Treue! 


8 


137 


Daß ich verraͤteriſche Koſt euch ſtreue, 

O wähnt es nicht! Ich lege Feine Schlinge, 
Der ich die Zeit, den Menſchen fern, verbringe, 
Der ih, noch mehr als ihr, die Menfchen fcheue! 


O zählt mich nicht zu jenen rohen Horben, 
Mic, der id) Andern nie gefucht zu ſchaden, 
Und von den Menfchen fletd vermieden worben! 


Laßt drum uns fliehn von allen ihren Pfaden: 
Euch fireben fie zu haſchen und zu morben, 
Mich haben fie mit ihrem ram beladen. 


, 


74. 


O füßer Tod, der alle Menſchen ſchrecket, 

Bon mir empfingft du lauter Huldigungen: 

- Wie hab’ ich brünflig oft nad dir gerungen, 
Nach deinem Schlummer, welden nichts erwedet! 


Ihr Schläfer ihr, von Erde zugededet, 

Don ew'gen Wiegenliedern eingefungen, 

Habt ihr den Kelch des Lebens froh geſchwungen, 
Der mir allein vielleicht wie Galle ſchmecket? 


Auch euch, befürcht' ich, hat die Welt bethöret, 
Bereitelt wurden eure beften Thaten, 
Und eure liebften Hoffnungen zerftöret.. 





138 
Drum felig Alle, die den Tod erbaten, 


Ihr Sehnen ward geftillt, ihr Flehn erhöret, 
Denn jedes Herz zerhadt zulest ein Spaten. 


75. 
An Tieck. | 


Du haft die Frucht vom Hesperidengarten . 
Für einen Gaumen ohne Sinn gebrochen, 
Man wagt’s den Calderon dir auszupochen; 
Das ließ vom deutſchen Michel ſich erwarten! 


Des Ungefhmads erobernde Standarten, 

Sie wehen ungeftraft und ungerochen, 

Kaum wird der fliegenden noch Hohn gefprochen, 
Mit Worten freilich blos, doch ſei's mit Karten! 


Laß die Barbaren üben ihre Pfeifen 
An unfern Dichtern, welche das Gemeine 
Tagtaͤglich fehn an ſich vorüberftreifen. 


Doch nimmer laß fie fih am Heifgenfcheine 
Des fremden Meifters freventlich vergreifen, 
Und wirf nicht länger Berlen vor die Schweine! 


139 


76. 
Was habt ihr denn an euerm Rhein und fer, 
Um neben tem Hellenenvolf zu thronen? 
Sournale, Zeitungsbläfter, Recenflonen, . 
Tabak und Bier und Bolizeiminifter? 


Die nie ihr kanntet jene zwei Gefchwifter, 
Freiheit und Kunft, die dort in fehönern Zonen 
Aufs Haubt fi fehten der Vollendung Kronen, 
Ihr Halter euch für Griechen, ihr Philifter? 


Geftümpert blos Habt ihre nad) vielen Seiten, 
Da Griechenland der Schönheit ew'gen Schimmer 
Auf alles was beſtand gewußt zu breiten. 


Was ift die Kunft, mit der ihr prahlet immer? 
Sn einem Drean von Albernheiten 
Erfcheinen ein’ge geniale Schwinmer! = 


— — nt nn 


: 77. 
Die lebte Hefe foll ich noch genießen, 
Im Schmerzensbecdher, den du mir gereichet! 
D wär ein Kind ih, fchnell und leicht erweichet, 
Daß ich in Thränen fönnte ganz zerfließen! 


Da mid fo Hart von ihrer Seite fließen, 

Die unermeßlich ich geliebt, erbleichet 

Der letzte Glaube, bittre Kälte fchleichet 

In ein Gemüt, das Lieb’ und Mut verließen. 


140 


D wohl mir, daß in ferne Regionen 
Ich flüchten darf, an einem fernen Strande 
Darf athmen unter gütigeren Zonen! 


Wo mir zerrifien find bie lebten Bande, 
Mo Haß und Undanf edle Liebe lohnen, 
Mie bin ih fatt von meinem Baterlande ! 


78. 


Dieß Land der Mühe, dieſes Land des herben 
Entfagens werd’ ich ohne Seufzer miſſen, 
Mo man bedrängt von taufend Hinderniffen 
Sich müde quält und dennod muß verderben. 


Zwar mancher Bortheil läßt fi) hier erwerben, 
Staatswürden, Wohlftand, eine Laſt von Wiffen, 
Und unfre Deutichen waren flets beflifien, 

Sid; abzuplagen und geplagt zu flerben. 


Ein Solcher darf zu feiner Zeit ermatten, 
Er fördre fih, er fchmeichle jeder Mode, 
Und fei dabei, wo Glück und Mut fi gatten. 


Mir, der ich blos ein wandernder Rhapſode, 
Genügt ein Freund, ein Becher Wein im Schatten, 
Und ein berühmter Name nad dem Tode. 


.-.u- — nme 


141 


79. 
Wer wußte je das Leben recht zu faſſen, 
Wer hat die Hälfte nicht davon verloren 
Im Traum, im Fieber, im Gelpräh mit Thoren, 
Sn Liebesqual, im leeren Seitverpraffen ? 


Ja, der fogar, der ruhig und gelafien, 

Mit dem Bewußtfein, was er fol, geboren, 
Frühzeitig einen Lebensgang erforen, \ 
Muß vor des Lebens Widerſpruch erblafen. 


Denn Jeder hofft doch, daß das Glück ihm lache, 
Allein das Glück, wenn's wirklich fommt, ertragen, 
ft feines Menſchen, wäre Gottes Sache. 


Auch kommt es nie, wir wünſchen blos und wagen: 
Dem Scläfer fällt e8 nimmermehr vom Dadhe, 
Und auch ber Läufer wird es nicht erjagen. 


\ 


— — — —— 


80. 
Hier wo von Schnee der Alpen Gipfel glänzen, 
Gedenk' ich ſtill vergangner Mißgeſchicke: 
Zurück nach Deutſchland wend' ich kaum die Blicke, 
Sa, kaum noch vorwärts nach Italiens Gränzen. 


Vergebens haſch' ih nach getraͤumten Kränzen, 
Daß ich die Stirne, die mich brennt, erquicke, 
Und Seufzer wehn, die ſelten ich erſticke, 

Als könnten Seufzer das Gemüt ergänzen! 





ar 


142 


Mo iſt ein Herz, das Feine Schmerzen fpalten ? 
Und wer an’s Weltenende flüchten würbe, 
Stets folgten ihm des Lebens Truggeftalten. 


Ein Troft nur bleibt mir, baß ich jeder Bürbe 
Bielleiht ein Gleichgewicht vermag zu halten 
Durch meiner Seele ganze Kraft und Würde. 


— — — — — 


81. 
Es ſehnt ſich ewig dieſer Geiſt in's Weite, 
Und möchte fürder, immer fürder ſtreben: 
Nie könnt' ich lang an einer Scholle fleben, 
Und hätt! ein Eden ih an jeder Seite. 


Mein Geift, bewegt von innerlihem Streite, 
Empfand fo ſehr in diefem Furzen Leben, 
Wie leicht es ift, Die Heimat aufzugeben, 
Allein wie ſchwer, zu finden eine zweite. 


Doch wer aus voller Eeele haft das Schlechte, 
Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen, 
Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte. 


Weit klüger ifl’s, dem Baterland entfagen, 
Als unter einem kindiſchen Geſchlechte 
Das Joch des blinden Poöͤbelhaſſes tragen. 


— — — — — 


143. 


82. 
Wie ein Berlaffner an verlafiner . Küfte 
Seh ich verzweifelnd um mid her und weine, 
Mo if ein Blick, der glänzte wie der beine? 
Wo ift ein Mund, der wie der deine Füßte? 


Und wenn ich hoffte felbft, und wenn ich wüßte, 
Daß günftig lächelte mir mehr als Eine, 

Ich blickte kaum nad) ihr empor zum Scheine 
Mit Augen, wie die Augen einer Bülfte. 


Wenn bis an’s Ziel des irdiſchen Beſtrebens 
Nie deines Anblicks wieder ich mich freue, 
Noch der Erwiedrung meines Liebelebens, 


Bleib’ ohne Sorgen wegen meiner Treue, 
Mich Iodt ein neuer Liebesreiz vergebens, 
Denn ew’ge Schönheit Ift das ewig Neue. 


— An — emo ne 


83. 
Sf das ein Glück, daß bu beglüdt gewefen, 
Wenn bu dahinftichft in unfelgen Qualen? 
Menn jahrelange Hölle muß bezahlen 
Für eine Stunde, mir zum Heil erlefen ? 


O komm, o komm! bu fchönftes aller Weſen, 
Mit Augen, leuchtend in der Liebe Stralen, 
Mit Lippen, weldhe Treue mir befahlen, 

D komm! Doch nicht damit ich foll genefen. 





144 


Denn bis du naheft dem, der dieß gefchrieben, 
Sat er, der Sehnfuht Raub, bereits genofien 
Den Bodenfab im Lebensfelh voll Wermut. 


Do fomm, und finge denen, die dich lieben, 
Die Lieder nur, in denen fi ergoflen . 
Durch lange, bange Nächte feine Schwermut. 


7 


84. 


Glaub mir, noch denk ich jener Stunden flündlich, 
Wo ih zum erftenmale dir das zarte 

Geheimniß deines Sieges offenbarte, 

Im Liebe Fühn, allein verlegen mündlich. 


Dein jeß’ger Wille feheint mir unergründlidh: 
Weil jene Schüchternheit fie nicht beivarte, 
Hör’ ih dich Hagen, unfre Lieb’ entarte, 

Und ihr Verlangen nennft du keck und ſündlich. 


D daß die Blume nicht umfonft verbüfte, 
Laß Wang’ an Wange hier uns ruhn im Düftern, 
Und Bruft an Bruft gedrängt, und Hüft' an Hüfte. 


Hoch! wie es fäufelt in den alten Rüftern: 
Duchihwärmt vieleicht ein Elfenchor die Küfte, 
Mollüftig weichen Brautgefang zu flüſtern? 


— — — — — 


143 


N 85. i 
Allein im Stillen völlig fi beglüden, 
Und fih veriiehn, wenn Taufende zugegen, 
Borüber an einander ſich bewegen, 
And fo verftohlen fih die Hand zu brüden: 


Dann mit den Biiden weilen voll Entzüden; 
Mo taufend Reize drängen .fich entgegen, 

Auf Stirn und Aug’ und Lippen, die fih regen 
Und auf des fhönen Wuchſes Meifterftüden: 


Sicht ſchnoͤd' vom Durk nad Liebe hingeriſſen, 
Vielmehr der Gunft verfihert, wechfelfeitig, N 
Umfaffen fih mit ruhigem Gewiflen; 


Um nichts Beforgniß hegen anderweitig, 
Und hoffen, nie was man gewann, zu miflen: 
Dieb Glück ift mein, das macht mir Keiner ſtreitig! 


86. 
Ihr, denen Bosheit angefriſcht ben Kleiſter, 
Um Unverfland mit Ungefhmad zu fitten, 
Dei denen blos der Poͤbel wohlgelitten, 
Der täglich toller wird und täglich dreifter. 


Wann einft der Unfug diefer Lügengeifter 
Jedwedes Mas phantaftifch überfchritten, 
Dann werdet ihr, wiewohl zu fpät, mich bitten, 
Und rufen dann bie Kunft und ihren Meifter: 
Blaten, fünmtl Werke II. 10 S 





144 


Denn bis du naheft dem, der dieß gefchrieben, 
Hat er, der Sehnfuht Raub, bereits genoflen 
Den Bobenfab im Lebenskelch voll Wermut. 


Doch fomm, und finge denen, die dich lieben, 
Die Lieder nur, in denen fich ergofien . 
Durch lange,” bange Nächte feine Schwermut. 


7 


\ 


84. 


Glaub mir, noch denk ich jener Stunden ſtündlich, 
Wo ih zum erftenmale dir das zarte 

Geheimnig deines Sieges offenbarte, 

Im Liede kühn, allein verlegen mündlich. 


Dein jetz'ger Wille ſcheint mir unergründlid: 
Weil jene Schücdhternheit fie nicht beivarte, 
Hör’ ih dich lagen, unfre Lieb’ entarte, 

Und ihr Verlangen nennft du Ted und ſündlich. 


D daß die Blume nicht umfonft verbüfte, 
Laß Wang’ an Wange bier uns ruhn im Düftern, 
Und Bruft an Bruft gebrangt, und Hüft' an Hüfte. 


Horch! wie es fäufelt in den alten Rüftern: 
Durchſchwärmt vielleicht ein Elfenchor die Lüfte, 
MWollüftig weichen Brautgefang zu flüflern? 


— — — — — 


145 


: 85. : 
Allein im Stillen völlig fih beglüden, 
Und fi veritehn, wenn Taufende zugegen, 
Borüber an einander ſich bewegen, 
nd fo nerftohlen fih die Hand zu drüden: 


Dann mit den Biiden weilen vol Entzücken, 
Wo taufend Reize drängen ſich entgegen, 

Auf Stirn und Aug’ und Lippen, die fi regen 
Und auf des fhönen Wuchſes Meifterftüden: 


Nicht ſchnoͤd' vom Durk nad Liebe hingeriffen, 
Vielmehr der Gunſt verfihert, wechfelfeitig, * 
Umfaſſen ſich mit ruhigem Gewiſſen; 


Um nichts Beſorgniß hegen anderweitig, 
Und hoffen, nie was man gewann, zu miſſen: 
Dieß Glüͤck if mein, das macht mir Keiner ſtreitig! 


— — — — 


86. 
Ihr, denen Bosheit angefriſcht den Kleiſter, 
Um Unverſtand mit Ungeſchmack zu kitten, 
Dei denen blos der Poͤbel wohlgelitten, 
Der täglid toller wird und täglich dreifter. 


Bann einft der Unfug diefer Lügengeifier 
Jedwedes Maß phantaftifch überfchritten, 
Dann werbet ihr, wiewohl zu fpät, mich bitten, 
Und rufen dann die Kunft und ihren Meiſter 
Platen, ſammtl. Werte II. 10 \ 





146 


O würde Sener wieder ung gefendet, 
Der uns den Pfad des Achten wollte zeigen, 
Doch feine Seele hat fich abgewendet! 


Nie wir er mehr die Alpen überfeigen, 

Und fein Gefhäft ift unter uns vollendet! 

Sa, meine ganze Rache fei das Schweigen! 
I 


87. 
Grabſchrift. 
Ih war ein Dichter, und empfand die Schläge 
Der böfen Zeit, in welcher ich entfyroffen; 
Doch ſchon als Jüngling hab’ ih Ruhm genoffen, 
Und auf die Sprache drückt' ich mein Gepräge. 


Die Kunft zu lernen war ich nie zu träge, 
Drum hab’ ich nene Bahnen aufgeſchloſſen, 
In Reim und Rhythmus meinen Geift ergoflen, 
Die dauernd find, wofern ich recht erwäge. 


Gefänge formt’ ich aus verſchiednen Stoffen, | 
Luftfpiele find und Mährchen mir gelungen 
In einem Styl, den Keiner übertroffen: 


Der ich der Ode zweiten Preis errungen, 
Und im Sonett des Lebens Schmerz und Hoffen, 
Und biefen Ders für meine Gruft gefungen. 


— — u 


147 


‘ 


Annterfungen. 


ı Wenn Palma's Heil'ge n. f. w. 
Die Heilige Barbara von Palma Vecchio befindet fih in S. Maria 
Formofa, tie Familie des Darius im Pallaft Piſani a ©. ae, 
und der Tobias in S. Marcilian. 

2 ein Ruf der Gondoliere. 
Die Gondoliere In Benetig bepienen fih, wenn fie um die Ede 
biegen, eines herfämmlichen Rufs, um das Aneinanderftoßen 
zweier Gondeln zu verhindern. 


- 


1. 
An König Ludwig. 


1825. 


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— — ⸗—— — — — — — 


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Vom Sarg des Vaters richtet das Volk ſich auf, 
Zu dir ſich auf, mit Trauer und Stolz zugleich; 
Vertrau'n im Blick, im Munde Wahrheit, 
Schwört es dem Sohne der Wittelabadher. 


Des Thrones glatte Schwelle, wie ſelbſtbewußt, 

Wie feſt betrittſt du fie, wie gereift im Geiſt! 
Sa, leichter hebt dein freies Haubt fi, 
Seit die metallene Laft ihm zuftel. | 


Die ſchwellt erhabne Güte das Herz, mit ihr, 
Was mehr noch frommt als Güte — der tiefe Sinn: 
Wo diefer Schöpfer mangelt, fehn wir 
Alles zerſtückelt und ſchnell verunglückt. 


152 


Dein Nuge fpähte durch die Vergangenheit, 
Es lag das Buch der Zeiten auf deinem Knie, 
Gedanken pflüdteft du, wie Blumen, 
Ueber dem Grabe der deutfchen Borwelt. 


Dein Bolf, du fennft es. Jeglichem Zeitgeſchick, 
Das ihm zu Theil ward, fühlte und fannft du nad, 

Und ſtill, in eigner Bruft verheimliht, 

Trugft du den lachenden Lenz der Zukunft. 


Du haft mit uns erlitten den Fluch des Kriegs, 
Gezählt die Todesnarben ber Fünglinge, 
Die deiner Ahnherrn Strom, der Rhein, fah 
Seelen verhauden für deutfhe Breiheit. 


Und nicht umſonſt verhauchen, on fühlt es wohl! 
Nach jenes EAfars tragiſchem Untergang, 

Mas Könnten Meinre Scheindespoten 

Anders erregen, als froflig Lachen? 


Du aber.theilft die Heilige Glut mit uns, 
Por der in Staub fan jener geprüfte Helb, 
Und fallen ließeſt du mit uns ihr 
Eine begeifterte, warme Thraͤne. 


Dem Stein des Rechts, den ebelgefiunt und treu 
Dein Bater legte, blaͤſeſt du Athem ein, 

Du fiehſt im Marmor keinen Marmor, 

Aber ein künftiges Ioyisantlib. 


153 


Allein wie fehr du Münfche des Tags verfichkl, 

Nicht horchſt du blindlings jedem Geräufch, du nimmſt 
Das Zepter, jenem Sofeph ungleich, 
Nicht in bie weltliche Fauſt der Neurung. 


Ehrfurcht erweckt, was Bäter gethan, in bir, 
Du fühlſt verjährter Zeiten Bedeutſamkeit, 
In's Wappenſchild uralter Sitte 

Fügft on die Roſen der jüngſten Freiheit. 


Heil dir und Heil der Liehlichen neben bir, 

Heil jedem Sprößling, welden fie dir gebar! 
Wenn Kinder did und Volk umjubeln, 
Leerſt du, ale Becher, des Segens Füllhorn 


Mie eine Rebe, ſchattig und traubenfjchwer, 

Die ſchon den Reim des werbenden Rauſches nährt, 
Umfchlängelt deinen angeerbten 
Blühenden Zepter der golone Friede. 


Rückwaͤrts erblidfi du Flammen und Krieg und Mord, 


Doch mild am Gürtel trägfi du das reine Schwert; 
Du ſtehſt, wie jener fromme Dietrich, 
Ueber den Leichen der Nibelungen. 


So ſei (du warf es immer, erlauchter Fürſt!) 

Des Friedens Schirm und jeglicher Kunſt mit ihm, 
Die nur an feiner fanften Wärme 
Seelenerquisiende Knospen öffnet. 


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154 


Des Bildners Werkſtatt wimmelt von Emfigfeit, 
Es haſcht der Maler feltengebotnen Stoff, 
-- Die Bretter, Schauplag jeder Größe, 

Biegen fih unter dem Gang der Dichtkunſt. 


ET 


Und jenen Feſtſaal, Gütiger, öffneft bu, 
Voll edler Formen, wie fie ein Meißel ſchuf, 
An defien Würde, deſſen Kraft wir 
Gerne verfchwenden das Ad der Sehnſucht. 


Früh war die Schönheit deines Gemüts Bedarf, 

Und Schönes ift ja Goͤttliches, leicht verhält 
Durch einen Flor, den ums des Denters 
Weſenerforſchendes Auge lüftet. 


Und nicht vergeblich fogft du mit Emſigkeit 
Das tiefſte Mark altgriehifcher Bilbung ein: - 
Wofür, als für's Belllommme, fhlüge 
Solch ein erhabenes Herz wie deines? 


Es geht die Sage, bag du als Jüngling einſt, 

An deiner Salzach bufchigem Felſenſtrand, 
Abſchüttelnd Weltgeräuſch und Hofzwang, 
Nur mit Homeriſchen Helden umgingſt. 


Und zürnſt du noch, wenn trunken ein Dichter bir 
Ausgießt des Lobes Weihungen? Zwar es find 

Nur Tropfen Thau's, doch beine Sonne 
Macht fie zu farbigen Regenbögen. 


155 


Bergieb, o Herr! dem Dichter, der ohne dich 
Verlaſſen Hunde, fremd in der Zeit und ſtumm: 
Dein fürſtlich Dafein löst den Knoten 
Seiner verworrenen Lebensräifel. 


II. 
Florenz. 


Dich hat, Florenz, bein altes Etruskervolk 

Mit wahrem Fug dich blühende Stadt genannt, 
Nicht weil der Arno nagt an Hügeln, 
Deren der kahlſte von Wein und Oel trieft: 


Nicht weil die Saat aus wucherndem Boden keimt, 
Nicht weil des Luſtparks hohe Cypreſſen und 
Steineichen, ſammt Oliv' und Lorbeer, 
Neben der Pinie nie verwelken: 


Nicht weil Gewerbfleiß oder Verkehr dir blüht, 
Den andre Städte miffen, indeß du ſtolz 
Freiheit genießeſt, Ruhm genießeft 
Unter der milden Geſetze Weisheit: 


Nicht weil im Prunkſaal Schaͤtze der Kunſt du haͤufſt, 
Bor denen jetzt ſtummgaffende Britten ſtehn; 
Mie manches Denfmal ift, Florenz, bir 
Fremder geworben als ſelbſt dem Fremdling! 


156 
Nie wieder tritt die Sonne der Mebicis, 
Was auch gefhehn mag, über den Horizont, 


Längft Fhläft Da Vinci, Buoneroti, 
Machiavell und der alte Dante: 


Allein du blühſt durch deine Geſtalten fort, 
Und jener Kunſt Vorbilder, fie wandeln am 
Lungarno heut wie fonft, fie füllen 
Deine Theater roch an, wie vormals. 


Kaum Hat der Bid, vor zögerndem Unbefland - 
Sich ſcheuend, freubvoll eine Geftalt erwählt, 

Als hoͤchſte Schönheit kaum gefeiert: 

Mandelt die jchönere ſchon vorüber! 


Und hat das florentinifche Mädchen nicht 
Bon frühfter Jugend liebend emporgeflaunt 
Zur Venus Tizians, und taufend 
Neize ver Reizenden weggelaufchet? 


Und deiner Söhne Mütter, o ſprich, Florenz! 
Ob nie bie ſehnſuchtsvolleren Blide fie 
Sefenft vor Benvenuto’s Perfens, 
Dter dem himmliſchen Apollino ? 


Mohl mag der Neid euch zeihen der Ueppigkeit, 

Frei Spricht die Lieb’ euch. Licht und genießt, und ſtets 
An feiner Götter Bufen fühle, 
Kühle die leuchtende Stirn, Adonis! 


| 157 


Hier tändle Glück und Jugend, den Dichter nur, 

Zum firengen Ernft anfenert die Seit nur ihn, 
Und ihm zerbricht fein frühres Leben 

- Unter den Händen, wie Knabenfpielzeug. 


Gr rafft fih auf, dem reifere Stunden grau’n, 
Ihm naht der Wahrheit wehender Flügelſchlag, 
Und mehr und mehr Zukunft im Herzen, 

Lernt er entfagen der Falten Mitwelt. 


Du aber blühe, glüdliche Stadt, hinfort 

In folder Schönheit, ſolchem Gefühl der Kraft, 
Wie auf dem Springquell hier der Meergott 
Jenes unfterbliden Gian Bologna! ! 


III. 
Die Pyramide des Ceſtius. 


Oeder Denkſtein, rieſfig und ernſt beſchauſt du 

Trümmer blos, Grabhügel, den Scherbenberg dort, 

Hier die weltſchuttführende, weg von Rom ſich 
Wendende Tiber! 


158: 


Stolze Prunkſucht thuͤrmte dich einft, o Grabmal, 

Als vor zwei'n Sahrtaufenden hier Auguſtus 

Sid der Welt aufbrang, der erfchreckten durch die 
Leiche des Caͤſar. 


Rom jedoch, kaum neigte dem Untergang ſich's, 

Als das Saatkorn neuer Gewalt gefät ward; 

Denn es ſchuf hier jener Apoſtelfürſt zum 
Throne den Altar. 


Aber Deutſchlands rauhes Geſchlecht, dae ehmals 

Deinen Kriegsruhm, herrſchendes Rom, zerftörte, 

Stürmt noch einmal, flürmt, o geweihtee Rom, dein 
Heiliges Bollwerk! 


Allzuſchwer faſt ſchwebte der Rachedämon 

Ueber Roms Haubt, Rache, daß einſt des frechen 

Prieſters Goldſteigbügel an Hohenſtaufens 
Eiſerne Hand klang. 


Aber Rom trotzt, doppelt beſiegt und doppelt 

Unbefiegbar ſcheint es, gewöhnt an Hoheit, 

Seines Dreireichs blikende Krone wankt zwar, 
Aber fie bebt nicht. 


Wehe, wer nicht fpielend, ein Kind der Kırde, 

Ihr im Schooß ruht! Wehe, denn jeden Tag droht 

Prieftermund ihm, Prieftergemüt in Rom ihm 
Stäte Berdammniß! 


159 


Aber Huldreich gönitten fie doch des Irrthums 

Soͤhnen gern hier eine geheime Ruhſtatt, 

Ja, es kühlt dein Schatten, o Bau des Ceſtius, 
Nordiſche Gräber! 


Möchten hier einſt meine Gebeine friedlich 

Ausgeſtreut ruhn, ferne der kalten Heimat, 

Wo zu Reif einfriert an der Lippe jeder 
Gläühende Seufzer. 


Gern vermißt ſei, neben dem Heidengrabſtein, 

Was ſo ſtreng Rom jedem Verirrten weigert: 

Jenes Jenſeits, das des Apoſtels goldner 
Schlüſſel nur aufthut. 


Führt mi dorthin lieber, und ſei's die Hölle, 

Wo der Borwelt würdigen Seelen Raum ward, 

Wo Homer fingt oder der Iorbermüde 
Sophofles ausruht. 


Aber ſchweigt jebt, Sterbegedanfen! Blüht nicht 

Lebensluft rings unter dem NRömervolf no, 

Einem Volk, dem zehrendes Feur bie Lieb’ ift, 
Liebe die Freundſchaft? 


Daure Herz, ausdulde die Zeit des Schickſals, 
Wenn au einfam! Stimme geheim, o fimme 
Deinen bergfiromähnlichen, echoreichen, 

Starken Gefang an! 


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R-xrer Te "exe Ikrige bangen? 

SS, zrr mie Sxzıe te! 


Hi es ;e Purdei aid. au Azreies 
Erk va Ki oa gemit:. au ı:h ale 
Earze? aufıruiien Setde erlernes 
Gle:bʒemict janfr aelıbar! 


Hei:g fei Rats mir der Ori. we dich zurc. 
Greuzr, ib jarr, ke:!iz ver Berg Jamıimins, 
Heiliz tes frieride, idize Kicker, 
Usb ter fetö grüne Blag' 


IE 3.20 
Sa, von dort nannteft bu mir bie große Stadt, 
Wieſeſt mir Kirch’ und Pallaft, die Trümmer Sankt 


Pauls, die befegelte, leichte Barke, 
Die der Strom trieb hinab. 


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In der Neujahrsunacht. 


— MM — ꝰB— v — — 


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 U_VUVU Un DU 
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Seele der Welt, kommſt du als Hauch im die Bruft des 
Menſchengeſchlechts, und gebierſt ewigen Wohllaut? 
Große Bilder entſtehn, und große 
Worte beklemmen das Herz. 


Blende mich nicht, willige Kraft, wie ein Traumbild 
Blende mich nicht! o und ihr, ziehet umſonſt — 
Meine ſorgende Stirn nicht zoxüber, ın- — 
Wandelnde Stralen, des hs! . un wur. 


Liebend bisher lelietet ihr, "und ich folgte; 
Hinter mir ließ id was nicht euer Geſchenk war: 
Jeden irdiſchen Glanz und jede 
Stille des haͤuslichen Glücks. 
Platen, ſaͤmmtl. Werke II. 11 


160 


IV. 

— ia, Mer 
— U — —, ꝰ— u — 
— U UI MU U — — IS 

— Vu — NM 


Warm und hell bämmert in Ron die Winternadt: 
Knabe, fomm! Wandle mit mir, und Arm in Arm 
Schmiege die brännlihe Wang’ an deines 

Bufenfreunds blondes Haubi! 


Zwar du biſt dürftigen Stands; doch dein Geſpräch, 
D wie fehr zieh’ ich vor dem Stnberwolf! 
Meiche, melodifhe Zauberformeln. 
Lispelt dein Römermund. 


Keinen Dank flüftere mir, o feinen Dank! 
Konnt’ ich fehn, ohne Gefühl, an deines Augs 
Wimper die fhmerzende Thräne hangen? 

Ah, und welch Auge die! 


Hätt es je Bacchus erblidt, an Nmpelos 
Stelle did hätt’ er gewählt, an dich allein 
Seines anıbrofifchen Leibe verlornes 
Gleichgewicht fanft gelehnt! 


Heilig fei ſtets mir der Ort, wo dich zuerft, 
Freund, ich fand, heilig der Berg Janiculus, 
Heilig das friedliche, ſchoͤne Kiofter, 
Und der flets grüne Plap! 


ER 
Sa, von dort nanntefl bu mir bie große Stadt, 
Miefeft mir Kirch' und Palaft, die Trümmer Sanft 


Pauls, die befegelte, leichte Barke, 
Die der Strom trieb hinnb. 


Vv. 
In der Neujahrsuacht. 


— UMU —, — ꝰ— — — — 


Seele der Welt, kommſt du ale Hauch in die Bruſt des 
Menſchengeſchlechts, und gebierſt ewigen Wohllaut? 
Große Bilder entſtehn, und große 
Worte beklemmen das Herz. 


Blende mich nicht, willige Kraft, wie ein Traumbild 
Blende mich nicht! o und ihr, ziehet umfonſt — 
Meine forgende Stirn nicht porüber, 
Wandelnde Stralen, des Lichts! . 641 


Liebend bisher letietet ihr, und ich folgte; J 
Hinter mir ließ ich was nicht euer Geſchenk war: 
Jeden irdifchen Glanz und jede 
Stille des häuslichen Glüds. 
Blaten, fämmtl, Werte IL 44 


162 


Immer nah euch klimmt' ich empor, und es rollt mir, 
Mas ich errang, wie der Kies, unter den Füßen 
Weg, ich blicke zurück nicht laͤnger, 
Klimme nur weiter empor. | 


Irrt' ih? Es fet. Aber wie fehr des Berftänd’gen 
Tadel mich traf, fo gewiß (fühl' es, o Taler!) 
War ich firenge mir felbft, fo weit es 
Stürmifhe Jugend vermag. 


Habt ihr umfonft, Sterne, mid) nun an der Vorzeit 
Nefte geführt, und geftählt Augen und Herz mir? 
Lehrt mich größere Schritie, Ichrt mich 
Einen gewwaktigen Gang! 


Gehet hinfort Teuchtender auf, und ein Klämmechen 
Wehe von euch, an des Haars Lode fi ſchmiegend, 

Sanft herab und erwärme lieblich 

Jeden Gedanken des Haubts! 


VI. 
Aequa Paolina. 
Kein Quell, wie viel auch immer das ſchoͤne Rom 
Flutſpendend ausgießt, ob ein Triton es fprüzt, 
Ob fanft es perlt aus Marmorbeden, 
Oder gigantifhen, alten Schaalen: 


— —— 


163 


Kein Quell, ſo weit einſt herrſchte der Sohn des Mars, 
Sei dir vergleichbar, auf dem Janiculum 
„Mit deinen fünf ſtromreichen Armen 
Zwiſchen granitene Säulen plaͤtſchernd. 


Dort winkt mir Einſamkeit, die geliebte Braut, 
Von dort beſchaut, vielfältig ergoͤtzt, der Blick 
Das Rom des Knechts der Knechte Gottes 
Neben dem Rom der Triumphatoren. 


Kühn ragt, ein halbeniblaäͤtterter Mauerkranz, 
Das Eolofjeum; aber auch dir, wie fleigt 
Der Troß der Ewigfeit in jedem 
Pfeiler empor, o Pallaft Farneſe! 


Mo fonft. des finfterlodigen Donnergotts 
Siegreicher Aar ausbreitete fcharfe Klau'n, 
Da bob fi) mandy Jahrhundert über 
Giebel und Sinne das Kreuz und Herrfchte. 


Bis jüngft, der Schidfalslaune gewaltig Spiel, 
Ein zweiter Gäfar lenkte den Gang ber Melt, 
Der pflanzte fein breifarbig Banner 
Neben den fhönen Koloß des Phibias; ? 


Ein Sohn der Freiheit; aber uneingebent 
Des edlen Urfprungs, einem Gefchlechte fih 
Aufopfernd, das ihn wanfelmütig 
Heute vergötterte, morgen preisgab. 


8 


164 


D Hätte dein weitſchallendes Kaiferwort 
Dem Bol Eurspa’s, was es erflcht, gefchenkt, 
Wohl wärft du feines Lieds Harmodius, 
Seines Gefanges Ariftogiton! 


Nun ift verpönt dein Name, Muſik erhöht 
Ihn nit auf Wohllantsfittigen; nur fobald 
Dein Grab ein Schiff umfegelt, fingen 

Müde Matrofen von dir ein Chorlied. 


Und Rom? Ws fiel nochmaliger Nacht anheim, 
Doch ſchweigt's, und lautlos neben ber u 
Sechsroſſig aufgezäumten Hoffart 
Schleicht der Beherrſchten unfäglich Elend. 


Nicht mehr das Schwert handhaben und nicht den Pflug 
Quiriten jept, kaum pflegt die entwöhnte Hand 
Den füßen Weinſtock, wurzelfchlagend 
Ueber dem Schutte der alten Tugend. 


Im Flammenblid nur, oder im edlen Bau 
Des ſchoͤnen, freiheitlügenden Angefichts 
Zeigt Rom ſich noch, am Scheideweg noch, 
Aber es folgte dem Wink der Wolluſt! 


— no — —— 


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— UV ZEEUVE Un 
UUVY_ —, M-VV_ — — 
u I —— : 
— UV. — — 


Wenn bu, Natur, eine Geftalt bilden willſt, 
Bor den Augen der Welt, wie viel vu vermag, darzuthun, 
Ja, dann trage der Liebling 
Deiner unendlichen Milde Spur. 


Alles an ihm werde ſofort Ebenmaß, 
Wie ein prangender Lenz, von Blüten geſchwellt, jedes Glied; 
Huldreich alle Geberden, 
Alle Bewegungen ſanft und leicht. 


Aber in fein Schwaͤrmergeſicht praͤgeſt du 
Den lebendigen Geift, und jene, wiewohl fröhliche, 
Do kaltblütige Gleichmut, 
Wiegend in Ruhe Begier und Kraft. 


VIII. 
Lebensftimmung. | 


„Wem dein wachſender Schmerz Bujen und Geiſi beklemmt, 
Als Votbote des Tods, bitterer Menſchenhaß, 
Dem blühn der Geſang, die Tänze, 
Die Gelage der Jugend nicht! 


ı 


166 


Sein Zeitalter und er ſcheiden fich feindlih ab, 
Ihm mißfällt, was erfrent Taufende, während er 
Scharffihtige, finftre Blicke 
In die Seele der Thnren wirft. 


Weh ihm, wenn bie Natur zarteren Bau vielleicht, 
Bildungsreicheren lieh feinem Gehör, um burdh 
Kunftvolle Muſik der Worte 
Zu verewigen jede Bein! 


Wenn unreifes Gefhwäg oder Verleumdung in 
Kleinlichſt foltert, und er, weldhen ber Pöbel hoͤhnt, 
Nicht ohne geheimes Knirfchen 
Unerträglihe Dual erträgt: — 


Wenn Wahrheiten er denkt, die er verſchweigen muß, 
Wenn Wahnfinn dem Verſtand ſchmiedet ein ehrnes Joch, 
Wenn Schwaͤche des Starken Geißel 
Wie ein heiliges Zepter küßt: 


Ja dann wird er gemach müde des bunten Spiels, 
Freiheitathmender wehn Lüfte des Heils um ihn, 
Weglegt er der Taͤuſchung Mantel, 
Und der Sinne geſticktes Kleid.“ 


Ob zwei Seelen es giebt, welche ſich ganz verſtehn? 
Wer antwortet? Der Menſch forſche dem Raͤtſel nach, 
Gleichſtimmige Menſchen ſuchend, 
Bis er ſtirbt, bis er ſucht und ſtirbt. 


167 


IX. 
— UMTS N — — 
— ——, — U — — 
— — U —, u U oe 


Lange begehrten wir ruhig allein zu ſein, 

Lange begehrten wir's, hätten erreicht es heut, 

Aber es theilt mit uns dieſe Genoſſenſchaft 
Wein und Jugend, ein feurig Paar. 


Süße Melancholie mäßigt den Liebesbrand, 
Züchtiger Roſe gleich mitten im Nelkenſtraus, 
Lächeln verrät das Maß inniger Zärtlichkeit, 
Küffe fallen, wie Honigthau. 
Brennende Seufzer flets? Sage, warum? Warum 
Drennende Blide? Sind's Boten vielleiht des Glücks? 
Aber du ſchweigſt? O komm, ſcheuche den breiften Mond, 
Schleuß den Laden, gelichtes Herz!. 


t i ‘ . 


X. x 
Der Thurm ded Mero. 
—— a 
—— —— 


Glaubwürdiges Wort, wohnt anders es noch beim Volk, 
Dann ſtieg, da er hieß anzünden die Stadt, dann ſtieg 
Auf jenen Thurm ſchauluſtig Nero, 


Und überſah die Flamme Roms. nn 


168 


Morbbrenner umher ausfendete fein Machtwort, 
Bacchantinnen glei, trug Jeder bes Feſts Pechkranz; 
Dort aber ſtand auf goldner Zinne 
Der Kaiſer, der die Laute ſchlug. 


Hoch rühm' ich das Feur, ſang Jener, es iſt goldgleich, 
Iſt wert des Titans, der's keck dem Olymp wegſtahl: 
Zeus Adler traͤgt's, und einſt empfing es 

Des Bacchus erſten Athemzug! — 
Komm, leuchtender Gott! Neblaub in bem Haar, tanz' uns 
Weichfüßige Reihn, ch’ vollends die Welt: Staub’ wird: 

Hier magſt du dir Roms Aſche ſammeln, 
Und miſchen deinen Wein damit! 


2 20 a 
An Auguſt Kopiſch. 
Stets, doch immer umſonſt, unter dem freinden Volk, 
Sei's auch milde geſinnt, ſucht' ich ein zärtliches, 
Huldvolles Gemüt, wie du bift, 
Ein ermwünfchtes Geſpraͤch, wie deins. 


Schönheit ſelbſt, wie fie blüht tauſendgeſtaltig hier, 
Wolluſtrauſch im Gefolg aͤußerſter Weichlichkeit, 
Lehrt blos, wie geſchwind zu Rauch wird, 
Die bewegliche Glutbegier. 


169 


Halb gleichgültig befah die Paradies ich fonft, 
Das dein finfteres Thor fcheidet, o Poftlipp! 
Sleichgültig des Mondes Diskus 
In die Welle des Golf getaucht. 


Einfam wandelt’ ih durch's Menſchengewühl der Stadt, 
Kaunr einfamer des Nachts nieder am öben Strand, 
Lautlos. Die Geftirne fehwiegen, 
Und das Meer und ber Berg Befun. 


Als trübfinnig fofort, freudeverarmt ich gieng, 
Fa, da führten heran heilige Segel mir. 
Dom Grabe des Nefchylus did 
An die blühende Gruft Virgils. 


Mehr als Jedem, o Freund! kamſt du ein Troſt mir felbft: 


Langher war fo verwandt meinem Gefühle fein 
Augapfel, und feine Stimme 
Sp erfreulih und füß dem Ohr. 


Hoch! Dein Mund, er befchreibt jener Cyklopenſchaar 
Felskluft, ſchildert Palerms reifen Orangenwald, 
Girgenti's Gefllde malt er, 
Und die Dorifche Pradt im Staub. 


Zweifach haben begabt ſchützende Beifter dich: 
Lehrling bift du der Kunft, welche das Auge lockt 
Durch farbigen Reiz, und fügft auch 
In den rhythmiſchen Gang bas Wort. ne 





N 


170 


Mann einft wieder du fehwebft über des Nordens is, 
Wann Barthenope’s Golf blos in der Seele bir 
Nachtoͤnt, und Gebürg und Infeln 
Wie ein. baämmernder Traum erflehn: 


Sa, dann fühle, daß fern deiner gedenkt ein Freund 
Liebreih. Deinem Gefang wünfcht er den Träft'gen 
Hochwolkigen Schwung des Adlers, 
Und ven flüffigen Weg des Schwans! 


— nn 


XII. 
Einladung nach Sorrent. 


Laß, o laß, Freund, ſtieben den Staub Neapels, 
Hinter dir laß jene von tauſendſtimmigem 
Kaufgeſchrei lauthallende, hochgethürmte 

Straße Toledo! 


Wo ſo furchtlos, trotz des Gerolls der Wagen, 

Auf dem Korb, den voll ſie gebracht zu Markte, 

Nun er leer fteht, fchlummern die wegesmühen 
Knaben des Landvolls. 


Komm hierher, laß reinere Luft ummehn dich! 
Sieh, wie farbreidh, doppeltes Grün vermifchend 
Hier vom Delbaum rankt zu dem andern Delbaum 


N Schlingen der Weinftod, 


171 


Deſſen Frucht fehon rebengeſenkt herabreift: 

Feige lot, einhüllend in breit’res Laub fi, 

Sa, bis tief, bergtief in der Schlucht gedeihſt du, 
Schöne Eitrone! 


Schatten winft hier, Schatten und fanfte Labung, 

Die des Meers Salzwoge dem Kühnen zuhauct, 

Der an Felsvorfprüngen erlauſcht befchänmter 
Brandungen Ankunft. 


Bäder auch, weichſandiger Wellengrund ift, 

Mo die Steinwand Laften erträgt von Epheu, 

Grotten find hier, fühler ald San Giovanni's 
Höhlenvertiefung, 


Mo fo oft hinruderten uns die.Schiffer, 

Bo bie rotblau dunfelude See wie Purpur 

Slänzte. Dort, Freund, gönnteft dem Freund du mandıe 
Lehre der Schwimmkunſt. 


Komm, und fieh, hochoben vom Dad, den Spiegel 
Diefes Golfs, weiteben und fegelreih an! 
Sieh von fern herwehen den Rauch Neapels, 

Sich des Veſuvs Rauch! 


Inſeln auch, komm! ſchmücken das Meer: Es firedt ſich 


Ischia thurmgleich, Procida langgebehnt aus, 
ß J 


Cap Miſen ragt mitten im Abendlicht als 
Nackende Felsbruſt, 





172 


Die im Kahn fonft fehaufelgewiegt umſchifft wir, 
Als begrüßt wir jenes zerflörte zwar, doch 
Stets in Lenzglut. ſchimmernde, — mit u 

Buhlende Bajk. 


Unfer Bund, fein Bund wie die meiften, ift er: 

Zeugen find, holdlachende, Meer und Erpfreis, 

Zeugen find ‚ehrwürbige Trümmer, melde 
Roͤmergewalt ſchuf. 


Deines Bilds Bild ruhte mir längft im Innern, 

Seit der Freundſchaft Seelenberuf erwacht war, 

Der fo gern fihau'n ‚möchte des eignen Weſens 
Edlere Selbfiheit. ' 


Hohe Thatkraft! Adel der Form! Die Zeit hat 

Tief in Roms brachliegenden Schutt verſenkt euch, 

Hat als Bruchftüc nieder in’s Gras die ſchoͤne " 
Säule geſchleudert: 


Liebe blieb, Freund! Buſen an Buſen laß uns 

Dienen ihr! Einſt wieder vielleicht vermählt fich 

Ihr des Hochſtuns Genius, dann erbaut ! 
Wieder ein Rom fie. 


173 


. XIH. 
Serenade. 


— — UI UML MU MU U — 


Schönheitszauber erwirbt Keiner fo leicht ohne ber Spröpigfeit 
Mitgift. Diefes erfuhr Jeder und ich, Klagender, weiß es auf! 
Zwar mir laͤchelte manch freundlicher Blick füße Verſtaͤndigung 
Zu; bald wär’ ich erhoͤrt, brächte mir, ach! blinder Genuß Genuß; 
Do ich feufze ja nur Liebe zu dir, Liebe zu die ja nur! 

Ach und während ich hier Klage, vielleicht dient ein Geftirn indeß 
Als Wegmweifer für Ihn, welcher den Arm über die Schulter dir 
Legt, und Küſſe vielleicht, freudeberauſcht, griechifchen Lippen ftiehlt. 


XIV. 
Wo für Metall feil Glauben und Tugend ift, 
Gilt als Verdienſt wegſtoßende Spröbigfeit: 
Daß du mir ausweichft, weckt in mir erft 
Deiner Umarmungen füße Sehnſucht. 


Reiz lockt und Schönheit, deren die Welt entlang 
‚ Kein reicher Maß ausfpendete Gott als hier; 
Do ſchmerzt bie Habſucht Jeden, melchem 
Liebe beglüdenber als Genuß dünft. 
Huldreiches Wort anhören mit: offner Hand, “' 
Was kennt das Herz Tinebleres?- Ah; es Tlagt, 


Daß, gleich der Peſt, Leichtſinn entſtelle 
Solche Geberden und ſolche Züge! 


en 





174 


Noch ſetzt in dic mein glänbiger Mut inbef 
Sein fett Vertrau'n, Hofft liebebethört, es fei 
Boll Zärtlichkeit dein Buſen, deine 
Wange die Wange der Schaam und Unfchulb. 


Dieß macht verklärt dein Auge, das meine ſieht, 
Wie deines Leibs Gliedmaßen Unſterblichkeit 
Ausdrücken. Nun erſt mag in vollen 
Wonnepokalen die Seele ſchwelgen. 


XV. 
An Goethe. 


Wenn auch Natur mir Weihe verlieh, und auch 

Tonreicher Bruſt Urbilder an's Licht zu ziehn, 
Mir Geiſteskraft gab, ihr verſchwiſternd 
Eine bewegliche, weiche Seele: 


Mehr als Natur liehn Zeit und Geſchick, ſie liehn 
Mir Wert, des Daſeins, Fülle des Gegenftands - 
Durch Ihn, den Schmuck Deutfhlands und Baierns, 
Der das Erhabene denkt und ausführt. 


Auf fernem Eiland wandelte fhweigend ich; 
Doc drang bis Hierher, Aber Gebürg und Meer, 
Wie König Ludwig dir, o Goethe! 
Reichte den fpäteflen, fchönften Lorbeer. 


175 


Dieß iſt ein Kranz, gleich jenem, wodurch Athen 
Glorreichen Lohn ſchlang dichtender Siegerftirn, 
Sa, welfer ift, glanzlofer jener | 
Kapitolinifche Zweig Petrarca's. 


Denn daß die Dichtkunſt irgend ein edles Volt 

Aufregend Hinreißt, Staunen erwedt es kaum; 

Doch wer erftaunt nicht, wenn ein deutſcher 
König im Bufen erzieht Begeiftrung? 


Schutzherr der Kunft wird? Seltener, feltner ifl’s, 
Als jenes Manns Kronperle, die leuchtende, 
Die einft der Ehrgeiz Kleopatra’s 
Warf in den Becher und ſtolz zermalnte. 
* 


Dein friedlich Dach, Fußtritte der Koͤnige 
Noch nicht gewohnt, ehrwürdiger Sänger, der 
Eugenien ſchuf uns, Iphigenien, 
Eleonoren und Dorothea, 


Weiht Koͤnig Ludwigs heilige Gegenwart 
Zum Tempel ein. Dich kraͤnzte Verdienſt, o Greis, 

Und Koͤnig Ludwig lebt, als müßt' er 

Werben um die er beſitzt, die Krone. 


176 


XVI. 


Liebe, Liebreiz, Winke der Gunſt und Alles, 

Was ein Herz darbeut und ein Herz erwiedert, 

Wenig frommts, leiht nicht die Gelegenheit am 
Athem und Vofent, 


Dich zu fehn ſchien Fulle des @lüds und bebend 

Staunt’ id) dir, traumähnliches Bild der Schönheit! 

Nie an Wuchs, Antlitz und Geſtalt — ich 
Dieſe Vollendung! 


Deiner Form wollüſtige Reize koͤnnten 

Heißern Wunſch aufregen; allein zur Erde 

Senkt ſogleich anbetenden Sinn des Auges 
Ewige Hoheit. 

Ach, es hat dein brennendes Auge mir ſich 

Zugewandt, huldvolle Geſpräche ſprach es, 

Sa, ich ſah's anfüllen ſich fanft, vergehn im 

Thaue der Sehnſucht! | 


Alter geit Eindrücke — neu mich, 

Euch an Kraft gleich, Schmerzen der erſten Liebe! 

Tief im Ohr nachtönend erklang verſchollner 
Snabengefang mir. 


Mehe mir, mir, welcher ein einzig Mal dich 

Durfte fehn! Nie leuchtet ein Wieberfehn uns! - 

Deiner Spur nachforſcht' ih das große. Rom durch, 
Ewig erfolglos: 


177 
Auf und ab ſtets irtend, fu weit-bie Tiber, 
Hadrians Grabvefte vorüber, endlich 


Senen Kranz fchlanfflämmiger Säulen nebst am 
Tempel der Bela. 


Bey xvu. 
An Auguſt Kopiſch. 


— — Ya) — YVU — 


MIT DU 


— ſ—, — UV__ — — 


— UV, vv 


Roms Mauern, Roms Prachtgärten. wo ſtets 
Die Cypreſſe ragt, ſchwermütig und ſtolz, 
Wiederum ſchließen ſie mich friedlich ein, 
Rollen der Welt Sage mir auf. 


Dich Halt mit Recht Parthenope feft, 
Wo bie heitte See Glanz freut, wo indeß 
Aloen, mähtig an Wuchs, überblühn 
Jede den Fels fpiegelnde Bucht. 


Dorthin, o Freund, bald Fehr’ ich zurück: 
88 erfehnt das Herz mand) laͤndlichen Ort, 
Während oft ſchaffender Trieb dichteriſch 
Meines Gemüts Saite befhwingt. 
Dlaten, fämmtl. Werke. II 12 


178 


Auf Wogen trägt Unruhe den Geiſt, 
Sie erhebt und ſenkt fernſchiffenden Wunſch; 
Sei es nun liebender Drang, oder ſei'e 
Künftiger That heiße Begier. 


Mein Leben mag Frucht bringen, es mag 
Wie die Knospe herb abfallen im Lenz: 
Er verhängt's, weldher dem Aug’ unbefannt 
Mirft des Geſchicks blutigen Pfeil. 


Mag Unverfland mich richten und Haß 
Sn dem Land, wo Teuts Urfprache‘ geblüht, 
Bleiben wird, Jahre hindurch, meines Liebe 
Ehe, bis auch dieſes entfchwebt. 


Jetzt Teuchtet Roms Südhimmel mir no, 
Und er liegt fo rein auf Stadt und Gebürg: 
Ueber dein offenes Dad, Pantheon, 

Führt er entlang Sterne ber Nacht. 


Hier feffelt bald vorzeitlicher Kunft 
Unerreichte Kraft mid, Götter in Stein, '- 
Oder bald'neneren Ruhms Farbenhauch, 
Wann er verklärt finnigen Stoff: 


Wenn Guido's Eos Roſen verſtreut, 
Und empor ſich ſchwingt Schönheit zum Apoll; 
Do Saturn hält fie zurück ſtreng. Es hat's 
Dominichin's Pinſel gedacht. ? 


. = .. E 
— — — 2 


179 


XVIM. 
— — — YUV, — YUV vn 
— — UV YUV 
— — — V —, — YVV_- vo 


— — — IF U on NS — 


Mag altroͤmiſche Kraft ruhen im Aſchenkrug, 

Seit Germania, fi loͤwenbeherzt erhob; 

Dennod fiehe, perrät manche behende Form 
Noms urfprüngliche Seele, Roms 


Süngling feh’ ich, um den ftäubte bes Uebekampfs 

.Marsfeld, oder getheilt fhäumte die Tiber, der 

Voll kriegsluſtigen Sinns, gegen Cherusker ſelbſt, 
Wurfabwehrende Schilde trug. 


‚Di als Solchen gewahrt gerne ver Blid. Wie dich 

Schuf einft attiſche Kunſt jenes begeifterten, ' 

MWeinftodnährenden Gotts prächtige, doch zugleich 
Schamhaft weiche Geftalt, o Freund! 


Ja dich möcht' ich im Streit gegen den Inder ſchau'n, 
"Wann dein Siegergeſpann flefige Panther ziehn, 
Dich als Liebenden ſchau'n, wann Ariadnen dein 

Burpurn fehniger Arm umfcließt. 





N 


180 


XIX. 
Su Genua. 
u FEN TE BE 


Ad wer wiefe zurüd, wie entwöhnt die Bruſt au 


Sei durch ewigen Gram und ber Welt Enttäufhung, 
Wer allmächtige Sehnſucht, 
Suͤße Begierde zuruͤck? 


Wenn voll magiſcher Kraft in dem Land der Sqgenheit, 
Unausweichlicher Schmerz dem Gefühl ſich aufdringt, 
Ach, wer wieſe die Liebe, 
Hielte die Klage zurück? 


Doch kein Bleiben vergönnt des Geſchicks Beſchluß mir: 
Zwar freiwillig und doch ein Gezwungener muß 
Muß dich wieder verlaſſen, 
Genua, blühende Stadt! 


Dich, dein rauſchendes Meer und den ſchönen Strandweg, 
Ja, was reizender iſt! ich erblickte kaum noch 
Je mich ſelbſt in geliebtern 
Augen und liebenderen. 


Doch, wer Liebe verſteht, er bekennt, wie ſehr auch 
Freudvoll ſei der Befitz, es gewährt Beſitz ung 
Nie dich, ſanftere Wehmut, 
Selige Thraͤne der Huld! 


181 


XX. 
Die Wiege des Königs von Nom 


in Parma. 


Reihen Hausrats golbener Prunk erzähle 

Jenes Manns glorreichflen Moment der Nachwelt, 

Jenes Manns, der faum in ber Gruft, und doch ſchon 
Lange dahin. fcheint. | 


Denf ich fein jebt, deſſen ich kaum gedachte, 

Als ich jüngft,; blos wenige Tage find es, 

Schaute durch Herbfinebel hindurch, Marengo’s 
Düfteres Blachfeld? 


Ach, es fland damals in der Jahre fchönften 

Mai der Held! Mißtrauifcher Sorge fremd noch, 

Frug er no, was rühmlicher fei, die Krone, 
Oder der Lorbeer? 


Beide flocht tollfühn er in eins! Gmporfchlug 

Seines Glücks auffteigender Dampf, wie Abels: 

Siege, Herrfchaft über die Erde, hoͤchſtes 
Friedliches Buͤndniß! 


Große Nacht, doch ſchwanger an jedem Unheil, 

Als des Ruhms Brautbette beſtieg die blonde 

Tochter Habsburgs; aber mit — des ee 
— Neuling! 





189 
Horh! Die fonft moröfprühenden Feuerfchlünde 
Künden jebt blos zärtlichen -Bafexrjubel, 


Und das Volk weiht KINN die golone 
Wiege der Fürſtin. 


Aber ach! Kein Wiegengefang der. Liebe, 
Waffenlaͤrm ſchlug Hart art das Ohr des Säuglinge; 
Eine Welt, ſchon lagert fle fih um feine 

Tragifche Fiuxheit 


Todesbleich ſteht zwiſchen Gemahl und Bater, 

Bietend ſtets, den Feiner ergreift, den Oelzweig, 

Noch im Flor zartblühender Jugend, hülflos, 
Flehend und hülflos 


Sie, die Zier weitherrfhenden Throns, von dein nun 
Steigt herab ihr zagender Fuß beſcheiden: 
Wer verlor je ſtolzere Güter? Wer hat i 

Mehr zu verlieren? 


Weib des flets Siegreihen, fo bieler Eäfarır, 

Welche Karls Reichsapfel und Zepter trugen, 

Enkelin (weh, Alles umjonft!), fo vieler 
Könige Schwägrin!- 


Mag verflärt nun ober umwölft die Sonne 

Leuchten, mag was inımer geſchehn, es füllt ja , 

Nie ein Herz mehr, dem fo gering die Welt fheint, 
Alles fo tief liegt! 





183 
XXI. 
Morgenklage. 


* J 
UVM — ꝰ— 


DUMMEN. 


— — II AT un v 


— — I un NS um 


Bon bebender Wimper tropft der Naht Zähre mir, | 
Indeß den erfehnten Tag verheißt Hahnenruf: 
Wach' auf, o betrübte Seele, 
Schließ einen Bund mit Gott! 


Ich ſchwoöre den ſchoͤnen Schwur, getreu ſtets zu fein 
Dem hohen Geſetz, und will, in Andacht — 
Voll Prieſtergefühl verwalten 
Dein groß Prophetenamt. 


Du aber ein einzigmal vom Geiſt nimm die Laſt! 
Von Liebe wie außer mir, an gleichwarmer SUR 
Laß fröhlich und felbfivergefien. 
Mich fühlen, Menſch zu fein! 


Bergebens! Die Hand erftarıt, da voll folgen Froſts 
Nah irdiſcher Frucht fie geeift! Es feufzt unter dir, 
‚Schwermütige Wucht, Gedanke, 
Mein Naden tiefgebeugt! 


Umnebelt den Bli die Welt, fo laß, keuſches Licht, 
In reinere Lüfte mich emporfchwebend gehn! 

Mer aber hienieden ſetzte 

Auf Wolfen je den Fuß? 


484 


D feliger Mann, wofern gelebt Einer, der 
In Ruhe die Nacht verbringt, und jebweben Tag, 
Dem Rofe genügt und Frühling, 
Dem Liebe labt das Herz! 


XXII. 
Aſchermittwoch. 
Wirf den Schmuck, ſchoͤnbuſiges Weib, zur Seite, 
Schlaf und Andacht iheilen den Rei der Nacht nun; 
Laß den Arm, der noch die Geliebte feſthaͤlt, 
Sinfen, o Jüngling! 


Nicht vermummit mehr fehleiche die Liebe, nicht mehr 

Tret’ im Takt ihr ſchwebender Fuß den Reigen 

Nicht verziehn mehr werbe des Seifen ui 
Ueppige Kediheit! i 


Mitternacht anlünden bie Glocken, ziehn euch 

Raſch vom Mund weg Küſſe zugleich und Weinglas: 

Spiel und Ernft trennt flets ein Se furzer 
Feſter Entſchluß nur. 


185 
xx. 
Au Marco Saracint: 


Sympathie zwar einiget uns und, läßt uns, 
‚Hand in Hand gehn; aber es zweit der Pfad fi; 
Denn zu fehr durch eigene Looſe fchied ung 

Beide das Schidfal. 


Dir verlieh's jedweden Beſitz bes Reihthume: - 

Stets für dich ſtreu'n Säer die Eaat, den Wein dir 

Keltern rings, auspreflen die Frucht des Oelbaums 
Sorgliche Pächter. 


Manches Landhaus bietet im Lenz Genuß dir, 

Dir im Herbſt Jagdübungen mandes Bergſchloß, 

Mo fi fchroff abfenfen des Apennin's Höhn 
Gegen das Meer zu. 


Stolz im Schmud hochzinnigen Daches nimmt bich 
Dein Ballaft auf, während des heißen Sommers: 
Alter Kımfl Denkmale verſchließen hundert 

Luftige Säle. 


Nichts Kefigt dein, Freund, o gefiebter Jüngling! 

Ja, er wünſcht au feinen Beſitz, als ben er 

Leicht mit ſich trägt. Irdiſche Habe wäre 
Drüdende Laft mir! 





484 


D feliger Mann, wofern gelebt Einer, der 
In Ruhe die Nacht verbringt, und jedweden Tag, 
Dem Roſe genügt und Frühling, 
Dem Liebe labt das Herz! 


xxu. 
Aſchermittwoch. 


Wirk den Schmuck, ſchoͤnbuſiges Weib, zur Seite, 

Schlaf und Andacht theilen den Refi der Nacht nun; 

Laß den Arm, der noch die Geliebte feſthaͤlt, 
Sinfen, o Jüngling! . 


Richt vermummit mehr ſchleiche die Liebe, nicht mehr 

Tret’ im Takt ihr ſchwebender Fuß den Reigen 

Nicht verziehn mehr werde des leiſen — 
Ueppige Keckheit! 


Mitternacht ankünden die Glocken, ziehn euch 

Raſch vom Mund weg Käüſſe zugleich und Weinglas: 

Spiel und Ernſt trennt ſtets ein semaaler, furzer 
Feſter Entfchluß nur. 


x 


XXI. 
An Marco Saracint: 


Sympathie zwar einiget uns und läßt uns, 
‚Hand in Hand gehn; aber es zweit der Pfad fi; 
Denn zu fehr durch eigene Loofe ſchied ung 

Beide das Schickſal. 


Dir verlieh's jedweden Beſitz bes Reichthums: 

Stets für di fireu'n Säer die Saat, den Wein dir 

Keltern rings, ausprefien die Frucht des Oelbaums 
Sorgliche Pächter. 


Manches Landhaus bietet im Lenz Genuß dir, 

Dir im Herbſt Jagdübungen manches Bergſchloß, 

Wo fih ſchroff abſenken des Apennin's Höhn 
Gegen das Meer zu. 


Stolz im Schmuck hochzinnigen Daches nimmt dich 
Dein Pallaſt auf, waͤhrend des heißen Sommer: 
Alter Kunſt Denkmale verfchlteßen ee 

Luftige Säle. 


Nichts beſitzt dein, Freund, o geliebter Jüngling! 

Sa, er wünfcht auch feinen Beſitz, als ben er 

Leicht mit fi trägt. Irdiſche Habe wäre 
Drüdende Laſt mir! 





186 


Selten ruht mein pilgernider Stab, ich feb’ ihn 
Sanft nur auf, nicht Wurzel und Zweige Schlägt er. 
Auf das Grab einft lege mir ihn der NO. 

. u ein —— 


5 


x 





XXIV. 
An die Gräfin Piert in Siena. 
Schoͤnheit Helen und Reiz wenigen Frau'n anheim, 
Auch Reichthümer verſchenkt ſelten ein günſtig Loos; 


Doch viel ſeltener giebt es 
Ein EOFIIGENmENDED; großes Herz, 


— 


Dem Schonheit es und auch Gaben des ina⸗ ai: 
Alfo feh” ich vereint‘ würdigem Gatten 
Raftlos thätigem Dafein 
Prunf nicht, aber Gehalt verleihn. 


Dichtkunſt hebt und Muſik, wahre Geſelligkeii 
Hebt dein Leben empor (wie es der Deutſchen ziemt), 
Aus einförmigem Kreislauf, 
Den ſchlaftrunken Italien träumt. 


Gaſtfreundſchaftlichen Sinns nahmft du den Dichter auf, 
Dankbar bietet er dir liebenden Scheidetzraß, 
Weil auf's neue der Frühling 
Ihn zum flüchtigen Wandrer mat. - - -- 


187 


Schön iſt's, häuslichen Kreis fammeln umher, wiewohl 
Schön nicht minder, ſich felbft Ieben und frei von Zwang 
Anſchau'n Städte der Menſchen, 
Stehn auf hohem Verdeck zu Edi. _ 


XXV. 
Brunelleschi. 


Ehrwürdig dünkt euch gothiſche Kunſt mit Recht: 
Ich ſelbſt, Bewundrung hab' ich im reichen Maß 
Orvieto's, Mailands Dom und deiner 
Hohen Karthauſe gezullt, Padia! 


Doc fchaͤtz' ich mehr Einfaches, dem erflen Blid 
Nicht gleich enthuͤllbar; aber getreu dem Geift: 
Durch Reiz der Neuheit lockt Erhabnes, 
Aber das Auge zulept ermuͤdet's. 


Still ift ver Echöyheit Zauber, Iinmwandelbar, 
Und flets bedeutſam. Ewiges Lebehoͤch 
Sei, Brunellesht, dir gebracht beim 
Feſte der Wiedergeburt des Schönen! 


Roms alten Schutt duchfhritifi di gebanfensoll,, 
Der unbekannt noch oder verachtet Tag, 
Grubſt Säulen aus und mächtig wuchs dir, 
Während du fhaufelteft, Geiſt und Kũhnheit. 





188 


Schatzgräber ſchalt Roms höhniſcher Pöbel dich, 
Di fammt Donato, deinem erprobten Freund, 
Deß Kunft zuerft formlofem Eteine 
Männlihen Seelencharafter eingrub.. 


Und Schäße dankt euch euer Florenz, wiewhll 
Ihr arm an Gold wart; herrlicher prangt ed nun 
Als Zier der Nachwelt. Blos Venedig 
Kämpfe mit ihm um den Rang der Schönhett. 


XXVI. 
An Auguſt Rovpiſch. 
Wenn zwei Looſe vor uns legt ein Beſchluß der Beit, 
Schwer iſt's, wirflidem Ruf folgen und falfchen fließm: 
Für's Leben hinaus entfcheidet 
Der entſchiedene Furze Schritt. 


Ehmals dämmerten uns mutige Heffnungen, 
Ja, wir wollten Genuß aus Arethuſa's Quell 
Ginfchlürfen; der fühnee Wunfch war | 
Aganippifche Flut zu fchau'n! 


Doch dich lockten indeß heimiſche Triebe halb 
Fernhin (wo in des Nords Winter ein edler Fürſt 
Ausſaͤt ein Athen des Geifes) . 
An die feythifhe, Falte Spree. 


— 


189 


Mir auch fchien’ es vieleicht rühmlicher, hinzuziehn N 


Mo hinweift der Magnet; aber dem trägen Fuß 
Eind Brenner zugleih und Gotthardt 
Unerfleigliche Berge längft. 


Rückwärts liegen fo weit frühere Tage mir, 
Als frohfinnig und nicht ohne befeuernden 
Beifall in der Freunde Kreis ich 
Die Gefänge der Jugend las. 


Hier nun fing’ ich allein, freundliches Lob verhallt 

Fernab, felten gehört; aber es ſchweigen auch 
Lautgellende Pöbelſtimmen, 

Und der Hleinere Schrei des Neids. 





xxvu. a 
Der beffere Theil. 


Sung und harmlos ift die Natur, der Menfh nur 
Altert, Schuld aufhäufend umher und Elend; 
Drum verhieß ihn auch die gerechte. Borficht 

Tod und Erloͤſung. 


Stets von heut auf morgen vertagt die Hoffnung 

Ihr Phantom. Auswandert der Menfh in fremden 

Himmelsſtrich; doch taufcht er indeß die Not nur 
Gegen die Not aus! 





19 


Stets um Freiheit buhlt das Gemüt, um Kenniniß; 

Doch um uns liegt rings, wie ein Neif, Beſchraͤnkung: 

Keine Kraft, ſelbſt Tugend vermag der Zeit nicht 
Immer zu troßen. 


Manchen Flug wagt — Wiſſen, das doch 
Kaum ein Blatt aufſchlägt in dem Buch des Weltalls: 
Biſt du je, Milchſtraßen entlang, gewandelt 

Nach dem Orion? 


Nein — und deßhalb lehrte der Mann der wachei 
Den die Welt dankbar den Erlöfer nannte, 2 
Zuverficht auf höheren Waltens Allmacht, 

Lehrte den ‚Blauben. 


Ber | zart 


Thätigfeit löst Räthfel und baut be lan 

Schönftes Werk; doch ſchmähe fie drum ein ftilles, 

Sanftes Herz nicht, weil es erwählt den beflern 
Theil, wie Maria,’ 


AXXVIUL 
. Enropa’d Wünſche. 
1829. — 
Heil dem Schwert, das keck der entnervten Staatskunſt 
Netz entzweihaut, ſtürmende Helden waffnend: 


Schon erbebt Stambul, und es flattern ringsum 
Chriſtliche Fahnen! 


191 


Nicht umſonſt aufnährſt du, o Rhein, die Traubel 

Trotz des Korans, ſuch' in Johannisbergs Wein 

(Ihn kredenzt Freundſchaft) der erſchrockne Sultan 
Süße Betaͤubung! 


Unſer Deutfchland trage den Wittelsbacher 

Leu'n im Schild, body fliege der Adler Friedrichs; 

Doch, wie Mahmud, werde zu Staub die lichtſcheu 
Türkiſche Willführ! 


Möge bald jedwede gemeine Selbftfucht, 

Mo der Tod fei, fühlen, und wo bie Zukunft! 

Dauer leihn Balſam und Gewürz der Mumie, 
Seele gewiß nicht. 


XXIX. 


Ha Karl den Zehnten. 


Aus deiner Ahnherrn blühendem Reiche zogſt 
Umblidend oft auf laͤſſigem Zelter du, 
O zehnter Karl, von deiner Söhne 

Grauen umjammıert, der lebte Ritter! 


Nicht lehrte Weisheit dich das erblichne Haar! 
Nicht fendet nach weichherzige Seufzer bir 
Frankreich, es weint dir nicht des Mitleids 
Gaſtliche Thräne der flolze Britte. z 





A 


192 


Dein eignes Volk mißfennend, und was bie geit 
Umftürzte, falt aufnötigend, hielteft du's 
Barbaren gleich, die fern im Sübdoft 

Keuchen am Joh und das Joch beflatfhen? 


Nicht fleußt in Frankreichs Adern Kroatenblut! 
Freudvoll begrüßt dreifarbige Wimpel [bon 
Europa, männlih aufaerichtet, 
Sa, bis in Afrika jauchzt das Echo! 


Längft find der Zeit blutdürſtige Gräul gefühnt: 
Blut floß von jeher, warn die verjüngte Welt 
Neufräftig aufwuchs, blutig flegte 
Chriſtus und blutig erfämpfte Luther 


Wahrheiten. Nicht mehr rufe die Manen an 
Des Bruders, der klagwürdig und edel fiel, 
Nicht aber fhuldlos, feine Schwachheit 

Trägt des Geſchehenen ſchwerſte Hälfie. 


uralte Blutſchuld laſtete lange ſchon 
Auf Capets Haus, ſeitdem den erlauchten Sproß 
Ruhmvoller Kaiſer einſt der ſchnoͤde 
Bruder des Heiligen Ludbwigs abhieb. 


Lern’ aus der Welt Jahrbüchern Gerechtigkeit, 
Und flirb verföhnt! Dein fonftiges Volk, es fet ' 
Bollwerk der Freiheit Fünftighin uns, 
Slänzendes Edelgeſtein Europa’s. 


193 
Nie reiz' es mehr blinpwütender Brevel auf, 
Und König Philipp herrfche gerecht und gut! 
‚Biel hangt an ihm! Nie war fo heilig 
Irgend ein fürſtliches Haubt, wie feine if. 


— — —— ·— —— 


| XXX. 
Der Vefuvp im December 1830. 


Schön und glaugreich ift des bewegten Meeres 

Wellenſchlag, warn tobenden Lärms es anbrauft; 

Dod dem Feu'r iſt fein Element vergleichbar 
Meder an Allmacht, 


Noch an Reiz für's Auge. Bezeug es Jeder‘, 

Der zum Rand abjhüfliger Kratertiefe, 

Während Nacht einhüllt die Natur, mit Vortig 
Staunend emporkiimmt, 


Wo im Sturmfhritt mächtiger Donner machtvoll 

Aus den anwuchsdrohenden, fteilen Kegel 

Sort und fort auffahren in geldner Unzahl 
Blammige Steine, 


Deren Wucht, durch Gluten und Dampf gefchleubert, 
Bald umher auf afchige Höhn Mubine 
Reichlich fät, bald auch von tes Kraters ſchroffen 
Wänden hinabrollt: 
Blaten, ſammtl. Werte. I. 43. 





nr 


194 


Waͤhrend fill, aus nächtlichem Grund, die Lava 
Quillt. — Des Rauchs tieffchattige Wolf umdüſtert, 
Holder Mond, dein ruhiges, friedenreiches 

Silbernes Antlitz. 


XXXI. 
Loos des Lyrikers. 


Stets am Stoff klebt unſere Seele, Handlung 
Iſt der Welt allmaͤchtiger Puls, und deßhalb 
Flötet oftmals tauberem Ohr der hohe 

Lyriſche Dichter. 


Gerne zeigt Jedwedem bequem Homer ſich, 

Breitet aus buntfarbigen Fabelteppich; 

Leicht das Volk hinreißend erhöht des Drama's 
Schöpfer den Schauplatz: 


Aber Pindars Flug und die Kunft des Flaccus, 

Aber dein fhwerwiegendes Wort, Betrarca, 

Prägt fih uns langfamer in's Herz, der Menge 
Bleibt's ein Geheimniß. 


Jenen warb blos geiftiger Reiz, des Liedchens 

Leichter Takt nicht, der. den umfchwärmten PBustifch 

Siert. Es dringt Fein flüchtiger Bli in ihre 
Mächtige Seele. 


195 


Ewig bleibt ihr Name genannt und tönt im 

Ohr der Menſchheit; doch es gefellt ſich ihnen 

Selten freundfhaftsvoll ein Gemüt, und huldigt 
Körnigem Tieffinn. 


— — — — — 


XXXII. 


Herrſcher und Volk. 
Nie ſehnt ein willkürübender Herrſcher ſich 
Nach Dichterweihrauch, deſſen er nicht bedarf: 
Er legt an's Schwert kraftvoll die Fauſt und 
Wen er zum Opfer fich waͤhlt und wer ihm 


Mißfaällt und wer Freiheit zu verkünden wagt, 
Den trifft der Tod, den decken Sibiriens _ 
Schneefelder zu, der wird gefchmiebet, 
Tief in die Grotte des Felfeneilande, * 


Titanenhaft auf eifernen Roft, zu dem 
Das Meer emporfälägt. Aber das Volk bebarf, 
Ohnmächtig fehmerzvoll, eines Mannes, 
Welcher im Lied es empfiehlt der Nachwelt 


Als Stoff des Mitleids, welcher erzählt, wie ſchnell 
Zufagen wehn aus fürftliden Mund, und ad! 

Gleichſchnell verweht find, wie man Schwüre 

Brit in der Nähe des Pols und fühwärts! 


196 


Sind Schwüre nit (leicht Loft fie der Pabfl) ein Spiel 
Herzlofer Bourbons? Nichtigem, falſchem Eid, 
AK, lauſchte Frankreich, laufchte Spanien, 
Laufchte das Land um Mefiina’s Pharus, 


Dieffeits und jenfeits! Einen erblidten wir, 
Der feines Zwingherrn blutige Hand gefüßt, 
Nachdem umfonft fein Bolt des Wagens 
Strigfe zerhau’n, den geliebten König 


Nicht laſſen wollend. Jener entwidh, da focht's 
Sechs Jahr' um ihn, ſechs Jahre, befreit zulegt 
Ihn aus der Haft. Er fommt und liefert 
Seine Beſchützer dem Blutgerüſt aus. 


Bar foldhes Undanks fähig ein Nero ſelbſt? 
Dem, der für ihn fi) opferte, mindeftens 
Dem Strang des Henkers ihn entrüdend, 
Haͤtt' er ein rühmliches Grab gegönnt ihm! 


Ihr fürchtet nichts, Tyrannen, allein den Tod 
Doch fürdhtet ihr, der fein Diadem verfchent: 
So möge denn um's Sterbelager 
Drängen fich euch der verhaßte Chorus 


All derer, die Dumpfhrütende Kerkerluft 
Frühzeitig wegrafft, all ber Gequälten Geiſt. 

Die auf Galeeren euch, mit Mörbern 

Eng an einander gefoppelt, fluchen; 


197 


AN derer, die, weit über die Welt verfirent, 
Bom Bild ber Heimat ihre Gemüter voll, 
An fremder Thür ihr Brod erbetteln, 
‚3a, zu Barbaren verbannt, des Moslems 


Milvthätigkeit anfleben! Um euer Bett 
Wird manch Geſpenſt mit drohendem Finger ftehn, 
Durch Kettenlärm euch wedend, oder 
Priefter und Brieftergebet- verſcheuchend. 


m — —— —— — 


XXXIII. 
Aus einem Chore des Sophokles. 


Nicht gezeugt ſein, waͤre das beſte Schickſal, 

Oder doch früh ſterben in zarter Kindheit: 

Waͤchſt zum Jüngling Einer empor, verfolgt ihn 
Ueppige Thorheit, 


Während Mißgunſt, Streit und Gefahr und Haß ihm 

Quaͤlend nahn; reift vollends hinan zum Greis er, 

Jede Schmach muß dulden er dann, vereinzelt 
Stehend und kraftlos. 


Stets umdroht uns Flutengedraͤng und ſchleudert 

Hart an fteilabfallenden Klippenftrand uns, 

Mag der Sud nun peitfchen die Woge, mag .fie 
Schwellen der Nordſturm. 








198 


XXXIV. 
An Franz den Zweiten. 


Ohnmacht, Zerſtuͤcklung, jegliche herbe Schmach 
War unſer Loos, ſeitdem du Germaniens 
Reichsapfel nicht mehr wiegſt in deiner 
Rechten, o Herr, und von uns verlaſſen, 


Uns alle preisgabſt ſchimpflichem Untergang! 
Wohl that Erneurung unſerem Reiche not, 
Doch nicht Zerſtörung; tief im Buſen 
Trug es den edelſten Keim der Freiheit. 


Du zeihſt des Abfalls uns, des Verrats mit Recht; 
Wir zeihen dich, daß über die Alpen ſtets 
Dein Aug’ gekehrt war, daß du Völker, 
Deinen Sermanien fremd, beherrfchteft! 


Einft griff fogar nah fpanifchen Ehering 
Habgierig Deftreih; doch es erwarb fih nur 
Deutſchlands Verluſt. Sein fünfter Karl war 
Unfer Berberben und ganz Europa's! 


Jedwedes Unheil, welches die Welt betraf, 
Floß aus.der Bruft ehrfüchtiger Könige, 
Die unbefriedigt durch das Erbtheil 
Ihres Geſchlechts in die Fremde fchweiften. 


199 


Bergebens hof bu, daß der Lombarde je 
Di lieben Iernt, daß je es der Pole lernt! 
Wohl fchleifte Mailand Barbarofia, 
Aber es blutete Conradin auch. 


% 


Sieb deinem Deutichland wieder ein beutfches Herz! 
Dann wird, fürwahr, frohlodenden Jubelrufs 
Dein wahres Bolf aufnehmen feinen 

Alten und Eummergebeugten Kater! 


Wer Sklave Moskau's wünfchte zu fein, er bleib's! 
Wir möchten frei fein, einig und groß; zu ung, 
Die dein in Sehnfucht täglich warten, 
Kehre zuruüͤck, o geliebter König! 


Baſchkireneinfall halte von uns entfernt; 

Dann beut in Freundſchaft deinem erneuten Volk 

Das neue Frankreich auch den Handſchlag 
Ueber dem heiligen Sarg in Aachen. 


XXV. 
Der künftige Selb. 


Nüdwärts gewandt blickt oft in der Kabel Nacht 
Der Dichter, ſpaͤht Herven fi aus, und forſcht 
Durch mandes Zeitlaufs Thatenwirrwarr, 
Liederbegierigen Sinne, nach Helden: 





200 
Ih wähle den mir, welcher dereinſt erſcheint, 
Und will vom Tod nit wecken Gemoberte: 


Den Mann: ber Zufunft preifend, wandelt 
Bor dem Erwarteten mein Gefang her! 


Er fonıme bald uns, welchem des Ewigen 
Ratſchluß verlichn ruhmwürdiges Rächeramt 
Gehäufter Unthat, aus den Zähnen 
Reiß er den Wolfe das Lamm, er fomme 


Dem Stamm verberblich jener Semiramis 
Mit ihrem zahllos wimmelnden Buhlerheer, 


Die Schon der Borzeit graues Wort uns 
Als babyloniſche Metze weifjagt! 


Cr komme, der, mit ftrafendem Geißelhieb 
Nah Aſien heim ſtumpfnuͤſtrige Sklaven peitſcht, 
Sie ſelbſt und ihre längſt entnervten, 
Weibiſch entgürteten Dſchingiskane, 


Die nur des Mords noch pflegen, und nicht der Schlacht, 
Des Voͤlkermords! Dir, Siegender, möge dann 
Mongolenblut aus jeder Locke 

Ueber den faltigen Mantel triefen! 


291 _ 
XXXVI. 
Kaffandre. 


Deinem 2008 fein Klagen geweiht, Europa! 

Ans dem Unheil fehleubert in neues Schredniß 

Dich ein Gott ftets; ewig umfonft erflehft du 
Frieden und Freiheit! | 


Kaum verfant allmahlig, im trägen Beitlauf, 

Sener Zwingburg fünliher Bau zu Trümmern, 

Mo des Weltheren Zepter dem Inquifitor 
Schürte den Holzfloß: 


Sieh, ba feimt ſchon, unter dem Hauch des Norbpols, 

Feifchen Unheile wuchernder Same leis auf: 

Hoch als Giftbaum ragt in bie Luft bereits dieß 
Rieſige — 


Selbſt dem Beil fruchtloſer Begeiſterung trozßt 

Dieſer Stamm, der Alles erdrückt, und keiner 

Wolke, weh uns, rettender Blitz zerſchmettert 
Wipfel und Aſt ihm! 


Ketten draͤu'n, wie nie ſie geklirrt, der Menſchheit 

Bangen Hals zuſchnürend, und parricidiſch 

Meiht im Wettlauf mächtiger Ungeheur ſich 
Freobler an Frevler! 





2300 
Ich wähle ven mir, welcher dereinſt erſcheint, 
Und will vom Tod nit weden Gemoberte: 


Den Dann: der Zufunft preifend, wandelt 
Bor dem Erwarteten mein Gefang Her! 


Er komme bald ung, welddem des Ewigen 
Ratfhluß verliehn ruhmmürbiges Rächeramt 
Gehäufter Unthat, aus den Zähnen 
Heiß er dem Wolfe das Lamm, er fomme 


Dem Stamm verberblich jener Semiramis 
Mit ihrem zahllos wimmelnden Buhlerheer, 
Die fhon der Vorzeit graues Wort uns 
Als babylonifche Metze weiſſagt! 


Er komme, der, mit ftrafendem @eißelhieb 
Nah Aften heim ftumpfnüftrige Sflaven peitfcht, 
Sie felbft und ihre Tängft entnervten, 
Weibiſch entgürteten Dſchingiskane, 


Die nur des Mords noch pflegen, und nicht der Schlacht, 
Des Vélkermords! Dir, Siegender, möge dann 
Mongolenblut aus jeder Lode 
Ueber den faltigen Mantel triefen! 


261 . 


XXXVI. 
Kaſſandra. 


Deinem Loos ſei'n Klagen geweiht, Cutopa! 

Aus dem Unheil fchleudert in neues Schredni 

Dich ein Bott flets; ewig umfonfl erflehſt du 
Frieden und Freiheit! 


Kaum verfant allmählig, im trägen Zeitlauf, 

Jener Swingburg fübliher Ban zu Trümmern, 

Wo des Weltheren Zepter dem Inguifitor 
Schürte den Holzftoß: 


Sieh, da feimt fon, unter bem Hauch bes Norbpols, 

Friſchen Unheile wuchernder Same leis auf: 

Hoch als Giftbaum ragt in bie Luft bereits dieß 
Mieſige Scheufal! 


Selbſt dem Beil fruchtloſer Begeiſterung trotzt 

Dieſer Stamm, der Alles erdrückt, und keiner 

Wolke, weh uns, rettender Blitz zerſchmettert 
Wipfel und Aſt ihm! 


Ketten dräaͤu'n, wie nie fle geklirrt, der Menſchheit 

Bangen Hals zuſchnürend, und parrieidiſch 

Reiht im Wettlauf mächtiger Ungeheur fi 
Frevoler an Frevler! 


202 


Noch einmal, wie's kündet die alte Kabel, 

Ueber'm Haus biutgieriger Tantaliden 

Sein Geſpann rüdwärts mit Entfeßen lenkend, 
Schaudert Apollo! 


Zwar der Hahn Fräht; aber er wedt die Welt nicht! 

Selbſt des Einhorns Stachel vielleicht zerfplittert: 

Adler Deutfhlands, doppelter, Freife wachſam, 
Schärfe die Klau'n dir! | 


XXXVII. 
Au Wilhelm Geuth. 


Dein Lied erweckt mir langeverwehte Zeit, 

Als Heidelbergs pfalzgraͤfliche Burg (es hat 

Ein fremder Bluthund einſt zerſtoͤrt fie) 
Uns in verwilderte Schatten einlud. 


Du rufſt in Heimatögegenden mich zurück, 
Wo ah! Verwirrung brütet, und innerhalb 
Der Mauern Slions und auswärts 
Sündiget blinde Begier. Du rufſt mich 


An Goethes Grab. Gern werf ich den fchönften Zweig 
Auf feine Ruhſtatt! Sanfterer Tage Sohn, 
Und felbft als Greis noch liebetaͤndelnd, 
Wußt' er die mächtige Bruſt zu zähmen, 


Eintaufchend Weisheit für die Begeifterung: 
Nicht dieß gelingt mir! Seglicher Puls in mir 
Malt feurig auf; nicht bloße Töne, 
Funken entfprühn der bewegten Leier! 


Nicht kann ich harmlos mich in die Pflanzenwelt 
Einfpinnen, anſchau'n Eantigen Bergkryſtall 
Sorgfältig, Freund! Zu tief ergreift mid 
Menſchlichen Wechſelgeſchicks Entfaltung. 


Längft iſt der Bruſt ehrgeiziger Trieb entflohn, 
Der Jugend Erbtheil; aber wofern mir fol 
Annahn der Ruhm, mag Hand in Hand er 
Gehn mit dem prüfenden Todesengel! 


Bon diefer Zeit Parteiungen hoff’ ich nichts; 
Doch wann ich darf ausruhen, wie Goethe ruht, 
Dann fein mir au fpätreife Kränze 
Auf den verfinfenden Sarg geworfen. 


Ich lebe ganz bei Künftigen, Halb nur jegt: 
Nicht blos ein Zierrat müßigem Zeitvertreib 
Sei meine Ditkunft, nein — fie gieße 
Thauigen Glanz in die weite Blume! 


208 
RXXVUL 


Parthenope ragt fo ſchoͤn am Seeftrand entpor, 
Umfpannt den beraufchten Sinn mit ftahifeften Neb, 
Laßt fließen des Lebens Bäche 
Aus ihrem goldnen Duell. 


Wo aber erfheint Genuß von Schmerz unvergallt? 
88 lauert des Scheidens Dual, und trauft Bitterkeit 
Neidvoll in den Wein der Liebe, 
Den unfre Seele fchlürft. 


Doc ziehe, wohin du willſt, im Geiſt folgen bir 
Beflügelte Lieder nah! Ge tft, reich begabt, 
Dein fhönes Geficht Bezaubrung, 
Dein Auge Süßigfeit! 


XXXIX. 
Triuklied. 


Wohl bietet der irdiſche Tag qualvolle Sefunden genug, 
Wenn tief du gebenfend erwägft, was je du verlorft, o Gemüt! 
. Feuchteren Auges erblickſt du 
Nings dann die verfchleierte Welt. 


205 
Meil füßes Vergeffen allein aufwägt ben unendlichen Schmerz, 
Schlürft, Freunde, das goldene Naß, hier wo ſich ein Zaubergefild 


Breitet um uns ımd um Bajä’s 
Nüdftralende wonnige Bucht! 


Kommt unter des Tempelgewölbs halbdrohenden Reſt! (Es vernahm 
Hier Eypria Wunſch und Gebet) Ruht hier! Su den hellen Pokal 
Träufe der füße Falerner, 
Sahrtaufende fchon fo berühmt! 


Aus purpurnen Wogen empor ragt mandes antife Geſtein, 

Das Römer voreinſt in die Flut, Prachtſäulen zu tragen, geſenkt: 
Laßt die Verblicdenen leben, 

Die mächtige Thaten gethan! 


Anfpannend die Kraft des Gemüts, wirft Gutes und Schönes 
| | erſchafft, 
Auf daß in der werdenden Zeit bei Künftigen töne das Wort: 
Selig der Tag und die Räume, | 
Wo fol ein Berühmter gelebt! 


Bann, Freunde, wir fleigen hinab, wo dort ſich ein mythiſches Volt 
Weiſſagende Grotte gebohrt, unweit der zertrümmerten Stadt, 
Mag die Sibylle von Kumä 
; Uns Segen und Ruhm prophezei'n! 


Dort drüben, die Höhlen entlang, liegt jenes elyfiſche Feld, 
Wo Beifter im Welfengebüfh hinwandeln am Ufer des Meere: 
Glückliche, die mit Heroen 
Sinwanbeln am fer des Meers! 


A 


206 


Wohl ziemt es dem Folgegeſchlecht, wo immer ein fröhliches 
Mahl 
Gaftfreunde vereine, mir auch volltriefende Schale zu weihn, 
Der ih erfand in der Seele 
Manch Tiebebeflügeltes Lied. 


Anmerkungen. 


ı Mie auf dem Springquell hier ver Meergott. 
Ser Dceanus im Barten Bobolt. 
2 Neben ven fhönen Koloß des Phivias. 
D. 5. auf dem Quirinal, wc Pius VIE. wohnte. 
3 Es hat's 
Dominichin's Pinſel gedacht. 
Die erwähnte Freske von Dominichino befindet ſich im Pallaſt 
Coſtaguti. 
4 Zief in vie Grotte des Felſeneilands. 
Die fogenannten Ergafoli auf ven Klippeninfeln des tyrrhenifchen 
Meeres, ' 


Eklogen und Idyllen. 


Die Fiſcher auf Capri. 
1827. 


Haſt du Capri geſehn und des felſenumgürteten Eilands 
Schroffes Geſtad als Pilger beſucht, dann weißt du, wie ſelten 
Dorten ein Landungsplatz für nahende Schiffe zu ſpähn iſt: 
Nur zwei Stellen erſcheinen bequem. Manch maäͤchtiges Fahrzeug 
Mag der geräumige Hafen empfahn, der gegen Neapels 
Lieblichen Golf hindeutet und gegen Salerns Meerbufen. 
Aber die andere Stelle (fie nennen den Fleineren Strand fie) 
Kehrt ſich gegen das ödere Meer, in die wogende Wilbniß, 
Wo fein Ufer du fiehft, als das, auf welchem du felbft ſtehſt. 
Nur ein geringeres Boot mag hier anlanden, es liegen 
Telfige Trümmer umher, und es brauft die beftändige Brandung, 
Auf dem erhöhteren Fels erfcheint ein zerfallenes Vorwerk, 
Mit Schießfeharten verfehn; ſei's, daß Hier immer ein Wachtthurm 
Ragte, den offenen Strand vor Algiers Flagge zu hüten, 
Die von dem Eiland oft Jungfrauen und Jünglinge wegftahl; 
Sei's, daß gegen ben Stolz Englands und erfahrene Seefunft 
Erft in der jüngeren Zeit es erbaut der Napoleonide, 
- Dem Parthenope fonft ausfpannte die Pferde des Wagens, 
Ihn dann aber verjagte, verriet, ja tötete, feit er 

Platen, fämmtl, Werte. 1]. 14 


Rn, 


210 


An's treulofe Geſtad durch fehmeichelnde Briefe gelodi ward.’ 
Steigſt du herab in den fandigen Kies, fo gewahrft du ein Felsftüd 
Niedrig und platt in die Wogen hinaus Troß bieten der Brandung; 
Dort anlehnt fi mit rundlihem Dach die befcheidene Wohnung 
Dürftiger Fiſcher, es ift die entlegenfte Hütle der Infel, 
Blog durch rieſige Steine befhügt vor ſtürmiſchem Andrang, 
Der oft über den Sand wegfrühlt und die Schwelle benept ihr. 
Kaum hegt, irgend umher, einfachere Menfchen die Erbe; 
Ya kaum hegt fie fie noch, es ernährt fie die fhäumende Woge. 
Nicht die Gefllde der Infel bewohnt dieß arme Geſchlecht, nie 
Pflüdt es des Delbaums Frucht, nie fohlummert es unter dem 
Balmbaum: 
Nur die vertwilderte Myrte noch blüht und der wuchernde Cactus 
Aus unwirtlihem Stein, nyr wenige Blumen und Meergras; 
Eher verwandt ift hier dem gewaltigen Schaumeleniente 
Als der beaderten Scholle der Menſch und dem üppigen Saatfelb. 
Gleiches Gefchäft erbt ftets von dem heutigen Tage der naͤchſte: 
Immer das Netz auswerfen, es einziehn; wieder es trodnen 
Ueber dem fonnigen Kies, dann wieder es werfen und einziehn. 
Hier hat frühe der Knabe verſucht in der Welle zu plätfchern, 
Frühe das Steuer zu drehen gelernt und die Ruder zu fchlagen, 
Hat als Kind mutwillig geftreichelt den rollenden Delphin, 
Der, durch Töne gelodt, an die Barke heran fi wälzte. 
Mög’ euch Segen verleihen ein Gott, fammt jeglihem Tagwerf, 
Friebliche Menfchen, fo nah der Natur und dem Spiegel des Weltalls! 
Möge, da größeren Wuufch euch nie die Begierde gelifpelt, 
Möge der Thunfifch oft, euch Beute zu fein, und der Schwertfifch 
Hier anfhwimmen! Es liebt fie der Eſſer im reichen Neapel. 


211 


Gluͤckliche Fifcher! wie auch Kriegsftürme verwandelt den Erdkreis, 
Freie zu Sklaven geftempelt und Reiche zu Dürftigen, ihr nur 
Saht hier Spanier, faht hier Britten und Gallier herrſchen, 
Ruhig und fern dem Getöfe der Welt, an den Gränzen ber 
Menichheit, 

Zwiſchen bein fchroffen Geklüft und bes Meers anſchwellender Salzfint, 
Lebet! Es lebten wie ihr des Geſchlechts urältefte Väter, 

Seit dieß @iland einft vom Sig der Sirene fi losriß, 

Oder die Tochter Augufts Hier ſüße Verbrechen beweinte. 


Bilder Neapels. 
1827. 


4 
— — — U WI — US un ⏑ I — 


Frembling, komm in das große Neapel, und ſieh's, und ſtirb! 
Schlürfe Liebe, geneuß des beweglichen Augenblide 

Reichften Traum, des Gemütes vereitelten Wunſch vergiß, 

Und was Quälenbes fonft in das Leben ein Dämon wob: 

Ja, bier lerne genießen, und dann, o Beglüdter, ſtirb! — 
Im Halbzirkel umher, an dem Yachenden Golf entlang, 
Unabfehlich benegt von dem laulichen Wogenſchwall, 

Liegt von Schiffen und hohen Gebäuden ein weiter Kreis; 

Wo ſich zwifchen die Belfengeklüfte des Baechus Laub 

Drangt, und flolz fi erhebt in die Winde der Palmenfhaft — 
Stattlich ziehn von den Hügeln herab fi die Wohnungen 
Nach dem Ufer, und flach, wie. ein Garten, erſcheint das Da: 


M 


212 


Dort nun magft du die See von ber Höh’ und ben Berg befehn, 
Der fein afhiges Haubt in den eigenen Dampf verbirgt, 

Dort auch Rofen und Neben erziehn und der Aloe 

Starten Wuchs, und genießen die Kühle des Morgenwinde. — 
Fünf Kaftelle befhirmen und bäandigen Fed die Stabt: 

Dort Sanct Elmo, wie droht's won dem grünenden Berg herab! 
Jenes andere, rings von Gewäffern umplätfchert, einft 
War’s der Garten Luculls, des entihronten Auguftulus 
Schönes Inſelaſyl, in die Welle Hinausgeftredt. — 

Wo du gehft, es ergießen in Strömen die Menſchen ſich: 
Willſt zum Strande du folgen vielleicht und die Fifcher fehn, 
Wie mit nerviger Kraft an das Ufer fie ziehn das Netz, 
Singend, fröhliches Muts, in beglüdender Dürftigfeit? 

Und ſchon lauert der bettelnde Möndh an dem Uferfand, 
Heiſcht fein Theil von dem Fang, und die Milderen reichen's ihm. 
Shre Weiber indeß, in befländiger Plauderluft, 

Sigen unter den Thüren, die Spindel zur Hand umher. 

Sieh, da zeigt fi ein heiteres Paar, und es zieht im Nu 
Eaftagnetten hervor und beginnt die bacchantifche 

Tarantella, den üppigen Tanz, und es bildet fih 

Um die beiden ein Kreis von Befchauenden flugs umher; 
Mädchen kommen fogleich und erregen das Tamburin, 

Dem einfacheren Ohr der Zufrievenen iſt's Muſik: 

Sierlih wendet die Schöne fi nun, und der blühende 
Süngling au. Wie er fpringt! wie er leicht und behend ſich dreht, 
Stampfend, Feuer im Blick! And er wirft ihr die Rofe zu. 
Anmut aber verläßt den Begehrenden nie, fie zähmt 

Sein wollüfliges Auge mit reizender Allgewalt; 


213 


Wohl dem Bolfe, dem glüdlichen, dem bie Natur verliehn 
Angeborenes Maß, dem entfefjelten Norden fremd! — 
Durch's Gewühle mit Müh’, ein Ermattender, drängft du dich 
Andre Gaſſen hindurch; der Verfäufer und Käufer Lärm 
Ringsum. Hoch, wie fie preifen die Waare mit lautem Ruf! 
Käuflih Alles, die Sache, der Menſch, und die Seele felbft. 
Aus Earofien und fonftigem Pferdegefpann, wie fehrein 
Wagenlenker um big, und der bürftige Knabe, ber 

Auf die Kutfche fogleih, dir ein Diener zu fein, ſich ftellt. 
Sieh, hier zügelt das Cabriolet ein beleibter Moͤnch, 

Und fein Efelchen geißelt ein anderer wöhlgemut. 

Kuppler Tifpeln indeß, und es winfelt ein Bettler dir 
Manches Ave, verfhämt das Geficht mit dem Tuch bevedt. 
Dort fteht müßiges Volt um den hölzernen Pulcinell, 

Der von Marionettengebälfe pofjierlich glozt; 

Hier Wahrfager mit ihrer gefprenfelten Schlangenbrut. — 
Alles tummelt im Freien fih Hier: der gefchäftige 

Garkoch fiedet, er fürchtet den feltenen Regen nit; 

Ihn umgiebt ein Matrofengefchwader, die heiße Koft 
Schlingend gieriges Muts. An die Ede der Straße dort 
Sept ihre Tiſchchen mit Kupfermoneten die Wechlerin, 

Hier den Stuhl der gewandte Barbier, und er fchabt, nachdem 
Erf entgegen dem fonnigen Stral er ein Tuch gefpannt. 

Dort im Schatten die Tifche des fertigen Schreibervolfs, 
Stets bereit zu Bericht und Suppliken und Liebesbrief: 

Ob ein Knabe diktire der fernen Erfehnten fein 

Seufzen, ober ein leidendes Weib ben verwiefenen 

Gatten tröfte, verbannt nad entlegener Inſel, ihn 


214 


Der fein freies Gemüt in dem unterfien Kerker quält 
Hoffnungslos, und den Lohn, der erhabenen Tugend Lohn 
Erntet. — Aber entferne die fchattenne Wolfe, Schmerz! — 
Auch zum Molo bewegt fi die Menge, wo hingeſtreckt 

Sonnt die nadenden Glieder der braunliche Lazzaron. 

Capri ſiehſt du von fern in dem ruhigen WBellenfpiel; 

Schiffe kommen und gehn, es erflettein den höchften Maſt 
Flugs Matrofen, es ladet die Barfe did ein zur Fahrt. 

Den Grzähler indeffen ummwimmelt es, Jung und Alt, 
Stehend, figend, zur Erde gelagert und über’s Knie 

Beide Hände gefaltet, in horchender Wißbegier: 

Roland fingt er, er fingt das gefabelte Schwert Rinalds; 

Oft duch Gloſſen erklärt er die fehwierigen Stanzen, oft 
Unterbrechen die Hörer mit mutigem Ruf den Mann. 
Auferfteh‘, o Homer! Wenn im Norden vielleicht man did 
Kalt wegwiefe von Thüre zu Thür; o fo fändſt du Hier 
Gin halbgriechiſches Volk und ein griechifches Yirmament! — 
Mancher Dichter vielleiht, in der Dede des Nords erzeugt, 
Schleicht Hier unter dem Himmel des Glüds und dem Heimatland. 
Stimmt er fügen Gefang und gediegenen Redeton, 

Den es heute vermag zu genießen und morgen noch, 

Der zunimmt an Gefhmad mit den Jahren, wie deutfcher Wein: 
Freiheit fingt er und männlide Würde der feigen Zeit, 
Schmach dem Heudler und Fluch dem Bedrücker und Jeben, ber 
Knechtſchaft prediget, welche des Menichengefchledhts Verderb. 
Ad, nit wähnt er den Neid zu befiegen und weilt entfernt, 
Taub den Feinden und hoffend, es werde die fpätre Welt 
Spreu vom Waizen zu ſcheiden verfiehn. — Wie erhaben finft 


215 
Schon die Sonne! Du ruhft in der Barfe, wie fitß gewiegt! 
Weit im Birfel umber, an dem bufigen Rand des Golfs, 
Zünden Liter und Flämmchen fih an in Unzähligfeit, 
-Und mit Badeln befahren die Fiſcher das goldne Meer. 
O balfamifhe Nächte Neapels! Erläßlich ſcheint's, 
Wenn auf kurze Minuten das fehwelgende Herz um euch 
Selbſt Sanıt Peter vergißt und das göttliche Pantheon, 
Monte Mario felbft, und o Billa Pamphili, dich, — 
Deiner Brunnen und Lorbeerumſchaͤttungen kühlſten Sitz! — 
Doch der Morgen erfheint, und ber Gipfel des Tags nad) ihm: 
Trauft du fehon tem Gelifpel der Welle dih an? Wohin? 
Führt ein Wind die Orangengerüche Sorrents heran? 
Fa, ſchon ſchimmert von fern an dem Strande, mit Taſſo's Haus, 
Jene felfige Stadt, die beraufchende, voll von Duft. 


Amalfi. 
1827. 


Fefttag iſt's und belebt find Zellen und Gänge des Klofters, 
Welches am Yelsabhang in der Nähe des ſchonen Amalfi 

Flut und Gebürge beherrſcht, und dem Auge behaglichen Spielraum 
Goͤnnt, zu den Füßen das Meer und hinaufwärts kantige Gipfel, 
Steile Terraffen umher, wo in Lauben die Nebe fih aufrankt. 
Doch nit Moͤnche bewohnen es mehr, nicht alte Ehoräle 
Hallen im Kirchengewoͤlb' und erwecken das Echo des Kreuzgangs: 
Leer ſteht Saal und Gemach, in den Kalktufgrotien der Felswand 
Knien, ber Gebete beraubt, eingehende. Heiligenbilver. 


% 


‚216 — 


Sonntags aber entſchallt den veroͤdeten, langen Gebaͤuden 
Frohe Muſik, es beſucht fie die luftige Jugend Amalfi's: 
Kinder beſchwingen im Hof, bligäugige Knaben, den Kreiſel 
Raſch an der Schnur, und fie fangen den taumelnden dann in 
ber Hand auf; 
Aeltere werfen die Kugel indeß, die Entfernungen meſſend, 
Zählen, im Spiele der Morra, die Finger mit hurtigem Scharfblid, 
Oper fie flimmen zu rauhem Gefang einfache Oitarren, 
Freubebewegt. Theilnehmend erſcheint ein gefitteter Süngling 
Unter der Schaar, doch nicht in die Spiele ſich felbft einmengenb: 
Hoch vom fteilen Gebürge, das Feſt zu begehn in Amalfi, 
Schön wie ein Engel des Herrn, in die Tiefe heruntergeftiegen: 
Reizend inRingen umfräufelt die Brau'n ſchwarzlockigen Haubthaars 
Schimmernde Naht, rein leuchtet die blühende Flamme des Auges, 
Nie von Begierde getrübt und dem Blid zweibeutiger Freundſchaft, 
Welche dem kochenden Blut in der fünliden Sonne gemein if. 
Doch wer fann, da die Seit hinrollt, fefthalten die Schönheit ? 


Schweige davon! Wings gähnt, wie ein Schlund, die gewiſſe 
Serflörung: 

Tritt auf jene Balkone hinaus, und in duftiger Ferne 

Siehft du das Ufer entlegener Bucht und am Ufer erblidit du 

Herrlicher Säulen in Reih'n aufftrebendes, doriſches Bildwerk. 

Nur Eivechfen umklettern es jeßt, nur flatternde Raben 

Biehen gefchaart jetzt über das offene Dach lautkreiſchend; 

Brombeern deden die Stufen, und viel giftfaniges Unkraut 

Kleidet den riefigen Sturz abfallender Trümmer in Grün ein. 

Seit Jahrtaufenden ruht, ſich felbft hinreichend und einfam, 


‘ x 


217 


Boll trogbietender Kraft, dein fallender Tempel, Bofeidon, 
Mitten im Haidegefild und zunaͤchſt an des Meers Einöbe. 
Völker und Reiche zerftoben indeß, und es welfte für ewig 
Jene dem Lenz nie wieder gelungene Rofe von Päaftum! 


Aber ich lafie den Geift abirren. O komm nah Amalfi, 
Komm nah Amalfi zurück! Hier führt ein lebendiges Tagwerk 
Menſchen vorüber. Wenn au einftürzen die Burgen der Väter 
Auf des Gebürgs Vorfprüngen, wenn aud fein Mafaniello, 
Der die Gemüter des Volks durch flegende Suada dahinriß, 
Willkür haßt, noch branden die Wellen, es rudert der Entel, 
Mie es der Ahnherr that in den blühenden Tagen bes Freiftaats, 
Noch aus heimiſcher Bucht, aufziehend die Segel, das Fahrzeug. 


Sprich, was reizender ift? Nach Süden die Bläche der Salzflut, 
Wenn fie fmaragbgrün liegt um zadige Klippen, und anwogt, 
Oder der plätfchernde Bach nach Norden im fchattigen Mühlthat? 
Sei mir, werde gegrüßt dreimal mir, fhönes Amalfl, 

Dreimal werde gegrüßt! Die Natur lacht Segen, ed wandeln 
Lieblihe Mädchen umher und gefällige Knabengeſtalten, 

Wo du den Blick ruhn läffeft in diefem Afyle der Anmut. 

Sa, hier könnte die Tage bes irdiſchen Seins ausleben, 

Ruhig wie ſchwimmendes Silbergewölf durch Nächte des Vollmonds, 
Irgend ein Herz, nad Stille begierig und füßer Beichrankung. 


Aber es läßt ehrgeiziger Bruft unftäte Begier mid 

Wieder verlafien den Sig preiswürbiger Erdebewohner, 

Bannt am Ende vielleicht in des Nords Schneewüfte zurüc mich, 
Wo mein lantendes Wort gleichlautendem Worte begegnet. 


218 


Sirte und Winzerin. 
1828. 


Winzerin. 
Sei willlommen im Freien, Antonio! Selten erfcheinft bu: 
Siehe, wie Far fernher buftet das blaue Gebürg! 
Hirte. 
Hier an des Weinberge Thür und am Thore der Billa Borgheie 
Hab' ih um dich oftmals, aber vergebens, geforfcht. 
Winzerin. 
Geſtern am Feſttag war ih in Rom, und in Sanct Agneſe 
Auf dem Navoniſchen Plag Hört! ich die ſchoͤne Muſik. 
Hirte. 
Sahſt du den fhönen Sebaftian auch in ber linken Kapelle? 
Unter den Heiligen ift diefer, ber nadte, beliebt. 
Winzerin. 
Unter den Liebenden find in der Seele die Frechen verhaßt mir. 
Rohes — ſchreckt ab, zierliche Rede gefällt. 
Hirte. 

Hab' ich die ſüßeſten doch, die geſcheuteſten Worte verſchwendet! 
Froſtig beharrſt du, wie dort auf dem Sorakte der Schnee. 
Winzerin. 

Kommt Weihnachten heran, mein Süßer, und reift Die Drange, 

Werde mit Früchten ber Korb, welchen ich gebe, gefüllt. 
Hirte. 
Deinem Geliebten den Korb? Nie würdeſt du bieten den Korb mir, 
Hätte Vincenz nit mid), deinen Geliebten, verbrängt. 


2319 


Winzerin. 

Wäre Vincenz mir wert, faum hätt’ ich zu ſchaͤmen * Wahl mich, 
Ehe der Flaum ihm Ichwoll, küßteſt den Schönen bu felbft. 
Hirte. 

Mir nun if er ein Gegner geworden, und geitern in heft'gen 

Wechſelgeſangs Wettftreit improvifirt' ich mit ihm. 
Winzerin. 
Ihm fehlt Selten ein Reim, auch dir fehlt felten ein Reim, Freund! 
Aber des Volks Beifall wurde dem Knaben zu Theil. 
Hirte. | 
Weil er in ſammtener Jade ftolzirt und die Schärpe fo ſchoͤn trägt, 
Ihm drum fchenten die Frau'n, gönnen die Nänner ben Preis. 
Winzerin. 
Kein gleihgültiger Punkt in der Lieb’ ift zierliche Kleidung, ' 
Feineren Sitten entfpricht gerne der feinere Hut. 
Hirte. 
Blos mit dem Spighut wand!’ ich einher und im zottigen Wolloließ; 
Aber ih kann gleih Ihm zärtlih empfinden und zart. 
Winzerin. 
Freund! Jetzt eil' ich hinein. Schon läutet es Ave Maria, 
Hinter dem Marioberg gleitet die Sonne hinab. 
Hirte. 
Laß halboffen, o laß Halboffen die Thüre des Weinberg, 
- Fühle, wie fehr Sehnſucht meine Gebeine verzehrt! 
Winzerin. 
Dort ſchon glänzt ein Geſtirn und es glänzt dein leuchtendes 
Auge; 
Aber du mußt Abfchieb nehmen, ich fchließe Die Thür. 


220 


Hirte. 
Siehe der firäubenven Hand den eroberten Schlüffel entwind' ich: 
Liebliches Kind, oftmals frommt in der Liebe Gewalt. 
Winzerin. 
Gieb mir wieder den Schlüffel, Verrat in der Liebe geziemt nicht! 
Wer im Streit nachgieht, feflelt ein mweibliches Herz. 
Hirte. 
Wer im Streit nachgiebt, giebt Stoff zu Gelächter. Allein jest 
Gehe hinein, ſchon wird's dunkel, o gehe hinein! 
Winzerin. 
Spötter! Ich gehe, du magſt nachfolgen, ich weiche der Lift blos; 
Doch Jedwedem geheim bleibe der fpäte Beſuch. 


Einladung nach der Inſel Palmaria. 
An den Sceiheren von Rumohr. 
1828. 


Wo Spezia’s fiebenbufiger Golf nach Weften bin 
Sich öffnet gegen Corſica, 

Stand ehevem ein Venustempel, jetzo ragt 
Am Ufer eine Fleine Stabt. 

Ihr dehnt ein Eiland gegenüber lang fih aus, 
Der Schiffer nennt’s Palmaria: 

Nur wenige Hütten zählt es, hier und dort verftreut, 
Bewohner zaͤhlt es wenige; 


221 


Delbäume ſtehn am minderſchroffen Bergeshang, 
Die meergewohnte Myrte blüht 

Nach allen Seiten, Rebe gedeiht und Feigenbaum, 
Den Gipfel frönen Pinien. 

In einer Bucht am Ufer aber Iode dich 
Die Heine Billa halbverftedt. 
Für diefen Sommer ift fie mein, und jeven Tag 
Grquiden bier des Morgenwinds, 
Der reinen Luft, des falzigen Babes Banana, 
Und ungeflörte Muße mid). 

Earrara’s Marmorberge fleigen fern empor, 
Zu ihren Füßen Lerici, 

(Wo jenes Dichters Freund ertranf, und dann von ihm 
Beftattet warb im Afchenfrug.) ! 

Mit fahler Stirne ragen dort des Apennins 
Bergrüden, während wohlgenmt 

Vorüber leichte Schiffe ziehn, um hier und dort 
Kaufmännifh aufzuftapeln, was 

An Pomeranzen fenden mag Sicilien, 
An fremden Weinen Genua. 

Doch, wenn du dich einbürgern wollte hier vielleicht, 
Sp follft du wiffen, was gebricht: 

Nichts fehlt .zu Diefes Aufenthalts Behaglichkeit 
Als folgerechte Küchenkunſt; 

Ein rauher Seemann waltet mir am Herde jetzt, 
Der ſtets von Porto Venere 

Des Morgens Holt zu Schiffe meinen Hausbeiftrf, 
Als Koh und als Matroſe dient. 





Da dieß Bekenntniß im Voraus ich abgelegt, 
So darf ih immer fagen: Komm! 
Wofern die Schatten deines florentinifchen 
-Landhaufes je du miſſen fannft, 
Das oft als Gaftfreund Tiebend mich und gern empfing, 
Zu wohlbeftelltem Tifche lud; 
Wofern in einem Himmelsftrih du leben magft, 
Der keinen Raphael gebar; 
(Do zeugten diefe Küften auch Unfterbliche, 
Columbus und Napoleon!) 
Wofern du, dem fo theuer ift toscanifcher, 
Vibrirter Conſonantenhauch, 
An Genueſerſprache dich, an galliſche 
Verweichlichung gewoͤhnen kannſt: 
So komm! Wo nicht, ſo lebe wohl! An jedem Ort 
Bleibt ſtets ja doch dein Eigenthum 
Der edle Scharfblick, welcher mißt der Künſte Reich, 
Und eine Seele voll von Huld! 
Doch eilſt du dieſer Inſel zu, fo male dir 
Nicht Capri vor und nicht Sorrent, 
Wo ewige Wolluft flötet, als Sirene laufcht, 
Und flötet ihren Klageton! 
Thorheit und Unruh waren’s, deren falſche Hafl 
Mich nach dem Norden angefpornt; 
Doch folgte baldige Reue nad, und leife tritt 
Sehnſucht in ihr poetifh Recht. 
Sobald ih Mailands alten Dom und jene Stadt, 
Die auf dem Meere ſteht, gefehn, 


Sobald Ariofls und Dante's Grab ih fromm beſucht, 
Um deren eble Schläfe nie 

Lorbeern genug aufhäufen kann Bewunderung: 
Verdoppelt eile dann der Schritt 

Dem Süden wieder zugeiwenbet pfeilgeſchwind, 
Ancona’s hohen Strand vorbei, 

Und Rom fogar und Eonradins Schlachtfeld vorbei, 
Zurüd in mein gelobtes Land, 

Bis mich zulegt abfondere vom Gewühl des Tage 
Der ſtillſte Bomeranzenhain. 


Philemon's Tod. 
1833. 


Als einft Athen Antigonus belagerte, 

Da faß der alte, neun und neunzigjährige 

Poet Philemon, mächtiger Dichter Ueberreft, 

Sn dürftiger Wohnung faß er da gedanfenvoll: 
Er, der Athen's glorreiähften Tagen beigewohnt, 
Der deine Philippiken angehört, Demofthenes, 
Und oft den reis errungen durch anmutige, 
Meisheitserfüllte, die er Ichrieb, Komödien. 

Da fhien es ihm, als fchritten neun jüngfräufiche 
Geftalten, leis an ihm vorbei, zur Thür hinaus. 
Der Greis jedoch ſprach diefes: Sagt, o fagt, warum 
Berlafiet ihr mi, Holde, Mufenähnliche? 


224 


Und jene Mäpchen, fcheidend ſchon, erwieberten: 
Mir wollen nicht den Untergang Athen’s beſchau'n! 
Da rief Philemon feinem Knaben und foberte 
Den Griffel, diefer wird fofort ihm dargereicht. 
Den legten Vers dann einer unvollenbeten ' 
Comoͤdie fchreibt der Alte, legt das Täfeldden 
Hinweg, und ruhig finft er auf die Lagerftatt, 
Und ſchlaͤft den Schlaf, von dem der Menſch niemals erwacht - 
Bald ward Athen zur Beute Macedoniern. 


Das Fiſchermädchen in Buranv.? 
1833. 


Stridt mit fleißig am Neb, ihr Schweflern! Es ſoll's der Geliebte 
Heute noch haben, fobald im befegelten Nachen er heimfehrt. 


Weßhalb zaudert er heute fo lang? Die Lagune verflacht ſich 
Schon, und es legt fi der Wind; um das leuchtende hohe Venedig, 
Wie es den Waflern entfleigt, ausbreitet fi Abendgewölk ſchon. 
Oſtwärts fuhren fie heut mit dem Fahrzeug gegen Altino, 

Mo in den Schutt hinſank chmals die bevölferte Seeſtadt. 
Häufig erbeuten fie dort Goldmünzen und prächtige Steine, 
Menn fie das Neb einziehn, die betagteren Fiſcher erzählen’s: 
Möchte du auch, o Geliebter, und recht was Koͤſtliches finden! 


Schoͤn wohl iſt es zu fiſchen am Abende, wann die Lagune ® 
m. Bligt, und das ſchimmernde Netz vom hangenden Meergras funkelt, 


235 
Jegliche Mafche wie Gold und die zappeluden Fiſche vergoldet; 
Aber ich liebe vor Allem den Feſttag, wann bu daheimbleibſt. 
Auf dem befuchteren Pla dann wandelt die fräftige Jugend, 
Jeder im Staat, mein Freund vor ben Uebrigen ſchoͤn und be 
ſcheiden. 
Oftmals lauſchen wir dann dem Erzähler, und wie er verfünbigt 
Worte der Heiligen uns, und die Thaten des frommen Albanus, 
Welcher gemalt Hier flieht in der Kirche, des Orts Wohlthäter. 
Doch ale feine Gebeine Hierher einft brachten die Schiffer, 
Konnten fie nicht an’s Ufer den Sarg ziehn, weil er fo ſchwer 
| ſchien; 
Zange bemühten die ſtarken gewaltigen Männer umſonſt ſich, 
Triefend ven Schweiß, und zuletzt ließ Jeglicher ab von der 
Arbeit. 
Siehe, da kamen heran unmündige lockige Kinder, 
Spannten, als wär's zum Scherz, an das Seil ſich, zogen den 
Sarg dann 
Reit an den Strand, ganz ohne Beichwerbe, mit freundlichem 
Lächeln. 
Diefes erzählt der bewanderte Greis, dann häufig erzählt er 
Weltlihe Dinge zumal, und den Raub ber venetifchen Bräute, 
Die nah Dlivolo gingen zum fröhlichen Feft der VBermählung: 
Jede der Jungfrau'n trug in dem zierlichen Körbchen den Mahl 
| ſchatz, 
Wie es die Sitte gebot. Ach, aber im Schilfe verborgen 
Lauert ein Trupp Seeräuber; verwegene Thäter der Unthat 
Stürzen fie ploͤtzlich hervor und ergreifen die bebenden Mädchen, 
Schleppen in’s Fahrzeug alle, mit hurtigen Rudern entweichend. 
Blaten, fämmtl. Werke, II. 15 


224 


Und jene Mäpchen, ſcheidend ſchon, erwiederten: 
Mir wollen nit den Untergang Athen's beſchau'n! 
Da rief Philemon feinem Knaben und foberte 
Den Griffel, diefer wird: fofort ihm dargereicht. 
Den legten Vers dann einer unvollendeten ' 
Comoͤdie ſchreibt der Alte, legt das Taͤfelchen 
Hinweg, und ruhig finft er auf die Lagerftatt, 
Und ſchlaͤft den Schlaf, von dem der Menſch niemals erwacht ” 
Bald ward Alben zur Beute Macebontern. 


Das Fiſchermädchen in Buranv.? 
1833, 


Stridt mit fleißig am Netz, ihr Schweflern! Es foll’s der Geliebte 
Heute noch haben, fobald im befegelten Nachen er heimfehrt. 


Weßhalb zaubert er heute fo lang? Die Lagune verflacht ſich 
Schon, und es legt fih der Wind; um das leuchtende hohe Venedig, 
Mie es den Waſſern entfleigt, ausbreitet fi Abendgewoͤlk ſchon. 
DOftwärts fuhren fie heut mit dem Fahrzeug gegen Altino, 

Wo in den Schutt hinſank ehmals die bevölferte Geeftabt. 
Häufig erbeuten fie dort Goldmünzen und prädtige Steine, 
Wenn fie das Neb einziehn, die betagteren Fiſcher erzählen’s: 
Möchte du auch, o Geliebter, und recht was Köftliches finden! 


Schön wohl ift es zu fifhen am Abende, wann die Lagune ® 
Blitzt, und das ſchimmernde Reg vom hangenden Meergras funkelt, 


225 


Jegliche Maſche wie Gold und die zappelnden Fiſche vergoldet; 

Aber ich liebe vor Allem .ven Feſttag, wann du daheimbleibſt. 

Auf dem befuchteren Pla dann wandelt die kräftige Jugend, 

Jeder im Staat, mein Freund vor den Webrigen fhön und bes 
ſcheiden. 

Oftmals lauſchen wir dann dem Erzähler, und wie er verfündigt 

Worte der Heiligen uns, und bie Thaten bes frommen Albanus, 

Welcher gemalt hier flieht in ber Kirche, des Orts MWohlthäter. 

Doc als feine Gebeine Hierher einft brachten die Schiffer, 

Konnten fie nicht an’s Ufer den Sarg ziehn, weil er fo ſchwer 
ſchien; 

Zange bemühten die ſtarken gewaltigen Männer umſonſt ſich, 

Triefend von Schweiß, und zuletzt ließ Jeglicher ab von der 
Arbeit. 

Siehe, da kamen heran unmündige lockige Kinder, 

Spannten, als wär's zum Scherz, an das Seil ſich, zogen den 
Sarg dann 

Leicht an den Strand, ganz ohne Beſchwerde, mit fteundlichem 
Lächeln. 

Dieſes erzählt der bewanderte Greis, dann häufig erzählt er 

Weltlihe Dinge zumal, und den Raub der venetifchen Bräute, 

Die nah Dlivolo gingen zum fröhlichen Feft der VBermählung: * 

Jede der Jungfrau'n trug in dem zierlichen Koͤrbchen den Mahl⸗ 

ſchatz, 

Wie es die Sitte gebot. Ach, aber im Schilfe verborgen 

Lauert ein Trupp Seeräuber; verwegene Thäter der Unthat 

Stürzen ſie ploͤtzlich hervor und ergreifen die bebenden Maͤdchen, 

Schleppen in's Fahrzeug alle, mit hurtigen Rudern entweichend. 

Blaten, ſammtl. Werte, II. 15 


Do vom Geſchrei wieberhallt ſchon rings das entfeßte Venedig: 
Schon ein bewafneter Haufe von Jünglingen flürmt in bie 
Schiffe, 
Shnen der Doge voran. Bald holen fie ein die Verruchten, 
Bald, nad männlihem Kampfe, zurüd im verdienten Triumphzug 
Führen fie heim in bie jubelnde Stadt die geretteten Jungfrau'n. 
Alfo berichtet der ehrliche Greis, und es laufcht der Geliebte, 
Rüſtig und ſchlank, wohl wert, auch Thaten zu thun wie bie 
Vorwelt. 


Oft auch rudert hinüber in’s nahe Torcello der Freund mic: 
Ehmals war's, fo erzählt er, von wimmelnden Menfchen bevölfert, 
Wo ſich in Einfamfeit jegt falzige Wafferfanäle 

Hinziehn, alle verfhlammt, durch Felder und üppige Reben. 
Aber er zeigt mir den Dom und des Attila fleinernen Seflel® 
Auf dem veröbeten Platz mit dem alten zertrümmerten Rathaus, 
Wo der geflügelte Löwe von Stein aus fonftigen Tagen 

Nagt, als diefe Lagunen beherrfchte der heilige Markus: ® 

A dieß fagt mir der Freund, wie's ihm fein Vater gefagt hat. 
Rudert er heimmwärts mich, dann fingt er ein heimifches Lied mir, 
Bald „holdfeliges Röschen“ und bald „in der Gondel die Blonde.” 
Alfo vergeht, uns allen zur Freude, der herrliche Feſttag. 


Stridt mir fleißig am Netz, ihr Schweitern! Es ſoll's der 
Geliebte 
Heut noch haben, fobald im befegelten Nachen er heimfehrt. 


— -..- 


Seylla und der. Neiſende. 
1835. 


Der Ueiſende. 
Scylla, du biſt nicht mehr fo gewaltfam wie bu zuvor warft; 
Denn es zerfraß allmählig das Meer die gigantifchen Arme, 
Jene verfteinerten, die du fo mörberifch, einem Polyp gleich, 
Aus dem Gewog vorftrediteft, im Schwall unermüdlicher Brandung. 
Doch noch konnteſt du nicht ganz laflen die heimliche Tücke, 
Als ich ein Gaſtfreund jüngft fehlief unter dem Dache des Gaſthofs 
Deiner umpfluteten Klippe zunächſt; mir fandteft du ganze 
Heere geiwappneter Floͤhe daher, Todfeinde der Nachtruh. 
Häufig gedacht ich des Rats, den Circe gelehrt dem Odyſſeus: 
Deine gefeptere Mutter im heißen Gebet anrief ich, 
Ob fie den Groll dir zähme mit honigumfponnener Sanftmut 
Aber umfonft! Matt zwar, doch fchlaflos bracht’ ich Die Nacht zu, 
Der ich von Rhegium her in der heißeften Sonne gewandert. 
Drei Jahrtaufende flohn, doch Haft vu der gräulicden Siite 
Nicht zu entfagen vermocht, unſchuldige Reifende plagend! 
Aber du gähnft? Nicht fheinft du gelaunt zu gefälliger Antwort. 

Scylla. 

Lafeft du nicht im Homerus, ich fei ein unfterbliches Uebel? 
Lohnt es der Müh’, mich nun zu behelligen wegen des Flohſtichs 


Anmerkungen. 


8 Wo jenes Dichter® Freund ertrank ꝛc 

Shelley, Byrons Freund. Sein Leichnam warb bekanntlich verbrannt. 
3 Das Fiſchermadchen von Burano. 

Burano ift eine Bifcherinfel, ein Baar Millien von Venedig entfernt. 
s Wann tie Lagune bligt ac. 

Diefe Verſe bezieben fih, mie man leicht erraten wird, auf vie 
ſtarke Phosphorescenz ver Lagune. die an gewiſſen Sommerabenven 
außerordentlich iR, und die angeführten Wirkungen bervorbringt. 

«Die nad Dlivolo gingen ar. 

Dlivolo, durch eine Brücke mit Venedig verbunden, Tlegt am öft- 
lichſten Punkte der Stadt, und iſt ver Sig des Patriarchats, das 
in der neueften Zeit nady Et. Diarkus verfegt worten. Der Raub 
der venetianifchen Bräute fällt in’s neunte Jahrhundert: doch wurde 
bis zum Untergang der Republik jährlich das Bert gefeiert, das jenen 
Borfuli verherrlichen follte. Man nannte es la festa delle Marie. 

5 Aber er zeigt mir den Dom und des Attila fleinernen Seffel. 

Der Dom von Torcello warb im Jahr 1008 gegründet. Ginen alten 
Biſchofsſftuhl, der Im Freien fiebt, nennt das Boll den Stuhl ves 
Attila. Attila fpielt überhaubt noch Immer eine Rolle in Venedig. 
und das ſtaͤrkſte und gemöhnlichfie Schimpfwort vafelbft, fiol d’un 
can, ſchreibt fich ohne Zweifel ven ihm her. Denn vie meiften 
venetianifchen Chroniken berichten uns, daß Attila ver Sohn eines 
Hundes geweſen. Dieſe Vieinung beruht auf einer Sprachvermechs. 
lung, deren ſich ver Volkshaß blos bemächtigte; denn in einigen 
Chroniken findet nıan den hunnifchen Autofraten auch als Sohn 
eines Chans bezeichnet. 

© Als diefe Lagunen beherrfchte ver heilige Markus. 

"Nel tempo di 8. Marco {ft ver Auédruck, deſſen fi) das gemeine 

Volk in Venedig bedient, um vie Republit zu bezeichnen. 


Feſtgeſänge. 


Aumerkungen. 


ı Wo jenes Dichters Freund ertrank ꝛc 

Shelley, Byrons Freund. Sein Leichnam ward bekanntlich verbrannt. 
2 Das Fiſchermaädchen von Burano. 

Burano ift eine Fiſcherinſel, ein Paar Millien von Venedig entfernt. 
s Wann tie Lagune bligt ꝛc. 

Diefe Verſe beziehen fih, mie man leicht erraten wird, auf vie 
ſtarke Phosphorescenz ver Lagune. vie an gewiſſen Sommerabenven 
außerordentlich if, und die angeführten Wirkungen bervorbringt. 
Die nah Dlivolo gingen ır. 

Olivolo, durch eine Brücke mit Venedig verbunden, Tiegt am öft- 
lichſten Punkte ver Stavt. und iſt ver Sig des Patriarchats, das 
in der neueften Zeit nad) Et. Markus verfegt worven. Der Raub 
der venetianifchen Bräute fällt in’8 neunte Jahrhundert: duch wurde 
bis zum lintergang der Republik jährlich vas Heft gefelert, das jenen 
Vorfull verherrlichen follte. Man nannte es la fesia delle Marie. 
Aver er zeigt mir den Dom und des Attila fleinernen Seflel. 

Der Dom von Torcello warb im Jahr 1008 gegründet. Einen alten 
Biſchofsſtuhl, der Im Freien fiebt, nennt das Volk den Stuhl des 
Attila. Attila fpielt überhaubt noch Immer eine Rolle in Venedig, 
und das flärffie und gewöhnlichfie Schimpfwort vafelbft, fiol d’un 
can, ſchreibt fich ohne Zweifel ven ihm Her. Denn vie meiften 
venetianifchen Chroniken berichten uns, daß Attila der Sohn eines 
Hundes gewefen. Diefe Dieinung beruht auf einer Sprachverwechs⸗ 
lung, beren fich ver Volkshaß blos bemächtigte, denn in einigen 
Chroniken findet man den hunnifchen Autofraten auch ale Sohn 
eines Chans bezeichnet. 
© Als diefe Lagunen beherrfchte der heilige Markus. 

"Nel tempo di $. Marco ift ver Austrud, deſſen fi) das gemeine 
Volk in Venedig bedient, um vie Republik zu bezeichnen. 


>» 


Feſtgeſänge. 


ie 2 ee tat ei ei Ernie Du ea 


Am Theater von Taormina. 
Elegie als Buneignung. 
1835. 


Zarte vergänglihe Wölkchen umfliegen den fhneeigen Aetna, 
Mährend des Meers Abgrund Har wie ein Spiegel erſcheint; 

Steil auf thürmt fih die Stadt, hoch über ben Gärten ber 

Klöfter, 

Ueber den blühenden Wein, ragen Cypreſſen empor. 

Fern in der Sonne verglühn die gefegneten Küften Italiens, 
Schöner und üppiger noch, als die fifulifchen Au'n: 

Bor mir feh’ ich die Heine, bie felſenumſchattete Seebucht, 
Welche zum Bad vormals feligen Nymphen gedient, 

Die fi der ewigen Jugend erfreut in der tiefen Kryftallflut, 
Ober der Brandungen auch raufchende Welle behorcht. 

Weither haft vu den Dichter geführt, auf griechiſchem Boden 
Sei’n dir, deutſcher Gefang, weichere Laute vergönnt! 

Schon vor ſechs Jahrhunderten einft, in den Tagen ber Vorzeit, 
Haft du der Iyrifchen Kunft würzige Blüte gepflegt. 

Walter und Wolfram lebten, und.rings um bie Wiege ber Kaifer, 
Die Hier herrſchten, erſcholl feuriger Minnegefang- 


232 


Lang zwar fehwiegft bu hierauf, doch lang auch ſchwiegſt du in 
Hellas ; 
Denn Jahrhunderte flohn nach den Gedichten Homers, 
Bis der äoliſchen Leier entftrömte die Seele der Sappho; ; 
Edlere Völker ummwehn Stürme der Wiedergeburt, 
Denen fie dann neufräftig entwachſen in toppelter Schönheit: 
Selig der Morgen, an dem wieder, o Kunft, du erwacht! 
Freudvoll feift du begrüßt, wiewohl ſchlaftrunken und ſcheu noch, 
Dich wird flählen jebod bald die gefhäftige Zeit. 

Ja, es entfprang aufs neu germanifchen Boden bie reiche 
Duelle der Iyrifchen Kunſt. Freilich, es haben fih nicht 

Allzuergiebiger Ader erfreut Kleiſt, Bürger und Stolberg, 
Aber es war ihr Lied Achten Gefühlen geweiht. 

Schiller und Klopfſtock fangen und Goethe, die Blume der Anmut, 
Rüdert und auch Uhlande Mufe, vor allen beliebt. 

Darf ih der neunte zu fein mid rühmen? Bedaͤchtige Männer 
Läugnen es nicht, mir ward Tieblicher Aeſte Gewind. 

Hier in dem ehmals oft von Gefängen umfinteten Ciland, 
Das Epiharmus bereits füllte mit Feſtmelodien, 

Wo Stefihorus fang und Simonibes einft, und benadhbart 
Ibykus (deine zugleich, Nefchylus, Urne bewahrt's), 

Wo fo gewaltige Hymnen erfonnen der göttlidhe Pindar, 
Mo Theofrit ſich drauf unter die Hirten gemiſcht: 

Hier, Germanta, laß, auf diefen unfterblihen Trümmern 
Brechen bie Lorbeern mich, die du bewilligeteft! 

Doch nicht fein um mein ſchwermütiges Haubt fie gewunden, 
Nein, auf deinem Nltar feien fie niedergelegt! 


— — — ——— 


2% 


Abſchied von Nom, 


1827. 
' 

u Sa a RT ES u 
PER FREE. © DEPFEHE — 
— Un — U UN U UV UV U U — 
— UV UL U 
— VUU—UUVU—_ 
UVU——— — 
u Wit 


Wer vorbeiziehn darf an dem Appifchen Weg, fübwärts gewandt, 

Mem aus des Sumpflande Wiefe der magiſchen Göttin 

Vorgebürg ragt (welche dereinft dem Odyſſeus reichte den Becher, 
indem fie 

Süßen Geſang an den Webſtuhl fanft erhob), 

Nenne beglüdt fih, er hat 

Die umwoͤlkt ſchwermütige 

Fieberluft Roms Hinter ſich! 


Frommt der Sehnſucht langeverſchollener That lebloſer Hauch? 

Frommt jenes urzeitkundigen Mannes Bericht uns? 

Der erzaͤhlt, hier wurde geraubt ein Geſpann Pflugſtiere dem 
Sohne Zeus, dort 

Legte den ewigen Grundſtein Romulus, 

Hier am Egeriſchen Quell, 

Wo ein Hain ſonſt rauſchte, trank 

Numa Weisheit, frommt es uns? - 


Wüſtenei'n blos blieben und Trümmer. Erſpaͤhn mag, zeigen mag 
Neugier den Unheilsort, wo ber blutende Caͤſar 


224 


Und jene Mäpchen, fcheidend ſchon, erwieberten: 
Mir wollen nicht den Untergang Athen's befchau'n! 
Da rief Philemon feinen Knaben und foberte 
Den Griffel, diefer wird fofort ihm dargereicht. 
Den legten Bers dann einer unvollendeten ' 
Comoͤdie fehreibt der Alte, legt das Täfelchen 
Hinweg, und ruhig finft er auf die Lagerftatt, 
Und fchlaft den Schlaf, von dem der Menfch niemals erwacht 7 
Bald ward Athen zur Beute Marceboniern. 


Das Fiſchermädchen in Buranv.’ 
1833. 


Stridt mit fleißig am Netz, ihr Schweflern! Es foll’s der Geliebte 
Heute noch haben, fobald im befegelten Nachen er heimfehrt. 


Weßhalb zaubert er heute fo lang? Die Lagune verflacht ſich 
Schon, und es legt ſich der Wind; um das leuchtende hohe Venedig, 
Wie es den Waſſern entſteigt, ausbreitet ſich Abendgewoͤlk ſchou. 
Oſtwaͤrts fuhren fie heut mit dem Fahrzeug gegen Altino, 

Wo in den Schutt hinſank ehmals die bevölferte Seeſtadt. 
Häufig erbeuten fie dort Goldmünzen und prächtige Steine, 
Wenn fie das Neb einziehn, die betagteren Fifcher erzählen's: 
Moͤchteſt du auch, o Geliebter, und recht was Köſtliches finden! 


Schön wohl iſt es zu fiſchen am Abende, wann die Lagune ® 
Bligt, und das ſchimmernde Neg vom hangenden Meergras funkelt, 


235 


Jegliche Mafche wie Gold und bie zappelnden Fiſche vergoldet; 

Aber ich liebe vor Allem den Feſttag, wann du daheimbleibſt. 

Auf dem befuchteren Plag dann wandelt die fräftige Jugend, 

Jeder im Staat, mein Freund vor den Uebrigen ſchoͤn und be 
ſcheiden. 

Oftmals lauſchen wir dann dem Erzähler, und wie er verkuͤndigt 

Worte der Heiligen uns, und bie Thaten des frommen Albanus, 

Welcher gemalt hier fieht in der Kirche, des Orts Mohlthäter. 

Doch als feine Gebeine Hierher einft brachten die Schiffer, 

Konnten fie nicht an’s Ufer den Sarg ziehn, weil er fo fehwer 
ſchien; 

Lange bemühten die ſtarken gewaltigen Männer umſonſt fich, 

Triefend ven Schweiß, und zuletzt ließ Jeglicher ab von der 
Arbeit. 

Siehe, da kamen heran unmündige lodige Kinder, 

Spannten, als wär's zum Scherz, an das Seil fi, zogen den 
Sarg dann 

Leiht an den Strand, ganz ohne Beſchwerde, mit freundlichem 
Lächeln. 

Diefes erzählt der bewanderte Greis, dann häufig erzählt er 

Weltlihe Dinge zumal, und den Raub der venetifchen Bräute, 

Die nah Dlivolo gingen zum fröhlichen Feſt der Vermählung: * 

Sede der Jungfrau'n trug in dem zierlichen Körbchen den Mahl⸗ 

ſchatz, 

Wie es die Sitte gebot. Ach, aber im Schilfe verborgen 

Lauert ein Trupp Seeräuber; verwegene Thäter der Unthat 

Stürzen fie plötzlich hervor und ergreifen die bebenden Mäbchen, 

Schleppen in’s Fahrzeug alle, mit hurtigen Rubern entweichen. 

Blaten, ſammtl. Werke, I. 15 


M 


Do vom Geſchrei wieberhallt ſchon rings das entfeßte Venedig: 
Schon ein bewafineter Haufe von Sünglingen flürmt in bie 
Schiffe, 
Ihnen der Doge voran. Bald holen ſie ein die Verruchten, 
Bald, nach männlichem Kampfe, zurück im verdienten Triumphzug 
Führen fie heim in die jubelnde Stadt die geretteten Jungfrau'n. 
Alfo berichtet der ehrliche Greis, und es laufcht der Geliebte, 
Rüflig und ſchlank, wohl wert, aud Thaten zu thun wie bie 
Vorwelt. 


Oft auch rudert hinüber in’s nahe Torcello der Freund mid: 
Ehmals war's, fo erzählt er, von wimmelnden Menſchen bevöffert, 
Wo fih in Einfamfeit jetzt falzige Wafferfanäle 

Hinziehn, alle verfhlammt, dur Felder und üppige Reben. 
Aber er zeigt mir den Dom und des Attila fleinernen Seflel ® 
Auf dem verödeten Plap mit dem alten zertrümmerten Rathaus, 
Wo der geflügelte Löwe von Stein aus fonftigen Tagen 

Ragt, als dieſe Lagunen beherrſchte der heilige Markus: © 

AU dieß fagt mir der Freund, wie's ihn fein Vater gefagt hat. 
Rudert er heimwärts mich, dann fingt er ein heimifches Lieb mir, 
Bald „Holdfeliges Röshen“ und bald „in der Gondel die Blonde.” 
Alfo vergeht, uns allen zur Freude, der herrliche Feſttag. 


Strickt mir fleißig am Neb, ihr Schweftern! Es ſoll's ber 
Geliebte 
Heut noch haben, fobalb im befegelten Nahen er heimfehrt. 


— — — —— — 


Scylla nad der. Meifende, 
| 1835. | 


Der Weifende 
Seylla, du bift nit mehr fo gewaltfam wie bu zuvor warf; 
Denn es zerfraß allmählig das Meer die gigantifchen Arme, 
Jene verfieinerten, die du fo moͤrderiſch, einem Polyp glei, 
Aus dem Gewog vorftredteft, im Schwall unermüblicher Brandung. 
Do noch konnteſt du nicht ganz laflen die heimliche Tücke, 
Als ich ein Gaftfreund jüngft fhlief unter Dem Dache des Gafthofs 
Deiner umfluteten Klippe zunähft; mir fandteft du ganze 
Heere gewappneter Flöhe daher, Tobfeinde der Nachtruh. 
Häufig gedacht ich des Rats, den Girce gelehrt dem Odyſſeus: 
Deine gefegtere Mutter im heißen Gebet anrief ich, 
Ob fie den Groll dir zähme mit honigumfponnener Sanftmut 
Aber umfonft! Matt zwar, doch fchlaflos bracht’ ich die Nacht zur, 
Der ih von Rhegium her in der Heißeften Sonne gewanbert. 
Drei Iahrtaufende flohn, doch haft du der gräuliden Sitte 
Nicht zu entfagen vermocht, unfchuldige Reifende plagend! 
Aber du gähnft? Nicht fcheinft du gelaunt zu gefälliger Antwort. 

Scylia. 

Laſeſt du nicht im Homerus, ich fei ein unſterbliches Uebel? 
Lohnt es der Müh', mid nun zu behelligen wegen des Flohfliche 


Aumerkungen. 


tWo jenes Dichters Freund ertrank ac. 

Shelley, Byrons Freund. Sein Leichnam ward bekanntlich verbrannt. 
2 Das Fiſchermadchen von Burano. 

Burano ift eine Fiſcherinſel, ein Baar Millten von Venedig entfernt. 
2 Wann tie Lagune bligt ꝛc. 

Diefe Berfe beziehen fich, wie man leicht erraten wird, auf vie 
karte Phosphorescenz ver Lagune, die an gewiſſen Summerabenven 
außerordentlich if, und die angeführten Wirkungen hervorbringt. 

4 Die nah Olivolo gingen ꝛc. 

Olivolo, durch eine Brücke mit Venedig verbunden, Tiegt am öſt⸗ 
lichſten Bunkte der Stadt, und iſt der Sig des Patriarchats, das 
in der neueften Zeit nah Et. Markus verfegt worten. Der Raub 
der venetianifchen Bräute fällt in’s neunte Jahrhundert: doch wurde 
bis zum Untergang ver Republik jährlich das Feſt gefeiert, das jenen 
Vorfall verherrlichen follte. Man nannte es la festa delle Marie. 

5 Aper er zeigt mir den Dom und des Attila fleinernen Seflel. 

Der Tom von Torcello warb im Jahr 1008 gegründet. Einen alten 
Biſchofeſtuhl, der im Freien ſteht, nennt das Volk den Stuhl des 
‚Attila. Attila fpielt überhaubt noch immer eine Rolle in Benevig, 
und das ſtärkſte und gemwöhnlichfle Schlinpfwort vafelbft, fiol d’un 
can, fchreibt fih ohne Zweifel ven ihm ber. Denn vie meiften 
venetianifchen Chroniken berichten uns, daß Attila der Sohn eines 
Hundes gewefen. Diefe Dieinung beruft auf einer Sprachverwechs⸗ 
lung, deren fich ver Volkshaß blos bemächtigte; denn in einigen 
Ehroniten findet man den hunnifchen Autofraten auch als Sohn 
eines Chans bezeichnet. 

© Als diefe Lagunen beherrfchte ver heilige Markus, 

"Nel tempo di 8. Marco ift ver Austrud, deſſen fich das gemeine 

Bolt in Venedig bevient, um die Republik zu bezeichnen. 


Feſtgeſänge. 


Im Theater von Taormina. 
Elegie als Zueignung. 
1835. 


Zarte vergängliche Wölkchen umfliegen ben fchneeigen Aetna, 
Während des Meers Abgrund Ear wie ein Spiegel erfcheint; 

Steil auf thürmt fih die Stadt, hoch über ben Gärten ber 

Klöfter, 

Ueber den blühenden Wein, ragen Eypreflen empor. 

Fern in der Sonne verglühn die gefegneten Küften Italiens, 
Schöner und üppiger no, als die fifulifchen Au'n: 

Bor mir feh’ ich die Heine, bie felfenumfchattete Seebucht, 
Welche zum Bad vormals feligen Nymphen gedient, 

Die fi der ewigen Jugend erfreut in ber tiefen Kryftallflut, 
Oder der Brandungen auch raufchende Welle behorcht. 

Weither haft du den Dichter geführt, auf griehifhem Boden 
Sei’n dir, deutfcher Gefang, weichere Laute vergönnt! 

Schon vor ſechs Jahrhunderten einft, in den Tagen ber Vorzeit, 
Haft du der Iyrifchen Kunft würzige Blüte gepflegt. 

Walter und Wolfram lebten, und rings um die Wiege ber Kaifer, 
Die Hier herrſchten, erſcholl feuriger Minnegefang. 


232 


Lang zwar fchwiegft du hierauf, doch lang auch ſchwiegſt du in 
Hellas ; 
Denn Sahrhunderte flohn nach den Gedichten Homers, 
Bis der ävlifchen Leier entftrömte die Seele der Sappho; 
Edlere Bölker umwehn Stürme der Wiedergeburt, 
Denen fie dann neufräftig entwachſen in toppelter Schönheit: 
Selig der Morgen, an dem wieder, o Kunft, du erwacht! 
Freudvoll feift du begrüßt, wiewohl fchlaftrumfen und ſcheu noch, 
Dich wird flählen jedoch bald die gefhäftige Zeit. 

Sa, es entiprang aufs neu germanifchem Boden bie reihe 
Duelle der Iyrifhen Kunfl. Freilich, es haben fi nicht 

Allzuergiebiger Ader erfreut Kleift, Bürger und Stolberg, 
Aber es war ihr Lied aͤchten Gefühlen geweiht. 

Schiller und Klopftod fangen und Goethe, die Blume der Anmut, 
Rückert und auch Uhlands Mufe, vor allen beliebt. 

Darf ich der neunte zu fein mid rühmen? Bedaͤchtige Männer 
Läugnen es nicht, mir ward Tieblicher Aeſte Gewind. 

Hier in dem ehmals oft von Gefängen umfluteten Eilanb, 
Das Epicharmus bereits füllte mit Femelodin, 

Wo Stefihorus fang und Simonides einft, und benadhbart 
Ibykus (deine zugleich, Aeſchylus, Urne bewahrt's), 

Bo fo gewaltige Hymnen erfonnen ber göttlihe Pindar, 
Bo Theofrit ſich drauf unter die Hirten gemiſcht: 

Hier, Germania, laß, auf diefen unfterblichen Trümmern 
Brechen die Lorbeern mich, die du bemwilligeteft! 

Doch nicht fein um mein ſchwermütiges Haubt fie gewunben, 
Nein, auf deinem Altar feien fle niedergelegt! 


— — — —— 


2% 


Abſchied von Kom, 
1827. 


— Yu — — U UI IN — — — AS — 

a a RD a RN ET RE a 

— U u YVU m U — — U U UI — 
— UV — — — U — 

— UVM — 

YUV U m — — — 


— Yun — — U um 


Wer vorbeiziehn darf an dem Appiſchen Weg, ſüdwärts gewandt, 

Wem aus des Sumpflands Wiefe der magifchen Göttin 

Vorgebürg ragt (welche dereinft dem Odyſſeus reichte den Becher, 
indem fle 

Süßen Gefang an den Webftuhl fanft erhob), 

Nenne beglüdt fih, er hat 

Die umwoͤlkt ſchwermütige 

Fieberluft Roms hinter ſich! 


Frommt der Sehnſucht langeverſchollener That lebloſer Hauch? 

Frommt jenes urzeitkundigen Mannes Bericht uns? 

Der erzaͤhlt, hier wurde geraubt ein Geſpann Pflugſtiere dem 
Sohne Zeus, dort 

Legte den ewigen Grundſtein Romulus, 

Hier am Egeriſchen Quell, 

Wo ein Hain ſonſt rauſchte, trank 

Numa Weisheit, frommt es uns? 


Wüſtenei'n blos blieben und Trümmer. Erſpaͤhn mag, zeigen mag 
Neugier den Unheilsort, wo der blutende Caͤſar 


234 


Lag, des Orts — fogar, wo er ſiel, Bildſäule bes goͤtt⸗ 
lichen Feldherrn, 
Der, in Pharfalus entmannt, dur Tempe's Thal 
Floh, das elyſiſche Thal, F 
Wo des Stromgotts Urne länge 
Grüner Au’n Goldfluten gießt. 


Doch ein Fahrzeug fegelte bald in des Mordſtrands Hafen ihn: 

Nicht ohne Sram, nicht ohne die Thräne der Wehmut, 

Sah des Tobfeinds Leiche der Sieger, gedenk ehmaliger Tage 
ber Freundſchaft, 

Oder beweinend im Geift Roms Loos, er felbft 

Nömer, der Frevelnde, ber 

Es geftürzt. Zeitläufte flohn, 

Aber Rom ſank, ſank und finft. 


Zwar es fällt langfam, wie das Dauernde fällt, großartigem 

Mannfinne gleich, der Sphärengefänge des Wohllauts 

Jener Welt — zuführt dem ermübdenden Werktagsleben und 
Schwärmer gehöhnt wird, 

Während allein er das AN klardenkend wägt; 

Do der Beladene beugt 

In den Staub allmählig fein 

Sinnend Haubt leidvoll hinab. 


Alfo Rom. Nichts frommte der üppige Prunk blutgieriger 

Selbfiherrfcher ihm. Neufprofiende Balme bes Glaubens, 

Die du blos tieffinnige Schatten umherwarfſt über die Male der 
Borzeit, 


235 


Retteten Glanz und des Pomps Scheinkünfte dich ? 
Möge die Schulter des Volks 

Den Juwelſtuhl tragen, ber 

Deines Gotts Statthalter trägt! 


Aus dem Prachtſchutt Roms den Eorinthifchen Knauf, ja, Säulen: 
reihn 

Wegführend ſtützt, Raubſucht zu verewigen, ſinnlos 

Dein Levit Bethäufer in düſterer Form, Unſchönes und Schönes 
in Ginflang 

Zwingend umfonfl. Es erhebt Sanct Peter fein 

Kuppelerhabenes Dach: 

Den Titansbau flört indeß 

Wittenberge flahlharter Mönd). 


Nun verlor dein Schlüffel, Apoftelgewaltherrfchaft die Gunſt, 

Er, der der Weltfiabt Segen ertheilt und dem Weltkreie: 

Nur Erinnerung blieb. Sie entriß die Heroen altheidniſcher 
e Sage dem Erdſchutt: 

Blutend verhaucht der Athlet ſiegswerte Kraft, 

Pfeile verfenbet der Gott 

Des Geſangs, Wehmut erwedt 

Habrians bildſchoͤner Freund. 


Als an Joſephs Bruſt das Sirenengefhoß abprallen fah 

Dein Kirchenhaubt, andähtiges Rom, und ber fechfte 

Pius demutsreih von dem Kaiſerbeſuch heimzog, der erhabene 
Pilgrim, 

Waͤhrend entſchlüpfte der Obmacht Zepter ihm, 


236 
Schuf er die neue Gewalt, 


Und es warb bein Zauberftab 
Ihm ein Feldherrnſtab, o Kunft! 


Steigen läßt fein Wort Obelisfen empor, Golbdeden mölbt, 

Prunktwände zieht, ausbreitet das fchöne Muſtvwerk 

Sein Geheiß, euch würdige Sie zu weihn, Denkmäler! (DO hätt’ 
er gefunden 

Mildere Schidungen! Frankreichs Kerkerluft 

Athmete fterbend er aus: | 

Es verließ gramſchwer der Greis 

Deinen Feftraum, Batifan!) 


Do den Anblick trübt des verfchwendeten Bildwerks Uebermaß, 

Unruhe ſchwankt zaghaft, wie die Seele der Jungfrau 

Aus der Schaar anmutiger Freier den anmutsvollften zu wählen 
umherfhwanft: 

Mebergenüflen erliegt oftmals der Geiſt. 

Nicht das Vergangene frommt, 

Da der Bildkraft Schüler felbft 

Nicht die Kunft lernt dur die Kunſt. 


Hörft du gern Nat an, fo beginne zuerſt Einfaches blos: 

Bollfommenheit treibt Früchte hervor an erprobten 

Stämmen, Freund! Nicht wolle zu frühe der Griechheit huldigen! 
Waͤchſerne Federn 

Klebt an den Nacken des Flugs Nachahmer blos; 

Aber es bluͤhn in des Lichts 

Region Sternbilver Ihm, 

Den die Schwungfraft oben hält. 


237. 


Manchen Geift zwar fhafft die befeelte Natur, der Griechenlands 

Blos no dem Stumpffinn hieroglyphiſche Schönheit 

Kennt und Hold ausbildet unfterbliche Korn. Aufweckt an dem 
rofenumbaudten 

Silbergeplätfcher des Bergquelis wieder er 

Alten, olympiſchen Tanz: 

So erihuf Thorwaldfen aus 

Götterdämmrung Tageslicht. 


Aber dieß Lied gleicht dem verirrenden Waidmann: Nachtigall: 

Ton lodt hinweg fein Herz von des Wildes Verfolgung: 

Ohne Pfad fchweift rings in Gebüſch, in Geflld, Laubwälder und 
Felſen entlang er; 

Endlich verfheucht der Gebürgsſchlucht Waflerfall 

Seven Geſang und den Traum 

Des Gemüts ihm. Wieder ſucht 

Seinen Jagdweg Jener auf. 


Selig, wen Thatfraft und behaglihen Sinn leiht Gegenwart, 

Wer neu fi ſelbſt fühlt, Neues zu bilden bedacht ift, 

Wem das Dafein ewig erfheint, und der Tod felbit eine Defpoten- 
erfindung, 

Deren Gedanke des Glücks Pulsſchlaͤge hemmt: 

Gerne verläßt er und froh, 

Kapitol, dein Schattenreich, 

Eure Pracht, Kichhöfe Roms! 


Lenz des Erdballs! Parthenopäiſche Flur! Stets neue Stadt! 
Aufnimm den Freund, geuß raufchende Buchten: umher ihm, 


238 


Denen einft (urweltliche Fabel erzählt's) wollüſtig entſtiegen bie 
Schönheit; 

Myrten der Küfte, des Flutſchaums Blum’ im Haar; 

Aber es reichte, ſobald 

Sie an’s Land flieg, Bachus auch 

Seines Weinlaubs Thyrfus ihr! 


Mir zum Beiftand naht des quirinifchen Weltruhms Dichter felbft: - 

Aus Griechenland heimkehrend ereilte der Tod ihn; 

Doch es dedt Tein römischer Hügel des Frühmegfterbenden Staub 
in der Urne: 

Meinen Gebeinen, befahl fein letzter Wunſch, 

Merde Neapel Afyl, 

Mo in Frudthainlauben ich 

Hirten, Feldbau, Helden fang. 


Dem Kronprinzen von Bayern. 


1831. 
. 
Do u I — — — INS 
Yu I en INS un 
— — UM UNI nn — — ꝰ— U un N 
— Ye I UI u I un — v — — 
— M—-UENYME — ꝰ — — 
a IT u Yo en I UI un I a AI — mn 
— WI u IA u I — 
— — U WI u Yun SF un — 


Es ſchlummert Tängft mir im Heiligthum bildender Kraft 
An dich, o Fürft, ein Gefang, 
Dem vaterländifcher Zukunft Buͤrgſchaft verlichn das Geſchick, 


239 


Der du ſelbſt in der Brufl die Glut melodiſcher Dichtung 
Hegft, dem Vater gleich, und der Kunft tieffinnige Meifter liebſt, 
Die mit holdem Zepter das Bolf, den Herrſchenden ähnlich, 
Lenken; aber Berftändniß folgt 

Oft erfi dem beſchwingten Klang zu Fuß nad. 


Bor Allen foderte mich zu Liedfpendungen auf 

Das Wort des würdigen Freunde, 

Der mir von frühefter Kindheit ftets hieß ber treufte Genoß, 
Aber nun an der Seite dir mit freundlidem Rat flieht. — 
Offen liegt ein mächtiges Feld vielfundigen Dichter, der 
Deines Haufes Glanz und den taufendjährigen Ruhm wälzt; 
Denn bereits Diademe trug 

Dein Stamm in der fagendunklen Urzeit: 


Als König waltete Garibald, hohen Geſchlechts, 

Im reihen Bojergefild 

MWeitherrfchend einft, wo der Inn ftolz hinwallt mit reißendem Zug, 
Dem zulegt in der Schlucht fich mifcht der filleren Donau 
Ebner Flur entjprudelter Strom. Aufnährte das fchönfte Pfand 
Garibald, der lieblichen Tochter brautlide Schänbeit: 
Theudelinden ummarb indeß 

Hochſinniger Fürftenföhne Schwarm ringe. 


Es wirbt der fränfifche Childebert. Autharis auch, 

Der Iongobardifche Fürft, 

Hoch ragt er unter der Mehrzahl fiegsfühner Freier empor, 
Der das wehende Banner aufgepflanzt an der Spike 

Rhegiums (getrennt von ber fruchtbar'n Wurzel des Netnabergs 


En 


240 


Durch der Scylla Hundegebell und kochenden Meerſchwall). 
Doch Pavia verläßt der Fürſt, 
Nordwärts, an ber Etſch, den Strom hinauf zieht 


Er wohlgemut, in der Bruft den fehnfüchtigen Wunſch. 
Verkappt in Botengeflalt 

Sieht Bofvarien ihn. Schon tritt aus dem Frauengemach 
Theudelinde, geführt von Garibald, und dem Fremdling 

Beut fie dar, der Sitte gemäß, Willfonm in dem Feſtpokal: 
Als das Glas empfing der vermummte Fürft von ber Jungfrau, 
Ihr die Hand mit gelindem Drud 

Rührt fanft er und feufzt: O Theudelinda! 


Geringer fcheint die verſchwiegene Egg, Allen entrüdt: 

Die Eluge Schöne verbirgt, 

Blaß zwar vor Schreden, des Gaſtfreunds Wagftüd in’s tiefe Gemüt. 
König Autharis freit, in Königs Autharis Namen, 

Jene nun, und gerne gewährt, huldreich, die erwählte Braut 
Garibald. Es giebt das Geleit dem werbenden Frembling 
Schlanke, boifche Heldenfchaar 

Durch's Alpengebürg in’s füße Welfchland, 


Wo Phöbus früher die Traube reift, Jünglingen aud 

Die Schläfe männlicher bräunt. 

Als auf der fleinigen Gränzmark abfchievlic boten den Gruß 
Wechſelſeits der Geführte felbft und bie, fo geführt ihn, 
Schwang das Beil der reifige Held kraftvoll in behender Fauſt; 
Tief im Stamme wurzelt’ es feft des mächtigen Ahorns: 
Solche Streiche, wie der, vermag 

Bios Autharis auszutheilen, rief er, 


241 


Und kenntlich Allen entſchwand der gabeuNge Fürſt. 

Es reichte darauf dem Gemahl 

Bald Theudelinde den Brautring. Stets trügt jedoch des Gefchicks 
Gunſt die Sterblichen, ſei'n fie niedrig oder an Macht groß: 
Authars Blume welkte dahin frühzeitig an ſchnödem Gift, 
Das der Nebenbuhler, ein Sohn der tückiſchen Brunhild, 
Jenem ſendete, Childebert; 

Doch pflegte des Reichs die Bojoarin. 


Sie trug den ſeltenen Schatz der — im Gemüt, 

Es dient' Italien ihr. 

Oftmals begründeten Frau'n manch gerefäiaftsgeisaltiges Hei, 
Weil dem Maͤmergeſchlecht an Elugem Sinn. fie voranflehn: 
(Wohl bezeugt’s der fpäteren Zeit England und Blifabeth, 
Kämpfe nahm die Tochter des fechsten Karls mit ber Welt auf, 
Moskowitifche Geißel ſchwang 

Siegreih die entmenſchte Meflalina.) 


Die longobardiſche Königin theilte dem Volk 

Gerechte Sagungen aus, 

(Heilvoll erganzt des Naturtriebs Wildheit das weile Geſetz, 

Das der Blüte des Menfchengeiftes herbere Frucht ift) ⸗ 
Während rings der Menge fie kundthun ließ des Erloͤſers Wort: 
Endlich ſchickt Gregorius ihr, der heilige Welthirt, 

Jene Krone von Eifen zu, 

Nachwachſender Helden höchſtes Kleinod. 


Es fliehn in rafcher Geburt die Weltlooſe dahin, 
Es wechſelt Leben und Grab. | 
-Blaten, fümmtl. Werke, 1. 16 


5 


212 
Uns naͤchſte Zeiten, o Herr, fahn nochmals ein blühendes Weib, 
Deines Stammes in dem Fürſtenſtuhl der mächtigen Ahnfrau: 
Theudelinden glich fie an Form, reizvoll wie ein Stral des Lichte, 
Nicht an Glück. Es fallen des übermütigen Schidfals 
Mürfel tückiſch und ungeſtüm, 
Ummälzenden Tagen flürmt Gefahr nad; 


Und wird zum Schwerte der Pflug, fo bricht Königen felbft 
Entzwei der güldene Reif. 

Graunvoll zerfiört der Gewalt Bergfturz rings bie Fülle des Thale: 
Wohl erfuhr’s die erhabene Frau, des fränkifchen Ehbunds 
Opfer, ja, die Tochter fogar, jenfeitig des Dreans 

Eines Kaifers Braut an der palmenfchattigen Meerbucht. 

Doch im Munde des Dichters lebt 

Bleichreigend und ewig Heil und Unheil. 


— m — — — 


An die Brüder Frizzoni in Bergamo, ' 


1831. 
— Yun — FI — 
— U — — FU INT — — — N — 
— —⏑æä — —— — ⏑æ — — — N — 
— Mn — US U U — 


— U u — — U on 


— — UV U — — — — — U — 


Manchen Vorwurf mußt' ich ertragen von euch, 
Weil ſo lang Pauſilipo's Ufer den Freund feſthalten, indeß 
Zwiſchen Alpen und Po fich ausdehnt, welche Flur! 


Weinbefränzt, voll Harer Seen, volkreich und geſchmückt 
Durch der chmals mächtigen Städte Gemeinſinn, 

-Der berbeirief edle Kunft, 

Anſchauliche Form zu verleifn bildlofer Wahrheit Ihöpferiich. 


Mit verfhämäht mein feſtlicher Sang, in des Lobs 

Süßen Born eintaudend der Fittige weithinfchattiges Paar, 

Euch Iombarbifcher Heimatflur Preislieb zu weihn. 

Als in dammrungsgrauer Borgeit Alboin einf 

Aus dem Nord herführte gepanzerte Heerſchaar, 

Sah der Fürft, der auf des Berges 

Schneegipfel exobernden Bid ließ ſchweifen, ſolch fruchtreich 
Gefild 


Hocherſtaunt, klonm froöhlich herab und erwarb's. 

Widerſtand nicht hätte vermocht zu entziehn ihm größeres Ziel, 

Mär’s das leuchtende Rom foger; bald flört jedoch 

Seines Muts fiegswerten Plan ihm häusliches Weh, 

Welches ihm Roßmunda bereitete, die ihm 

Dach Gewalt warb astvermählt, 

Unwilligen Siuns! im Gemüt auebrütend Rachſucht — 
los! 


Denn es ſſiel ihr Vater voreinſt in dem Kampf 

u ben Beilfhlag deſſen, an ben in bes EChbunde ſchnöde 
Gewalt 

Nun das 2008 fie geknüpft. Der Sieg zeugt Uebermut: 

Durch die Burg fcholl Jubel, laut auftobte das Welt, 

Als Rokal rings kreiſte der Schädel. des Feindes; 


242 
Uns nächfte Seiten, o Herr, fahn nochmals ein blühendes Weib, 
Deines Stamms in dem Fürftenftuhl der mächtigen Ahnfrau: 
Theubelinden glich fie an Form, reizuoll wie ein Stral des Lichte, 
Nicht an Glück. Es fallen des übermütigen Schiefals 
Würfel tückiſch und ungeftüm, 
Ummälzenden Tagen flürmt Gefahr nad; 


Und wird zum Schwerte der Plug, fo bricht Königen felbft 
Entzwei der güldene Reif. 

Graunvoll zerftört dei Gewalt Bergfturz rings die Fülle des Thals: 
Wohl erfuhr's die erhabene Frau, des fraͤnkiſchen Ehbunds 
Opfer, ja, die Tochter fogar, jenfeitig bes Oteaus 

Eines Kaiferd Braut an der palmenfchattigen Meerbucht. 

Do im Munde des Dichters lebt 

Bleichreigend und ewig Heil und Unheil. 


— — — — — 


An die Brüder Frizzoni in Bergamo. ' 


1831. 
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— — UNE — — — U 


Manchen Vorwurf mußt' ich ertragen von euch, 
Weil ſo lang Pauſtlipo's Ufer den Freund feſthalten, indeß 
Zwiſchen Alpen und Po ſich ausdehnt, welche Flur! 


Bi 


Weinbefrängt, voll Harer Seen, voltreid und geſchmückt 
Durch der chmals mächtigen Städte Gemeinſinn, 

Der berbeirief edle Kunft, 

Anſchauliche Form zu verleihn bildloſer Wahrheit fchöpferiich. 


Nicht verſchmäht mein fefliher Sang, in des Lobs 

Süßen Born eintaudend der Fittige weithinfchattiges Paar, 

Euch lombardiſcher Heimatflur Preislied zu weihn. 

Als in dDammrungsgrauer Vorzeit Alboin einſt 

Aus dem Nord herführte gepanzerte Heerſchaar, 

Sah der Fürft, der auf des Berges 

Schneegipfel exobernden Bid ließ ſchweifen, ſolch fruchtreich 
Gefild 


Hocherſtaunt, klomm fröhlich herab und emiverb's. 

Widerſtand nicht Hätte vermocht zu entziehn ihm größeres Ziel, 

Wär's das leuchtende Rom foger; bald flört jedoch 

Seines Muts fiegsmwerten Plan ihm häusliches Web, 

Welches ihm Roßmunda bereitete, die ihm 

Dach Gewalt warb anvermählt, 

Unwilligen Siuns! im Gemüt ausbrütent Machſucht grängen- 
los! 


Denn e8 fel ihr. Bater voreinft in dem Rampf 

FR den Beilfehlag deſſen, an ben in bes Ehbunde ſchnöde 
Gewalt 

Nun das Roos fie geknüpft. Der Sieg zeugt Uebermut: 

Durch die Burg ſcholl Jubel, laut auftobte das Welt, 

Als .Bofal ringe kreifte der Schädel, des Feindes; 


Fr 


Dia 


Diefen bob Fuͤrſt Alboin. 
Trotzvoll, in beraufchter Bethoͤrtheit, auf und ſprach: Roßmunda, 
teint! 


Jene trank ; Stolz hemmte den Zährenerguß, 

Als fie wog ſchmerzvoll in ber Hand des. gelicht ehrwürdigen 
Haubt⸗ 

Theure Laft, und Vergeltung ſchwur ſtillſchweigend ihr 

Blick; und tief trüͤbt ihn der Ohnmacht Iammıergefühl. 

Gegen Kraft hilft ER nur allein und des Geldes 

Allgewalt; Schönheit erreicht 

Durch uͤppige Künfte fo manch Wunſchziel:und durch Liebtkoſungen. 


Alboins Freund fiel in bie Netze des Weibs, 

Helmiches; Schmach finnt er dem Könige, ſinnt Bluidürſtigeres. 

Nacht unhüllte Verona's Burg, kampfmüder Schlaf: 

Sieh, da ſchlich, Morbluſt im Sinn, Roßmundagemach, 

Mo der Held ausathmete ruhigen —— 

Aber daß wehrlos er ſei, 

Traͤgt weit von dem ge fie weg Streitnt und ‚Schwert, 
Wolſchlands Rain; 


Dann die Mordſchaar winkt fie heran. Es verſucht 

Alboin fruchtlos mit dem Schaͤmel den ſcharf eindringenden Stahl 
Abzuwehten, und bald entſeelt trieft blutig fein 

Nackter Leib. Nicht füchle Neid, wer fern von des Ruhms 
Glatter Bahn aufwärts zu der Könige Thron blickt: 

Ihr Geſchick iR faltenreich, 

Aufwickelnd enthädtt:es Gefahr vftmals umd weiffagt jäher Sturz. 


'245 


Aber Unthat reiht an den Frevel fih an: 

Senes Paar einfammelte biutiger Ausfaat Erntegebühr. 

Stets umfonft um die Königin warb Helmiches: 

Andres Ehbunds lüflern, den barbot der Exarch, 

Der der Herrfchaft pflog in dem alten Ravenna, 

Haft des Mords Mithelfer fie, 

Wirft ihm in des fhäumigen Weins Kelchglas ein marfaufzehrend 
Gift. 


Als jedoch halb kaum er getrunken, erkennt 

Helmiches wutvoll den Verrat; er entblößt zweiſchneidigen Dolch, 
Drohend, bis ſie des Bechers Reſt ſelbſt ausgeſchlürft. — 

Boll von Unheil, groß jedoch tönt ſonſtiger Zeit 

Sage, gern fit feinem Gefang fie der Dichter 

Ein, und führt klangreich vorbei 

Prachtſtroͤmige Wogen des Liedes, urbeutfcher Vorwelt gern gedenk. 


Doch er weilt ftets lieber im Roſengebüſch, 

Das der leisauftretende Friede gewälbt dicht über dem Quell, 
Wo Genuß in dem Schooß der Freundfhhaft felig ruht: 

Mög’ um euch fanft ſchimmern leichthinwallenden Tage 
Mildes Licht! Nie möge der Krieg und die Seuche, 

Deren But jegt füllt die Welt, 

Einziehn in die Thäler, in die harmlos herabfchaut Bergamo! 


En 


248 


Dem Grafen Yriedrih Fugger. 


1838. 
— YV— — — YUV U — 
— ⸗— — MY N MU NY — 
— V —  YVU — 
— U u u — — Au Due EEE — — 
— Yen 


Wo der Herbft zwar fpät in das flüchtige Jahr tritt, 

Das bereitd tagmüde zum Ende fidh neigt, 

Aber nit kommt ohne Geſchenk: 

Nein, im ſchöngeflochtnen Korb aufhäuft die erquidlicden Früchte: 
Alfo tritt mein Feſtgeſang, 

Freund, vor di, mitführenn hochgeſchichteten zeichen Erſatz, 


Menn id auch faumfelig erfcheine, dieweil du 

Lange Zeit ſchon bliebeft der Kunde beraubt. 

Do wofern dein Schulpner ich ward, 

Magſt du üben deines Ahns großmütige milde Geſinnung, 

Der im Antlitz Kaiſer Karls 

Warf den Schuldſchein, ven er ftolz zerriß, in die Flamme des 
Heros. 


Kaifern wohlthun ſchmückt den befheidenen Bürger; 

Doch es giebt Allmofen, an denen der Danf 

Feſter klebt, (Ehrgeizigen dünft 

Klein die Welt) und deines Stamms Altvorbere beuteten wahrlich 
Nicht umſonſt Goldgruben aus, 

Sandten Fein Kauffhiff, von deutſchen Wimpeln umflattert, umfonft 


247 


Nah dem noch jungfräulich indifchen Weltmeer: 

Ihnen ward wohlihätiger Gründungen Ruhm, 

Der gerührt auf Dürftigere 

Blickt, und für die Folgezeit ausſpendet der wuchernden Liebe 
Samenkorn. Reichthümer find 

Als Gemeingut anzufehn, wofern fie der Gute beſitzt. 


Aber nicht mehr blüht die germanifche Schifffahrt, 

Mancher Freiſtaat fank, und des reihen Erwerbs 

Duellen füllt anfpülender Schlamm; 

Ad, und dieß verarmte Bolf ſchleppt Enechtifch ein eifernes Joch 
nad! 

Nur dem Wohlftand ſchweſterlich 

Folgt die Freiheit, leichten Muts, und windet den buftigen Kranz. 


Do zurüdblieb mancher erfreuliche Troſt une: 

Di beſucht tonreih Polyhymnia, fie, 

Frühſter Wilpheit Bandigerin, 

Die am Haͤmus einft des Orpheus heilige Raute befpannte: 
Ihm zunaͤchſt lag zahm bes Leu’n 

Blonde Braut, friebfertig faugend hing an ber Zige der Welf; 


Auf dem Zweig faß ruhig der Aar, und die Geber 

Beugte voll Sehnſucht zu dem Sänger herab 

Ihr im Luftraum fchwelgendes Haubt, 

Während feinem Ton fih fanft aufblätterien bebende Rojen. 
Diefe Kunft pflegt dein Gemüt; 

Sei fie denn Tiebreid begrüßt, bie treue Befänftigerin! 


|". 


Deines Tonfalls Zauber umkleidete meines 

Nackten Worts vielfältige Wendungen oft. 

Bär es doch niemals an das Licht 

BVorgetreten! Haͤtt' ich fiets doch Freunden es blos zu geheimer 
Gunſt geweiht! Ungünftig treibt's 

Auf den Zeitmeer, rings umfauft, ein naͤchtlicher Lahn im Gewog. 


Selbſt das faſt Vollkommene waltet im Dunkeln 

Ungeprüft; alltägliche Weiſe gefällt, 

Weil der Thorheit Mode beherxſcht 

Unſre Zeit. Es haucht das Volk Beifall in die Pfeife des Fauns nur. 
Wer belaufcht tiefernfles Lieb ? 

Mög’ er nah’n, auftretend facht und ohne Geräuſch. Cr behorcht 


Keines Lehrlinge rohen Verſuch. Des geübten 

Schleifere Fuß dreht leicht den befeuchteten Stein: . 

Alfo wälzt auch meines Geſangs 

Rad fi fort, und vielbetont, nicht blos das Erhabene pflegt er, 

Auch der Anmut Flüchtigkeit, 

Streut, dem Baum gleih, Früchte fammt unzählicher Fülle des 
Laubs. 


Doch mir warb Stillſchweigen und kalte Beipöttlung 

Blos, zum Lohn nie früher gewagten Gefangs, 

Seit ein Mund Teuts Worte belebt. 

Aber weil des Unverſtands Zuruf unb bie Stimme des Reibbarts 
Sprit, ich fei fein Dichter, ſoll 

Run ich feig einziehn gemütumſtrickende Nee ver Kunſt? 





249 


Oder darf lahm werben der himmlischen Weile 
Flügelſchlag, mutlos in entfiederter Kraft, 
Weil des Acffleins Pfote zu ſchwer 


Schilt des Köchers ehr'ne Wucht, aus a er mit feurigem Antlı$ 


Meine Kunft wegholte mandı 


Wurfgeſchoß? Frei ſteht die Folge Jedem, ich fliege voran! 


Auf den Tod des Kaiſers. 
1835. 


— — WU — — AI U NM — 


Ausbreite die thauſchweren Flügel, o mein Gemüt! 
Ernſteren Feſtlaut 

Beginnend ſchwebe der Seemöve, der unſtäten, gleich, 
Die bald die blendende Schwungfeder hebt 

Luftwärts, und bald in das blaue Meer taucht: 


So ſchweb', o Klaglied, ſchwebe daher in Holdfeligfeit. 


Schnell fam von der Donau Geſtade zum Arnoſtrand 
Mächtige Kunde: 


Der alte Kaifer erblich, der in dem Zeitſturm erfuhr | 


Mandy ſtolzes Glück, und des Leids Bitterfeit, 
Der Karls unfträfliches Priefterfleid einft, 


Der legte, trug; doch trugft du den Panzer au, Sohn Pipins! 


250 


Wenn rühmlihen Stamms letzter Erbe ben Geiſt verbaut, 
Wird in die Gruft ihm 

Das Wappenſchild des Gefchlechts, zierlichen Schmucks nachgeſenkt: 
Dieß erzgetriebene Bildwerk des Liebe, 

Auf gleiche Weile hinab verfenf ich's 

An fhwanfem Seil, vormaligen Ruhms im Geiſt eingebenf. 


Glückſelige, die freudig fon an das Ziel gelangt, 
Schattenvergleichbar! 

Geweſ'nes ſcheint, wie die Dichtkunſt, dem Gemüt fabelhaft: 
Iſt's moͤglich? Hatteſt du ſolch ſtaͤhlerne 

Vorfahren? Krönten fie einſt in Rom ſich? 

Und bis zum Jordan wagten fie einft die Kriegspilgerfahrt? 


Sind's flüchtige Traumbilder, die in der Seele mir 

Wogen empor? Drei 

Geſchlechter ſeh' ih, an Siegsrukm und an Unftern verwandt, 
Hinſtürzen. Zäher erfcheint deins zuletzt, 

Dem Iotharingifches Blut vermifcht ward, 

Da fammt dem Brautring Reiche vergab die Habsburgerin. 


Bielfältig erregt Gottes braufender Athemzug 

Menſchliche Thatkraft, 

Und flets erneut des Geſchicks Laune den Umſchwung des Tags. 
Wohl haben jene gelebt allgefammt: 

Dein fhlihter Ahn an der Reug und Albrecht, 

Und wer den Freiheitöbrief mit der Scheer’ entzweifchnitt fobann. 





251 


Nicht will ich indeß, Herr, das Echo der Feinte fein: 
Todtengericht mag 

Ein Andrer Halten! Um bein eifiges Herz kön mein 
Feſtlied die Fittige warmbrütend aus! 

Weil, als ich warb und der Sonne Licht fah, 

Du pflagft des Reiche Kleinode, fo will Bafall fein ih bir . 


Durch Leben und. Tod. Biel des Schmerzlichen zwar geichah; 
Aber die Schuld Ipringt 

Bon Hand zu Hand, wie im Ballfpiele der nie fihre Wurf. 
Dein Bater fanf in die Gruft vor der Zeit! 

Glatt ift die Jugend, es gleitet ab brum 

Bon ihr die Weisheit. Ach! Du beftiegft den Thron allzufrüh, 


Anhörend in Unschuld der norbifchen Zeufelin 

Tückiſchen Ratſchlag. 

Sie dachte: Wenn ich des ehrwürdigen Reichs Ahnenkraft 
Aufreize gegen das Neufrankenvolk, 

Eins geht von zwei'n in dem graͤßlich furchtbar'n 
Zuſammenſtoß ſchiffbrüchig zu Grund. Sie hat wahr gedacht. 


Ihr Deutſchen, o flieht ſtets des öoden Polargeſtado 

Freche Sirene, 

Und blickt mit doppeltem Antlitze, der geit Janusbild, 

Oſtwärts gewendet und weſtwärts umher! 

Dann wird in friſcherer Blüte glanzvoll 

Um euch des Glücks Lenzmorgen erblühn, und ſtets Envspenreich, 


250 


Wenn rühmliden Stamms Iegter Erbe ben Geiſt verhaucht, 
Wird in die Gruft ihm 

Das Wappenfchild des Geſchlechts, zierlichen Schmuds nachgeſenkt: 
Dieß erzgetriebene Bildwerk bes Liedes, 

Auf gleiche Weife hinab verſenk ich's 

An fhwanfem Seil, vormaligen Ruhms im Geiſt eingebent. 


Glückſelige, die freudig fon an das Ziel gelangt, 
Schattenvergleihbar! J 
Gewefnes ſcheint, wie die Dichtkunft, dem Gemüt fabelhaft: 
Iſt's möglih? Hatteſt du fol flählerne 

Vorfahren? Krönten fie einft in Rom fi? 

Und bis zum Jordan wagten fie einft die Kriegspilgerfahrt? 


Sind's flüchtige Traumbilder, die in der Seele mir 

Wogen empor? Drei 

Geſchlechter feh' ih, an Siegsruhm und an Unflern verwandt, 
Hinſtürzen. Zäher erfcheint deins zuletzt, 

Dem lotharingiſches Blut vermiſcht ward, 

Da ſammt dem Brautring Reiche vergab die Habsburgerin. 


Vielfältig erregt Gottes brauſender Athemzug 

Menſchliche Thatkraft, 

Und ſtets erneut des Geſchicks Laune den Umſchwung des Tags. 
Wohl haben jene gelebt allgeſammt: 

Dein ſchlichter Ahn an der Reug und Albrecht, 

Und wer ben Freiheitöbrief mit der Scheer’ entzweifchnitt fobann. 


251 


Nicht will ih indeß, Herr, das Echo der Feinde fein: 
Todtengericht mag 

Ein Andrer halten! Um dein eifiges Herz beine mein 
Tefllied die Fittige warmbrütend aus! 

Weil, als ich warb und der Sonne Licht ſah, 

Du pflagft des Reiche Kleinode, fo will Vaſall fein ih dir 


Durch Leben und. Tod. Biel des Schmerzlichen zwar geſchah; 
Aber die Schuld fpringt 

Von Hand zu Hand, wie im Ballfpiele der nie fihre Wurf. 
Dein Bater fanf in bie Gruft vor der Zeit! 

Blatt ift die Jugend, es gleitet ab drum 

Bon ihr die Weisheit. Ah! Du beftiegft den Thron allzufrüh, 


Anhörend in Unfchuld der nordiſchen Teufelin 

Tüdifchen Ratſchlag. 

Sie dachte: Wenn ich des ehrwürdigen Reichs Ahnenfraft 
Aufreize gegen das Neufrankenvolf, 

Eins geht von zwei'n in dem gräßlich furchtbar'n 
Zufammenftoß ſchiffbrüchig zu Grund. Sie hat wahr gedacht. 


Ihr Deutſchen, o flieht ftets des den Polargeſtads 


‚Freche Sirene, 


Und blickt mit doppeltem Antlige, der Zeit Janusbild, 
Oftwärts gewendet und weſtwärts umher! 

Dann wird in frifcherer Blüte glanzvoll 

Um euch des Glücks Lenzmorgen erblühn, und ſtets knospenreich. 


f2 


252 


Nicht if in dem Volk, traum! gebrochen die Kraft zugleich, 
Mährend entzweibrach 

Das morſche Zepter. D fragt Leipzig, o fragt Waterloo! 
Noch grünt der Sieg um die franzbunfle Stirn; 

Do würdig flets der Genoſſen zeigt euch, 
Sobald der Zwingherrſchaft unerfreulich Zerrbild erfcheint. 


Dann feiere wohllautend jugendli eures Muts 

Tugenden meine 

Behelmte Kunft! Wie ein Eichſtamm, in der ——— allein, 
Steht freigewachſen und hoch mein Geſang: 

Ausraufen magſt du das bunte Moos wohl, 

Der Rinde Schmuck, nicht aber den Baum; zu tief wurzelt er. 


Der Herzogin von Leuchtenberg. 
1835. 


— Mn ⸗— — Sn INT — 


Aufbewahrt Het graue Vorzeit diefes erfreuliche Wort, 
(Wenn je der Schmerz uns des Erfreu'ns theilhaft erfcheint, 
Denn das WMutterauge dem Sohn 

Nachweint, des Hoffnungsvoflen zu frühe beraubt) 

Daß ſtets in der Blüte dahinſinkt jugendlich 

Wer der Gottheit füßer, Liebling, 


253 


Hohe Frau! Dir fern umflehn zwo Witiwen den vffueh Sarg, 
Teoflleeren Bid neigend in fehnfudtstiefer Not, 

Nah dem Bruder, nah dem Gemahl 

Hinfchauend, durch urplöglichen Sammer bewegt; 

Doch über das nädtliche Schaufpiel liebevoll 

Wirft die Dichtkunſt ihren Lichtſtreif! 


Ewig.foll dein Mutterfchmerz vaftehn, wie ein Niobebild, 
Hod auf des ſchoͤnſtimmigen Feſtlieds Fußgeſtell. 

Aber felig werde genannt, 

Mer frühe ſchon eingeht in das Schattengefilb: 

Nicht ſchleppt er die Sorge bes frankheitmüden Leibe 
Schritt vor Schritt angftvollem Grab zu; 


Auch der Schönheit, auch der Kraft Abnahme, des lieblichen 
Paars, 

Nicht kennt er, ſchaut nichts in des Jahrs tiefernſtem Tanz, 

Als den reigenführenden Lenz. 

Nicht durch des Daſeins Wechſelgeſchicke das Herz 

Fühlt tief er empört: Es kredenzt ſelbſt Glüͤcklichen 

Herben Wermutskelch das Schickſal. 


Ber erfuhr mehr denn du ſelbſt raſchlaunigen Wandel des Tags? 
Dir wurde manch freudiger Kranz neidvoll entführt: | 
Einen Heldenfohne vermählt, 

Ruhmreich, an Schönheit Krone ber irdiſchen Frau'n, 

Bald feines umfunfelten Sternbilds Untergang 

Sahſt du, bald ihn ſelbſt begrubſt vu. j 


N 


254 


Thronberaubt dann kehrte gen Europa bie Tochter zurüd; 
Doch goldne Frucht hangt an des Unheils morſchem Aft 
Häufig als ein labendes Pfand 

Freudvoller Zukunft. Auf dem Gefleber des Siege 
Schwang liebebefeelt fid empor dein Schwiegerfohn, 

Der vom Thron warf jenen Binthund. 


Mutbegabt, feftwillig, voll ausdauernder Kraft in des Kampfs 
Langwierigfeit, immer voran, wo's galt Gefahr, 

Sah die Welt den Herrlihen, ihm 

Zujauchzend Beifall. Häßliche Nymphe ver Spree, 

Du ſaßeſt allein, um das Aug’ neivgelben Ranft, 

Kalt, in theilnahmslofer Bosheit ; 


Denn fich felbft bleibt treu des Sinns urfprüngliche Jämmerlichkeit: 
Lichtſcheues Nachteulengefchlecht flieht fonnenfrant 

Deine Scheibe, rofiger Tag! 

Manch Hirngefpinnft aushedt es und mancherlei 

Schulſtaubige Dünfte. Die Weisheit aber zieht 

Ihre Glanzbahn jung und aufrecht. 


Ihr, der Selbſtſucht Söhne, die Frampfhaft, in des zähen Gemüts 
Irrwahn, fo feft Halten der Herrſchaft Eifenftab: 

Wißt, ein Fürft, ein Kaifer fogar . 

Starb für die Freiheit! Jugendlich ad! in den Rauſch 
Neuduftigen Sieges, an Schönheit Herkules, 

Sant des Manns fraftvoller Leib Hin! 


255 


Ja, er farb. Frohlocke nicht, irrfinniger Poͤbel! Es trug 
Niemals der Tod, der des Triumphs Thürſchwell' umwand, 
Eine honigfüßere Form. 

Einhüllt des Weihrauchs Wolfe das Leichengepräng 
Sammt feftliden ewigen Lorbeers Wohlgeruch: 

Thräne, fleuch, hier fieht der Nachruhm 


KRiefenhaft! Oft fah die Welt duldſam des Erobererfchwerts 
Bligartig aufzudenden Glanz. Freiheit indeß 

Fand der Helden wenige nur; 

Do diefe ſchmückt flets reineren Heiligenſcheins 
Sanftleuchtende Krone, dem Herrfchaftsmädhtigen 

Zwängt die Stirn blos ein Metallreif. 


Ewig Heil drum Jedem, der einheimifche Fluren befreit 
Aus doppeltſchwer brüdender Not: Pfaff fammt Tyrann 
Anferfetten find’ an Gewicht. 

Heil Jenem, der ächt ritterlih auf der Gewalt 
Thronftufen erhebend ein ſchuldlos Mädchen, ihr 
Deines Sohns Hand anvermählt hat, 


Hohe Frau! Zwar warf die Hochzeitsfadel betrüglichen Schein, 
Halbdunkler Gruftlampe vergleichbar; doch es Hat 

Solches uns der Glaube gelehrt, 

Daß flets in undurchdringlicher Nächte Gewölt 

Einhüllt die erleuchtete Borfiht ihren Pfad, 

Während Blindheit unfer Loos ift! — 


N 


256 


Kein Barum frommt. Ewig bleibt ſtillſchweigend und ernſt das 
Geſchick; 

Doch wälzt vie Dichtkunſt der Beredſamkeiten Flut, 

Strömt Ergebung aus und Geduld: 

Antheil am Schmerz, Antheil an der Freude geziemt 

hr, welche die Fittige feſthält ſelbſt Saturns, 

Ihm des Daſeins Spiegel vorhält. 


Ueber's Meer fernhin geſandt fei dieſes, o nenn’ es, Gedicht, 
Das auf gebürgsmächtigem Eiland ſinnend ich 

Unter'm Hauch des Lenzes erfand, 

Der auch der Sehnſucht mildere jeglichen Schmerz. 

Stets brauſe jedoch des Geſangs Strom, welcher um 
Wittelsbachs liedfrohe Burg ſchäumt! 


An die Brüder Frizzoni. 


1835. 
— MIN U U — 
u RE I a VI 
SW ae. ne ae, RT en een ENT See 
— UU_NUVZUYUU U U 
— — u I a WU —— 


Leichtfüßigere Tone will ih anitzt 

Anheben, Freunden ein liebevoll Geſchenk: 
Es ſchwellt Wohllaut die Hangreihe Bruſt, 
Ueppig entjprudelt ihr der Gedanke, welcher 
Anfüllt das filberne gefäßtiefe Kunſtwerk. 


257 


Buch ſchenkte tie Natur gefchmeidigen Sinn, 
Obfiegend leicht des Gefangs ernfler Sphinx, 
Indeß geiftarme Gleichguͤltigkeit 
Unſere Zeit bewaͤltiget durch Zerſtreuung: 
Ihr aber huldige das zeitloſe Lied nie! 


Euch dichtete voreinſt ich ernſteren Laut, 
Gruenvollen Thaten gewidmet; aber mein 
Gemüt pflegt jetzt das anmutige, 

Waͤhrend ich auf trinakriſchem Boden ſaͤume, 
Wo Tauromenium emporſteigt am Felshang. 


Was troͤſtete die Seele für den Verluſt 

Unwiederbringlicher Jugend? für den Hohn 

Der ſtets boshaften Kurzſichtigkeit, 

Welche, beklatſchend lüͤſterne Baͤnkelſaͤnger, 

Taub ſcheint, fo bald fie den gefühlstrunknen Schwan Hört? 


Was tröftete die Seele? Nur des Gefangs 

Allmählig wachfende füge Meifterfchaft, 

Und dein Anblick verleihe Troft, Natur! 

Hier in das Gras geſtreckt mit dem Auge ſchwelg' id: 
Schon ſchlaͤft gebändiget die ſtahlglatte Salzflut 


Kaum fpülend an den Strand; italifher Au'n 

Südſpitze ſchwimmt in dem reinften Zauberbuft, 

Derklärt, voll Ruhe, ſchoͤnabendlich; 

Doch an des Aetna's Außerfiem Fuße prangt ber 

Erdzunge liebliches, an Kom reiches Fruchtland: 
Platen, ſammtl. Werke IL 17 


ey 


258 


Flach tritt in das erfreute Meer es hinaus, 
Einladend; denn an dem ganzen Strand umher 
Erſcheint, unwirtlich, blos ſchroffer Fels. 

Dort an der erntelachenden Stelle war es, 

Wo Griechen landeten zuerſt, durch den Liebreiz 


Jungfraͤulichen Gefſildes im Herzen erregt. 
Bol Staunen fahn fie der Infel Fülle, fahn 
Des Berges Schneerüden baftehn im Rauch, 
Sahn das erhöhte fremde Geſtad' Italiens 
Sanft leuchten: innigere Sehnſucht ergriff fie; 


Schnell warfen fie des Ankers doppelte Wucht, 
Aufbauend Wohnungen, Tempel auch Apolls, 
Des Weinftods zarten biegfamen Zweig 

Pflanzend, damit des tröftlihen Reiſeſchlauches 
Niemals ermangele die fhiffemüde Mannfchaft. 


Do, Freunde, wohin irrt der dichtende Geift? 
Zängft eingefargte Gefchlechter wedt er auf, 
Befeelt nochmals des Urzeitlichen 

Traum. D genießt die freubebefäwingte Jugend, 
Die Frafterfüllt in dem Bewußtfein des Tags lebt! 


Auf flerbliche Geſchicke Tauerte ftets 

Trugvoller Wechſel: Es hat des Vaters Tod 

Das Herz jüngft euh mit Gram angefchwellt; 

Aber zugleich entzündete Hymens Fackel 

Liebreiche Segnungen. Es ſchmückt Holder Wohlftand 


259 
Eu’r gaſtliches erwerbgefegnetes Haus, 
Das nun der ſaͤchſiſche Freund mit euch bewohnt, 
Und voll Theilnahme mehrt euer Glüͤck; 


Aber das unvergänglidhe Siegel präget. 
Auf jedes Schöne die beſtandfrohe Dichtkunſt. 





Au Sermanu Schütz. 


1835. 
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Veraͤchtlich ift des Kleinlichen Eitelfeit, g 
Nicht aber des Edlen Stolz: Erhabenes ift ſchwer zu —— 
Die Ratte jedoch kreucht in jedweden Spalt. 

Ich lobe beſcheidenen Sinn in des täglichen Thuns Vorgaͤngen, 
Wo Gleiche zu Gleichen geſellt; 

Doch kühn wie ein Adler fleugt Begeiſtrung. 


Sch ſchelte nicht das kindliche Lied, entfproßt 

Harmloſem Gemüt, und ſelbſt das kindiſche ſei Vielen erfreulich: 
Gewaltiges nur werde drum nicht verkannt! 

Es möge behaglichen Ton dem gefälligen Ohr herſtammeln 
Wen immer Geringes ergößt: 

Mir winfe jeboch ber hoͤhre Siegepreis! 


260 


Erwachſ'nen biet' ich würbigen Hochgeſang: 

Mich wähle der Held zum Zeltgenoſſen am Vorabend des Kampfes; 
Es höre der Staatsmann des Liebe Warnungen 

Sobald es die Toten erwedt und erblichener Zeit Greßthoten 
Tieffinnig und feierlich waͤlzt; 

Mir wende der Denker ſeinen Blick zu. 


Es ſchöpfe, Freund, der bildende Künſtler auch 
Anſchauungen aus dem lebendigen Springquell der Gefänge: 
Er lerne die Anmut hervorlacken trotz 

Des ſproͤdeſten Stoffs, das Bedeutende ſtets von dem Wuſt ab⸗ 
> ſcheidend; 

Auch lern' er im Geiſte verſtehn, 
Die Fülle fich paart der hoͤchſten Einfalt. 


Du führft mit reger Liebe den emſigen 

Grabftihel und Teiheft ebenbürtigen Kunftfhöpfungen Dauer; 
Und während du weilft, Freund, am kieshohen Strand, 

Wo Pflege gefunden die Künfte, betret' ich des Meere Felsufer 
Naͤchſt unter dem Aetnagebürg, 

Tonkundiger Nachtigallen Wohnfitz. 


So fern dem Herd, dem heimiſchen, weiß ich doch 

Wer meiner gedenkt! Du wandelſt über die braunthonige Haide 

Mit eiligem Fußtritt des Nachts oft und übſt 

An meinem beſchwingten Geſange den: rhythmiſchen Geiſt laut⸗ 
ſtimmig: 

Glückſelige, denen des Lieds 

Unſchuldiges Gaſtgeſchenk Genuß bringt! 


261 


Mit feinem Golde geize ber Wechsler, dem 

Sechsfältige Riegel kaum genügen und fehsfältige Schlöſſer; 
Dem Dichter indeß ziemit bie Wreigebigkeit: 

Er gleiche der Lilie, welche bewegt von dem Süboftiwinbe 
Abſchüttelt erquicklichen Than. 

Nun ſchweige, Geſang, der Abend naht nen 


⸗ HSymuus ans Sicilien. 
Sn 1835. 


A Mn EU NY MEN MH N TEN NS NS — 


— U UI NT 
— un WG NS nF u — — 


ZZ ULUU_LULOLIÖZE EYE 


Geſtirnerleuchtete Naht, o geuß 

Sn mein Gemüt tieffinnigen Geſanges unerſchoͤpflichen reichen 
Duell! 

Denn der Natur gleich fei das Feſtlied, 

Die den Tag nicht blos, den erfreulichen, uns 

Durch farbige Gebilde reizend ausſchmückt, 

Nein, dem Dunkel ſogar der Lichtfunfen ftets wachen Glanz 
verlieh. 


Es bangt die Serie zur ernflen Seit, 

Des fremden Gilands Küfte, bie umbunfelte, betrachtend im 
Monbenlicht, 

Welche vareinft glanghell umſtralt war, 


⸗ 


262 


Als die Luft, duch griechifche Lieber. bewegt, . 
Sanft bebete dem Saitenfpiel Apollon’s, 
Den Päane des Volks am buſchreichen Bergquell verherrlichet: 


Es bangt des Späteren Seele, ber 

Si felber mißtraut, norbifchen Gefilden an den fen € Seen 
entfproßt, - 

Menn er im Wettftreit fol der Borwelt 

Kunſtbegabt nachringen, ein ernftlicher Kampf! 

Doch reifere Genüſſe beut der Herbſt ja, 

Wenn das üppige San auch nie zurüdbringt den Würzebuft. 


Es ſcherzt, Proſerpina, länger nit \ 

Um di die Schaar braunlodiger Geſpielinnen im oͤderen Enna⸗ 
thal; 

Dornen umblühn jetzt jenen Bergſchlund, 

Den der zweizackmächtige Gatte verließ, 

Als dunkle Hyacinthen pflüdend harmlos 

Dich der Liebende fand, des frauenfchönen Eilandes höchfte Zier. 


- 


Der Nymphen Klage verfholl umfonft, 

Am Flammenberg Angpmbekt die mütterliche Fackel umfonft der 
Schmerz, 

Streifend umher flets. Jener Gott bob 

Auf's Sefpann ſchwarzmaͤhniger Hengfle bie Braut: 

Hochwipfliche Cypreſſen nahmen auf dich, 

Durch Asphodeloswiefen quoll dir ber lichtſcheue Letheſtrom. 


263 


Die Infel aber erhielteft bu 
" Bon Seus zur Mitgift. Muͤtterlich umpflegete fie deiner Er⸗ 
zeugerin 
MReichliche, füllgornmilde Hand flets; 
Denn es Tiebt inbrünftige Liebe den Ort, 
Mo zärtlichen Ergufles einft gepflegt fle, 
Auf verlaffener Stelle rückwünſchend Niewiederkehrendes. 


Und feit entlediget diefes Land ’ 
Der Holden Obhut, ſchmachtet es in trägem, unermeßlichem 
| Bauberfchlaf: 


Heimiſcher Gottheit it's beraubt nun. 

Nah des Nords reizloferen Triften entflob 

Thatfräftige Gewalt und reger Kunftfleiß: 

Auch die fpröde Natur bezwingt, traun! der niemübe Menfchens 

geiſt. 

Germaniens Helden eroberten 

Das Nordgeſild ſammt wonnigeren Auen an dem Strand des 
Oreto ſelbſt. 

Dieſes Geſtad' iſt noch des Ruhms voll, 

Den zurückließ ihre gewaltige Fauſt: 

Wo Friederich im Grabe ſchlaͤft und Heinrich 

Frühbeſtatteter Leib zugleich ruht im porphyrnen Sarkophag. 


Erlauchte Thaten begleite ſtets 
Des Sängers Wort, das ruhmlichem Beginnen unerſchwinglichen 
Lohn verheißt, _ 


m 


264 


Der der Gemeinheit nicht erreichbar. 

Schön erwuchs Deutfchland in heroiſcher Kraft; 

Doch ſchöner, die entwölfte Stirn mit Weisheit 

Krönend, fichet es jeht, und ſtolz hebrs den wahnfreien Slick 
empor. 


So darf der redliche Dichter nicht 

Berzagen, der ehmaliger Befränzungen entblätterien Raum be- 
tritt: 

Hellas erſcheint nicht mehr fo furchtbar. — 

Mi des Hochmuts zeihen die Meiften, und doch 

Bar Keiner fo befcheiden, weil ich langſam 

Hob der Fittige Schwung, und ſpaͤt erſt die kunſtreichſte Form 


ergriff. 
Fragment, ? 
1835. 

Vo u Ni u u I — 
— — I UI IS — I u IF. u rn NP un 
You JS un — — — ET — 
Yu I U u U UI — 
VD I u AI — ED — I II I 
Vu WU — — — — — ⏑ — 
Vu DB INS u — ⏑ — I — 
Vu — INS un un AI u I — 


Die Welt if, o Freund, ein Gedicht, 
Drum klagt der befangene Menſch umfonft der Boriht Saunen an: 
Er fieht des Unrechts Triumphbogen aufban'n, 


Und Liegen im Staube der Edlen Haubt; ; 
Er gewahrt des Kriegs unermeßliches Ungethüm, und in feinem 
Gefolge der Seuchen Heer, und der Krankheiten zahllofe Brut. 
Sodann, mit dürftigem Maßſtabe, meiftert er 

Die großartigen Bruchſtücke des Heldenlieds. 


Du kennſt, was voreinft fang Homer: 

Nun lehre der irdiſche Dichter dich der Allmacht ernfleren 
Gefang verftehn! Keine Schuld beugte Hektors 

Bepanzerte Bruſt, er befhügte blos 

Die Altäre heimifcher Götter und Weib und Sohn und ber alten 
Erzeuger entfärbte Loden; und doch ſchlug den Starkfehnigen 
Achill und ſchleifte ſodann rings, von Thor zu Thor, 

Den Leichnam in gewaltthätiger Rachbegier. 


Er ſelbſt auch entging nicht dem fchnell 

Hinraffenden Tode; Patroflos harrte fein unlange blos. 

Um Beider Grabhügel huldreich erſcholl dann 

Der Goͤttinnen ewiger Klagehor: 

Nereidenftimmen erhuben das Lieb, es tönte die Leier 

Der Mufen darein; indeß der Olymp ſchwieg und Seus felbft 
geftand: 

Die Tiebli immer die vorlaute Freude fei, 

Den Geiſt baͤndige nichts Schoͤneres als der Schmerz. 


Wieviel drauf Odyffeus erlitt 
SR Jeglichem fund. Er bezwang der oͤden Salzflut Ungeheut 


— ——— — — 


264 


Der ber Gemeinheit nicht erreichbar. 

Schön erwuchs Deutfchland in heroifcher Kraft; 

Dog fhöner, die entwölfte Stirn mit Weisheit 

Keönend, fichet es jest, und flolz hebt's den wahnfreien Slick 
empor. 


So darf der rebliche Dichter nicht 

Verzagen, ber ehmaliger Befränzungen entblätterten Raum be⸗ 
tritt: 

Hellas erſcheint nicht mehr ſo furchtbar. — 

Mich des Hochmuts zeihen die Meiſten, und doch 

War Keiner ſo beſcheiden, weil ich langfam 

Hob der Fittige Schwung, und ſpaͤt erſt die kunſtreichſte Form 


— 
ergriff. 
Fragment. 
J 
1835. 
Vo — — — NS 
— — I MI u II ⏑ — — — NP 
U on FI mu u NS — — NS — — 
VI — IND UN U U N u U 


Die Welt if, o Freund, ein Gebicht, 
Drum Hagt der befangene Menſch umfonft ver Vorficht Launen an: 
Er flieht des Unrechts Triumphbogen aufbau'n, 


265 


Und liegen im Staube der Edlen Haubt; 
Er gewahrt des Kriegs unermeßliches Ungethüm, und in feinem 
Gefolge der Seuchen Heer, und der Krankheiten zahllofe Brut. 
Sodann, mit bürftigem Maßſtabe, meiftert er 

Die großartigen Bruchſtücke des Heldenlieds. 


Du kennſt, was voreinft fang Homer: 

Nun lehre der irdiſche Dichter Dich der Allmacht ernfleren 
Geſang verftiehn! Keine Schuld beugte Heftors 

Bepanzerte Bruſt, er befchügte blos 

Die Altäre heimiſcher Götter und Weib und Sohn und ber alten 
Erzeuger entfärbte Loden; und doch ſchlug den Starkfehnigen 
Achill und ſchleifte ſodann rings, von Thor zu Thor, 

Den Leichnam in gewaltthätiger Rachbegier. 


Er felbft au entging nicht dem fchnell 

Hinraffenden Tode; Patroflos harrte fein unlange blos. 

Um Beider Grabhügel huldreich erfholl dann 

Der Goͤttinnen ewiger Klagechor: 

Nereidenfimmen erhuben das Lieb, es tönte bie Leier 

Der Mufen darein; indeß der Olymp ſchwieg und Zeus felbft 
geftand: 

Wie Tieblih immer die vorlaute Freude ſei, 

Den Geift bändige nichts Schoͤneres als ber Schmerz. 


Wieviel drauf Odyffeus erlitt 
Iſt Jeglichem Fund. Er bezwang ber oͤden Salzflut Ungeheur 


266 


Anmerkungen. 


Das Heine Gedicht „nie Flucht nach Toscana" gab Veranlaſſung zu 
dem vorliegenden, da von Iombarbifchen Breunden eine Ehrenrettung ver 
Lombarbie verlangt wurde. 

2 Diefe wenigen Strophen find das Letzte, was ber Dichter ſchrieb. 


— 


Epyigramme. 








An die Poetaſter. 
Schlechten, geftümperten Verſen genügt ein geringer Gehalt fon, 
Während die edlere Form tiefe Gedanken bedarf: 
Wollte man euer Gefhwäg ausprägen zur fapphifchen Ode, 
Würde die Welt einfehn, daß es ein leeres Geſchwaͤtz. 


Genie und Kunft. 


Wen wahrhaft die Natur zum wirklichen Dichter gebildet, 
Der wirb emſig und voll Eifers erlernen die Kunſt: 

Nicht, weil nie er die Kunſt ausgrübelte, ſtümpert ber Stümper, 
Nein — weil ihm die Natur weigert den tiefen Impuls. 


Schonung und Nichtſchonung. 
Gut fei jeglicher Menfch, nicht jeder ein Künftler, und deßhalb 
Sei man im Kunflurtheil ſtreng und im fittlichen mild. 
Menſchliche Schwäche verdient Nachſicht in der Sphäre des Handelns: 
Wer im Geſang ſchwach ift, fchlage die Leier entzwei! 


An die Poetaſter. 


Schlechten, geftümperten Verfen genügt ein geringer Gehalt ſchon, 
Während die eblere Form tiefe Gedanken bebarf: 

Wollte man euer Gefhwäg ausprägen zur ſapphiſchen Ode, 
Würde die Welt einfehn, daß es ein leeres Geſchwätz. 





Genie und Kunft. 


Ben wahrhaft die Natur zum wirklichen Dichter gebildet, 
Der wirb emfig und voll Eifers erlernen bie Kunſt: 

Nicht, weil nie er die Kunſt ausgrübelte, ſtümpert der Stümper, 
Nein — weil ihm die Natur weigert den tiefen Impuls. 


Schonung und Michtfhonnung. ° 


Gut fei jeglicher Menſch, nicht jeder ein Künfller, und deßhalb 
Sei man im Kunfturtheil fireng und im fittlihen mild. 

Menſchliche Schwäche verdient Nachfiht in der Sphäre des Handelns: 
Der im Geſang ſchwach ift, fchlage die Leier entzwei! 


270 


Dichtergeſchick. 


Selig der Dichter, er kann feſthalten das zeitliche Daſein, 
Aber derewigen auch alle Geſtalten des Raums! 


Halbdichter. 


Das nicht heißt ein, Gedicht, wenn irgend ein guter Gedanke, 
Irgend ein glüclicher Vers zwifchen erbärmlichen fleht: 

Seglihe Sylbe verzgte den Dichter, wofern er es ganz ift, 
Mas er gebacht, feheint uns niebergefchrieben in Erz. 


we; 
Au einen Theaterfähriftfteller. 
Weißt du, wodurch ſtets finfe die Kunft? Dur Schmieren und 
| Unfleiß: 
Aerger als felbk Ohnmacht ſchadet das Sudelgeſchlecht. 


An deunfelben. 


Ehmals wog in der Wage die Jamben ein komifer Dichter; 
Aber die beinigen fei'n unter die Kelter gelegt: 
Prefieft du aus der gefammten unzähligen Summe nur Ginen 
Neuen Gedanken heraus, werde die Summe verziehn. 


271 


Die wahre Pobelherrſchaft. 
Nicht wo Sophofles einft trug Kränze, ‚regierte der Poͤbel; 
Do wo Stümper den Kranz ernten, regiert er gewiß! 
Poͤbel und Zwingherrſchaft find innig verſchwiſtert, die Freiheit 
Hebt ein geläutertes Volk über den Pöbel empor. 


SSrivilegien ber Freiheit. 
Freiheit, felbft wenn flürmifch und wild, weckt mächtigen Genius: 
Mög’ es bezeugen Athen, mög’ es bewähren Florenz, 
Wo man, während fie fand, aufwuchern Talent an Talent fah; 
Aber fie fiel, und zugleich alle Talente mit ihr. 


Fruchtloſe Zwangsauſtalt. 
Schlechtes verbieteſt du leicht; doch gegen des Genius Werke 
Sind ohnmaͤchtig und ſchwach Scherge, Miniſter, Despot: 
Waͤhrend du glaubſt das Genie zu beherrſchen, beherrſcheſt du 
hoͤchſtens 
Blos des Genie's Leichnam, welchen die Seele verließ. 


Geiſterfurcht. 
Dieſer entſetzlichen Furcht vor dem Geiſt, ihr Guten, entſchlagt 


euch: 
Kommt ihm näher, er iſt lieblich und ohne Gefahr. 





N 


272 


Auf ein gewiffed Kollegium. 
Wahrlich, du mahnft mich faſt gleich einer Bedientenverſammlung: 
Laß ein Vergißmeinnicht ſticken dir auf die Livree! 
- Spgenaunte Freiheitskriege. 
Freiheitsfriege fürwahr! Stand einft Miltiades etwa * 
Mit Baſchkiren im Bund, als er die Berfer bezwang? 


— — 





Der Galgen. 

Namen der Trefflichen wurden an ſchmaͤhlichen Galgen geheftet, 
Weil ſie, den Polen vereint, tapfer, die Polen, gefämpft; 
Aber das Volk nahm, ging es vorbei, vor dem Galgen den Hut ab, 

Sa, bei näcdtlicher Beit warb er mit Blumen befränzt. 


An einen Defpoten, 


Teuflifher Heuchler! Du machſt mit der Rechten das Zeichen des 
Kreuzes, 
Doch mit der Linken indeß ſchlaͤgſt du die Völker an’s Kreuz. 


NBochenblattanzeige. 


Auf Sankt Helena find drei Stübchen fogleih zu vermieten 
Für hartnädige drei blinde Verkenner ber Beit. 


23 


Deutihe Seſchichse als Tragbtie. 
Welch babylonifcher Thurm als Vorwurf tragiſcher Handlung! 
Freilich, geſchehn iſt viel; aber es mangelt die That. 


Napoleons Antwort. 


Merde, ‘fo rief Dalberg dem Groberer, Kaifer der Deutfchen! 
Jener verfeßte: Mir ift eure Geſchichte befannt! 


RNeichthum und Sinfalt, 
Bunt Aneinandergereihtes ergäbßt zwar; doch es ermübet | 
Bald, Einfaches erquict ewig das Auge des Geiſts. 


Griechen und Britten. 
Mächtig ergreift Shafefvear, erzerfleifcht, ererfchüttert das Herz bir; 
Aber fo viel Wahrheit iſt ein -fataler Genuß: 
Griechen erhoben den Jammer fogar in die Sphäre ber Anmut, 
Dir, dem Erftaunten, erfcheint ſelbſt das Unleidliche ſchön. 


Epos und Drama, 

“Während du liebft in der epifchen Kunſt bie homeriſche Breite, 
Liebſt du fie denn deßhalb auch in der tragifehen Kunſt? 

Wenn den Pirgil du verklagſt, der wie ein Dramatiker furz iſt, 
Tadelſt du Shakeſpear'n nicht, der wie ein Epiker breit? 


Platen, ſammtl. Werke, IE 18 


— — — — 


/ 


a 


Ep Shnkeſpears Lobredner. 
Sprichſt du von Shakeſpear's komiſcher Kraft, beifallend be- 
klatſch' ich's: 
Fallſtaff ſammt Shylock, welch ein bewundertes Paar! 
Aber ein Tragiker, Freund, iſt der nur, welcher die tiefſte 
Wunde zu ſchlagen und auch wieder zu heilen verſteht. 





Sophokles Antigone, 
Gottes Geſetz darſtelletd im Kampfe mit menſchlicher Satzung, 
Haſt du der tragiſchen Kunſt innerſte Tiefen erſchoͤpft, 
Haſt durch dieſes Gedicht fo entzüct den Geſchmack der Athener, 
Daß fie den Feldherrnſtab fügten zum Kranze des Siege. 


Griechen und Pietiften, 


Religion in des Griechen Gemüt war fittliche Handlung; 
Aber fie warb Handwerk, ſchwatzender Poͤbel, in bir. 


Sophokles. 


Fromme bekrittelten mich, weil fromm ich den Sophokles nannte; 
Aber es wohnt Ehrfurcht gegen das Himmliſche doch 

Tiefer in ihm, als irgend es träumt ein modernes Gebetbuch: 
Auf dem Theater ſogar ſprachen die Griechen zu Gott. 





Das 


275 


Spanifches Theater. 
Hoͤchſt volksmäßig und eigen und rei, voll gläubiger Andacht, 
Iſt's, an Entwicklung zwar griehifcher Bühne verwandt; 
Doch es erfcheint fein Ehrengeſetz, fein gläubiger Sinn felbft 
Gegen des heibnifchen Volks fittlihe Größe Manier. 


Alte und Nenere, 
Sprecht von den Alten mit mehr Ehrfurcht, ihr Jünger der 
| Seichtheit, 
Weil ihr ihnen ja doch Alles in Allem verbanft: 
Kunft habt ihr von den Griechen erlernt, Politik von den Römern, 
Habt felbft Religion blos von ben Juden gelernt. 


Leffingd Nathan. 
Deutihe Tragsdien hab’ ih in Maſſe gelefen, die beſte 
Schien mir diefe, wiewohl ohne Gefpenfter und Spuf: 
Hier iſt Alles, Charakter und Geift und ber ebelften Menfchheit' , 
Bild, und die Götter vergehn vor dem alleinigen Gott. 


Luftfpiel und Tranerfpiel, 


Zwar Theorie ſchied einft den Cothurn vom Soecus, die Griechen 
Thaten es auch; wer that's aber zuerſt? Die Natur. 





ER 


276 


Kotzebue. 


Nach großartigen Thaten verfiel zwar jedes Theater; 
Aber das unſrige war ſchen im Beginne Verfall. 


Theater und Dichtkunſt. 
Ehmals wollt' ich in Haſt ausmiſten den Stall des Augeias; 
Aber es trat Hermes, während ich Feuchte, zu mir: 
Nimm hier, fagte der Gott, die unfterbliien Eaiten bes Orpheus; 
Jedes Bemühns unwert iſt dev verpeftete Stall. 


Gorneille. i 
Seht der Tragödie Schöpfer in mir! Der bebürftigen Sprache 
Gab ich zuerft Reihthum, Leben und Redegewalt. 
Nücwärts ließ ich die griechiſche Babel und reine Gefchichte 
Stellt! ich zuerfti rein dar, ohne gemeinere Form: 
Rom's Herrfhaft, Aufſchwung und Verfall und verfeinerte Staates 
kunſt —* 
Zeigt' ih, und zeigte ſie wahr, aber mit Wuͤrde zugleich; 
Denn mir fehien’s, als wolle der Menfh in erhabenen Stunden 
Ohne Kontraft anſchau'n große Naturen allein. 


N 


Nacine. 


Sinnreich trat in die Spuren ich ein des bewunderten Meiſters; 
Aber verweichlicht ſchon, aͤrmer an Kraft und Genie. 





— — — 


277 


Doch weil allzugalant id; der Liebe Sophiftif entfaltet, 
Huldigen mir Frankreichs Kritifer allzugalant. 

Zwar Melpomene fegnete mich; doch wandte fih Clio 
Meg, fie erkannte jedoch meinen Britannicus an. 


Alfieri. | 


Manches gewagte Problem und die fpröbeften Stoffe bewältigt - 
Mein flegreiher Verſtand, meine vollendete Kunft; 

Do mir mangelt gefchichtlicheer Sinn, ich entbehre der Griechen 
Milde zu fehr, mir fehlt Ruhe der Seele zu fehr. 


Schiller. 


Etwas weniger, Breund, Liebſchaften! So wärft du beliebt zwar 
Weniger, weil ja fo fehr Thefla gefallen und Mar: 

Eins doch find’ ich zu ſtark, daß felbft die begeifterte Jungfrau 
Noch ſich verliebt, furchtbar ſchnell, in den brittiſchen Korb. 


— — — — — 


Alfieri’s Grab, 


Unter den Würbdigen ſchläfſt du sin Würdiger, wo ber Sikina 
Schaffender Geift ausruht neben dem Macchiavell. 


278. 


Parini. 


Hoͤchſt ehrwuͤrdig und groß zeigt Dante des alten Italiens 
Bild, und das mittlere zeigt lieblich und ſchoͤn Arioſt: 

Aber du malteſt das neue, Parini! Wie ſehr es geſunken, 
Zeigt dein ſpielender, dein feiner und beißender Spott. 

Dient es zum Vorwurf dir, daß dein Jahrhundert ſo klein war? 
Eher zum Lobe! Du warſt wirklicher Dichter der Zeit. 


' 


Die Epigramme, | 
Blos Aufſchriften ja find Epigramme, die Treye der Wahrheit 
Aber verleiht oftmals Heinen Gefängen Gehalt. 


Shakeſpear und Sophokles 


Schärfer gezeichnet erſcheint ein Skelett als üppige Formen; 
Deßhalb find Shakeſpear's ſchroffe Geſtalten fo ſcharff: 
Wenn dusSefleideft das nackte Geripp, fo verſchwinden die ſchroffen 

Ecken; allein Schoͤnheit feiert unſterblichen Sieg. 


Auf ein Bild in Piſtoja. 


Seht und beſtaunt die Madonna des holden Lorenzo di Credi: 
Schoͤnere wurden gemalt, keine vollendeteve. 





‚279,,. 
Uumilfa in Piſtoja. 


Tragen fie, wer mich baute, fo ſprich: Ventura Vitoni 
War nur ein Handwerfsmann, aber die Zierde der Kunſt. 


Ugucecione delle. Fagginola.“ 


Maͤßig zu fein, ermahn' ich die künftigen Helden, dieweil ich 
Ueber ein Mittagsmahl Lucca wie Piſa verlor. 


Madonna delle carceri in Prato. 


Freund, mich hat San Gallo gebaut, der eirurifchen Kirchen 
Kleinfte, jedoch duͤnkt mich's, fhön wie bie ſchoͤnſte zu fein. 


Baukunſt. 


Alles verleiht beinahe dem Maler die ſchoͤne Natur ſchon, 
Baukunſt aber erheiſcht feineren geiſtigen Sinn: 

Pomp, Zierraten und doriſche Säulen und gothiſche Schnörkel, 
Spielzeug find fie, wofern fehlt der geheime Begriff; 

Aber ein wirkliches Bauwerk ift ein verfteinerter Rhythmus, 
Deßhalb felten, wie auch felten ein gutes Gedicht. 


| ——— — 


nn 


20 
Ardyiteltur und Wocke. 
Baufunf nenn’ id; die Kunſt des Geſchmacks, weil zwar ein 


Gedicht wohl 
Ohne Geſchmack oftmals, nie ein Gebäude gefällt. 


d 
Saunkt Petevr. 
Meiſter entwarfen dereinſt zum ſchoͤnſten Gebaͤude der Welt mich, 
Stümpern erlag. nachmals, plumpen Geſchmacks, ber Koloß: 
Mäßige Tempel darum, nicht riefige bauten die Griechen, 
Wo Jahrhunderte dran ſtückeln, wie kann es gebeihn? 


Märe der. Geiſt nicht frei, dann waͤr' es ein großer Gebanfe, 
Das ein Gedankenmonarch über die Seelen regiert. - 


Louola. 
Nicht war Luther im Siande der Kirche Verfall zu bewirken, 
Deiner fanatiſchen Wut, ſpaniſcher Pfaffe, gelang's. 


Aumuſtverfall. 
Schoͤnes Italien, ach, du erlagſt der hiſpaniſchen Fratze! 
Herrliche Tempel, in euch, die der Urbiner gemalt, 


Schlich ſich Abſcheuliches ein, die abſcheuliche Seele Loyola's: 
Wirklicher Glaube gebiert Schönes und Liebliches nur. 





mn 


281 


Madonnenverehrung. 


Längft zwar trieb der Apoftel den Heiligen Dienft der Ralur aus; 


Doch es verehrt fe das Volk gläubig als Mutter des Gotts. 


Auferftehung. 
Möge die Krämer verfchonen der wiedererwachende Chriſtus; 
Aber die Pfaffen indeß peitfch’ er zum Tempel hinaus! 
Meil dieß feige Gefchlecht ihn ftets ein gebuldiges Lamm ſchilt, 
Zeig’ er fih ihm ſchreckhaft als ein gewaltiger Leu. 


— — — — — 


Wunderliche Heilige. 
Dieſer verſucht es, den Schwalben zu predigen, Jener den Karpfen: 
Faßliche Wunder, jedoch einigermaßen verrückt! 
Daß doch ſtets ein erhabener Menſch in der Welt an die tauſend 
Affen und tauſenderlei Karikaturen erzeugt! 


Verbienft der Kunſt. 
Einft Hat bildende Kunft dem entarteten Dienfte des Heilands 
Würde verliehn, hat ihm näher gebracht der Natur, 


— 





Vaſari's Biographien. 
Herrlihesthum, ik Tugend. Du haſt, ein Plutarch in der Kunſt, ung 
Schönere Thaten bewahrt, als die Legende gethan. 


— — mn 


\ 


2 
Au Bafari, 


Glücklicher, der du Italien fahft in der hoͤchſten Verklärung, 
Ehe der pfäffifchen Zeit plumper Geſchmack es entehrt, 
Der du die Werke der Kunft vollftändig und glänzend und neu 
ſahſt, 
Deren die Hälfte zerſtoͤrt nun, und die Hälfte zerſtreut: 
Selbft die gebliebenen Hat nachhelfender Pfufcher Verkehrtheit, 
Tempel und Bilder zugleich, über die Maßen entftellt! 


Leonardo da Vinei. 


Nennt den Urbiner den erſten der Maler; allein Leonardo 
Iſt zu vollendet, um blos irgend ein Zweiter zu ſein. 


— — 


Donatello's Skulpturen in Monte Puleiauo. 


Sehnſucht nach den Antiken errege der weiche Canova; 
Doch dein maͤnnlicher Ernſt trifft, o Donato, das Herz. 


Fresken in Moute Oliveto. 


Düſter beſchauſt du mit deinen Cypreſſen, o Kloſter, den Abgrund; 
Dich aufhellend erſchien Soddoma's heitere Kunſt. | 


283 


Bolterra, 


Hoch von der alten eyelopifhen Dauer, mit Gichen bewachfen, 
Meber Gebürge hinweg, flehft du die Schiffe des Meers. 


Napoleous Landhaus auf Elba, 


Harmlos fipt auf hoher Terrafie die fäugende Pächtrin, 
Wo der Eroberer einft kühne Gedanken gedacht. 


Die Zufel Tino bei Balmaria, 


Myrtengebüfh, Steineihen, in Trümmer zerfallenes Klofer, 
Leuchtthurm, felfige Bucht, liebliche Welle des Meere. 


Turin, ex 
Schnurgrad laufende Gaſſen und hochſt kunſtloſe Gebaͤude; 
Doch es erfreuen von fern Alpen und ewiger Schnee. 


Piemont. 


Unglückſeliges Land, wo ſtets militäͤr⸗jeſuitiſch 
Soͤldner und Pfaffen zugleich ſaugten am Marke des Volks! 


284 


Senf und Genua, 


Zwei Freiftaaten begrenzten den garfligen Staat, und fie ſahn fi 

Durch die Despoten Turins bitter gehaßt und befämpft. 
Dod fie‘ trogten dem Tüdifchen ſtets; blos Genua fanf nun 

Unter das Joh ſchuldlos, Dank dem bewußten Kongreß! 


Tola. 

Dich in der Blüte der Jugend erſchlug die bezepterte Memme, 
Doch du erwarteteſt voll Ruhe das toͤtliche Blei. 

Auf die verlaſſene Gruft warf nächtliche Kraͤnze die Freundfähaft, 
Einer Antigone Hand mälte die Worte darauf: 

„Schlummer in Frieden, o Tola, die Rache beflügelt den Schritt 

ſchon!“ 

Traun, der Tyrann wird nicht finden ſo ruhigen Tod. 


Torrijos. 


Blutend am Seeſtrand liegt der gemordete hohe Torrijos, 
Rings im vertraulichen Kreis ſeine Begleiter umher, 

Kugeln geſenkt in die tapferen Herzen. O fpüle gelind an, 
Salzige Thräne des Meers, ſchöne des Helden Gebein, 

Bis die Genoſſen der Freiheit einſt den erhabenen Denkſtein 
Ihm aufrichten. O laß ruhn den Torrijos indeß! 


— — — — 


285 


An die Märtyrer der Freiheit. 
Flattert in heiligen Schaaren um ung, und bie blutenden Bahnen 
Schwingt in der Schlacht, wann einſt Männer und Sflaven 
im Kampf! 





Aufruf. 
Mordet getroft, Bluthunde! Der Tod iſt füß wie die Liebe! 
Nicht um den Thron, glaubt uns, taufhen wir ein bas 
Schaffott! 





An die guten Fürſten. 
Taͤuſcht euch nit, und erwartet Gewinn von der Schlechten 
Gemeinſchaft; 
Einen Verbuͤndeten blos giebt es, die Liebe des Volks! 


— —— — — — — 


Ju Monza, — 
Siehſt du den Kamm und den Bäder der maͤchtigen Theodolinde, 
Wirſt du bezeugen, es war Feine verzaͤrtelte Frau. 


Domplatz in Cremona. 
Sechs Jahrhunderte flogen dahin; doch magſt du zurück dich 
Träumen, du fiehſt ringsum Werke ver gothiſchen Kunſt. 


IN 


! 





Ä 286 
Auf ein großes Bild in Eremona.? 
Seht, hier reicht dem gewaltigen Mann, dem italifchen Kriegsgott, 
Als Holdfelige Braut Blanca Visconti die Hand; 
Doch fie entfproßte dem Stamm blutfaugender Menſchenver⸗ 
derber: 
Traun, e8 erblidte die Welt felten entfeglichere! 
Ad, und die Schöne gebar dem Gemahlein verruchtes Gefchlecht nur; 
Das nad Italien bald fremde Tyrannen berief! 


An die Brüder Frizzoni. 


Ihr, voll ſeltener Liebe geneigt dem poetiſchen Wandrer, 
Freunde, Genoſſen des Wegs, welche der Freund mir erzog: 

Nehmt als Weihegeſchenk die verwehenden Diſtichenkraͤnze, 
Freundſchaft woͤbe fo gern ewige Myrten Hinein! 


König Enzio's Grab. 
Nur ein moderner und haͤufig erneuerter Stein und ein Bildniß 
Künden, o Sohn Friedrichs, deine geduldete Qual! 
Jugend und Schönheit, ach! hinſchleppend in ewigem SKerfer, 
Starbft du, des Unglüdsftamms Tegter, ein Dichter und Held! 


Canoſſa. 


Wo im Pallaſte den Pabſt herbergte die ſtolze Mathildis, 
Konnte mir kein Obdach bieten der Pfarrer des Orts, 


J 


Welcher am Fuß des zertrümmerten Schloſſes in aͤrmlicher Hütte 
Haust; doch bot er ein Glas herben lombardiſchen Weins. 
So denn mußt! ich bie neblige Nacht durchfrieren, wie Heinrich, 

Mit der Laterne den Pfad fuchen im fleilen Gebürg. 


Deutſche Kaiſer. 


Laß, o germaniſches Volk, mir deiner Gewaltigen Irrthum, 
Denen Italien einſt theuer verkaufte den Ruhm!, 


J 


Einwurf. 


Sei's, dag Einige mir mein unftät Leben zu tabeln 
Suchen, indeß ich entfernt weile vom heimiſchen Herb; 

Aber fie follten mir erſt kundthun den berühmten Poeten, 
Der ein Ferühmtes Gedicht Hinter dem Ofen erfand. 


Die Eicaden. 


Kauft, rief einft mir ein Knabe, die anmutsvollen Cicaden 
Hier in dem Körbchen, es find Meifter, o hört, im Gefang! 

Sprach's, und ich feßte die Heinen gelauften Boeten in Freiheit, 
Wiſſend, wie fehr Freiheit jeglichem Dichter behagt. 


Der Sqhwalbenranber. 


Schwalben, unzaͤhlige, hatten ſich rings um die Hütte bes Land⸗ 
manns, 
Ob der erquicklichen Luft, Neſter an Neſter gebaut: 
Fromm zwar hegte die Guten der Greis; doch als er entfernt war, 
Rückte die Leiter der Sohn, plünderte ſämmiliche Brut. 
Wehe dem ruchlos Fühlenden, der den vertraulichen Vogel, 
Welcher an Settceunſaſt aa zu töten — 


Odyjſee. 


Dich zum Begleiter empfehl' ich dem Reiſenden; aber vor Allem, 
Wenn des italiſchen Meers hohes Geſtad' er umſchifft: 
Wunder und doch Wahrheit, Ehrfurcht vor dem Goͤttlichen lern' er, 
Lerne das Menſchengemüt kennen und Menſchengeſchick. 
Schonſtes Gedicht! Nichts kommt dir gleich an Behagen und Anmut, 
„Unter den Neuen erfchuf Aehnliches blog Arioſt. 





en 


Pindar. 


Nicht auf irdiſcher Flur haſt ſolchen Geſang du gelernt je, 
Pindaros! Jegliche Nacht ſtiegſt zum Olymp du hinauf, 
Lauſchend unſterblichem Lied, und erwachend am Morgen er⸗ 
| hubſt du 
Hymnen, und fhönere no, als in dem Traum bu vernahmft. 


289 


Byron’d Don Juan, i 


Für dein reizendes epifches Lied Haft wohl du verbient dir's, 
Glorreich über dem Staub griechifcher Sänger zu ruhn. 


Soethe5 Momane und Biographie, 


Bwar im GErotifchen auch und im Tragifchen, doch ich bewundre 
Mehr in der Profa des Manns befte vollendete Kunft: 

Schiller entzog ihm faft der Tragödie Preis, in ber Lyrik 
Wagte mit ihm Klopflod, wagte zu ringen ich felbft. 


Sermann und Dorothea, 


Holpricht ift der Hexameter zwar; doch wird das Gedich, ſtets 
Bleiben der Stolz Deutfchlands, bleiben die Perle ter Kunft. 


Der deutſche Serameter. 
Wenn bu Ehorä’n einreihſt, flatt voller Sponda'n, es entſteht dann 
Ein zwar fhwächlicher flets, aber verzeihlicher Vers: 
Wenn du jedoch bleifchwere Sponda’n a8 Daktylusanfang 
Einreihſt, mitleidslos wirft du zerfleiſchen das Ohr. 


Platen, ſammtl. Werke, II. 10 


290 


Gebrauch ded Hexameters. 


Weil ber Herameter epifches Maaß den Hellenen geweſen, 
Glaubſt du, er ſey deßhalb Deutſchen ein epiſches Maaß? 

Nicht doch! Folge des Wiſſenden Rat: zu geringen Gedichten 
Wend' ihn an! Klopſtock irrte, wie Viele mit ihm. 


Nhythmiſche Metamorphoſe. 

Epiſch erſcheint in italiſcher Sprache der Ton der Oktave; 
Doc in der deutſchen, o Freund, athmet fle lyriſchen Ton. 
Glaubſt du es nicht, fo verſuch's! Der italifche wogenbe Rhythmus 

Wird jenfeits des Gebürgs klappernde Monotonie. 


Soraz und Klopfiod, 
Klopſtock fuchte, befchränkt wie Horaz auf Hymnus und Ode, 
Immer erhaben zu fein; aber es fehlte ber Stoff. 
Denn nicht Iebte Horaz als deutſcher Magifter in Hamburg, 
Aber in Eifar’s Rom, als es ber Erbe gebt. 
Sud’, o moberner Poet, durch Geiſt zu ergänzen bes Stoffs Fehl, 
Durch vielfeitigen Styl decke die Mängel ber Zeit. 


Borforge der Natur, 


Viel wohl müßte gefhehn, um neuere Dichter zu bilden, 
Aber des Triebs Allmacht rettet das große Talent. 


291 
Manier. 
Ohne befländige, ftets fortfchreitende, maͤchtige Bildung 
Wird der moberne Poet nie der Manier fi entzichn: 


Wer oft recht volksthümlich und deutſch in Gedichten zu fein glaubt, 
Eh’ er die Hand umkehrt, fällt er in leere Manier. 


: Wahre Deutfchbeit. 


Nicht für Handwerksburſchen allein, für denkende Männer, 
Für großfühlende Frau'n dichte der beutfche Poet. 


Deutſche Genies. 


Allzubequem doch möchte das Volk die unfterblihe Blume 
Pflücken! Es folgt Nachruhm blos der herkuliſchen That. 


Prophezeihung. 
Laͤnger beſtehſt du, o Lied, als jene chineſiſche Mauer, 
Welche ſo ſtreng abwehrt jeden bedeutenden Geiſt. 


Aufmunterung. 
Schön iſte Großes zu thun und Unfterbliches. Fühl' es, o Jüngling 
Früh von der Stirn mühvoll rinne ber männliche Schweiß! 
Aber vergiß niemals, daß flets die gefchwägige Trägheit, 
Wertlos, ohne Verdienſt, große Verdienſte beſchmutzt! 





292 


Jetzt uud Einſt. 


Hoͤchſt genial zwar nennt ſprachwidrige Verſe die Mitwelt; 
Aber du wirft, Nachwelt, Lieben ein edleres Deutſch! 


— — — — — 


Zſchokke's bayeriſche Geſchichten. 
Weil langweilige Lungen ſo oft ausathmen Geſchichte, 
Werd' uns Zſchokke gegruͤßt, der zu erzaͤhlen verſteht. 


— — — — — —— 


Sprache. 
Der ſich zu dichten erfühnt, und bie Sprache verſchmaͤht und 
den Rhythmus, 
Gliche dem Plaftiker, der Bilder gehau'n in die Luft! 

Nicht der Gedanke genügt; die Gedanken gehören der Menfchheit, 
Die fle zerftreut und benutzt; aber die Sprache dem Bolf: 
Der wird währen am längften von allen germanifchen Dichtern, 

Der des germanifhen Worte Weifen am beflen verftand. 


Gänftige Auslegung. 


Leer nennt, hör’ ih, und ſchwer ein Magiſterchen meine Gefänge: 
Leer an Geklimper vielleicht, ſchwer wie Die veifende Frucht. 


293 
Berähhtliche Ohnmacht. 


Wer in Gedichten ben Krieg mir erflärt, dem foll es verziehn fein; 
Doch bios Ekel erregt Fritifches Ammengewaͤſch. 


Bitte, 


Berft doch über ben Dichter den Mantel der chriftlicden Liebe, 
Statt des Gemüts Mißgunſt fromm zu bedecken mit ihm! 


. 





— 


An die Nigoriſten. 


Singen und Beten erſcheint ſelbſt Chriſten ein würdiges Daſein: 
Nun, ihre betet, ich ſelbſt finge: Verwandtes Verdienſt! 


Triumph. 


Einer Lawine vergleich ich den Dichter, es waͤlzt ja der Feind 
felbft 
Raſch ihn weiter; es kommt eine gerechtere Zeit. 
” 5 





Anſchauung. 


Tiefe Verblendung ſeh' ih gekuppelt an tiefe Gemeinheit, 
Die in bie Ferſe fo gern fläche ben tapfern Achill. 





294 


Der romantifche Debipnsd. - 


Höre den Leichengeſang bes poetifchen Sanschlottismus, 
Deutfchland! Winde ben Kranz beinem DBerfechter des Rechte! 


An den Dichter, 


Treu der Natur und entwachfen ber flüchtigen Mode, beginne, 
Dichter, wiewohl einfam deinen unferblichen Ton! 

Laß ephemere Gefellen beſchrei'n dich oder verkleinern: 
Jene vergehn, bir warb liebliche Dauer zu Theil. 

Ungleich ift ja der Kampf, es bewaffnete Jene ber Wahn blos, 
Während wie Pfeile bu wirfſt Liebe, Geſang, Melodie. 


Die unnahbaren Tritte, 


Heifere Fröfche bequaden den Bernhintreffer Apollo! 
Aber der Gott ſchwebt leicht über die Sümpfe hinweg. 


Necenſent der Liga von Gambrai. 


Thema des Schaufpiels ift der venetifche Patriotiemus, 
Endlich am Ende des Stüds merkt's der gefoppte Geſell: 
Niemals, ruft er mit hämifchem Gifer, begeifterte Shafefpear'n 
Sol ein erbärmlicher Stoff! Große Gefinnungen blos! 


295 


Au Deufelben. 


Wo der Gehalt doch ftedit in dem Drama, verlangft bu zu wiſſen? 
Nirgend, fo wahr Gott lebt, für ein gemeines Gemüt! 
Zwar nicht Jeder vermag das Erhabene vorzuempfinden; 
Aber ein Tropf, wer's nicht nachzuempfinden vermag. 


| Au Denfelben. 
Keinen Charakter entdeckſt du in diefem erbaͤrmlichen Schaufpiel? 
Wären e8 Schufte, bu kaͤmſt befier mit ihnen zurecht. 


An Denfelben. 


Mas zur Begeifterung darf hinreißen den Dichter und was nicht, 
Wähnſt du, er fänfe fo tief, dich zu befragen darum? 


Der anonyme Berfolger, 


Weßhalb tadelſt du mich mit vermummtem Gefihte? Dieweil du 
Noch weit garfliger wärft, neben das Schöne geſtellt. 


Au Denfelben, 
Birgft du den Namen? Es ift doch immer ein Haffifcher Name: 
Dich Ion redet Horaz „ſtinkender Maͤvius“ am. 


u 





296 


Skizze. 
Oftmals zeichnet der Meiſter ein Bild durch wenige Striche, 
Was mit unendlichem Wuſt nie der Geſelle vermag. 


— — — — — 


Neceuſent der Abbaſſiden. 
Für Hofſchranzen erklaͤrt, für hölzerne, dieſe Geſtalten 
Irgend ein Gimpel; er macht eigenem Neide den Hof. 


Neider und Mitleider. 
Würze bes Glücks ſcheint mir's, unermeßlichen Neid zu erregen; 
Platzt, und verleiht Spondaͤ'n meinen elegiſchen Vers! 


Verwunderung. 


Wie? Du begeiferſt den Meiſter, indeß du ſchielend und ſchwuͤlſtig 
Schreibſt? Erſt lerne von ihm, alt wie du biſt, den Geſchmack! 
Moͤchteſt du dir auflegen ein pythagoraͤiſches Schweigen, 
Ganz Ohr ſein! — Ganz Ohr? — Ja, wie der Klepper Silen's. 


Mahnung. 


Schweige, Geſang! Nicht länger verewigen ſollſt du die Bosheit: 
Raufſt du das Unkraut aus, bahne der Liebe den Weg! 


— — — —— — 


297 


Gerechte Nache. 
Nache gewährt mir der Tag, wann blos mein Name zurückbleibt: 
Säng’ er noch ibt, ruft dann mancher vergebliche Wunfch. 
Ah, wir lauſchen umfonft, wie feine Herameter wogen, 
Wie fein männlicher Geift auf dem PBentameter ſchwebt! 





Senfzer. 


geit nur und Jugend verlor ich in Deutſchland, Lebenserquickung 
Reichte zu ſpaͤt Welſchland meinem ermübdeten Geiſt. 





— — 


Nördliches und ſüdliches Italien. 


Dort das Gebuͤrg der Abruzzen und hier die pontiniſchen Sümpfe 
Führen vom Lande ber Kunft na der Natur Paradies. 


Reiſeregel. 
Feire den Winter in Rom und genieße den lauen Seirocco; 
Aber des Leu'n Sternbild treffe den Pilger am Meer: 
Meide der Küften jedoch, die flach abfallen der See zu, 
Giftige Dünfte, die Flut pralle vom zadigen Fels! 


Die heißen Aufenthalte, 
Willſt du verglühen zur Kohle, fo rat’ ich im Sommer Florenz bir 
Oder Bologna, wie au Piſa, die fonnige Stadt. 


298 


Perugia. 
Kühle verleiht in den Tagen der Sonne das ſtille Perugia; 
Doch in den Tagen des Sturms ſcheint es des Aeolus Herd. 


Neapel. 
Schoͤn iſt immer Neapel und mild; in der glühenden Jahrszeit 
Bieteſt du Zuflucht uns, luftige Kuͤſte Sorrents! 


Pozzuoli. 

Jenen erfreut Pompeji vor Allem, und Ischia Dieſen; 
Portici Den, es behagt Manchem vor Allem Sorrent; 
Aber ich Liebe Pozzuol und das Rebengeheg des Walerners, 

Sehe des bajiſchen Golfs feliger Ruhe den Breis. 


Gicero’8 Billa bei Eaftellone. 
Hier an dem ſchoͤnen Orangengeſtad trank felige Muße 
Eicero, doch hier auch traf den Gerechten der Mord. 


Die Hömer, 


Wahre Gefchichte, bedeutend und groß, voll ſtrenger Entwicklung, 
Hatten die Römer allein unter den Völfern ber Welt. 


299 


Die Kelter im Grabmal. 


Hier im antifen Gewölb, wo rings noch Scherben von Urnen 
Stehn in den Nifchen umher, Eeltert der Bauer den Wein: 
Unſere Gräber beleuchtet, o Freund, Fein fonniger Stral einft, 
Künftigen werben fie nie bienen zu füßem Gebrauch! 
Modergeruch nur hauchen fie aus, bie blos ber Verweſung, 
Blos dem Gewürm ſchmachvoll unter der Erbe geweiht. 


Totenverbreunung. 
Heilige Flammen, o kehrt, kehrt wieder zuruͤck, und gereinigt 
Werde des Tods hinfort ſchnoöde verpeſtete Luft! 

Möge zu Staub der Beſtattende wieder die Leiche des Freundes 
Sanft auflöfen und fanft fin in die Afche der Schmerz! 
Wieder in reinlicher Urne, zunähft der bevölferten Wohnung, 

Ruhe der Töftliche Meft aller Gelichten um une! 


Billa Hicciardi, 


Nötlich erblüht Dleander in üppigen Heden, es fhlingt fich 
Ueppiges Rofengefleht Hoch an die Bäume hinauf; 

Pinie ragt auf wiefigem Grund, und es öffnet das Thal fi 
Lachend, in das du fu Fühn, hohes Camaldoli, fhauft! 

Doc von der Zinne bes Haufes erblick' ich Das große Neapel, 
Oder des bajifchen Golfs ewigen Lenz, und Mifen. 


K 


300 


Floridianua. 


Diefe Pallaͤſte mit haͤngenden Gärten, es hat fie ein König, 
Auf des Gebürgs Felsblock, feiner Gellebten erbaut, > 
Grotten vertieft und Rotunden erhößt in ber lachenden Wilbniß, 
Ueber die Schluchten zugleich magifche Brüden gewölbt. 
Allwärts feffelt die Blicke der rauchende Berg und ber Purpur 

Deines Gewogs allwärts, fegelbevälterter Golf! 





Billa Patrizi. 
Einfam ruhſt du und ernſt und verwildert, o Billa Patrizi; 
Aber die fhönfte, wiewohl menfchlicher Pflege beraubt, 
Ruhſt, wie ein Kranz, mit dem Lorbeerhain und ber ſchlanken 
Eypreflen 
Mächtigen Gang, flets grün, auf des Poflipo Stirn! 
Ja, hier wandle der Dichter allein, und im Wandel betracht' er, 
Durch die Cypreſſen hindurch, Küften und Meer und Veſuv. 





— Villen in Frascati. 


Hier in dem ewigen Grün tiefſchattiger Woͤlbungen lerne 
Dichten ein Dichter, und hier lieben ein liebendes Paar! 


⸗ 


— —— — — 


Wappen der Medici, 


Mo nur immer ih euch, medicäifhe Kugeln, erblide, 
Garten und Tempel und Haus zierend in Rom und Florenz, 


301 


Weckt ihr Haß mir und Furcht, Heillofe Symbole der Knechiſchaft, 
Denen ber ebelfte Staat, lange fi flräubend, erlag. 


— — — — — — 


Macchiavelli's Tod, 


Seliger Macchiavelli! Du ſtarbſt, als eben Fiorenza 
Freiheit wieder, obſchon kurz vor dem Ball, ſich errang. 


Logen im Slofter zu Aſſiſi. 
Diefer erhabene Gang und erhabene Blick in bie Thäler 
Lot, durch Würde des Raums, aus dem Gemüt ein Gedicht. 





AHöcali. 

Tief in dem üppigen Thal, vom rauſchenden Tronto bemäflert, 
Eichenbefchattet, und doch reich an Dliven und Wein, 

Liegſt du, o Stadt, und geſchmückt durch flattliche Werfe ber 

Baukunſt 

Bieteſt dem Auge du ſtets freundlichen Wechſelgenuß, 

Siehſt Jahrtauſende ſchon altroͤmiſche Brückengewoͤlbe 
Mächtigen Schwungs daſtehn, hemmend der Bäche Gewalt. 


nen 


Auf ein Grabmal in Fermo. 


Junger, gefallener Krieger, wie fhlummerft vu füß! Die Madonna, 
Schön in dem Marmor und ernft, hütet den Tieblihen Schlaf. 


302 


Das Krenz am Meere, 
Einfam flcht es am Strand; doch Nachts bei'm Ave Maria 
Nahn fi des Orts Jungfrau'n, Tüffen das Kreuz im Gebet. 


Ancona. 


Für ſchlechtriechende Gaſſen entſchädigt, und für des Scirocco's 
Drückende Luft der Triumphbogen am Molo Trajan's. 


Meſſe von Sinigaglia. 
Wenig an deutſchen Produkten und blos Spielwaaren von Nürn⸗ 


berg 
Sah ih: O fein, Deutfchlands zarte Symbole, gegrüßt! 


Gecco di Giorgio in Urbino. 
Gleich den erlauchten Gefchlecht, für das ich gebaut in Urbino, ® 
Schnell, frühzeitig verfiel meiner Palläfte Pallaſt; 
Aber der Gänge, des Hofs und der Treppen Geſchmack und der Säle 
Nennt im Derfall mich noch Lehrer des zierlichen Styls. 


Zage von Urbino. 


Auf daß Sanzio bald den befreundeten Himmel erreiche, 
Wurde die Wieg’ ihm fehon über die Wolfen erbaut. 


303 


San Marino, 
Auf unerfleiglichem Belfen und nicht zugänglich ber Habſucht, 
Blieb ih in Einfachheit alten Gefehen getreu. 
Weithin über das Meer bis nach den ilfyrifchen Ufern, 
Ueber’ Gebürg weithin, wo die Marecchia fließt 
Durch Eichwälder und lachende Thäler und taufenderlei Grün, 
Magft du von mir wegfehn, flehend im Neſte bes Aare. 


— m 


Gonfulta von San Marino, 
Als ich die Kirche Befuchte, da wurden bie jährigen Confuln 
Ehen gewählt durch's Loos, wie es die Sitte gebeut: 
Freilich, es war nur ein laͤndliches Paar, nicht Cajus und Caͤſar, 
Do fie verſprachen dem Volk wieder ein friedliches Jahr. 





Der Placidia Grab in Navenna. 
Fremde Gefühle vergangener Zeit burchbeben ben Geiſt hier, 
Mo des Honorins Sarg neben der Schwefter Gebein 
Steht in der Heinen Kapelle, geſchmückt mit dem alten Muſivwerk: 
Ließ dieß ſchwache Gefchleht eine fo dauernde Spur? 


San Bitale in Navenna. 


Hohe Rotunde, du bift ein Produkt des entarteten. Seitlaufs: 
Uns Barbaren jedoch ſcheinſt du erhaben- antik. 





304 


Ehriften des fünften Jahrhunderts, 
Tadel und Pechkranz warf in bie heidniſchen Säulengebälte 
Chriſtlicher Eifer, es wich Pallas und Bacchus und Mars; 
Aber der Märtyrer Knochengeripp, ber fanatifche Moder 

Ward nün über dem Schutt rauchender Tempel verehrt. 


Theodoſitus. 
Heidniſchem Dienſt auf ewig entzogſt bu, o Kaiſer, die Weltſtadt, 
Nahmſt die Viktoria weg aus dem bekehrten Senat. 
Ach, und es wich aus Rom nicht blos ihr heiliges Bildniß, 
Aber fie ſelbſt, ratlos ſank die entgoͤtterte Stadt! 





m nennen 


Erſcheinung Ehrifti. 
Ehriftus erſchien; doch leider in Höchft unfeligen Zeitraum, 
Als ſich das Menſchengeſchlecht neigte zu tiefem Verfall: 
Langfam drang fein Ichrendes Wort in barbarifche Seelen, 
Drang in verderbte zugleich, die es fophiftifch entweiht. 


2 


Daute's Grab," 
Dichter, es blieb dein Staub Tang ohne das ehrende Denkmal, 
Bis der venetifihe Leu hier in Ravenna gebot: 
Dir dann baute die fhöne Kapelle ber treffliche Bembo, 
Vater zu fein wohl wert eines berühmteren Sohns. 





305 


Kirchliche Architektur. 


Aus den Rotunden erwuchs allmählig des griechiſchen Kreuzes 
Form, aus dieſem ſodann ward das lateiniſche Kreuz: — 
Aber es blieb die Rotunde, ſie ward zur Kuppel erhoben: 
Moͤchte ſie ſtets doch ruh'n über dem griechiſchen Kreuz! 


San, Petronio in Bologna. 


Dieß iſt. gethiſche Kunſt, doch ohne belaſtende Schnoͤrkel: 
Geiſtiger Schwung bat Hier Maſſen und Schwere beſiegt. 





Auf einen Sebaſtian von Fraucia. 
Maler, du malteſt das Muwahrſcheinliche! Durft' ein Geſchoß je 
Treffen, bes Juͤnglingẽ bier zarten. und göttlichen Leib? 


— 


Arioſtens Grab. 


Keinen Geſang, dir weih' ich die brennende Thraͤne der Scham blos, 
Der ich bis jetzt Nichts that, Aſche des zweiten Homer! 


— ——— — — 


Petrarea's Katze in Arquato. 
Heil dir, kleines Skelett, das einſt die unſterblichen Rollen 
Eines unſterblichen Manns gegen bie Mäufe gefhüst! 


Platen, fämmtl, Werke. II. 20 





306 


Venedig. = 


Plump und zu bunt tft Rom, und Neapel ein Haufe von Häufern; 
Aber Denedig erfcheint eine vollendete Stadt. 


—— u. 


Betrachtung. 


Ehön if's, unter den Brüden hindurch in ber langlichen Gondel 
Schweben, und au Schön iſt's, fchweifend am Nifer umher 

Deine Geſchichte zu lefen in deinen Trophän, o Venedig! 
Jene Gefchichte der einft mächtigen Seerepublif, 

Die, dreizehn Jahrhunderte durch, fich erhält und bereichert, 
Bis fle zuletzt umftürzt jener titanifche Mann, 

Der, da der Freiheit kurzer Moment ben Talenten Entwicklung 
Gönnte, ſich raſch vorbrängt als der Talente Talent, 

Bepter entwinbet und Zepter vertheilt. Ihm fielft bu, Benebig; 
Aber er fiel bald feldft unter die Mäder des Glücks! 


— — —e ç — — — 


Verfall. | 


Huͤlflos ſinkſt du dahin, unrettbar! Daß du fo groß warft, 
Daß du verbunfelteft ein, Mächlige, Rom und Byzanz, 
Frommt es dem Enkel?! Es mehrt den unendlihen Schmerz und 

die Wehmut: 
Alles vergeht; doch wird Schönes allein fo beweint, 


Die Beuetiäner, 

Kaufsmannsvölket erblickte die Wels: oftmals, und erbfidt fle 
Heute noch; aber es find leidige Sammler bes Gelbe: 

Ihr wart Helden und trugt im Gemüt die unfterbliche Großheit, 

Welcht das Leben verklärt durch die Gebilde der Kunfl. 


r 


ir. 





Volkscharakter. 


Suchſt du ein freundliches Volk und gefällige Milde der @itten, 
Bietet Venedig fie dir, bietet fie Genua bar. " 


— nt mn 


Urbanitaͤt. 


Nicht mehr Länger beſchützt der geflügelte Loͤwe Venedig, 
Auch Sankt Markus entwich ſammt dem geweihten Panier. 
Aber es blieb doch eine der Schutzgöttinnen, und Tempel, 
Aus ber verwilderten Welt flüchtend, erbaute fie hier: 
Wißt, Urbanitas heißt die Befeligerin der Gemüter, 
Die ſich Hier im Giſolg ewiger Grazien zeig: 
Fremdling! Selten vermagſt du dem magiſchen Netz zu entziehn dich, 
Welches um dich huldreich jene Gefaͤllige ſpinnt. 
Sie auch bildete ſelbſt die bezaubernden Klaͤnge der Mundart: 
Suͤßeres Wort hat nie menſchliche Lippen beſeelt. 


7 Fer? 


308 
: boden. 


Könnt". “ fo Schon, wie du warſt, o Beunig, und wär's nur 
für einen - 
: ingigen: Bag di ſchau n, eine vergaͤngliche: Nacht! 
Wieder von Gondeln belebt, yon unzaͤhligen, dieſe Kanäle 
Schau'n, und des Reichthums Pomp neben des Handels Erwerb! 
Dieſe Palläfte, veroͤdet und leer und mit Brettern verſchloſſen, 
Deren Balkone fi einft füllten mit herrlichen Frau’n, 
Wären fie wieder befeelt von Buitarren und fröhlichen er 
: Der von Siegesbotſchaft, ober von Liebe zumal! 
Still, wie das Grab, un fpiegelt und ſchwermutsvoll in der 
Blut ſich 
Gothiſchen Fenſtergewoͤlbs ſchlanker und zierlicher Ban. 


Doppelte Beflimmung. — 


Liebendem Paar wohl dient zum Verſteck die venetifche Gondel, 
Do bei'm Leichengepräng dient fie zur Bahre dem Sarg. 


— — — — — 


Vifivn bed Heiligen Markus, 


Ginft, wie die Sage berichtet, beſchiffte der heilige Markus 
Diefe Lagunen und ward hier von der Nacht übereilt: 

Sieh, und es band fein Schiffchen an einen verlaffenen Pfahl er 
Feſt, und entfchlief. Da erfchien ihm der Gefandte des Herrn: 

Heil dir, o Marfus! begann zu dem Schläfer die Stimme bes Engels, 
Hier, two du ruhft, wird einft prächtig ein Tempel erſtehn, 


309 


Deiner gefammelten Aſche zum Schub, und die fehönfte ber 
i Stäbte 
Wird fh an ihn anreihn, flolg und von Marmor erbaut: 
Ihr fei Lofungewort dein Name dereinſt, es geziemt bir, 
Jener umfluteten Stadt Gonfaloniere zu fein. 


+ 


Unterſchied der Zeiten. 
Wenige Diftihen ſchrieb Sanazar zum Lobe Venedigs, 
Welches den Dichter dafür über Die Maßen belohnt: 


Befferes ſchrieb ich, allein wie Iohnte Venedigs Beherrſcher 
Mir's? Er verbot zum Dank meine Gedichte daflır! 


nn — — — — 


Dom von Trevifo. 
Welch ein Genuß, in der ſchoͤnen, unſterblichen Halle zu wandeln, 
Die dein zierlicher Geiſt, hoher Lombardi, gedacht! 


Pordenonue's Fresken in Treviſo. 


Schaut dieß Wunder der Kunſt! Wie der ewige Vater die Engel, 
Jene gefallenen, jagt aus dem geſtirnten Gefild: 

Langſam treibt er fie fort mit der Hand, zur Hälfte geſchloſſen 
Iſt fein Aug’, und er ſchwebt ſelig erhaben dahin: 


— — — — — 


810 


Simmelfahrtsfeft. 
Oft mit dem Auge 'des Geifts erblick' ich den herrlichen Lenztag, 
Sehe vom Bolf ringsum Meer und Lagune bebedi; ° " 
Feltlich erfcheint der Senat in dem prächtigen Bucentauro, 
Barfen zu taufend umher, voll von Mufit und bekraͤnzt: 
Goldſchwer wogt er dahin, ihn rubern bie Arfenalotten; 
Diefem entgegen, zu Schiff eilft du heran, Patriarch! 
Gießeſt in’s Meer Weihwaffer und firen® leyguftige Rofen, 
Dann, in die blaͤuliche Flut, fchleudert der Doge ven Ring. 


’ 
* 
— — — — — 


Die Tauben von San Marco. 

Alles zerſtob; doch niften die Tauben des heiligen Markus, 
Wie in des Freiftaats Zeit, über dem Dogenpallaft, 
Piden vom Plag ihr Futter, wie fonft, um um die Stunde des Mittags, 
Wandeln, wie fenft, furchtlos zwifchen ben Säulen umher. 
Zwar es ernährt fie der Staat nicht mehr; doch milde Seſquhet 

Nähren ſie jetzt, und es dünkt ihnen Venedig wie fonfl. 


— — — — — 


Grab des Andreas Dandolo. 
Heil dir, o Doge! Der früheften Zeit Jahrbücher verdankt bir 
Sener gewaltige Staat, welchen mit Ruhm du beherrſcht; 
Aber der einzige Sieg, den Genua, Tange triumphlos, 
Endlich erfocht, brach dein männliches Herz, und bu ſtarbſt. 


311. 
Biktor Piſaui.“ 


Als vom Kerker heraus, den ihm die Verleumder bereitet, 
Viktor trat, aufs neu Führer der Flotte zu ſein, 

Draͤngte das Vollk ih um ihn, und ſie riefen: Es lebe Piſani! 
Aber ex wandte fi fireng gegen ben Pöbel und ſprach: 

Bürgern geziemt es zu rufen: Es -Iebe der heilige Markus! 
Wann bach duldete je knechtiſche Rufe der Staat? 


— — — us 


Doge von Venedig. 
Nichts als Bürger, ſobald ich verließ die Lagune, Senator 
War ich im greifen Senat, König im feſtlichen Pomp. 
Juſchrift für die Murazzi. 
Segen das Meer aufdämmenb die mächtige Mauer,. verbeut hier 
Unheilbringender Flut weiter zu gehn der Senat. 


Nackblick. 


Meigend erſcheinſt du, o Stadt; doch reizender warſt du dem 
Jüngling. 
Einſt, der feurigen Blicks Leben empfing und es gab. 
Glückliche Jugend! Es wird in der Seele des zaͤrtlichen Schwaͤrmers 
Jedes Gefühl Sehnſucht, jeder Gedanke Gefuͤhl. 


— 


313 
Lebens wechſel. 
Ehmals litt ih die Schmerzen der Liebe, ſie gingen vorüber; 
Seitdem hab' ich jedoch eu umb — ——— 


Denkſpruch. | 
liche die Schönkeit, Freund, und geniche ben eofitien Frieden, 
Der, dem Gemüt nahrhaft, fhöne Gedanken erzieht! 


nn — — — 


Veränderung. | 
Genfihaft bin ich geivorben) ih fühl's; nicht, bin ich berfelbe, 
Der ih als Jüngling fehrieb jenes berühmte Beſteck: 
Nicht mehr wohnt im Gemüt der Erfindungen komiſche Fülle, 
Welche verſchwenderiſch einft- freundliche Seflen ergoͤtzt: 
Aber es ward ſeitdem auch Deutſchland bitterlich ernſthaft, 
Fern zwar lebt ich, und doch fühlt ig ben gleichen Beruf. 


Beſchraͤnkte Wißbegierde. 
Früher in Deutſchland las ich ſo viel, zwölf Sprachen erlernt’ ich; 
Doch mir blieben zulegt wenige Buͤcher getreu. 








- Maturſtudien. — 


Emfig ſtudirt ih und gern die Natur; Doch fühle ih am Ende, 
Daß fie poetifh allein fpräche zu meinem Berftand. 


— — — — — 


313 
* Einfeitiges Talent. 
Taufend und taufend Geſchenke vertheilt an bie Menſchen das 
Schickſal, * 
Waͤhrend es mir Nichts gab, außer die Gabe des Worts; 
Doch mit dem einzigen Pfunde verſtand ich zu wuchern und u 


mir ; 
"Fecunde, Genuß, Freiheit, Namen und einiges Gut. 


— — — — 


Veränderte Zeiten. 


ais ich allein noch ſtand und verlaſſen im Kampfe, da galt es 
Tapfer zu fein; doch jetzt ieg' ich die Haͤnd' in den Schooß; 
Denn ſchon warb ich ein Heer, und ſo weit ſich ein deutſches 
Gefühl regt, 
Treten in u ‚Bereits meine. — auf. 


— — — — — — — * 


REN und poetifcher Stolz. 

Mögt an des Heilands Seite bereinft ihr fogen in Glorie, 

Oder den Gott anſchau'n, der fich entfchleiert vor euch! 
Dichtern genügt das geringere Glück, auf Erden zu wandeln: 

RT ih im Munde des Bolfs gehn von Geſchlecht zu Ge: 

ſchlecht! 
Unverhofft geſchieht oft. 

Weil ich um Amt nicht oder um Brod dienſtwillig bemüht war, 

Wurde mir oft vormals heftiger Tadel ertheilt; 





314 


Aber ber ſtets unnüg, ſtets Träumer geſcholtene Jüngling 
Träumte fo ſchoͤn und erwarb mächtiger Könige Gunſt. 


— — — — — 


Selbſtlob. 


Wie? Mich ſelbſt je hätt' ich gelobt? Wo? Wann? Es entdeckte 
Irgend ein Menfch jemals eitle Gedanken in mir? 

Nicht mich felber, ich rühmte ven Genius, welcher befucht mid, 
Nicht mein flerblihes, mein flüchtiges, irdiſches Nichts! 

Beil ich beſcheiden und ſtill mich felbft für viel zu gering hielt 
Staunt ih in meinem Gemüt über den göttlihen Gaſt. 





am 


Gedichte ald Nachlaß. 
Ihr, der erzeugenden, ihr, der ermährenden Mutter, ber Erbe 
Lafl ich ein frommes Geſchenk Eindlicher Liebe zurüd. 


— — — — — — 


315 


wo. Anmerkungen, 


s Uguccione della Faggiuola. 

Das Eyigramm bezieht fich auf die Abbildung der Uguccione im 
Campo fanto zu Piſa. Ihm Bat, nach einigen Auslegern, Dante 
feine Hölle zugeeignet, wiewohl von andern vie bekannte Stelle im 
erften Buch auf ven San grande bezogen wird Hiezu gab vor» 
züglich ver Ausdruck Veltro Beranlafiung. Nebrigens fcheint der Bers 


E sua nazion sara tra Feltro e Feltro 


auf den Scaliger wenig zu paflen, da ſich kaum annehmen läßt, 
daß Dante eine fo berühmte Stadt wie Beroua auf eine fo wunder, 
liche Weiſe fol bezeichnet Haben. 
3 Auf ein Bild in Cremona. ’ 

Das Bild iſt von Giulio Campi und befindet fi in &. Sigis⸗ 

mondo. Belanntli gab Philipp Disconte feiner Tochter, als er 
- fie mit Sraneesco Sforza vermählte, Cremona zur Mitgift. 
8 Meiner Pallaſte Pallaſt. 

Diefe Behaubtung unterliegt einiger Eontroverfe, da namentlich 
mein Freund Rumohr ven Geceo di Blorgio (vd. h. nad unferer 
Art zu reden, den Francesco Martini, Sohn yes Btorgio) 
zum bloßen Ingenieur und Feſtungsbaumeiſter machen will, und 

"Ay ſowohl von herzoglichen Ballaft in Urbino al& auch vie ihm 
in Siena, feiner Vaterſtadt, zugeſchriebenen Balläfte anfpricht. 
Er würde jedoch viefe Meinung fallen Iaffen, wenn er das Urbina- 
tiſche bereist und in den vaſtgen Stadtchen eine Reihe von Schäusen 
gefehen Harte, welche Die auffallenpfie Aehnlichkeit mit denjenigen 
Haben, die man dem Gecco in Siena zuſchreibt. Das Bafart 
von Pallaſt in Urbino für ein Werl von Cecco erflärt, würde 
zwar von keinem Gewicht fen, da gerade jene Biographie. zu ven 
kahlſten und mangelhafteften ver ganzen Sammlung gehört: auch 
erhellt aus Urkunden, daß der Herzog von Urbino jenen Pallaſt 
von einem dalmatinifchen Baumelfter babe anfangen laſſen. Dieß 
mag, was den Beginn anbelangt, ganz richtig feyn; gleichwohl Bin 
ich, wegen ver oben erwähnten Analogie, überzeugt, daß Cecco bei 
weitem das Beſte an jenem Gebäure gethan; ein Gebaäude, das 
Bramante offenbar in feiner Jugend fiusirt und zum Muſter 


> 


316 


genommen bat. Sollte ein foldyes Werk von einem ganz unbekann⸗ 
ten Künftler berrühren, von welchem man weber früher noch fpäter 
etwas gehört hat? Gewiß hatte es zu Dafari’s Zeit einen großen 
Ruf und wurbe allgemein vem Cecco di @iorgio zugefchrieben. 
Was nie fienefifhen Palläfte betrifft, fo muß ich aud hierin vie 
Meinung bes genannten Sreundesbeftreiten, ber die Bauwerke Cecco’s 
em Bernardo Roffelint zufepreiben will, Daß Bernardo ben 
fogenannten Palazzo delle Papeffe gebaut, wo die Schweftern Pius. 
wohnten, unterliegt feinem Zweifel; denn dieſer Pallaſt verrät durch 
und durch feinen Styl und wird ihm auch allgemein zuerkannt. 
Aber daß auch vie Palläfte Piccolomint, Spanocchi und ähnliche, 


fo wie die Loggia ve’ Piccolomini, von feiner Hann feyn follen 


ſcheint mir unglaubli, va ich ihm keinen fo. großen Sprung in 
der Kunft, namentlich bei vorgerüdten Jahren, zutraue. 
Vater zu feyn wohl wert eines berühmiesen Sohnes, 
Des Kardinals Beter Bembo. 
Die dein zierlicher Geiſt, hoher Lombardi, gedacht. 

Zu ven vorzüglichften Bauwerken, die Venedig ver Familie Lom⸗ 
bardi verdankt, gehören ver Pallaſt Bendramin, die Scuola 
iS. Rocco, die Scunlovi S. Marco, vie Kirchen ©. Felice, 
Mapdanna de’ Miracoli, © Marta Mater Domint und 
vasInnere von S. Salvatore. Ein Paar ihrer ſchönſten Kirchen, 
worunter die berühmte Karthauſe auf ver gleichnamigen ISufel, wur- 
ven von den Branzofen demolirt. Die Brablapele Daunte's in 
Ravenna ift von Beter FIMERERE 


Viktor Pifant. 


Das Marmorbild biefes Sehven beſindet fs — im Ar⸗ 
ſenal; es iſt zugleich als Skulptur aus dem vierzehnten Jahrhundert 
merkwürdig. Gin Nachkomme des großen Piſani hat es aus ver 
Kirche S. Antonio gerettet, welche. Napoleon m. Tieß, 


um die — Garten anzulegen. 


— — — — — 


Ueberſetzungen. 


Aus Of und Nord und Süden ſchweben 
Um mich die Sprüche fremder Muſen: 
Ich ſammle fie in meinem Bufen, 

Und gebe fie zurüd dem Leben. 


An die Taube, 


Bon Analreon. 


Gi fieh, du holdes Taͤubchen, 
Wo kommſt du hergeflogen? 
Woher? Weßwegen girrſt du? 
Den Aether falbentränfelnd 

Und athemlos burcheilend ? 

Mer bift du? Was belicht din? 
Anakreon verſchickt mic 

Sum Knaben, zum Bathyllos, 
Der herrifch nun vor Allen 
Gebieter ihm geworben. 

Ihm hat mich Kytherea 
Berhandelt für ein Liedchen: 
So kam ih in die Dienfte 
Anakreons als Botin, 

Und alfo, Freund, bu ſiehſt es, 
Beforg’ ich ihm die Briefe. 

Er würde, fagt er, gerne 

Mi ledig laſſen flattern, 


320 


Do wollt’ er's auch, ich bliebe 
Des Guten Sklavin willig. 

Was ſollt' ih auch mich fehwingen 
Weit über Berg’ und Felder, 
Und fißend im Gezweige 

Die wilde Koft verzehren? 

Da nun id, aus den Händen 
Anafreong ihn pidend, 

Geftreuten Waizen ſchmauſe. 
Auch reicht er mir zu trinken 
Den Bein, den er mir zuirank, 
Und bin ih trunken, tany ich, 
Und fühle mit den Flügeln . 
Den freundlihen Gebieter, . 

Und ſchlafe, bei ihm fihend; 
Auf feiner eignen‘ Leier. 

Nun weißt bu es, fo geh: bean, 
Du wahft mich ja,. mein Guier, 
Geſchwaͤtz'ger als die Krähe! 


m ee — — — 


Harmloſes Leben. 
Bon Anakreon. 08 
Mich fümmoert nit, was Gyges, 
Den Sarderfürſten, kümmert, 
Mich quaͤlte nie die Ruhmfucht, 
Ich neide nicht bie Herrſcher? 


321 


Mir ziemt, den Bart mit Salben, 
Mit duftigen, zu negen, 
Und junge, vote Rofen 


Mir um die Stirn zu winden: \ 


Ich Tiebe mir das Heute, 
Wer aber weiß von Morgen? 


—— 


An ein Madchen. 
Von Anakreon. 

Am phrygiſchen Geſtade 
Ward Niobe zum Felſen, 
Des Pandion's Erzeugte 
Flog in die Luft als Schwalbe: 
Koͤnnt' ich ein Spiegel werden, 
Daß du dich fähft beftändig, 
Könnt ich zum Kleide werden, 
Daß du mich trügft heftändig! 
Als Wafler möcht id} fließen, 
Zu baden dir die Glieder, 
Als Salbe möcht ich traufeln, 
Geliebte, dich zu falben, 
Die Schleif’ an deinem Bufen, 
Die Perl! an deinem Halfe, 
Die Sohle möcht' ich werden, 
Daß nur bein Fuß mich träte! 





Platen, fammtl. Werke. II. 21 


322 
Ans dem Griechiſchen. 


Trinfe mit mir und genieße, 

Liebe mit mir und befränze dein Haubt! 
Freund, mit den Rafenden rafe, 

Laß mit den Weifen dann meife mich fein. 


Aus der Sappho. 
Schon flüchtet Selana, die reine, 
Schon taucht ihr nieder, Plejaden, 
Die Naht und die Stunden laden: 
Ich ruhe no immer alleine. 


— 


An Thaliarchus. 
Nah Horaz. 
1811. 
Siehſt du den Sorafte fhimmern, 
Schneebelnden? Kaum ertragen 
Ihre Laft gedrückte Wälder, 
Und die Ströme hemmt der Froft. 


Mild're dieſe Kälte, fhichte 

Holz auf Holz zur Flamme reichlich, 
Geuß au in fabin’fche Krüge 
Milliger den alten Wein. 


323 


Andres Tiberlaß den Göttern, 

Die den Kampf der Stürm' und Meere 
Sänftigen, daß unerſchüttert 

Ulmen und Eyprefien ftehn. 


Frage nit, was morgen fein. wird, 
Zieh Gewinn aus jedem Tage, 

Und verfheuche nicht die füßen 
Mufen, Knabe, nicht den Tanz. 


Bis das Alter trüb dich heimſucht; 
Seht verfäume nicht den Circus, 
Und des nächtlichen Geflüfters 
Anberaumte Stunde nie. 


Altſchottiſche Ballade. 
Aus dem Engliſchen. 
Edward! Edward! zeige mir die Kleider, 
Warum find fie fo von Blute rot? 
Mutter, Mutter! fagen muß ich's leider, 
Meinen edlen Falken ſchlug ih tot! 


Edward, lieber Edward! fo gerötet 

Hat did nimmer deines Falken Ylut. 
Meinen Rappen hab’ ich mir getötet, 
AG, mein Rappe war fo fromm und gut! 


324 


Dieß ift nicht, ih muß dic fürder fragen, 
Deines Rappen Blut! du ſprichſt mie Hohn! 
Meinen Bater hab’ ich mir erſchlagen, 
Meinen Bater, der verworfue Schr! 


Konnteft dw den eignen Bater merben, 

Welche Buße, fage, wit du thun?- 

Fliehn nah OR and Süd, nach Wer und Morben 
Ewig fliehen, ewig nimmer ruhn! 


Und was ſoll's mit deinem Hame und Hallen, 
Zieht du hin nach frommet Büßer Brauch? 
Laß in Trümmer fle zuſammen fallen, 
Alles falle, denn ich ſiel ja auch! 


» 


Und was folf aus deinen Kindern werben, 
Willſt du nicht nach Weib und Kindern fehn? 
Gott ift gütig, und viel Raum auf Erden, 
Weib und Kinder mögen betteln gehn! 


Und was wiäft vu deiner Mütter gebehr, 
Deiner Mutter, zehfl du fern dahin? 
Fluch in dieſent, Fluch in jenem Beben, 
Denn den PBatermord;, du rieteh ihn! 


325 


Ballade and dem Däniſchen. 


Bon Ingemann. 


Ein Ritter, fo männlich, fo keck und fo hold, 
Mit blankem Stahlharnifh und Helme von Gold, 
Ritt eilig auf ſchnaubendem Renner Herfür, 
Dann hielt er vor Lynalil’s ruhiger Thür. 


„Sch komm über Berg und See, rief er, gejagt, 
Zu fehn und zu lieben die holdeſte Magd.“ 
„Willkommen!“ Und als fie den Gruß ihm entbot, 
Bedeckte die Wangen ein fliegendes Not. 


„I komm über Berg und See, rief er, gejagt, 
Zur Braut mir zu kieſen die holdeſte Magd!“ 

Als Lynalil's Blick auf dem Fremdlinge ruht, 

Da ward ihr, ich weiß nicht, wie ſeltſam zu Mut. 


„sch komm Über Berg und Ser, rief ex, gejagt, 
Dich Lyna zu freien, die Holdefle Magd, 

Und ſchwur, ale ich dir mich ayf immer geweiht, 
Zu freien Dich, oder zu fallen im Streit.” 


Mit Hangender Seele das Madehen land, 

Bald rot wie die Rofe, bald blaß wie die Wanb: 
„Flieh,“ feufzte jie, nflieh nur, mich bindet bie Pflicht, 
Meine Hand und mein Herz, fie gehören mir nicht. 


8 


326 


Ein Süngling mein Trauter von Kindheit an war, 
Er Hatte dein Auge, doch lichteres Haar’, 

Sein Mund zwar ift dein, doch die Stimme war zart, 
Er Hatte dein Kinn ‚ aber flaumigen Bart. 


Weit hat er fih um in der Ferne geſchaut, 
Bald fehrt er zurüde zur liebenden Braut, 
Schon fiebenmal freiste das langfame Jahr, 
Bald fehrt er, der lieb mir, von Kindheit an, war.“ 


„D Maͤdchen! dein Lieben war Scherz nur und Tand, 
Die Kindheit, die Findifche Liebe verſchwand: 
Trau nicht dem unbärtigen Freunde zu jehr, 
Er kommt ja nicht wieder, er fommt ja nicht mehr tu 


„D nein, 9 Fremdling, er ftürbe bevor, 

Eh' treulos er bräche, was heilig er ſchwor, 

Er grub auf die Bruft meinen Namen fi} ein, 
Do innen, da flralt er in ewigem Schein.“ 


„So will ih dann fliehen und Halten den Eid. 
Den Tod in dem Kampfe mir fuchen, o Maid! 
Und ſtellt fih im Traum ein Gerippe vor dich, 
Dann wein’ eine Thräne, denn das bin ich.” - 


Und langfam fortiwandert der Ritter fo Hold, 

Mit blanfem Stahlharniſch und Helme von Gold: 

: Ah Fremdling, ach bleib’ doch! ich Liebe — doch flieh! 
Flieh! bleibe! nein, flieh nur, ich liebte Dich. nie!“ 


327 | 


roh kehrte zurüde der Ritter fo hold, 

Weg warf den Harnifh, den Helm von Gold: 
„rau nur auf des Freundes beharrlihen Sinn, 
Doch kehrt er nicht wieder mit Flaumen am Kinn. . 


Erfenn’ ihn, der lieb dir, von Kindheit an, war, 

Mit tieferer Stimme, mit dunflerem Haar!“ 

„Bott! Lubwig!“ fie ſtammelt's und beut ihm den Kuß, 
Stil feiernd des Wiedererkennens Genuß. 


m 


MWäinämdinend Sarfe, 
Finniſches Bolfslien, aus dem Schwediſchen überfept. 


Wäinamoöinen felbft, der alte, 
Rudert eines Tags auf Sümpfen, 
Und auf Seen des andern Tages, 
Und am dritten Tag im Meere, 
Stehend auf des Hechtes Schultern, 
Auf des roten Lachfes Finnen, 

Er beginnt den Sohn zu fragen: 
Stehn auf Reifig oder Stein wir, 
Oder auf des Hechtes Schultern, 
Auf des roten Lachfes Binnen? 
Und der Sohn erwiedert eilig: 
Nicht auf Stein und nicht auf Reiſig, 
Auf des Hechtes feften Schultern, 


328 


Auf des roten Lahfes Finnen, 
Mäinämsinen ſelbſt, der alte, 

Stieß das Schwert ins Meer banieber, 
Und zertheilte fo den Fiſch, 

Zog das Haubt in feinen Naden, 

Ließ den Schwanz im Meere liegen. 
Jenes blidt er an, und wendet's: 

Was kaun draus der Schnieb verfert'gen? 
Was faun Wraus ber Schieber fchmieben? 
Wäinämöinen felbft, der alte, | 
Nimmt auf fih des Schmiedes Arbeit, 
Macht vom Bein des Hechts die Harfe, 
Macht das Kantele von Gräten, 

_ Und von Fiſchgeripp die Leier. 

Und woraus der Harfe Schrauben? 
Aus des großen Hechtes Zähnen. 

Und woraus der Harfe Saiten? 

Aus den Haubthaar Kalevas. 

Zu dem Sohne ſprach der Alte: 

Hole mir mein Kantele 

Unter die gewohnten Finger, 

Unter die gewohnten Hände! 

Freude firdmt nun über Freude, 

Auf Gelächter folgt Gelaͤchter, 
Während fpielet Wäinämsinen 

Auf dem Kantele von Gräten, 

Auf dem Fiſchgeripp der Leier. 

Keines ward im Hain gefunden, 


329 


Sei es auf zwei Flügeln fliegend, 
Sei es auf vier Füßen laufend, - 
Das nit eilte, zuzuhören, 
Während fpirlte Waͤinaͤmöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fifchgeripp ber Leier. 
Selbſt der Bär im Walde flieg 
Mit der Vruſt ſich gegen Zäune, 
Mähren fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, _ 
Auf dem Fifchgeripp der Leier. 
Selbit des Waldes alter Vater 
Schmückte fih mit rotem Schuhband, 
Während fpielte Wäinämsinen 
Auf dem Kantele von Gräten. 
Selbft des Maflers gute Mutter 
Bierte ih mit blauen Strümpfen, 
Ließ im grünen Gras ſich nieder, 
Um das Saitenfpiel zu hören, 
Während fpielte Wäinämsinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf den Fifchgeripp der Leier. 
Und dem Waͤinämsinen ſelbſt 
Floſſen Thränen aus deu Augen, 
Dieker noch ale Heidelbeeren, 
Größer noch als Schnepfeneier, 
Nieder anf den breiten Bufen,- 
Bon dem Buſen auf die Kniee, 





328 


Auf des roten Lahfes Finnen. o" 
Waͤinaͤmöinen ſelbſt, der alte, 

Stieß das Schwert ins Meer danieber, 
Und zertheilte fo den Fiſch, 

Zog das Haubt in feinen Nachen, 

Ließ den Schwanz im Meere liegen. 
Jenes blit er an, und wendet's: 

Was kaun Draus der Schmieb verfert'gen? 
Was faun draus ber Schmieder ſchmieden? 
Wäinämöinen felbft, der alte, 
Nimmt auf fih des Schmiedes Arbeit, 
Macht vom Bein des Hechts die Harfe, 
Macht das Kaniele von Graͤten, 


Und von Vifchgeripp bie Leier, 


Und woraus der Harfe Schrauben? 
Aus des großen Hechtes Zähnen. 
Und woraus der Harfe Saiten? 
Aus den: Haubthaar Kalevas. 
Zu dem Sohne ſprach der Alte: 
Hole mir mein Kantele 

Unter die gewohnten Finger, 
Unter die gewohnten Hände! 
Freude ftrömt nun über Freude, 
Auf Gelächter folgt Gelächter, 
Während fpielet Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fiſchgeripp der Leier. 
Keines warb im Hain gefunden, 


329 


Sei es auf zwei Flügeln fliegend, 
Sei es auf vier Füßen laufend, 
Das nicht eilte, zuzuhoͤren, 
Während fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fifchgeripp der Leier. 
Selbft der Bär im Walde ftieß 
Mit der Vruſt ſich gegen Zäune, 
Waͤhrend fpielte Wäinämöinen 
Auf den Kantele von Gräten, 
Auf den Fifchgeripp ber Leier. 
Selbſt des Waldes alter Vater 
Schmüdte fih mit rotem Schuhband, 
Während fpielte Wainamöinen 
Auf dem Kantele von Gräten. 
Selbſt des Waflers gute Mutter 
Bierte ih mit blauen Strümpfen, 
Ließ im grünen Gras fi nieder, 
Um das Saitenfpiel zu hören, 
Während fpielte Wäinämsinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf den Fifchgeripp der Leiter. 
Und dem Wäinämsöinen ſelbſt 
Floſſen Thränen aus dem Augen, 
Dicker noch als Heidelbeeren, 
Größer noch als Schnepfeneier, 
Nieder auf den breiten Buſen, 
Don dem Bufen auf die Kniee, 


328 


Auf des voten Lachſes Fiunen. 

DWäinämsinen ſelbſt, der alte, 

Stieß das Schwert ins Meer danieber, 

Und zertheilte fo den Fiſch, 

Zog das Haubt in feinen Nachen, 

Ließ den Schwanz in Meere liegen. 

Jenes blickt er an, und wendet's: 

Was kaun Draus der Schmied verfert'gen 

Was Taun draus ber Schmieder ſchmieden? 

MWäinämöinen felbft, der alte, 

Nimmt auf fi des Schmiedes Arbeit, 

Macht vom Bein des Hechts bie Harfe, 
Maht das Kantele von Graͤten, 

_ Und von Vifchgeripp Die Leier. 

Und woraus ber Harfe Schrauben ? 

Aus des großen Hechtes Zähnen. 

Und woraus der Harfe Saiten? 

Aus dem Haubthaar Kalevas. 

gu dem Sohne ſprach der Alte: 

Hole mir mein Kantefe 

Unter die gewohnten Finger, 

Unter die gewohnten Hände! 

Freude ſtroͤmt nun über Freude, 

Auf Gelächter folgt Gelächter, 

Während fpielet Mainämsinen 

Auf dem Kantele von Gräten, 

Auf dem Fiſchgeripp der Leier. 

Keines ward im Hain gefunden, 


329 


Sei es auf zwei Flügeln fliegend, 
Sei es auf vier Füßen laufend, 
Das nit eilte, zuzuhören, 
Während fpielte Wäinämsinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fifchgeripp der Leier. 
Selbft der Bär im Walde flieg 
Mit der VBruſt ſich gegen Zäune, 
Waͤhrend fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kautele von Gräten, 
Auf dem Fifchgeripp der Leier. 
Selbit des Waldes alter Vater 
Schmüdte fih mit rotem Schuhband, 
Während fpielte Wäinämdinen 
Auf dem Kantele von Gräten. 
Selbft des Waſſers gute Mutter 
Zierte fh mit blauen Strünpfen, 
Ließ im grünen Gras fih nieder, 
Um das Saitenfpiel zu hören, 
Während fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf den Fifchgeripp der Leier. 
Und dem Wäinämsinen ſelbſt 
Flofien Thraͤnen aus dem Augen, 
Dicker noch als Heidelbeeren, 
Größer noch als Schnepfeneier, 
Nieder auf den breiten Bufen, 
Bon dem Buſen auf die Kniee, 


328 


Auf des roten Lahfes Finnen. 
Mäinämöinen ſelbſt, der alte, 
Stieß das Schwert ins Meer danieder, 
Und zertheilte fo den Fiſch, 
Zog das Haubt in feinen Nachen, 
Ließ den Schwanz im Meere liegen. 
Senes blickt er an, und wendets: 
Was fan draus der Schmied verfert'gen? 
Was kann Kraus ber Schmieber ſchmieden? 
Wäinämöinen felbft, der alte, 
Nimmt auf ſich des Schmiedes Arbeit, 
Macht vom Bein des Hechts die Harfe, 
Macht dag Kaniele von Graͤten, 

Und von Fifchgeripp die Leier. 
Und woraus der Harfe Schrauben? 
Aus des großen Hechtes Zähnen. 
Und woraus ber Harfe Saiten? 

Aus dent Haubthaar Kalevas. 
Zu dem Sohne ſprach der Alte: 
Hole mir mein Kantele 

Unter die geivohnten Finger, 
Unter die gewohnten Hände! 
Treude firdmt num über Freude, 
Auf Gelächter folgt Gelächter, 
Während fpielet Wäinämsinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fiſchgeripp der Leier. 
Keines ward im Hain gefunden, 


329 


Sei es auf zwei Ylügeln fliegend, 
Sei es auf vier Füßen laufend, > 
Das nit eilte, zuguhören, 
Während fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fifchgeripp der eier. 
Selbft der Bär im Walde fließ 
it der Vruſt ſich gegen Zäune, 
Während fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fifchgeripp der Leier. 
Selbft des Waldes alter Vater 
Schmücdte fih mit rotem Schuhband, 
Während fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten. \ 
Selbſt des Waflers gute Mutter 
Bierte fih mit blauen Strümpfen, 
Ließ in grünen Gras ſich nieder, 
Um das Saitenfpiel zu Hören, 
Während fpielte Wäinämöinen 
Auf dem Kantele von Gräten, 
Auf dem Fiſchgeripp der Leier. 
Und dem Wainaͤmsinen ſelbſt 
Floſſen Thraͤnen aus den Augen, 
Dicker noch als Heidelbeeren, 
Größer noch als Schnepfeneier, 
Nieder auf den breiten Buſen, 


Bon dem Bufen.auf die Kniee, ff 


330 


Bon den Knieen auf die Füße: 
So durchnaͤßten Wafferperlen 
Fünf von feinen Wollenmänteln, 
Acht von feinen Zwillichröden. 


Aus dem Solländifchen. 
Bon Cats. 
Da dieß Röschen lind 
Stetd am Stiel fi hob, 


Da's Fein fpielend Kind 
Sn den Kranz verwob; 


Da's Fein Junggeſell 
Seiner Freundin gab, 
Welkt es doch ſo ſchnell? 
Faͤllt es doch ſchon ab? 


— — — — 


Aus dem Staliänifchen. 


Einft erblidt’ ih, Euphroſine, 
Mit Erſtaunen einft’den Amor, 
Bon den loſen Augen hatt. er 
Seine Binde weggefhoben; 
Bor der Staffelei befchäftigt, 
Sah ih ihn gar emfig malen. 


‘331 


Als ich naher Hingetreten 

Zu dem Fleinen, neuen Maler, 

Mar ich doppelt Hoch verwundert; 
Denn es war ein Pfeil der Binfel, 
Denn es war mein Herz die Leinwand, 
Und dein Bilpniß, was er malte. 


Homanze aus dem Altipanifchen. 


Einmal war's im Maienmonde, 
Menn uns quält die Hike ſchon, 
Wenn die Nachtigall eriwiedert 

Auf der ſchnellen Lerche Ton, 

Menn Geliebter und Geliebte 
Huldigen der Liebe Frohn; 

Aber ich nicht, armer Knabe, 

Denn mir fpricht der Kerfer Hohn. 
Weiß nicht, wann der Tag gefunfen, 
Weiß nicht, wann die Nacht entflohn: 
Sonft wohl fang mir früh ein waches 
Vögelchen im Silberton. 

Hat mirs nun ein Schüb erfchoflen, 
Gebe Gott ihm. böfen Lohn! 


332 


Nomanze aud dem Altſpaniſchen. 


Hochzeit hielt man dort in Frankreich, 
In Baris mit Prunf und Zier, 
Tanzend führte Donna Clara, 

Und die Andern folgten ihr. 

Ei, mit welchen Liebesblicken 

Sah der Graf fie, Don Ramir! 

Sag mir, guter Graf, was fiehft du? 
Guter Graf, was fiehft du hier? 
Siehſt du etwa Hin zum Tanze, 

Oder fichft du Her zu mir? 

Nicht den Tanz betracht' ih, Tanzen 
Wohnt' ich bei, gar hold und fein: 
Deine Lieblichkeit betracht' id), 

Aber ah, fe macht mir Pein! 

Wenn id dir, Herr Graf, gefalle, 
Flieh mit mir im Mondenjchein: 
Mein Genial iſt alterſchwaͤchlich, 

Und er holt uns nicht mehr ein. 


% 


Spnett von Gampenß, 


Mas beut die Melt, um no darnach zu fpähen, 
Wo ift ein Glück, dem ih mich nicht entfchwur ? 
Verdruß nur kannt' ih, Argwohn kannt' id nur, 
Did, Tod, zulegt, was Eonnte mehr geſchehen? 





333 


Dieß Leben reizt nicht, Leben zu erflchen, 

Daß Gtam nicht töte, weiß ich, der's erfuhr: 
Birgſt du noch groͤßres Mißgeſchick, Natur, 
Dann ſeh ich's nah, denn Alles darf ich ſehen! 


Der Unluſt fange ſtarb ich ab und Luft, 
Selbft jenen Schmerz verſchmerzt' ich, büßt' ich ein, 
Der Fängft die Furcht gebannt mir aus der Brufl. 


Das Leben fühlt ih ala verliebte Pein, 
Den Tod als unerfeglichen Berluft, 
Trat ich nur darum in das furze Sein? 





Eingang von Ikaudr:Rameh. 
‚Aus ver Perfifchen des Niſami. 


D Herr, dem die Herrfähaft der Melt angehört, 

Und dem mein Gemüt bier Gehorſam beſchwoͤrt, 

Du ſchirmſt, was erhöht if, du ſchirmſt was gering, 
Das Weltall, es ift nicht, du biſt jedes Ding. 

Es zeigt ung die Schöpfung, was hoch ift und tief, 
Du biſt's, defien Allmacht hervor Alles rief. 

Du Allwifler biſt's, ver, was Nacht ift, erhellt, 

Dein Kiel if die Weisheit, dein Schreibbuch die Welt. 
Den Zeugniffe, daß du der Wahrhaft'ge ſeiſt, 

Berlieh fhon am Anfang Beweiskraft der Geiſt. 


334 | 


Den Geiſt haſt du lichtvoll zum Blitz uns gemadit, 
Die Welt für den Anfang zum Sig uns gemacht. 
O du, der den Sternhimmel. anzündeteft, 

Die Erb’ uns als Herberge blos grünbeteft, 

Ein Tröpflein erfhufft du zum Meerwaflerfchwall, 
Den koſtbar'n Juwel bildet dein: Sonnenball. 


run [ee u — 





Kahbildungen 
aus dem Divan des Hafis. 
1822. 


I. 


Schenke, durch die Blut des Weines 
Laß den’ Becher Feuer fangen, : : 

Sänger, fpiele mir ein Liedchen, 

Denn es geht mir nad) Verlangen! 


Die ihr ohne Kunde bliebet 

Bon der Trinfer ſüßem Glüde: 
Wißt, ver Becher firalt die and; 
Die geliebte, mir zurüde. 


Keiner wird des Todes flerben, 
Den lebendig macht fein Lieben, 
Darum iſt im Weltenbuche 
Meine Dauer eingeſchrieben. 


335 


Nur fo lange find die Reize 
Gültig mir von diefen Schlanfen, 
Als ih meine Ceder fehe 

Zierli mir entgegenfchwanfen. 


D was bift du fo beharrlich 

Zu vergefien mich, befliffen? 

Kommt ja doch von felbft die Stunde, 
Welche nichts von mir wird wiflen! 


Weil der Rauſch mir lieblich fcheinet 
In dem Auge meines Holden, 

Laß ich gern die Zügel ſchießen 
Senen andern Trunfenbolben. 


I. 


Dazu leb' ih, dag mein Bufen 
Deiner Lieb’ ein Zelt entfalte, 
Und mein Auge ward gefchaffen, 
Daß es dir den Spiegel halte. 


Ich, der fonft vor Beiden Welten 
Trug das ftolge Haubt gerade, 
Beuge nun den will’gen Naden 
Den Gewichte deiner Gnade. 





336 
Sudt den Baum des Paradiefes, 
Und ich ſuche meinen Schlanfen: 


Jenachdem das Herz des Menfchen, 
Sind auch ihre Herzgebanfen. 


Denn au unfer Saum befledet, 
Iſt uns doch ein Troft geblieben: 
Alle Welt ift von der Reinheit 
Defien Zeuge, den wir lieben. 


Unfer Rei ift nun gefommen, 
Da des Medſchnun Zeit vergangen, 
Und fünf Tage, das iſt Alles, 
Was wir vom Gefſchick verlangen. 


IN. 


Diefe Brauen, diefe dichten, 

Die fi Hoch im Bogen drehen, 
Haben, mich zu Grund zu richten, 
Gar zu fehr es abgefehen. 


Da beranfcht und fchweißbefeuchtet 
Du dich zeigſt im Garten wieder, 
Wirft dein Auge, wenn es leuchtet, 
Feuer in den roten lieder. 


337 


‚Als ich mich zur Gartenſthung 
MWeinestrunfen hinbeweget, 

Hat die Knospe Zweifel über 
Deinen Mund mir vorgeleget. 


Als das Beildhen, putzerfahren, 
Seine Lödchen ih gekraͤuſelt, 

Hat der Aſt von deinen Haaren 
Ihm ein Wort in's Ohr geſaͤuſelt. 


Als es der Jasmin vernommen, 
Daß er dir verglichen werde, 

Warf er durch die Hand des Windes 
In den Mund ſich Staub und ‚Erbe. 


In des Weins Rubinenjtuffe 
Will ich meine Kutte negen: 
Ewigem Vorherbeſchluſſe 

Laͤßt ſich Nichts entgegenfetzen. 


— —— — — — 


IV. 


Wann die roten Roſen blühen, 
Singt die Nachtigall im Rauſche, 
Trunkenheit wird ausgerufen, 
Zeitverehrer, Sofi, lauſche! 


Biaten, ſammtl. Werte. 11 


22 


Was zu Grund gelegt die Buße, 
Glich an Feſtigkeit dem Steine; 
Doch ein gläfernes Pokälchen 
Hat's zerbrocdhen mit dem Weine. 


Quaͤle nit mit IR und Nichtiſt 
Deine Seele, fei zufrieden, 
Denn das Nichtiſt it das Ende 
Des Vollkommenſten hienieben. 


Aſſafs Ruhm und Bögelfprache, 
Ka, der Wind, den er befhritten, 
Frommten dem Beſitzer wenig, 
Sind ihm in den Wind geglitten. 


Wünſche Flügel nicht und Schwingen, 
Denn die Pfeile mit Gefieder, 

Wenn auch durch die Luft fie bringen, 
Fallen doch zur Erbe wieder. 


Wie vermöcdte meine Zunge, 
Mie mein Kiel, dafür zu danken, 
Daß von Mund zu Munde gehen 
Meine Reden und Gedanfen? 


V. 
Wie des Weines Sonn' im Oſten 
Des Pokales aufgegangen, 
Gehen auf mir tauſend Tulpen 
Aus dem Beet der Schenkenwangen. 


Wenn der Duft aus deinen Haaren 
Weht im Garten leiſ und loſe, 
Schlaͤgt ein Wind der Hyacinthe 
Locken an die Bruſt der Roſe. 


Klagen ob der Nacht der Trennung 
Faſſen nicht ihr Leid, ihr wahres, 
Hundert Bände find ein einz'ger 
Abfchnitt ihres Kommentares. 


Trägft du, wie Prophete Noah, 

Die Gefahr der Flut ergeben, 

Wird das Leid dem Wunfche weichen, 
Taufend Jahre noch zu Ichen. 


Einen Platz am Tiſch des Glückes 
Kannft du fonder Klage miſſen, 
Denn auf Hundert Bitterkeiten 
Kommt zu flehen jeder Biſſen. 


Keiner wird ich ſelbſt erbeuten 
Seines Wunſches Kronjumele: 
Daß du Feine Hülfe braucheſt, 

Iſt ein Wahn in deiner Seele! 


338 


Was zu Grund gelegt die Buße, 
Glich an Feſtigkeit dem Steine; 
Doch. ein gläfernes Pokälchen 
Hat's zerbrodhen mit dem Weine. 


Quaͤle nit mit Iſt und Nichtiſt 
Deine Seele, fei zufrieden, 

Denn das Nichti iſt das Ende 
Des Bollfommenften hienieben. 


Aflafs Ruhm und: VBögelfprache, 
Ya, der Wind, den er befchritten, 
Frommten dem Beſitzer wenig, 
Sind ihm in den Wind geglitten. 


Wünſche Flügel nicht und Schwingen, 
‚Denn die Pfeile mit Gefieder, 

Menn auch durch die Luft fie dringen, 
Fallen Doch zur Erde wieber. 


Wie vermöchte meine Zunge, 
Wie mein Kiel, dafür zu danken, 
Daß von Mund zu Munde gehen 
Meine Reben und Gedanfen? 


— — — — — — — — 


N. 


Wie des Meines Sonn’ im Often 
Des Pofales aufgegangen, 
Gehen auf mir taufenn Tulpen 
Aus dem Beet der Schenfenwangen. 


Menn der Duft aus deinen Haaren. 
Meht im Garten Yeif und loſe, 
Schlägt ein Wind der Hyacinthe 
Locken an die Bruft der Rofe. 


Klagen ob der Nacht ber Trennung 
Faſſen nicht ihr Leid, ihr wahres, 
Hundert Bände find ein einz'ger 
Abſchnitt ihres Kommentares. 


Trägft du, wie Prophete Noah, 

Die Gefahr der Flut ergeben, 

Wird das Leid dem Wunfche weichen, 
Taufend Jahre noch zu leben. 


Einen Pla am Tiſch des Gluͤckes 
Kannft du fonder Klage miflen, 
Denn auf Hundert Bitterkeiten 
Kommt zu flehen jeder Biſſen. 


Keiner wird ich jelbft erbeuten 
Seines Wunfches Kronjumele: 
Daß du Feine. Hülfe braucheft, 

Iſt ein Wahn in deiner Seele! 


340. ü 
Wenn fi über meinem Grabe 
Deiner Locke Duft ergoſſen, 


Merden aus dem Staub des Leibeg 
Hunderttaufend Tulpen fproffen. 


VI. 
Ein Paar Engel ſah ich geſtern 
Klopfen an das Haus der Zecher, 
Adams Lehm zum Teige knetend, 
Warfen ſie ihn in den Becher. 


Und ſo mochten die Bewohner 

Des Harems der keuſchen Sphaͤren 
Mit dem Bettler an der Straße 
Den Pofal des Rauſches leeren. 


Laß die zweiundſtebzig Selten . 
Zanfen, ohne fie zu richten, _ 
Da die Wahrheit nicht fie ſahen, 
Mußten fie ſich Was .erpichten. 


Länger konnte nicht der Himmel 
Das Gewicht des Glanbens tragen, 
Mir, dem Rafenden aus Liebe, 
Ward durch's Loos 8 jugefihlagen. 


341 


Keiner zog, wie ich, den Schleier 
Bon der Wange den Gefühlen, 
Seit im Haar der Braut des Wortes 
Si ein Kamm getraut zu wühlen. 


—— — — — — 


VII. 


Nun entſpringt dem Nichts die Roſe, 

Um den Lenz im Hain zu grüßen, 

Und des Veilchens Haubt, voll Ehrfurcht, 
Legt ſich zu der Roſe Füßen. 


Laßt dem Garten neu entſtammen 
Zoroaſters alten Glauben, 

Denn von Nimrods Feuer flammen 
Schon die Tulpen in den Lauben. 


Nie zur Zeit der Rofen figet 

Ohne Freund und Wein und Leier! 
Denn nur eine kurze Woche 

Dauert alle Rofenfeier. 


Wenn die Lilie blüht und Roſe 
Giebts ein Paradies auf Erben; 
Doch was frommt es unferm Loofe, 
Da wir nit verweilen werben? 





842 


Mel, wie Salomon, die Rofe 
NReitend in den Lüften ſchwimmet, 
Haben fchon die Pfalter Davids 
Nachtigallen angeſtimmet. 


— — — — — mn 


VIH. 


‚Schenke, bring den Duell der Jugend, 
Zween Pokale bring in Eile, 

Boll von veinem Rebenblute, 

Das den Schmerz der Liebe heile! 


Bringe, was dem alten Zedher, 
Mas dem jungen ſchaffet Wonne!. 
Mein ift Sonne, Mond ift Becher, 
Bring im halben Mond die Sonne! 


Die Vernunft if widerfpenftig, 
Ihrem Naden bringe Schlingen! 
Naſſes Feuer ſollſt du ſchlagen, 
Feuerwaſſer ſollſt du bringen! 


Gieb dem Trunknen Wein, und gaͤnzlich 
Werd' ein Lump ich und ein Praſſer! 
Mag die Roſe ſich entfernen, 

Reiner Wein it Hofenwafler! 


343 | 


Menn die Lieder auch verhallen, 
Bringe mir ein Glas und klinge! 
Klage nicht um Nachtigallen, 
Barbiton und Geige bringe! 


Sieb den - Schlaftrunt, denn im Schlafe 
Wird mir ihr Genuß zu Theile! 

Sei es Tugend ober Laſter, 

Sieb mir vollgemefien, eile! 


IX. 


Nachtigallenlieder tönen 

Aus den Zweigen der Eypreiis, 
Daß fih nie ein böfes Auge 
Rofen anzufhau'n vermefle. 


Rofe, danfend deinem Glücke, 
Daß die fchönfte du vor Allen, 
Zieh dich nicht fo ſtolz zurüde 
Bon den armen Nachtigallen! 


Wenn du je dich mußt entfernen,‘ 
Wil ih mid) nicht weich geberben, 
Duch Entfernung will ich lernen, 
Deiner Nähe froh zu werben. 


\ 





344 


Fromme laßt von Huris reben, 
Harrend im Pallaft von Golde, 
Do mir iR die Schenk' ein Even, 
Eine Huri meine Holde. 


Wenn die Andern ihre Triebe 
Dur Begier und Luft vergeuden, 
Wird der Schmerz um deine Liebe 
Mir zur Quelle Hoher Freuden. 


Trinfe Wein beim Laut der Sinfen, 

. Ohne did) zu grämen, Armer! 

Sagt man dir: Du ſollſt nicht trinken! 
Sage: Gott ift ein Erbarmer! | 


) 
Diefe Klagen ob der Trennung 
Darf du dir nicht mehr gefatten; 
Den Berein erhöht die Trennung, 
Und das Licht erhöht der Schatten. 


— — — — — 


x; 


Komm, ich athme Seelendüfte, 
Die fih jener Wang’ entfhwangen, 
Und dem Herzen warb ein Zeichen 
Eingebrüdt von jenen Wangen. 


FR die Deutung auch geblieben. 
Bon der Huri's heil’gem Prangen? 
Eommentare find gefchrieben, 

Lest fie ab von jenen Wangen! 


Gedern wurden krumm wie Weiden, 
Als. wir jenen Wuchs befangen, 
Du erröteteft befcheiden, _ 
Rofenbeet, von jenen Wangen. 


Bor der Weiße deiner Glieder 
Sind Iasmine fihambefangen, 
Und in Blut getaucht der lieber 
Durch den Purpur jener Wangen. 


Düfte hat die Moſchusblaſe 

Nur aus jenem Haar empfangen. 
Roſenwaſſer prunkt im Glaſe 
Mit Geruch von jenen Wangen. 


Weil ſie dich geliebt, den Stolzen, 
Iſt die Sonn' in Schweiß zergangen, 
Und der Neumond iſt geſchmolzen 
In der Hoͤh' vor jenen Wangen. 


— — — — 





846 
Schenfe! laß uns munter zechen, 
Laß im Rofenhain ung Eofen, 


Laß uns das Gelübde brechen, 
Denn es ift die Zeit ber Mofen! 


Penn wir nach dem Garten wallen, 
Mollen lärmen wir und tofen, 
Wollen, wie die Nachtigallen, 
Sinfen in das Neft der Rofen! 


Leeret unter biefen Baͤumen 

Den Pokal, den forgenlofen, 
rende darf nit länger ſaͤumen, 
88 befahlen es die Rofen. 


Kommt der Lenz, fo magft bu denfen, 
An des Jahrs Metamorphofen! 
Heifche Wein und einen Schenfen 
Unter einem Zelt von Rofen. 


XI. 


Sei gefegnet mir, Umarmung, 

Sei gefegnet, Lippenhauch! 

Für mein Glück dem Schöpfer dank ich, 
Für mein Leben danf ich auch. 


347 


Sprich nicht von den Sternen, Frommer, 
Iſt's ein Stern von gutem Braud, 

Wird das Glas mir fein in Händen, 
Und des Liebchens Locken auch. 


Schiltſt du der Verliebten Wandel? 

Schiltſt du Trunkener Gebrauch? | , 
Sind doch rote Lippen lieblich, 

Süße Weine find es aud. 


Daß dein Geift in der Zerſtreuung 
Nicht verivehe, wie ein Rauch, 
Kodre nur die Liederſammlung, 
Fodre nur den Becher and! 


Geuß die Hefen deiner Lippen 
Auf mich Ichmgeformten Gauch, 
Daß der Lehm rubinenfarbig 
Werde, moſchusduftig au. 


Da von deinem Liebesbade 

Tulpe blüht und Roſenſtrauch, 
Wolkenſchooß der Huld und Gnade, 
Gieb mir deinen Regen auch! 


⸗ 


— — — — 


348 
XIII. 


Deinen Moſchushaaren danken 
Veilchen ihre krauſen Locken, 
Und es kann bein holdes Lächeln 
Roſen aus der Knospe locken. 


Der ich durch der Engel Athem 
Sonſt mich für beleidigt ſchaͤtze, 
Trage nun um deinetwillen 

Einer ganzen Welt Gefhwäge! 


Deine Lieb’ ift mein Verbängniß, 
Mein Talent, die Lob zu zollen, 
Deiner Thüre Staub mein Eden, 
Meine Ruh dein Wunfch und Wollen. 


Zwar der Becher und die Kutte 
Wollen nicht zuſammen taugen; 
Do ih will mir Mühe geben, 
Zu gefallen deinen Augen. 


Einen Schag im Aermel tragen, 

Die ſich dir ale Bettler zeigen: 
Solch ein Bettler deiner Liebe 
Bird ald Shah den Thron befleigen. 


— —— — — — — 


349 
XIV. 
Als du ſaumnachſchleppend gingeſt, 
Stattlich in geſtickter Wolle, 


Schlitzten hundert Mondgefichter 
Ihr Gewand in neid'ſchem Grolle. 


Schweiß betraͤufte deine Wangen, 
Die der Wein entzündet hatte, 
Wie den Thau wir ſehen hangen 
An purpurnem Nofenblatte. 


Sprache, freundlich und verfaͤnglich! 

Wuchs, mit ſchlanken Formen pralend! * 
Auge, ſchoͤngebaut und laͤnglich, 

Angeficht, in Liebe ſtralend! 


Soll zu Nichts ih, als zum Ziele 
Deinen harten Worten taugen? 
Schmeichle mir doch heut ein wenig, 
O du Licht der beiden Augen! 


Der Sapphir des Blicks, gefiſchet 
Ward er aus der Liebe Wogen, 

und den Buchs des ſchlanken Wuchſes 
Hat die Schönheit auferzogen. 


Sn der Stabt entfachte diefes 
Munde Rubin verwirrten Handel! 
Diefen ſchoͤnen Gang betrachte, 
Diefen abgemefinen Wandel! 





348 
XIII. 


Deinen Moſchushaaren danken 
Veilchen ihre krauſen Locken, 
Und es kann dein holdes Lächeln 
Roſen aus der Knospe locken. 


Der ich durch derz Engel Athem 
Sonſt mi für beleidigt ſchaͤtze, 
Trage nun um deinetwillen 

Einer ganzen Welt Geſchwaͤtze! 


Deine Lieb' iſt mein Verhängniß, 
Mein Talent, dir Lob zu zollen, 
Deiner Thüre Staub mein Eden, 
Meine Ruh dein Wunſch und Wollen. 


Zwar der Becher und die Kutte 
Wollen nicht zufammen taugen; 
Doch ih will mir Mühe geben, 
Zu gefallen deinen Augen. 


Binen Schatz im Aermel tragen, 

Die ſich dir als Bettler zeigen: 
Solch ein Bettler deiner Liebe 
Wird als Schah den Thron beſteigen. 


349 
XIV. 


Als du ſaumnachſchleppend giugek, 
Stattlih in geſtickter Wolle, 
Schlisten hundert Mondgefichter 
Ihr Gewand in neid'ſchem Grolle. 


Schweiß beiräufte beine Wangen, 
Die der Wein entzündet hatte, 
Wie den Thau wir fehen bangen 
An purpurnem Rofenblatte. 


Sprache, freundlih und verfänglich! 
Wuchs, mit fhlanfen Formen prafend! 
Auge, fhöngebaut und laͤnglich, 
Angefiht, in Liebe ftralend! 


Sol zu Nichts ich, ala zum Ziele 
Deinen harten Worten taugen? 
Schmeichle mir doch heut ein wenig, 
O du Licht der beiden Augen! 


Der Sapphir des Blicks, geftfchet 
Mard er aus ber Liebe Wogen, 

Und den Buchs des ſchlanken MWuchfes 
Hat die Schönheit auferzogen. 


In der Stadt entfachte diefes 
Munde Rubin verwirrten Handel! 
Diefen ſchoͤnen Gang betrachte, 
Diefen abgemefinen Wandel! 


359 


Ah! Ein Hirſch mit Schwarzen Augen 
Sf mit aus dem Netz gegangen: 
Welche Hülfe fol i& meinen: 

Herzen ſchaffen, meinem bangen? 


XV 


Da das Beſte bu befitzeſt, 

Was die Welt vermag. zu fhenfen, 
Wirſt du jemals an den Kummer 
Eines armen Schwachen denken? 


Keine Mitte haft du felber, 
Und du wirft doch alle Stunden 
Als Bermittler jedes Handels 
In der Schönen Kreis gefunden. 


Weil die Weiße des Gefichtes 

Nicht entfpräche deinem Leben, 
Muß ein ſchwarzes Mofchusbärtchen 
Deine Purpurwang’ umgeben. 


Quaͤle mich mit feinem Vorwurf, 
Noch mit ungerechten Grillen! 
Doch wofern du will, fo thu' es, 
Denn ih Habe keinen Willen.. 


351: ’ 


Laß dich, immer frohen Herzens, 
Bon den Nebenbuhlern plagen, 
Menn dich die Geliebte liebet, 
Kannft du. das und mehr ertragen. 


Menn dir der Genuß des Liebchens 
Einmal ward zu Theil im Leben, 
Sehe dann, denn Alles Haft dur, 
Mas die Welt vermag zu geben! 


XVI. 
Mit dem Zeichen‘, das du kenneſt', 
Lüftchen, das mein Glüd umkreist, 


Geh vorüber der Gewiſſen 
Sn der Stunde, die du weißt. 


Sag’ ihr, daß mir aus den Händen 
Sclüpfen will der müde Geift, 
Ihre Lippe foll mir fpenden 

Sene Gabe, die du weißt. 


Diefe Ehiffern zu entziffern 

Sei fein Andrer je fo dreiſt: 
Lies fie mit dem Blick der Güte, 
Nach der Weife, die du weißt. 


* 





352 


An den goldgeſtickten Gürtel 
Band mein Hoffen ich zumeift: 
Wie fo fchmal er tft, o Liebchen, 
In der Mitte, wie du weißt! 


Sei's auf türfifh, auf arabifch, 
MWeun es nur Daffelbe Heißt: 
Schreib den Kommentar der Liebe 
Sn ber Sprache, die du weißt! 


Einzelnes. 
Zehen Tage find ber falſchen 
Bunft der Welt zur Frift gefchrieben: 
Rechne, Lieber, dir's zu Gute, 
Mas du Gutes thuft den Lieben! 


— — 





In das Land des guten Namens 
Hab' ich keinen Paß erhalten; 
Billigſt du das nicht, fo beſſre, 
Des Geſchickes ewig Walten. 


Laß mir junge Schönen kommen, 
Weil mein Leben ihr Geſchenke, 

Bring’ indeß dem alten Frommen 
Einen Gruß von mir, o Schenfe! 


—2— 


353 


Seit den Moſchus jener Loden 
Ausgeftreut des Oſtes Schwinge, 
Ringen Qualen mit dem Herzen 
Wegen diefer Mofchusringe. 


Trunfen bin ich, Tiebeäugelnd, 

Ja, gelommen vom Berflande; 

Aber fagt mir irgend Einen, 

Der’s nicht wäre hier zu Lande! 
Wenn id in der Schenke fie, 

Wenn ich mich in Tempel beuge, 
Schwebt mir deine Gunft vor Augen, 
Defien fei mir Butt ein Zeuge! 


Nie vermochten meine Thränen, 
Die dem Frühlingsregen gleichen, 
Bon der Tafel diefes Bufens | 
Deiner Liebe Bild zu ftreichen. 


Um zu fangen alle Herzen 

Durch die Wangen diefes Loſen, 
Liegt das krauſe Netz des Bartes 
Als ein Beilden auf den Rofen. 


Blaten, fämmtl. Werke IL 23 


394 


Wer fein Herz nit ſchenkt dem Liebchen, 
Kaun ja gar die Welt nicht lieben: 

Wer die Welt nicht liebt von Herzen, 
Mo ift dem das Herz geblieben? 


Auf verliebte Bettler blide 
Nie herab mit ſtolzem Hohne: 
Fürften. find es ohne Gürtel, 
Kön’ge find es ohne Krone. 


Wer ein ruhig Herz befißet, 

Und ein Liebchen, ſchoͤn vor Vielen, 
Hat das Glück zum Bufenfreunde, 
Hat den Segen zum Gefpielen. 


Sch vermag, wiewohl ich nıefle 
Mit dem Winde meine Sohlen, 
Nie die wandelnde Cypreſſe 
Deines. Wuchfes einzuholen. 


Hat vielleicht die weiße Lilie, 

Da die Nachtigall gefungen, 

Ganz im Laufchen fi verloren, 
Daß fie ſchweigt mit.zehen Zungen? 


355 


Süngling, von des Greifen Warnung 
Wende nicht zurüd bein Ohr, 

Denn man zieht den Rat des Alters 
Selbſt dem Glück der Jugend vor. 


Gaſele nach Hafis. 


Frohe Botſchaft iſt erſchienen, Frühling fäme grünbehaart: 

Mas vom Sold iſt eingegangen, ſei für Rof und Wein erſpart. 

Sagt, wo ift, da Vögel zwitfchern, wo ber Krug und wo ber 
Trunk? 

Bülbül klagt, dem Roſenantlitz wer entriß den Schleier zart? 

Roſen pflüge von des Schenken roſigem Geſichte heut, 

Denn ſchon um des Gartens Wange blüht das Veilchen rings 
als Bart. 

Ach, des Schenken Liebesäugeln hat mein Herz ſo ganz geraubt, 

Daß für Andre kein Geſpraͤch ich, Fein Gehör ich mir bewahrt! 

An der Frucht des Paradiefes findet nie Geſchmack, wer nie 

In das Apfelfinn gebiffen eines Liebchens, holder Nrt. 

Klage nicht der Schmerzen wegen, denn auf des Berlangens Weg 

Folgt ein ruhevoller Schimmer nur auf fummervolle Fahrt. 

Huf mir, Führer, auf den Pfaden in das inn’re Heiligthum, 

Beil man in der Liebe Wüfte feine Gränze je gewahrt! 





MR 


394 


Wer fein Herz nicht ſchenkt dem Liebchen, 
Kann ja gar die Welt nicht lieben: 

Wer die Welt nicht liebt von Herzen, 
Wo ift dem das Herz geblieben? 


Auf verliebte Bettler blicke 
Nie herab mit ftolzgem Hohne: 
Fürften. find es ohne Gürtel, 
Kön’ge find es ohne Krone. 


Wer ein ruhig Herz befißet, 

Und ein Liebchen, fehön vor Vielen, 
Hat das Glück zum Bufenfreunde, 
Hat den Segen zum Gefpielen. 


Ich vermag, wiewohl ich nıefle 
Mit dem Winde meine Sohlen, 
Nie die wandelnde Cypreſſe 
Deines Wuchſes einzuholen. 


Hat vielleicht die weiße Lilie, 

Da die Nachtigall gefungen, 

Ganz im Laufhen fi verloren, 
Daß fie ſchweigt mit gehen Zungen? 


| — 


350 


Züngling, von des Greifen Warnung 
Wende nicht zurüd dein Ohr, 

Denn man zieht den Rat des Alters 
Selbft dem Glück der Jugend vor. 


Gaſele nach Hafis. 


Frohe Botſchaft iſt erſchienen, Frühling kaͤme grünbehaart: 

Mas vom Sold iſt eingegangen, fei für Rof und Wein erſpart. 

Sagt, wo if, da Bögel zwitfchern, wo ber Krug und wo ber 
Trunf? 

Bülbül Magt, dem Rofenantlik wer entriß den Schleier zart? 

Nofen pflüge von des Schenfen rofigem Gefichte heut, 

Denn fhon um des Gartens Wange blüht das Beildden rings 
als Bart. 

Ah, des Schenfen Liebesäugeln hat mein Herz fo ganz geraubt, 

Daß für Andre fein Geſpräch ich, Fein Gehör ich mir bewahrt! 

An der Frucht des Paradiefes findet nie Geſchmack, wer nie 

In das Apfelkinn gebiffen eines Liebchens, holder Net. 

Klage nicht der Schmerzen wegen, denn auf des Berlangens Weg 

Folgt ein ruhevoller Schimmer nur auf fummervolle Baht. 

Hilf mir, Führer, auf den Pfaden in das inn’re Heiligthum, 

Beil man in der Liebe Wüfte keine Gränge je gewahrt! 





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